Die Produzenten von Eyeworks Germany waren in der Fernsehbranche keine Unbekannten: „Grill den Henssler“, „Bares für Rares“, „Mitternachtsspitzen“, „Goodbye Deutschland – die Auswanderer“, „Wilsberg“, „Maria Brand“ oder „Friesland – Mörderische Gezeiten“, „Lottokönige“ – das sind nur einige erfolgreiche Beispiele der Kölner TV-Macher.
Im Frühjahr 2015 hat der amerikanische Unterhaltungsgigant Warner das Unternehmen übernommen. Damit wurde Eyeworks jetzt zu Warner Bros. ITVP Deutschland GmbH und zum Produktionsarm der Amerikaner für den deutschen sowie europäischen Markt. Der alte und neue Geschäftsführer René Jamm sieht darin für sein Unternehmen eine Riesenchance: „Wir haben jetzt ein anderes Netzwerk. Wenn es um Inhalte und Visionen geht, ist das ein Paradies.“ Der Medienmanager sieht darin eine Flut von Möglichkeiten. Früher sei man beispielsweise größtenteils auf lokale Märkte beschränkt gewesen: „Jetzt können wir beispielsweise einen Piloten in Dänemark produzieren. Dazu kommt eine riesige Auswahl an Inhalten, die uns zur Verfügung stehen.“
Und so produziert Warner Bros. Deutschland aktuell beispielsweise den „Bachelor“ für RTL oder „Tiere wie wir“ mit Jürgen von der Lippe für Sat.1.
Im Gegenzug kann der US-Gigant jetzt in Deutschland Produktionen auf hohem Niveau realisieren – und macht jetzt auch Margen damit, und nicht nur mit Lizenzen wie bisher. „Mit dem Erwerb der international operierenden Eyeworks Gruppe sind sie nun auch mit einem Schlag ein weltweit agierender TV-Produzent“, erklärt Jamm. Aber das Engagement von Warner ist nicht das einzige in der Domstadt, das zeigt einmal mehr, wie sehr sich das Fernsehgeschäft internationalisiert hat: Die TV-Produktionsfirmen Endemol Deutschland und Shine Germany fusionieren zu Endemol Shine Germany. Das Unternehmen entwickelt, verkauft und produziert jetzt in den vier Units Comedy [&] Light Entertainment, Show, Reality und Docu [&] Factual. Direktor der Abteilung für Comedy [&] Light Entertainment ist Arno Schneppenheim, der auch als Geschäftsführer von Florida TV (“Circus HalliGalli“ oder „Mein bester Feind”) fungiert.
Ein Geflecht von Tochterfirmen und Joint-Ventures umgibt zudem die neue Unternehmenskonstruktion. Endemol beyond etwa ist eine 100prozentige Tochterfirma von Endemol Shine Germany. Zu den deutschen YouTube-Künstlern des Premium Channel Netzwerkes gehören unter anderem „Herr Bergmann” und „Mr. Trashpack”. Die Herr P. in Hamburg wiederum ist ein Joint Venture zwischen Jörg Pilawa und Endemol Shine, ähnlich wie Florida TV mit den Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Aus dem Joint Venture mit Wiedemann [&] Berg entstehen fiktionale Stoffe, etwa der Weimarer Tatort (ARD), „Tannbach” (ZDF) oder „Frauenherzen” (Sat.1). META productions hingegen ist eine 90prozentige Tochter der Endemol Shine und Die Geiss TV wurde im Januar 2015 gegründet.
CEO Endemol Shine Germany Marcus Wolter sieht in der Fusion eine große Chance: „Beide Firmen bringen eine DNA und Erfolgsgeschichte mit – diese verknüpfen wir mit der kreativen Kraft eines Startups.”
„Viele Shows, die den TV-Markt zurzeit dominieren, kommen aus dem Ausland. ‚DSDS’, ‘Super Talent’, ‚The Voice‘, ‚Germanys Next Top Model‘, ‚Höhle des Löwen‘ oder ‚Perfektes Dinner‘“, stellt Brainpool-Chef Jörg Grabosch fest, „es gibt nur wenige deutsche Formate, die erfolgreich sind.“
Grabosch gehört zu den wenigen deutschen Produzenten, die erfolgreich Light Entertainment für das deutsche Fernsehen herstellen, etwa „Schlag den Raab“. Das Format wurde sogar ins Ausland verkauft und lief beispielsweise in Großbritannien als „Beat the Host“, hergestellt im Köln-Mülheimer Brainpool-Studio. Auch das Format „Turmspringen“ der Kölner ging in 13 Länder und hatte beispielsweise in China laut Grabosch 480 Millionen Zuschauer.
Aber selbst Brainpool ist mittlerweile zur Hälfte im Besitz des französischen Unterhaltungsproduzenten Banijay. Und schaut man in die Abspänne der abendlichen leichten Fernsehunterhaltung, sieht man immer wieder die Namen von ITV Studios Germany, Endemol Deutschland und Shine Germany beziehungsweise Endemol Shine, Eyeworks Germany beziehungsweise Warner Bros. ITVP oder All3Media – allesamt Mitglieder ausländischer Produktionsnetzwerke. Selbst die UFA ist Teil der in London ansässigen weltweit aktiven Fremantle Gruppe.
Aber wie kommt es, dass auf einem der größten Medienmärkte der Welt bisher kaum eigene Entertainment-Formate entwickelt wurden?
„Die Entwicklung von Formaten bedeutet zeitlich und wirtschaftlich einen großen Aufwand, was nur Sinn macht, wenn es breite Auswertungsmöglichkeiten gibt. Diese sind in der englischsprachigen Welt gegeben.“ Das sagt Moritz von Kruedener aus der Geschäftsführung von Beta Film. Die BBC beispielsweise gestehe Entertainment-Formaten eine größere Bedeutung zu als das bei deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern der Fall ist, die Entertainment nie als Kernthema gesehen hätten. Der wesentliche Punkt, so von Kruedener: „Die großen Produktionen entstehen hier durch Senderauftrag und werden meist voll aus Deutschland finanziert. Das fördert nicht die Notwendigkeit, auch mit Blick auf den internationalen Markt zu produzieren.“
Das sieht Grabosch ähnlich: „Jemand wie John de Mol sitzt in Holland und denkt nur in Formaten. Für ihn macht die Entwicklung eigener Ideen ökonomisch nur Sinn, wenn er sie weltweit verkaufen kann. Diesen Druck hat in Deutschland niemand. ‚Schlag den Raab‘ ist in der deutschen Variante schon profitabel. Wenn es auch im Ausland gekauft wird, freuen wir uns natürlich über diese on top-Einnahmen.“
Aber auch im Ausland scheinen die Ideen zu versiegen. Im Gegensatz zu früher, werden dort kaum noch Formate entdeckt, die für massentauglich befunden werden.
Eine Erklärung dafür gibt TV-Unterhaltungsprofi Oliver Fuchs: „Im Grunde stehen alle Märkte vor der gleichen Aufgabe. In einem Markt, auf dem immer mehr Inhalte nichtlinear konsumiert werden, wird es bei der klassischen Show-Unterhaltung einen Rückgang geben.“
Auch bei Beta Film scheint die allgemeine Umorientierung den Ausschlag gegeben zu haben, in das TV-Entertainmentgeschäft einzusteigen – mit der Tochterfirma Seapoint, die für den deutschen Markt und den ausländischen Markt Formate entwickeln soll. Jamm jedenfalls erwartet für die Zukunft gute Geschäfte und prognostiziert auch einen neuen Trend: „Es wird ein Revival der deutschen Fiction geben, weil auch hier die Nachfrage bei den Sendern deutlich größer wird. Auch der klassische TV Movie Bereich mit 90minütigen Inhalten, der uns in der internationalen Fernsehwelt so einmalig macht, wird so stark bleiben wie er ist. Parallel dazu werden Serien und Miniserien einen neuen Aufschwung erleben.“
Während der Markt im Unterhaltungsbereich klar von ausländischen Produzentennetzwerken dominiert wird, möchten die Sender im Serienbereich ein Gegengewicht zu den weltweit erfolgreichen US-Formaten aufbauen. So hat ProSiebenSat.1 gerade zu einem Pitch aufgerufen. Produktionsfirmen können ab sofort Konzepte für Serien einreichen, die mit filmischen Look und hohem Unterhaltungswert überzeugen und ein internationales Publikum ansprechen sollen.
Bei den Münchnern wird dieser Schritt als logischer Schritt gesehen, denn internationale Koproduktionen sollen dort auch zukünftig ein wichtiges Element in der Inhalte-Strategie des Konzerns sein. Andere Sendergruppen möchten ebenfalls mit eigenen Produktionen ebenfalls am Weltmarkt erfolgreich werden. So kooperiert die Mediengruppe RTL im Serienbereich mit dem französischen Sender TF1 und der Produktionsfirma NBC Universal (NBCU). Der Pay-TV-Anbieter Sky wiederum arbeitet aktuell mit Partnern wie der ARD und Sky Italia an mehreren Koproduktionen.
Winfried Urbe
MB 5/2015