Was ist zentrale Aufgabe der Fraunhofer Institute?
Die Fraunhofer-Institute sind in Deutschland die größte Vereinigung für angewandte Forschung. Dies bedeutet, Ergebnisse zu schaffen, Patente zu schreiben und sie der Industrie zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Die 59 Fraunhofer-Institute haben insgesamt 17.000 Mitarbeiter. Im Schnitt sind das dann weniger als 300 Mitarbeiter pro Institut. Eine Größe mit der man gut arbeiten kann, denn jedes Institut muss sich durch seine Erfolge selbst tragen.
Das Heinrich-Hertz-Institut hat etwa 270 Mitarbeiter, die überwiegende Zahl Wissenschaftler, die sich mit einer ganzen Reihe von Themen beschäftigen. Dazu gehört etwa die Photonik, also Glasfasernetze zur Datenübermittlung. Aber auch Mobilfunknetze der neusten Generation (LTE) sind ein Thema. Und natürlich die autostereoskopischen Displays, also stereoskopisches Sehen ohne Brille.
Kann oder will die Industrie diese Forschung nicht selbst erbringen?
Das berührt die Frage, wie die deutsche Forschungspolitik und -landschaft aufgestellt ist. Einerseits forschen die großen Firmen selbst, aber es wird auch an den Universitäten geforscht. Nun hat man festgestellt, dass der Weg von der Uni, von der Idee in die Firmen hinein oft sehr lang ist. Diese Transferschwierigkeiten sollen die Fraunhofer-Institute ausräumen. In vielen anderen Ländern gibt es keine explizit ausgewiesenen Organisationen wie die Fraunhofer-Institute, die diese
Vermittlerfunktion haben, aber etliche Länder fangen bereits an das Fraunhofer-Modell für sich zu kopieren. Insgesamt eine Erfolgsgeschichte, denn Fraunhofer gibt es schon seit 60 Jahren. Wichtig ist die Arbeit von Fraunhofer insbesondere für den Mittelstand, der sich eigene Forschungsabteilungen im Gegensatz zu den großen Konzernen nicht leisten kann.
Wieso forscht das Heinrich-Hertz-Institut an autostereoskopischen Displays?
Als Institut für Nachrichtentechnik ist einer der Schwerpunkte des HHI auch das Fernsehen. Das bezieht sich nicht nur auf die Übertragungstechnik, sondern auch auf die Aufnahme und die Wiedergabe des Fernsehbildes an sich. Vor über 20 Jahren gab es beispielsweise schon Vorarbeiten für die Entwicklung von HDTV. Daran kann man sehen wie lang die Zyklen sind bis ein Produkt im Markt angekommen ist. Wenn es ums Fernsehen geht, muss man sich konsequenter-weise auch mit den Displays beschäftigen, denn über sie wird das übertragene Bild ausgegeben. Aus den fünfziger Jahren gibt es eine interessante Umfrage. Man hatte sich überlegt, was man zur Verbesserung des Fernsehbildes braucht und hat zwei Dinge identifiziert:
Farbe und Tiefendarstellung, also stereoskopisches 3D. Dann hat man eine Umfrage gemacht, was den Menschen wichtiger ist. Dabei hat sich heraus gestellt, das 3D wichtiger ist als Farbe. Nur war es einfacher Farbe auf den Bildschirm zu bringen.
Diese kleine Geschichte zeigt, dass das 3D-Thema für das Fernsehen schon sehr lange gesetzt ist. Aber erst jetzt ist es in technisch befriedigender Qualität machbar, weshalb es als vermeidlich neu in den Fokus geraten ist. Dennoch sind wir heute immer noch an dem Punkt Lösungen zu suchen, die in der Praxis mit vernünftigem Aufwand umsetzbar sind.
Im Kino sind Brillen für 3D akzeptiert. Im Heimbereich wünscht man sich aber eine Alternative. Was braucht man da?
Zwischen 3D mit und ohne Brille gibt es eine grundsätzliche Gemeinsamkeit. Um 3D-Bilder sehen zu können, müssen zwei versetzte Versionen desselben Bildes synchron aber unabhängig voneinander in jeweils ein Auge projiziert werden. Das Gehirn setzt die beiden Bilder, die sich nur durch ihren seitlichen Betrachtungs-winkel voneinander unterscheiden, zusammen und es entsteht ein räumliches, ein stereoskopisches 3D-Bild. Auf dem Weg von der Bildquelle zum Auge muss ein Filter dafür sorgen, dass das jeweilige Auge nur die Bildversion erhält, für die es bestimmt ist. Das kann man mit Hilfe der Brille machen oder bereits am Display selbst.
Wie geht das?
Man muss mit einer technischen Einrichtung dafür sorgen, dass das Display die beiden Bilder in einem unterschiedlichen Winkel so abstrahlt, dass jedes nur im dafür vorgesehenen Auge ankommt. Die Herausforderung ist, dass die beiden Augen ja nur circa sechs Zentimeter voneinander entfernt sind und der Abstrahl-winkel für die Bilder daher sehr klein ist, so dass sie sich leicht überlappen können. Dieses Problem ist mittlerweile auf nahezu zehn verschiedene Weisen gelöst. Bei der am weiten verbreitesten Lösung, dem Multiview-Verfahren, das weltweit über ein Dutzend Anbieter nutzen, wird über eine gewisse Anzahl von Bildpixel – zum Beispiel neun – eine Linse mit einer passenden Brechung gelegt. Je nach Standort sieht der Betrachter zwei dieser neun unterschiedlichen Ansichten.
Wenn das jetzt so toll funktioniert, warum wird dann weiter geforscht?
Das Problem beim Multiview-Verfahren ist, dass man sich zwar von Bild Eins bis Neun seitlich hindurchbewegen kann, es aber kein Bild Zehn gibt. Dann springt der Durchlauf auf Bild Eins zurück. Dadurch entsteht ein Störbereich. Wenn Sie nun Fernsehen gucken, müssen Sie sich so positionieren, dass Sie nicht in dem Störbereich sitzen. Ein anderes Problem ist das Bild selbst. Für jede Zone muss das Display ein eigenes Bild ausgeben. Das geht zu Lasten der Bildauflösung, die je nach Anzahl der Bilder beziehungsweise Zonen entsprechend geteilt wird. Ein HD-Panel fällt dann rasch unter VGA-Auflösung, wenn es für ein 3D-Gerät genutzt wird.
Wie viele Zuschauer können beim Multiview zusehen?
Die neun Ansichten bilden eine Bildzone. Eine solche Zone kann von ein bis zwei Leuten genutzt werden, aberman muss sich immer richtig positionieren.
Was aber, wenn die Zonen beziehungsweise Ansichten nicht voll genutzt werden?
Dann schicken wir die Bildinformationen ins Leere. Wenn wir aber wüssten, wo jemand steht, dann könnten wir effizienter arbeiten und eine höhere Bildqualität erhalten.
Was dann zur Blickverfolgung, dem Eyetracking, führt.
Ja. Dieses System verfolgt Gesicht und Augen und schickt das Bild immer zielgenau auf das richtige Auge. Dafür brauchen wir aber eine neue Technologie. Diese muss in Echtzeit den Blick des Zuschauers erkennen und verfolgen unabhängig davon ob er einen Bart trägt, eine Brille, welche Frisur er hat oder welche Hautfarbe. Wenn diese Technik die erforderlichen Informationen fehlerfrei liefert, müssen mit ihr das Bild mit der Augenposition abgestimmt werden und zwar beinahe in Echtzeit. Das ist einer unserer Forschungsschwerpunkte am HHI, den wir auch auf der IFA präsentiert haben. Das Problem, das hier gelegentlich noch sichtbar ist, ist das sogenannte ‘Übersprechen’ – ‘Cross-Talk’ auf Englisch. So nennt man es, wenn ein Auge die Information erhält, die eigentlich für das andere Auge gedacht war.
Blickverfolgung funktioniert aber nur für eine Person, wie man noch auf der IFA sehen konnte.Es ist auch möglich eine Blickverfolgung für eine zweite Person einzurichten, aber dann müssen die Bilder für diese Person zusätzlich in deren Richtung geschickt werden. Das ist schwierig. Das könnte man durch eine Zeittaktung hinbekommen, indem die Bilder im Interlace-Verfahren abwechselnd in die eine und dann wieder in die andere Richtung geschickt werden. Auch könnte man mit der Beleuchtung arbeiten, aber beide Verfahren sind nicht wirklich ideal. Hinzu kommt, dass auch hier die Auflösung der Bilder mit ihrer Anzahl sinkt.
Und was ist gerichtetes Backlight, ein System von 3M?
Das ist eine der anderen Möglichkeiten der Trennung.
Normalerweise wird ein Display gleichmäßig von hinten beleuchtet. Wenn man jetzt das Gegenteil tut und dafür sorgt, dass die Beleuchtung fast wie ein Laser den Pixel nur aus einer bestimmten Richtung sichtbar macht, dann ist es möglich, dass es nur von einem Auge wahr genommen wird. 3M macht dies mit einer Folie, die das Licht reflektiert und leitet, aber das Stereobild ist nur in der Mitte des Bilds zu erkennen.
Wo stehen wir heute in der Entwicklung autostereoskopischer Displays?
Wir haben im Grunde zwei Technologien, die aber beide noch nicht das leisten, was wir uns wünschen. Daher müssen wir von den Anwendungsgebieten ausgehen. Wenn also ein Arzt eine 3D-Darstellung braucht, ist die hohe Auflösung wichtiger und wenn eine zweite Person dabei ist, nimmt man eben ein zweites Display dazu. Im Fernsehen und der öffentlichen Werbung dagegen geht das absolut nicht.
Je nach Situation gibt es bei Stereo-3D also unterschiedliche optimale Lösungen. So auch beim Kino. Es wird auf absehbare Zeit keine Technik geben, die 3D im Kino ohne Brille ermöglicht, weil dann ja für jeden Zuschauer ein eigenes Bild erzeugt werden muss. Zuhause ist neben Sehen mit Brille Multiview realistisch, schaut man alleine ist die Blickverfolgung optimal und bei mobilen Geräten, deren Displays sehr klein sind, muss man eigene Lösungen für Stereo finden. Das ist der Stand der Dinge, an dem wir weiter arbeiten: Auflösung erhöhen,Übersprechen minimieren aber auch die Möglichkeit das Display zwischen 2D und 3D entsprechend der Ausgangsquelle hin und her zu schalten.
Ist absehbar, wann alle noch bestehenden Probleme gelöst sein werden?
Prognosen kann man immer machen. Philips hat auf der IFA für 2013 brillenloses Fernsehen prognostiziert. Aber das ist schwierig. Die Frage ist, was technologisch dafür geleistet werden muss. Der Multiview-Ansatz ist da eine Lösung. Aber er birgt ein Problem, auf das ich noch nicht eingegangen bin. Ein 3D-Film wird mit zwei Kameras gedreht. Das Multiview-Verfahren hat aber neun Ansichten oder mehr. Die alle aufzunehmen, ist unrealistisch. Also werden die benötigten Bilder interpoliert, das heißt künstlich errechnet. Das ist eine neue Quelle für Fehler und zweitens ist es zeitkritisch, denn die Zwischeninterpolation in Echtzeit ist zurzeit noch nicht möglich. Das kann man irgendwann hin bekommen, denn es geht hier ja nur um Rechengeschwindigkeiten von Chips. Dann bleibt aber immer noch die Auflösung. Wenn ich ein vierfach-HD-Panel habe und neun Zonen nutzen will, hat das Bild eine knappe halbe HD-Auflösung. Damit könnte man leben. Auch ein akzeptabler Preis für das Display ist ein Kriterium. Das alles könnte in drei Jahren durchaus möglich sein. Aus unserer Sicht ist 3D ein Antrieb Displays zu entwickeln, die eine Auflösung haben, die weit über der Auflösung liegen, die das menschliche Auge eigentlich benötigt. Bis zu welcher Größe ein Pixel vom menschlichen Auge überhaupt noch wahr genommen wird, hängt vom Abstand vom Display ab und lässt sich leicht ausrechnen. 16-fach HD-Displays wären also nur für 3D notwendig.
16-fach HD heißt aber auch eine immense Summe an Daten.
Ein solches Display hat ungefähr 32 Millionen Bildpunkte. Wie bekomme ich diese Daten verschickt? Wie gestaltet sich die gesamte Produktions- und Übertragungs-kette? Das ist zwar schon das nächste Gebiet aber es ist für das Thema 3D ganz wichtig, dass bei allen Aspekten von der Aufnahme über die Produktion und Übertragung bis zur Wiedergabe alles richtig gemacht wird. In Japan gibt es mittlerweile ein Labor, in dem bewusst Störungen in 3D-Bilder eingebaut werden, um zu untersuchen wie stark sich welche Störungen auf das Wohlbefinden der Zuschauer auswirkt. Das wird sehr ernst genommen, denn man will verhindern, dass sich die Ansicht durchsetzt, Stereo-3D sei gefährlich. Das würde sonst eine ganze Branche zum Verschwinden bringen.
Welche Anwendungsbereiche gibt es für 3D-Displays?
Wir gehen davon aus, dass 3D im Fernsehbereich verstärkt kommen wird. Ich glaube kaum, dass das gesamte Programm auf 3D umgestellt wird. Aber es wird eine Auswahl an Spartensender geben. Fußball in 3D? Warum nicht?! Andere Anwendungsgebiete sind Games aber auch einen großen professionellen Bereich, der mit Unterhaltung nichts zu tun hat. Dort liegen oft dreidimensionale Daten vor und es ist plausibel, wenn man sie sich auch in 3D ansieht.
Das sind CAD/CAE (Computer Aided Design/Computer Aided Engineering), worunter der Prototypenbau, Konstruktionen, Architekturvisualisierungen und, und, und fallen und geht bis zur Medizin. Das wird ja schon gemacht. Etwa mit „Cave“. Das sind Darstellungsräume, in denen man sich innerhalb von 3D-Simulation bewegt. Bei der Medizin ist das Thema autostereoskopisches Display wie bei jeder anderen gemischten Nutzungssituation. Mit Brille kann man nicht abwechselnd auf den Bildschirm und dann wieder auf den Patienten schauen.
3D hat ja noch eine andere Fußangel: die Tiefenwirkung ist nicht überall gleich. Gibt es Lösungsansätze dafür?
Die Tiefe des Bilds ändert sich abhängig von der Größe des Displays oder der Leinwand. Farbe kann je nach Ausgabegerät rauf und runter skaliert werden, 3D nicht so leicht. Betrachtungsabstand, Größe des Geräts und 3D-Wiedergabetech-nologie verändern die wahrgenommene Tiefe. Da wird es richtig spannend. Nicht nur, dass es relevant wird, wofür der Film hergestellt wird, das Programm muss eigentlich so übertragen werden, dass es sich auf die Parameter beim Zuschauer anpasst und da ist dann eine erhebliche Rechenleistung in Echtzeit im Endgerät notwendig, um die beiden Bilder passend für den Bildschirm auszugeben.
Ein gewisser Prozentanteil der Bevölkerung kann kein Stereo-3D mit Brille sehen. Trifft das auch auf autostereoskopisches Sehen zu?
Im Prinzip schon, man spricht von fünf bis zehn Prozent. Allerdings waren in zwei konkreten Fällen Besucher unserer Demonstrationsanlagen in der Lage, dort Stereo zu sehen, was bei ihnen mit Brille nicht funktionierte.
Aber es gibt zu wenige Untersuchungen darüber, woran das liegt.
Wie sehen die Konzepte mit der Industrie aus?
Das Interesse ist groß und wir müssen uns natürlich mit der Vermarktung beschäftigen. Jetzt ist es so, dass der Markt für die 3D-Displays zunehmend von den Asiaten dominiert wird. Das konnte man sehr gut auf der IFA sehen. Da wird es für die Kleinen schwierig. Es gibt aber schon einige kleine Firmen, die autostereoskopische Displays bauen, die zwischen 5.000 bis 10.000 Euro kosten. Die Frage ist, wie viel der Kunde bereit ist, für 3D drauf zu legen. Ich glaube aber auch, dass 3D-Displays neben den professionellen und Games-Anwendungen vor allem in der Werbung Anwendung finden werden, um zusätzliche Aufmerksamkeit zu generieren.
Thomas Steiger
(MB 12/10_01/2011)
3D-Betrachtung ohne Brille
Das Thema 3D gewinnt nicht nur im Home Entertainment-Bereich an Relevanz sondern auch im professionellen Anwendungsbereich. Hier wie dort sind autostereoskopische Displays, die Stereo-3D-Sehen ohne Brille erlauben, gefragt. Sie sind insbesondere dann sinnvoll, wenn der Blick eines Betrachters zwischen Display und einem anderen Ort hin und her wandert. Am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut in Berlin wird an der Entwicklung autostereoskopischer Displays gearbeitet – mit einem Ergebnis, das sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen kann. MEDIEN BULLETIN sprach mit Ulrich Leiner, Abteilungsleiter Interaktive Medien – Human Factors am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut.