Gebündelte Kompetenz

Von den rund 2.000 Kölner Mitarbeitern der Mediengruppe RTL Deutschland im Sendezentrum in Köln-Deutz bildet die Produktionsfirma infoNetwork GmbH mit 600 Mitarbeitern die größte Unit. Es handelt sich um eine 100-prozentige RTL-Tochter. Welche strategischen Ziele stecken dahinter? Ein Portrait.

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Gebündelte Kompetenz

„Gute Geschichten sind unsere Leidenschaft“ dröhnt die aus dem RTL-Programm bekannte prägnante Off-Stimme im Werbespot für infoNetwork, womit sie eine schnell zusammen geschnittene Reality-Welt kommentiert, die aus dem Computerarchiv stammt: Erst kippt das Saddam Hussein-Denkmal dramatisch runter, dann zischt eine Tsunami-Welle hoch in die Palmen, glitzernde Geldtaler fallen auf eine Harz IV-Statistik, es folgt eine Explosion, der Fehlstart einer Rakete, dann sind Bikini-Girls mit Maschinengewehren im Dschungel, Queen Elisabeth lächelt, ein Baby badet, deutsche Fahnen wehen im Sommermärchen, und plötzlich – das ist ein dramaturgischer Bruch in der Atemlosigkeit des Bilderbogens – ringt Bundeskanzlerin Merkel im Interview mit Peter Klöppel schweigend nach einer Erklärung, während die Off-Stimme die Situation mit leiser Ironie kommentiert: „Wer immer etwas zu sagen hat, kommt an unseren Sendungen nicht vorbei“.

So räumt infoNetwork seinem Star und „RTL Aktuell“-Chef Klöppel auch im Werbespot eine Sonderrolle im Reigen der vielen News- und Magazinbeiträge ein, die das Produktionsunternehmen für vorrangig RTL, n-tv und Vox produziert und über die hauseigene Bewegtbildagentur „Content First“ auch an andere TV-Sender verkauft.
Egal ob Politik oder Buntes, Seriosität oder Skurriles, Nachricht oder Klamauk, alles wird hier so zusammen geschnitten, dass es emotional und unterhaltsam ist und möglichst keine Muße zum Wegschalten bietet. „24 Stunden, 365 Tage“ wird unentwegt produziert – mit „innovativster Technik“, natürlich.

Damit stemmen die 600 Mitarbeiter von infoNetwork ein beachtliches Programmvolumen, rund 330 Stunden monatlich. Beim Sender RTL, so ist vom infoNetwork-Chef Michael Wulf zu erfahren, stammen tagtäglich rund „25 bis 30 Prozent“ des Programms aus der Produktion von infoNetwork, „darunter täglich sechs Stunden Informationsprogramme“. Damit meint Wulf die täglichen und wöchentlichen News- und Magazinformate wie beispielsweise „RTL Aktuell“, „RTL Nachtjournal“, „Punkt 6“, „Punkt 9“, „Punkt 12“ und die verschiedenen „Explosiv“- und „Exclusiv“-Magazine. Zudem produziert infoNetwork auch RTL-typische Reality-Reihen wie „Das Leben der Superreichen“, „Christopher Posch – Ich kämpfe für ihr Recht“ oder auch das „DSDS-Das Magazin“, beispielsweise. Für n-tv stellt infoNetwork täglich die Nachrichten her. Wie groß der prozentuale Zulieferungsanteil an n-tv ist, lässt sich laut Wulf nicht beziffern, weil dies mit der Nachrichtenlage variiere. Auch VOX bezieht seine Nachrichten und die „Prominent“ – Magazine“ von infoNetwork.

Zur Produktionsfirma infoNetwork, die mit ihren zwei virtuellen Studios, dem Newsdesk und dem Newspool das Herz und Nervensystem im Kölner Sendezentrum von RTL bildet, gehören ferner Außenstudios in Berlin und München, Partnerstudios in weiteren zehn deutschen Bundesländern und fünf Auslandsstudios in London, Paris, Moskau, New York und Jerusalem. Zudem sind für infoNetwork Auslandskorrespondenten unter anderem in Südafrika, Australien, Thailand, China, der Türkei, Spanien, Italien, Belgien, den Niederlanden und an mehreren Orten in den USA unterwegs, ist der Homepage von infoNetwork zu entnehmen.

Einheitsbrei-Gefahr vermeiden

Gegründet wurde infoNetwork als 100prozentige Tochter der RTL-Gruppe im Februar 2008. Damals war bereits zweierlei geplant. Erstens, dass alle Kölner RTL-Mitarbeiter und Sender unter einem zentralen Dach im neuen Sendezentrum in Köln-Deutz vereint werden sollen, was Anfang dieses Jahres abgeschlossen war. Zweitens war für das neue Sendezentrum eine nagelneue, filebasierte Produktions- und Sendetechnologie in HD-Qualität vorgesehen, die vom RTL-Tochterunternehmen Cologne Broadcasting Center, CBC, verantwortet wurde und wird (siehe Kasten). Nicht alle Mitarbeiter waren von den neuen Arbeitsbedingungen euphorisch begeistert, sondern viele muckten auf.
Die Chefposition bei der infoNetwork GmbH nahm von Anfang an Michael Wulf ein, der gleichzeitig schon seit 2004 bei RTL geschäftsführender Chefredakteur ist. Der studierte Betriebswirt Wulf ist seit 1989 in unterschiedlichen leitenden Positionen im Nachrichtenbereich von RTL tätig und hatte zuvor das Nachrichtengeschäft bei BILD kennen gelernt. Auch wenn Peter Klöppel als kompetenter „Anchorman“ in der Öffentlichkeit der populäre RTL-Imageträger ist, trägt Wulf im Konzern eine strategisch gewichtigere Verantwortung, zumal seine Aufgabe ist, Nachrichten- und Redaktionskompetenz mit Geschäftssinn zu verbinden.

Hauptziel der Gründung von infoNetwork war es, die in der Mediengruppe RTL Deutschland bereits vorhandene „Kompetenz im Bereich der Nachrichten- und Magazinproduktion in einer zentralen Produktionsgesellschaft“ zu bündeln, erklärt Michael Wulf. Weil man aber „keinen Einheitsbrei“ in der Machart haben wolle, habe man beispielsweise die Nachrichten- und Magazinredaktionen von RTL „eins zu eins“ in die neue Firma eingebracht, „um ihre Kreativität und Kompetenz zu übernehmen“. So ist auch Klöppel Mitarbeiter von infoNetwork geworden, hat aber allerdings als Chefredakteur RTL gleichzeitig eine Doppelrolle.
Natürlich wolle man durch die Zusammenlegung des News- und Magazin-Know-Hows auch „Synergien“ für die gesamte Senderfamilie bilden, erläutert Wulf. Das sei auch „gut gelungen“: „Dort, wo es inhaltlich und organisatorisch Sinn macht, arbeiten nun Teams redaktions- und senderübergreifend zusammen“.
Durch den Einsatz der neuen technischen Systeme sei der Produktionsprozess wesentlich vereinfacht worden und biete „an sämtlichen Schnittstellen einen besseren workflow“. Wulf räumt ein, dass die filebasierte Produktion am Anfang nicht unproblematisch gewesen ist, sondern eine „Eingewöhnung und Umstellung“ bei den Mitarbeitern erforderlich war. Die Vorteile des einfachen Arbeitens mit der filebasierten Produktion kämen mittlerweile insbesondere bei der Umsetzung von Breaking News zum Tragen, wo der Tempodruck noch größer ist als bei der routinierten täglichen News-Erstellung.

Auch mit der neuen virtuellen Studiotechnik ist Wulf zufrieden. Es habe deshalb eher wenig Probleme beim Umzug in die neue Sendezentrale mit ihrer neuen Technik gegeben, weil man schon vorher viele Jahre Erfahrung mit einem VR-Set, dem grünen Studio mit virtueller Einrichtung gesammelt habe und vor der Umstellung monatelang simultan Sendungen mit der älteren und der neuen Technik produziert habe. Noch wichtiger als die Verbesserung der optischen Attraktivität habe man die Frage genommen, was das neue virtuelle Studio dazu beitragen könne, „dass unsere Zuschauer die Informationen noch besser aufnehmen und verstehen“.

Wulf findet die möglich gewordenen neuen Grafiken „transparenter und anschaulicher“. Der große interaktiv zu bedienende Touchscreen für Modertoren sei eine Bereicherung, meint Wulf. Grundsätzlich habe man aber darauf geachtet, dass alle bei RTL seit vielen Jahren eingeführten Bild- und Studio-Elemente für den Zuschauer auf Anhieb wieder erkennbar blieben. Ein Grund wohl, warum die Einführung des neuen VR-Sets im Gegensatz zum ZDF bei RTL ohne große Proteste seitens Zuschauer und Kritiker über die Bühne ging.

Online-Geschäft im Blick

Während die einzelnen Format-Redaktionen autonom operieren, wird infoNetwork von einem Produktionsmanagement wirtschaftlich zentral gesteuert, zu dem fünf einzelne Abteilungen gehören: „Ablaufkoordination“, „Content First“, „Content Services“, „infoGrafik“, „Leitungsbüro“ und „Styling/Maske“. In diesem produktionsorganisatorischen Gerüst laufen alle Fäden zusammen, von der operativen Steuerung der Budgets, über Content Management, die Klärung von Rechtefragen, dem Vertrieb von Bewegtbildmaterialien bis hin zur Anmietung von Leitungen.

Wie geht es nun bei infoNetwork in Zukunft weiter? Sollen beispielsweise neben der News- und Magazinproduktion zunehmend immer mehr Reality-Reihen wie etwa „Helena Fürst- Anwältin der Armen“ hausintern mit der schnellen innovativen Technik produziert werden? Die Frage will Wulf nicht eindeutig beantworten. „Kerngeschäft und Kernkompetenz bleiben News- und Magazinformate“, sagt er. Daraus allerdings könne „hin und wieder auch eine neue Idee entstehen“. Wulf erläutert: „Dabei kommt uns dann die Stärke unserer Magazinformate zugute. So kann eine neue Idee zunächst in einem kurzen Beitrag zum Beispiel bei ‚Punkt 12’ getestet werden. Läuft sie dort erfolgreich, kann sie in Form einer Wochenserie ausgebaut und weiterentwickelt werden, bevor sie eventuell als eigenständiges Format den Sprung in die Access Primetime oder in die Primetime schafft“.
Die von infoNetwork gefertigten Inhalte werden „hauptsächlich an nationale – darunter auch öffentlich-rechtliche – und internationale Fernsehkunden“ verkauft.

Das sei zurzeit „nur ein Zusatzgeschäft“, sagt Wulf ohne die wirtschaftliche Relevanz zu beziffern. Man wolle aber das Geschäft „in kleinen Schritten stetig weiter ausbauen“. Aus strategischen Gründen, so Wulf, biete man die Inhalte „online heute noch primär auf eigenen Plattformen“ an. Wenn es aber in Zukunft möglich werde, eine „entsprechende Vergütung“ auch im Onlinebereich zu erhalten, dann werde man das Geschäft forcieren. (MB 09/11)
Erika Butzek

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