„Größte Dynamik im Fernsehgeschäft“

Gottfried Zmeck, einstiger Top-Manager von Leo Kirch, zählt zu den versiertesten Kennern des Geschäfts von Pay-TV und Spartenprogrammen in Deutschland. Unter anderem war Zmeck Chef von DF1, der ersten digitalen Plattform im deutschsprachigen Raum, aus der später Premiere wurde. Seit 1999 ist Zmeck selbständiger Unternehmer und betreibt unter dem Dach seiner Firmen GoldStar TV & Co. KG und Hit24 Television GmbH drei Spartensender exklusiv für Premiere. Zwei zusätzliche Sender sind zurzeit geplant.

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Zmeck erläutert im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN einige Grundprinzipien für das Geschäft mit Spartenprogrammen, und wie sich dieses Business künftig weiter entwickeln wird.

Sie bieten seit sieben Jahren auf der Pay-TV-Plattform von Premiere mit GoldStar TV und Hit 24 zwei reine Musiksender und mit dem Heimatkanal einen auch fiktional orientierten Spartenkanal als Angebotsoptionen für Abonnenten an. Welcher Sender läuft am besten?
Unser erfolgreichster Sender in Bezug auf Ratings und Zuschauerakzeptanz ist der Heimatkanal. Er spricht mit Heimatfilmen, romantischen Inhalten wie Rosamunde Pilcher oder Comedy in Form von Peter Steiners Theaterstadl das breiteste Publikum an. GoldStar TV und Hit 24 liegen in der Akzeptanz bei ihren Zielgruppen in etwa gleich auf.

Wie werden bei Premiere die Programmakzeptanz und die Ratings gemessen?
Premiere hat ein Erhebungsinstrument, das durchaus den GFK-Kriterien entspricht. Es ist eine Panelerhebung auf Tagesbasis, die eine zuverlässige Auskunft zu Zuschauerzahlen und dem Verhältnis der Marktanteile der einzelnen Sender gibt.

Von wie vielen Zuschauern genau wird denn der Heimatkanal geguckt?
Die wichtigste Grundgröße für uns ist, dass wir in 1,7 Millionen der rund 3,5 Millionen Premiere-Haushalte vertreten sind, überall dort, wo sich die Abonnenten explizit für Themenpakete mit unseren Sendern entschieden haben. In diesen Haushalten erzielen wir mitunter zweistellige Marktanteile, mehr als zehn Prozent, beispielsweise zu Weihnachten oder an anderen Festtagen, wenn die großen Sportereignisse als Premium-Angebote von Premiere nicht laufen. Mitunter wurden bei unseren Sendern schon 150.000 Zuschauer auf Tagesbasis richtig gemessen!

Ab wie vielen Zuschauern refinanziert sich ein Spartensender nach Ihrer Erfahrung?
So stellt sich die Frage für uns nicht. Vielmehr ist es für uns wichtig, so attraktiv zu sein, dass wir abonniert werden. Das ist etwas ganz anderes, als sich durch Werbung zu finanzieren, wofür immer noch eine hohe Reichweite die Grundgröße ist. Unsere Abonnenten hingegen schätzen sehr die Tatsache, dass unsere Programme nicht von Werbung unterbrochen werden.

Trotzdem können Sie Ihre Spartensender doch nicht allein über die Abogebühren wirtschaftlich rentabel machen, sondern brauchen vermutlich beispielsweise spezielle Kooperations- und Werbeformen?
Die Abogebühren bilden den Löwenanteil an der Finanzierung. Andere Kooperations- und Werbegeschäfte sind ergänzend. So ist es heute, vielleicht wird es sich künftig etwas ändern. Das Wesentliche für einen erfolgreichen Spartenkanal ist ein reelles Finanzierbarkeits-Konzept. Mit einem deutschsprachigen Pay-TV-Spartensender wird man nie hohe zweistellige Millionenbeträge erlösen können. Von daher muss man sich bei der Etablierung eines Spartenkanals von Anfang an rationale Gedanken darüber machen, wie hoch die Erlöse über Abogebühren sein können. Man muss gleichzeitig Mittel und Wege finden, um so günstig wie möglich zu lizenzieren, zu produzieren und zu programmieren. Man hat es mit einer etwas anderen Fernsehwelt zu tun im Vergleich zu den Milliardenbudgets der öffentlich-rechtlichen und der Budgets der großen privaten Sender, die über ein paar hundert Millionen reden.

Dafür wissen Sie aber besser über das Verhalten und die Vorlieben ihres Publikums Bescheid, da man über die digitale Plattform genauere Daten erhält?
Was individuell geguckt wird, wissen wir nicht, das wäre ein bisschen zu aufwändig. Aber wir halten einen sehr regen Publikumskontakt über E-Mails, über Post und über spezielle Mitmachaktionen wie etwa Gewinnspiele oder Reiseangebote, zum Beispiel anlässlich von speziellen Musikproduktionen von GoldStar TV. So erhalten wir ein besseres Gefühl für- und eine bessere Kenntnis über unser Publikum.

Wie hoch ist der Anteil an Eigenproduktion bei Ihren Sendern?
Bei GoldStar TV liegt der Eigenproduktionsanteil bei gut zwei Drittel…

Da geht es um Musikproduktionen, die sich einfacher und preiswerter produzieren lassen als fiktionale Programme, wie sie auf dem Heimatkanal laufen…?
(lacht) Richtig, wir produzieren keine Heimatfilme und auch keine TV-Serien. Beim Heimatkanal liegt die Eigenproduktion bei zirka zehn Prozent.

Welche Rolle spielt die Eigenproduktion für das Profil und die Akzeptanz eines Spartenprogramms nach Ihrer Erfahrung?
Ob etwas lizenziert ist oder eine Eigenproduktion ist, sagt nichts über die Qualität des Programms aus. Insofern ist es dem Publikum eigentlich egal. Aber Eigenproduktionen machen dann Sinn, wenn sie zur Profilierung des Programms beitragen oder zur Aktualisierung. Wenn eine Eigenproduktion im Idealfall einen Eventcharakter hat, trägt das zur Exklusivität des Senders bei.

Zwar hat Premiere als digitale TV-Plattform bis heute noch die mit Abstand meisten Abonnenten. Mittlerweile tummeln sich aber etliche neue Plattformanbieter über alle verfügbaren digitalen Transportwege, was gleichzeitig zu einer Spartensender-Gründungswelle geführt hat. So bekommen offensichtlich auch Ihre Musiksender GoldStar TV und Hit 24 beispielsweise mit Gute Laune TV oder den angekündigten Projekten von Deluxe, HighView Media oder Motor TV neue Konkurrenz?
Wir haben durch Neugründungen von Musiksendern oder durch teilweise Imitate von uns nicht einen einzigen Abonnenten verloren.

Aber Sie hätten vielleicht noch mehr Abonnenten dazu gewinnen können, – zum Beispiel die von Gute Laune-TV?
Nicht wirklich.

Warum nicht? Weil Sie mit Ihren auf Premiere schon etablierten Sendern nicht – wie es andere Spartensender tun – auf mehreren Plattformen gehen?
Die Neugründungen haben unser Geschäft überhaupt nicht berührt. Sie haben ein paar Sender genannt, die nicht Pay-, sondern Free-TV sind. Das ist ein wesentlich schwieriger zu finanzierendes Feld, weil, wie schon erwähnt, die Werbefinanzierung eine relativ große Masse braucht. Insgesamt kann man schon sagen, dass mit der Digitalisierung eine wirkliche Welle von Gründungen stattgefunden hat. Warum? Weil man über das Pay-TV eine Möglichkeit sieht, diese zu refinanzieren. Man kann Spartensender anbieten, man kann Spezialinteressen und Spezialzielgruppen bedienen, die bereit sind, über ihre Abogebühren dafür etwas zu zahlen, was Fernsehzuschauer beim werbefinanzierten Fernsehen nicht machen wollen. Der Markt hat sich hier wesentlich geöffnet, weil diese Sender nicht darauf angewiesen sind, einem Millionenpublikum zu gefallen…

Warum sind Sie Premiere treu geblieben, obwohl auch Sie hätten sagen können, wir erhöhen unsere Reichweite, indem wir unsere Sender über möglichst alle digitalen Plattformen anbieten, auch bei Kabelnetzbetreibern oder Telekommunikationsunternehmen?
In dem Begriff „treu geblieben“ ist mir zu viel Wertung. Es ist eine Partnerschaft über eine lange Zeit, das ist richtig. Wir haben die Möglichkeit rational kalkuliert, ob es für unsere Sender zweckmäßiger ist, exklusiv oder nicht-exklusiv bei Premiere zu senden, und haben uns dann für die Exklusivität der Themen bei Premiere entschieden, die auch noch zwei Jahre läuft.

Jetzt haben Sie die Gründung von zwei neuen Spartensendern angekündigt, einen Country-Musiksender und den Unterhaltungskanal Romance-TV. Über welche Plattform werden die zu empfangen sein?
Die zwei neuen Projekte verhandeln wir zurzeit mit einer Fülle von möglichen Plattformbetreibern – einschließlich Premiere, natürlich.

Was motiviert Sie, noch zwei weitere Sender aufzubauen, – außer, dass Sie mehr Geld verdienen wollen?
Mit der Planung allein habe ich noch kein Geld verdient. Ich habe auch schon das eine oder andere Projekt auf die Reihe gebracht, mit dem ich Geld verloren habe. Das gehört zum Unternehmertum dazu. Es gibt sicher auch im Pay-TV Unternehmen, die Geld verlieren. Denn ein Spartensender ist keine Gelddruckmaschine, sondern ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen: Bevor man Geld verdienen kann, wird man aufgrund von Investitionen erst einmal Geld verlieren – aber konkret: Was Country betrifft, handelt es sich um eine interessante Musikfarbe mit einer hochmotivierten Zielgruppe. Und wir wissen genau, dass es eine Zielgruppe gibt, die bereit ist, dafür Abogebühren zu bezahlen, wenn sie mit dem entsprechenden Thema bedient wird.

Ist „hochmotivierte Zielgruppe“ ein Schlüsselbegriff zur Planung von neuen Pay-TV-Sendern?
Für Pay-TV weniger, aber für Spartensender. Im Vergleich: Es gibt Restaurants mit guter Durchschnittsküche für viele oder spezialisierte Restaurants für Zielgruppen, die bereit sind, für die gute Bedienung, für eine spezielle Geschmacksrichtung, ob mexikanisch oder japanisch, auch mehr zu bezahlen. Der gleiche Mechanismus gilt im Grunde genommen auch für Spartensender. Ich bin überzeugt, das wird auch bei Country-Musik der Fall sein.

Mit dem geplanten Sender Romance-TV dagegen sprechen Sie aber keine „hochmotivierte Zielgruppe“ an?
Doch, das ist ein hochmotiviertes Publikum!

Aber es ist viel breiter, nicht so „spitz“ wie die Country-Musik-Fangemeinde?
Im Bereich Spartenfernsehen muss man zwischen breitenwirksamen und spitzeren Themen unterscheiden. Romance-TV soll ähnlich wie der Heimatkanal, der im Grunde keine Sparte darstellt, eine spezielle Gefühlsfarbe beim Massenpublikum ansprechen. Würde heute ein guter Heimatfilm im Free-TV ausgestrahlt, dann würde er Millionen Ratings erzielen. Ein Beispiel: Vor einigen Wochen ist der Musikantenstadl gegen DSDS gelaufen. Was glauben Sie, wer da gewonnen hat?

Im Gesamtpublikum vermutlich der Musikantenstadl!
Der Musikantenstadl hatte etwa 1,5 Millionen mehr Zuschauer als DSDS angezogen. Das ist eine wichtige Größe, wenn man über das Verhältnis von Sparte und Massenpublikum spricht. Im Bereich Sparte gibt es immer noch Themen, die auch breitenwirksam besetzt werden können. So wollen wir es auch bei Romance-TV machen. Da sind wir noch mitten im Planungsstadium und wollen Ende des Jahres oder im Frühjahr 2008 an den Start gehen.

Gehen Sie da nicht in Konkurrenz von zum Beispiel der ARD, die ja auch sehr viele romantische Serien und Movies offeriert?
Nein. Wenn jemand in einer romantischen Stimmung ist und ein entsprechendes Programm dafür sucht, wird er zu 90 Prozent enttäuscht, wenn er dann die ARD einschaltet. Da kommt die Tagesschau und dann Plusminus: Null Romantik. Oder die Tatorte…

Aber es laufen doch auch etliche Schmonzetten…!
Die laufen aber nicht den ganzen Tag. Der Punkt ist folgender: Natürlich gibt es diese Farben auf den Free-TV-Sendern, ob bei den privaten oder öffentlich-rechtlichen Sendern. Aber es gibt sie dort immer nur punktuell. Das Wesen eines spezialisierten Spartensenders ist aber Verlässlichkeit: die permanente Verfügbarkeit der Programmfarbe. Wenn ich in der Stimmung bin, es sehen zu wollen, muss ich es auch einschalten können und prompt bedient werden, ob es Freitag 20 Uhr15, Sonntag 16 Uhr oder Mittwoch 23 Uhr ist. Entsprechend muss man einen Spartensender positionieren und programmieren. Wie zum Beispiel unser Schlager- und Unterhaltungssender GoldStar TV: Natürlich gibt es eine Carmen Nebel auch im Free-TV, aber nur wir bieten diese Programmfarbe rund um die Uhr. Oder Discovery: Tag für Tag gibt es verlässlich hochwertige Dokumentationen zu sehen.

Wie soll sich „Romance-TV“ von Ihrem etablierten Heimatkanal unterscheiden und von dem bereits gemeinsam von RTL und Ufa gestartetem Romantiksender „Passion“?
Zwar hat der Heimatkanal auch romantische Inhalte, aber nicht nur. Zum Heimatfilm gehören unterschiedliche Genres von der Komödie über teilweise Slapstick – Theo Lingen, Hans Moser, Heinz Erhard – bis hin zum hochwertigen Problemfilm. Im Ambiente des Heimatfilms ist nicht alles romantisch. Insofern wird der neue Kanal Romance-TV eine deutlich andere Programmfarbe als der Heimatkanal offerieren. Im Vergleich zu Passion ist unser Ziel, ein etwas älteres Publikum anzusprechen und überwiegend Frauen.

Im Zuge der Digitalisierung scheint sich jetzt tatsächlich auch der deutsche Fernsehmarkt ähnlich fragmentiert wie der Printbereich neu aufzustellen?
Der Vergleich zum Printmarkt ist durchaus angebracht: Große Massenblätter, große Zeitschriften und jede Menge Fachzeitschriften, die manchmal ganz kleine Auflagen haben, teuer sind, aber dafür eine hoch motivierte Zielgruppe kontinuierlich mit den gewünschten Themen bedienen. Es ist der gleiche Mechanismus wie bei Pay-TV und Spartensendern. Die Digitalisierung schreitet zügig voran. Es gibt die Vermutung, dass 2009 bis 2010 der Großteil der deutschen Fernsehhaushalte digitalisiert sein wird. Damit steigt die Grundreichweite kontinuierlich und die wirtschaftliche Basis sieht immer besser aus. Heute bedient Premiere mit 3,5 Millionen Abonnenten ungefähr zehn Prozent der Haushalte, der Anteil wird sich schnell erhöhen.

Also beurteilen Sie diese Entwicklung, die ja zunächst einmal der Pay-TV-Plattform Premiere eine verstärkte Konkurrenz bescherte, als eine Verbesserung der Planungsausgangslage?
Es wird eine zunehmend bessere Ausgangslage. Wenn man im großen Stil die Entwicklung verfolgt, gibt es die Plattform von Premiere, die Plattformen von Kabelnetzbetreibern, die zunehmend aktiv werden, es gibt das neue Angebot in Planung mit Premiere Sky, ein reines Digitalpaket, und es wird auch noch das eine oder andere mehr geben. Aus meiner Sicht handelt es sich auf die nächsten fünf Jahre betrachtet um einen Wachstumsmarkt. Es ist der Bereich mit der zurzeit größten Dynamik im nationalen Fernsehgeschäft. Im Zentrum dieser Entwicklung wird eine sinnvolle Arbeitsteilung stehen zwischen absoluten Premiumprodukten wie Champions League oder Bundesliga und den so genannten Spartenkanälen, die sehr wichtig sind für die Dauerhaftigkeit der Abonnenten.

Haben Sie bei diesen rosigen Aussichten die Gründung von noch mehr Spartensendern im Auge?
Kurz und mittelfristig kann ich sagen: nein. Wir wollen die Situation mit Augenmaß betrachten. Eine Expansion ist immer mit Investition verbunden in Bezug auf Kapital und Personal. Man darf nie vergessen: Was immer man im Fernsehen macht, es muss eine bestimmte Qualität haben. Das Publikum unterscheidet nicht, ob das Programm von einem hoch ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Sender oder von einem Spartensender stammt. Es muss ein bestimmtes Niveau haben. Das ist nicht beliebig vermehrbar. Erst einmal schieben wir die genannten zwei neuen Projekte mit neuen Investitionen an, wenn es sich stabilisiert hat, werden wir weiter sehen.
Erika Butzek (MB 06/07)