Intensives Kostenmanagement

Entgegen dem allgemeinen Trend ist die Studio Hamburg-Gruppe sehr gut durchs Krisenjahr 2009 gekommen. Sie wird das Geschäftsjahr nach Angaben des geschäftsführenden Vorsitzenden Martin Willich voraussichtlich mit einer Gesamtleistung von etwa 280 Mio. Euro abschließen. 2010/2011 will Studio Hamburg zehn Mio. Euro in Großraumstudios und Ü-Technik investieren.

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Intensives Kostenmanagement

„Durch die sehr positive Auftragslage für die Produktionsgruppen vor allem in der zweiten Jahreshälfte konnten wir 2009 unsere Prognose um 50 Prozent übertreffen“, erklärte Martin Willich, geschäftsführender Vorsitzender der Studio Hamburg-Gruppe, unlängst bei einem Pressegespräch in Hamburg.
Mit 280 Milllionen Euro sei der Umsatz zwar gegenüber den Vorjahren etwas geringer ausgefallen, wichtiger sei aber, dass das vorläufige Ergebnis der Studio Hamburg Gruppe 2009 etwa 6,2 Millionen Euro betragen und damit fast den Gewinn vor Steuern von 2008 erreicht (6,6 Millionen Euro) habe. Spürbar angestiegen sei seit 2007 das operative Ergebnis. Das bedeute eine erfreuliche Verbesserung der Profitabilität und auch die Liquidität habe seit 2007 um 25 Millionen Euro zugenommen.

So erfreulich die Auftragslage sich auch entwickelt hat, sieht Willich noch keine Erholung für 2010 und bleibt vorsichtig: „Wir rechnen mit einem zufriedenstellenden Ergebnis und wollen die Prognoseerwartungen erfüllen.“
Den aufgrund sinkender Werbeeinnahmen größer gewordenen Margendruck werde mit intensivem Kostenmanagement begegnet. Zum anderen hat sich die Gruppe noch mal breiter aufgestellt, ist dafür zahlreiche Beteiligungen eingegangen und hat in den Ausbau der Studio-Kapazitäten am Standort Berlin investiert. Im Bereich Kinospielfilm ist die Gruppe ein Joint Venture mit der Schweizer C Films eingegangen, ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen für die Entwicklung von Dokuformaten wurde mit Stefan Austs Agenda Media etabliert.

Es folgten die Beteiligung an Blondheim TV und 2010 ein weiteres Joint Venture mit den britischen Pinewood Studios, um internationale Produktionen zu Studio Berlin zu holen. Ganz aktuell meldet die Gruppe die Zusammenarbeit der Polyphon („das Traumschiff“, „Neues aus Büttenwarder“) mit der Kölner Conrad Film im Fernsehbereich. „Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, die bestehenden Produktionsstrukturen der Polyphon zu nutzen und Conradfilm in der Funktion des eigenständigen und inhaltlichen Produzenten die Möglichkeit zu geben, auf einen eigenen Apparat zur Herstellung und Abwicklung seiner TV-Produktionen zu verzichten“, heißt es in einer Erklärung. Dem flüssigen Konto sei dank, denn für alle diese Investitionen, die Willich im einstelligen Millionen-Bereich beziffert, habe kein Kreditbedarf bestanden.

Bereich Non-Fiction wird eigene Firma

Für die Auslastung in den Ateliers und die sehr gute Geschäftsentwicklung sorgen im starken Maße sowohl non-fiktionale Produktionen als auch erfolgreiche Serien und industriell gefertigten Formate. Die non-fiktionale Abteilung, zu der Entertainment, Dokumentation und Naturfilm zählen, habe sich so gut entwickelt, dass dieser Bereich verselbstständigt werden soll, kündigt Willich an. Dafür werde eine Zwischenholding unter der Führung von Michael Lehman und Andreas Knoblauch eingeführt. Die Erfolgsproduktionen hier sind Doku-Soaps wie die zweite Staffel von „Leopard, Seebär & Co“, der Talk am Sonntagabend „Anne Will“ oder auch „Beckmann“ am Montagabend. Der Bereich Naturfilm hat auch 2009 wieder zahlreiche Preise gewonnen. Die Kurzserien „Mythos Wald“ und „Wildes Russland“ haben zudem für hohe Einschaltquoten gesorgt. 2010 ist deshalb unter anderem die Produktion des Kinofilms „Wildes Russland“ geplant.
Im Bereich Fiktion liegen die Stärken bei den erfolgreichen Langlaufserien wie „Großstadtrevier“, „Notruf Hafenkante“ oder „Der Dicke“ sowie bei den Telenovelas „Rote Rosen“ („da steuern wir auf die 1000ste Folge zu“) und „Dahoam is Dahoam“. Gerade bei den Serien seien die großen gegenüber kleinen Firmen am Markt im Vorteil, weil sie die enormen Anlaufkosten finanzieren könnten. Je länger eine Serie laufe, desto rentabler werde sie.

Während sich 2009 in der Produktion, die rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes ausmacht, die Geschäftsentwicklung überplanmäßig entwickle, sei im Bereich Studios und Technik eine Verschlechterung eingetreten, auch wenn hier noch schwarze Zahlen geschrieben würden. Während die Situation am Studio-Standort Berlin zufriedenstellend sei, entwickele sich der Geschäftsbereich der technischen Dienstleistung in Hamburg zum Sorgenkind. Mit einer breiten Kundenstruktur aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sei die Gruppe stets sehr gut gefahren. In Hamburg sei jedoch mit dem NDR nur ein großer Sender am Standort. Daher habe man sich dort mit Werbeproduktionen einen neuen Markt erobert. 2009 wurden viele neue Werbekunden dazu gewonnen. Daneben werden viele TV-Formate von Beckmann bis zu den Quizsendungen in Tonndorf produziert.

Neues Großraumstudio und neue Ü-Technik

Der Atelierbereich ist allerdings 2009 weiter gewachsen, weil vor allem in Berlin massiv in die Studio-Standorte mit dem zweiten Großraumstudio H und in die mobile Ü-Wagentechnik investiert wurde. Die Zusammenarbeit mit Pinewood unterstreicht, dass man in der Hauptstadtregion auch große internationale wie deutscher Top-Spielfilme akquirieren möchte. Auch die neuen Folgen von „Lets Dance“ für RTL werden im neuen Großraumstudio H produziert und ab April freitags live im Fernsehen übertragen.

Die mobilen Übertragungswagen sind für alle privaten und öffentlich-rechtlichen Sender im Einsatz – zuletzt in Vancouver bei der Winterolympiade. Bei der Fußball-WM in Südafrika wird Studio Hamburg mit HDTV-Equipment und 33 Mitarbeitern vor Ort sein und insgesamt 14 Spiele von den beiden Standorten Johannesburg und Rustenburg übertragen, darunter das Eröffnungs- und Endspiel. Für 2010 und 2011 ist die Übertragung von insgesamt 77 Bundesligaspielen geplant. Zehn Millionen Euro werden 2010 in diesen Bereich investiert, wobei das technische Equipment für die WM in Südafrika im Anschluss zur Umrüstung der Übertragungswagen Ü1 und Ü5 verwendet werden, die dann komplett in HD arbeiten können. Umgerüstet auf HD wird ferner die Festregie in den Berliner Studios D/E aus denen regelmäßig Anne Will ihre Talkshow sendet.

Im Bereich Consulting wird die Media Consult International (MCI) nach dem Neubau des ZDF-Nachrichtenstudios weiter für die Mainzer arbeiten. Der Auftrag sieht die Umrüstung der gesamten Sendeabwicklung für alle ZDF-Kanäle auf HDTV vor, was einen kompletten Neubau sowie die Einrichtung technischen Mobiliars erfordert. Auch für den NDR hat MCI 2009 ein HDTV-Studio installiert.
Obwohl der Ausbau in den Standort Berlin stärker voran getrieben wurde, bekennt sich der Studio Hamburg-Chef weiterhin zum Stammsitz Hamburg, auch wenn Berlin für die Gruppe der günstigere Standort sei, weil die dortigen Subventionen die Technikinvestitionen senken und die Personalkosten für freie Kräfte in der Region um 15 Prozent geringer ausfielen als in Hamburg. Innerhalb des Holding Managements seien die beiden Standorte ohnehin zu einer Einheit zusammen gewachsen, was auch an der geografischen Nähe der beiden Städte liege.

Nun soll auch in Hamburg weiter investiert werden. Dazu sollen Gespräche mit der Stadt über einen weiteren Atelier-Standort in der Hafencity aufgenommen werden. „Wir wollen diese sensationelle Location nutzen, um dort Kapazitäten aufzubauen.“ Da auch der Spiegelverlag mit seinem TV-Produktionsarm sich dort mit einem Neubau ansiedelt, sei eine Kooperation für ein gemeinsames Studio eine Option, bestätigt Willich. Die Ansiedlung mehrerer Firmen in diesem neuen City-Areal eröffne die Chance, dass dort ein moderner Mediencampus entsteht.
Bernd Jetschin
(MB 04/10)

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