KI und Urheberrecht: Eine kritische Betrachtung

Matthias Hornschuh kritisiert die Auswirkungen von KI auf das Urheberrecht und fordert Regulierung zum Schutz der Kreativen und kulturellen Vielfalt.

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Matthias Hornschuh auf der Eyes and Ears Conference 2024
Matthias Hornschuh auf der Eyes and Ears Conference 2024

Die Eyes and Ears Conference 2024 stand in diesem Jahr ganz im Zeichen von KI. Matthias Hornschuh, Komponist und Sprecher der Initiative Urheberrecht, hielt einen eindringlichen Vortrag über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz (KI) auf Recht und Urheberrecht. In dem 26 minütigen Vortrag setzte sich Hornschuh mit den Herausforderungen auseinander, die der aktuelle KI-Hype für Kreative und die Gesellschaft insgesamt mit sich bringt.

Warnruf von Ranga Yogeshwar

Hornschuh begann mit einem Verweis auf den Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar, der bereits im März 2023 vor den Gefahren der KI-Revolution gewarnt hatte. Yogeshwar bezeichnete die unkontrollierte Nutzung von KI in der Augsburger Allgemeinen als den “größten Diebstahl in der Menschheitsgeschichte”. Das Weltwissen werde abgegriffen und in kommerzielle Produkte von Konzernen eingebaut, die oft außerhalb rechtlicher Reichweite agieren. Dabei entstünden im Wesentlichen Plagiate, da die KI nichts wirklich Neues schaffe, sondern nur Bestehendes neu kombiniere. Für Kreative ergebe sich eine konkrete Gefahr der Substitution: Sie könnten in ihrem eigenen Markt durch KI-basierte Produkte ersetzt werden, ohne für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet zu werden.

Seit Yogeshwars Warnung habe sich der Diskurs um KI intensiviert, so Hornschuh. „Wir haben darüber gesprochen, ob wir ein Moratorium haben sollten. Wir haben darüber gesprochen, wie Regulierung aussehen soll. Wir haben es sogar geschafft, Einfluss zu nehmen auf die Verabschiedung des AI Acts, also der Künstlichen-Intelligenz-Verordnung der Europäischen Union, die allerdings explizit kein urheberrechtliches Instrument ist und deswegen uns nur Ansatzpunkte liefern kann, aber keine neue Regelung“, erläuterte er. In den USA gebe es bereits zahlreiche Copyright-Klagen gegen KI-Unternehmen wegen unlizenzierter Nutzung von Werken für Trainingsdaten. In Deutschland hingegen sei bisher nur eine Klage eingereicht worden, die jedoch abgewiesen wurde – ein Prozess, der vermutlich weitergeführt werde.

Titel von Hornschuhs Vortrag bei der Eyes and Ears Conference

Richtige Fragen statt vorgefertigte Antworten

Die Initiative Urheberrecht, so Hornschuh, konzentriere sich darauf, im Bezug auf KI die richtigen Fragen zu stellen, anstatt vorgefertigte Antworten zu liefern: „Wir wissen nämlich nicht, was die Wahrheiten über diese wahnsinnig komplexe Thematik sind.“ Durch die Zusammenarbeit mit KI-Forschern und Rechtswissenschaftlern versuche man jetzt, die komplexen Mechanismen des KI-Trainings zu verstehen und rechtlich einzuordnen. Eine kürzlich veröffentlichte “Tandem-Studie”, verfasst von einem Rechtswissenschaftler, Tim W. Dornis, und einem KI-Forscher, Prof. Sebastian Stober, habe neue Fragestellungen identifiziert und den Diskurs vorangebracht.

Eine zentrale Frage sei, ob personenbezogene Daten und geschützte Werke nach dem Training im Modell enthalten seien, also repräsentiert oder “memorisiert” würden. Hornschuh bestätigte, dass dies grundsätzlich der Fall sei, was erhebliche rechtliche Probleme bezüglich Datenschutz und Urheberrecht aufwerfe. Wenn persönliche Krankenakten oder Bewegungsdaten in die Mustererkennung von KI-Systemen einfließen, entstünden Risiken, die weit über individuelle Befindlichkeiten hinausgehen. „Denn diese Maschinen können natürlich genau eines, nämlich Daten auf Muster untersuchen. Und in diesen Mustern sind wir mit unseren personenbezogenen Daten repräsentiert“, warnt Hornschuh.

Hype und Heilsversprechen

Hornschuh kritisierte den überzogenen Hype und die Heilsversprechen rund um KI: „Wir haben es mit der KI-Revolution zu tun, wie man so sagt, und mit dem Heilsversprechen: ‘Alles wird besser.’“ Es werde selten diskutiert, wer tatsächlich von den KI-Innovationen profitiere und welche konkreten Vorteile entstünden. Die Fokussierung auf Effizienz könnte den kreativen Prozess und das notwendige Nachdenken und Zweifeln im Schaffensprozess verdrängen. Wenn KI die Lern- und Entwicklungsprozesse verkürze oder ersetze, könnten zukünftige Generationen Schwierigkeiten haben, kreative Fähigkeiten zu erlernen. Als Hochschuldozent beobachte er bereits, wie Studierende Texte von ChatGPT als Hausarbeiten einreichen, ohne selbst Gedanken zu formulieren.

Kritiker von KI = Fortschrittsverweigerer?

Er wandte sich in seinem Vortrag auch gegen das Argument, Kritiker von KI seien Fortschrittsverweigerer, ähnlich wie die Droschkenkutscher, die sich gegen das Automobil stellten. Im Gegensatz zu diesem Narrativ bestehe eine hohe Nachfrage nach menschlich erzeugten Inhalten, da KI-Systeme auf hochwertigen Trainingsdaten angewiesen seien. Die Gefahr eines “Model Collapse” bei Verwendung synthetischer Daten unterstreiche diese Notwendigkeit – „Man kann sich das als Inzest vorstellen”, so Hornschuh. Er betonte, dass die Nachfrage nach menschlicher Kreativität nicht erloschen sei und daher das Droschkenkutscher-Beispiel hier nicht zutreffe.

Sind Kritiker von KI Fortschrittsverweigerer? Diese These wollte Hornschuh so nicht gelten lassen.

Wirtschaftliche Bedeutung: Urheberrecht und KI

Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrags war die wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts für Kreative. „Ich bin Komponist. Und Komponisten, auch konkret in Auftragssituationen, konkret fürs Fernsehen, fürs Hörspiel, für Kinofilme, kriegen keine Arbeitsvergütung. Ich habe keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung. Ich lebe zu 100 Prozent im Recht. Ich lebe zu 100 Prozent vom Urheberrecht“, erläuterte Hornschuh und verwies im selben Atemzug auf eine Studie, die belege, dass 77,1 Prozent der Gesamteinnahmen derjenigen, die Musik schaffen, von der GEMA kommen. Und dennoch gebe es trotz der hohen Nachfrage nach Inhalten derzeit keinen funktionierenden Markt, der Kreativen eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke im KI-Training biete.

Matthias Hornschuh sieht das Urheberrecht durch KI in Gefahr

Hornschuh erläuterte die rechtlichen Herausforderungen, die sich aus dem Training von KI-Modellen ergeben. Da das Training einer KI Vervielfältigungshandlungen beinhaltet, sei es urheberrechtlich relevant. „Wir haben es zweifelsfrei mit einem urheberrechtlichen Tatbestand zu tun. Ob der jetzt rechtlich ist oder nicht, ist damit noch nicht gesagt“, so Hornschuh. Die EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2019 enthalte zwar eine Ausnahme für Text- und Data-Mining zu wissenschaftlichen Zwecken, diese sei jedoch nicht für kommerzielle KI-Anwendungen gedacht. Er argumentierte, dass das Training generativer KI nicht als Text- und Data-Mining im rechtlichen Sinne gelten könne, da es nicht der Gewinnung von Erkenntnissen, sondern der Erzeugung neuer Inhalte diene.

Er wies darauf hin, dass es aktuell keine klare rechtliche Grundlage gebe, die die kommerzielle Nutzung geschützter Werke für das KI-Training ohne Zustimmung der Urheber erlaube. Es sei notwendig, die Gesetzgebung anzupassen und klare Regeln zu schaffen. Hornschuh skizzierte drei Hauptforderungen: eine Zustimmungspflicht, bevor Werke für das KI-Training genutzt werden; eine Vergütungspflicht für die Nutzung von Werken im KI-Training; und klare Regeln zur Transparenz und Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten.

KI als Gefahr für kulturelles Selbstverständnis

Zum Abschluss warnte Hornschuh vor den Gefahren für die kulturelle Vielfalt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Marginalisierung von Kreativen könnte einen bedeutenden Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses gefährden. „Wenn die Vielfalt gefährdet ist, ist damit automatisch die europäische Identität gefährdet“, sagt Hornschuh und bezieht sich damit auf das EU-Gründungsprinzip ‘Einheit in Vielfalt’. Die zunehmende Verbreitung von KI-generierten Inhalten – laut Hornschuh bereits 57 Prozent aller frei verfügbaren Texte im Netz – könne negative Auswirkungen auf Bildung und gesellschaftlichen Diskurs haben.

Matthias Hornschuh appellierte deshalb in seiner Rede an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die aktuellen Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechte und Existenzgrundlagen von Kreativen zu schützen. Ohne angemessene Regulierung und Wertschätzung für menschliche Schöpfung drohen nicht nur wirtschaftliche Schäden für eine ganze Branche, sondern auch ein kultureller und gesellschaftlicher Verlust, der weitreichende Konsequenzen haben könnte.

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