Angst vor Google & Co

Die vier Internetgiganten Amazon, Apple, Google und Microsoft spielen mit der Medienindustrie und Politik Hase und Igel. Durch ihre Omnipräsenz auf allen Inhalte-Verbreitungsplattformen stellen sie grenzüberschreitend die Regeln auf und entziehen sich jeder nationalen Kontrolle. Um dem zu begegnen, ist eine gemeinsame europäische Regulierung mehr denn je nötig. Zu dem Ergebnis kamen führende Medienmanager auf dem Bewegtbild-Kongress TV Komm. 2015 in Karlsruhe.

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Angst vor Google & Co

›Bereits zum achten Mal wurde die TV Komm. von der Karlsruher Messe und Kongress GmbH (KMK) mit hochkarätigen Referenten und Workshops zum Thema Bewegtbild und Kommunikation veranstaltet – diesmal unter dem Motto „Media Mobilisation“.

Axel Meiling, Principal und Head of Competence Center Digital Media bei Mücke Sturm Company, wies in seiner Keynote darauf hin, dass allein in Deutschland digitale Inhalte über verschiedene Plattformen auf rund 140 Millionen festen und mobilen Endgeräten gesehen werden können. Dabei würden die Internetgiganten Amazon, Apple, Google und Microsoft vom PC/Laptop und Smartphones/Tablets aus ihre Ökosysteme mit eigenen Technologien und Medienangeboten sowie durch gezielte Übernahmen konsequent auf alle weiteren Devices und Plattformen ausbauen. „Bei Google sind wir alle das Produkt und werden an die Werbewirtschaft verkauft“, erklärte Meiling. Für den TV-Werbemarkt durch Android for TV und durch verbesserte Einschaltquoten- und performance-basierte Werbeerfolgsmessung erwartet er nachhaltig gewaltige Veränderungen und Auswirkungen auf die nationalen Player.

Wie sich diese Marktmacht besser kontrollieren lässt, war eine der wichtigen Fragen des traditionellen Gipfeltalks unter der Leitung von Axel Dürr von Nexus Communication. Einig waren sich dabei alle Teilnehmer, dass nationale medienrechtliche Regelungen nicht zielführend seien. LFK-Präsident Thomas Langheinrich plädierte dafür, einige alte Zöpfe der Regulierung wie Werbezeitenbeschränkungen abzuschneiden. Zugleich sieht er einen Bedarf für neue Regeln, etwa um gleichberechtigten Zugang zu Medienangeboten sicherzustellen: „Wir benötigen eine europäische Regulierung mit Mindestanforderungen und den Schulterschluss aller Akteure vom Inhalteanbieter über die Technik bis hin zur Regulierung, um den Internetgiganten eine starke Position gegenüberzustellen.“ Auch Unitymedia-CEO Lutz Schüler und VPRT-Geschäftsführer Claus Grewenig treten für gemeinsames europäisches Handeln ein, zum Beispiel beim Datenschutz und der Auffindbarkeit von Inhalten.

Für Aufmerksamkeit sorgten auch Rechtefragen und das Thema Verschlüsselung bei der Verbreitung exklusiver Inhalte über nationale Grenzen hinweg, wie bei der Handball-WM in Katar vor einigen Wochen. SWR-Intendant Peter Boudgoust verwies darauf, dass sich ARD und ZDF die Rechte für die meisten wichtigen internationalen Sportereignisse im frei empfangbaren Fernsehen in der Regel lange im Voraus sichern und Handball nur ein Sonderfall durch die Rechteagentur gewesen sei. Er betonte, dass die ARD so lange wie möglich am „free flow of information“-Grundsatz festhalte. Zudem sei durchaus denkbar, die derzeitige europaweite Verbreitung via Satellit durch kleinere technische Ausleuchtzonen auf Deutschland und Randregionen zu begrenzen. Das würde dann aber auch bedeuten, dass in Zukunft etwa auf Mallorca keine ARD mehr zu empfangen sei. Sollte allerdings in Zukunft eine Verschlüsselung durch die Inhaber von Sportrechten zwingend notwendig sein, dann müssen sich auch die Öffentlich-Rechtlichen auch noch einmal mit dem Thema beschäftigen, so Boudgoust.

Best Practice Workshops

Smartphones, Tablets, internetfähige Fernseher und vernetzte Geräte sind gegenwärtig der stärkste Treiber in einem TV-Markt, der sich im massiven Umbruch befindet. Dies zeigten die Diskussionen und Best Practice Workshops während der TV Komm. 2015. Gleich in ihrer Begrüßung verdeutlichte Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH, dass bereits 40 Millionen Bundesbürger täglich Streamingdienste nutzen und sich der TV-Konsum immer mehr individualisiere. Sie sieht dabei die große Herausforderung für alle Player darin, die Potentiale aus dem sich immer mehr zersplitternden Markt zu erkennen und gezielt für sich zu nutzen. Die wirtschaftliche Bedeutung mobiler Dienste stützen jüngste BITKOM-Zahlen. Danach wird das mobile Internet bei den Umsätzen Handy-Telefonate in diesem Jahr erstmals überholen und voraussichtlich auf 10,3 Milliarden Euro ansteigen. Für Anbieter sei es angesichts der mobilen Mediennutzung immer wichtiger, mit ihren Angeboten auf möglichst allen Verbreitungsplattformen präsent zu sein und sich ständig weiterzuentwickeln, meinte sie. Beispielhaft für diesen Trend ist die Multimedia-Box Horizon von Kabelnetzbetreiber Unitymedia KabelBW. Sie soll bald ein deutlich größeres TV- und Abrufangebot mit über 90 TV-Sendern über 3G-Mobilfunknetze auf Tablets und Smartphones ermöglichen, kündigte Daniel Hesselbarth, Leiter des Bereichs Product Innovations, auf der TV Komm. an. Zudem will das Unternehmen beim Internet schneller werden. Bis Ende 2015 seien 400 Mbit/s vorgesehen.

Einen ersten Blick auf die Zukunft des Antennenfernsehens DVB-T2 warf Stefan Schinzel, Leiter Produktmanagement, Media Broadcast. Die zur Verfügung stehenden Frequenzen werden jeweils zur Hälfte für öffentlich-rechtliche Sender und private Sendergruppen bereitstehen. Angedacht ist ein Mix aus SD- und HD-Programmen. Bei den Endgeräten wird es keine eigene Media Broadcast Lösung geben, sondern setzt das Unternehmen auf Partnerschaften mit den gängigen Herstellern von Boxen und TV-Geräten. Simin Lange, Senior Vice President Commercial Distribution von Sky, präsentierte die drei Säulen-Strategie des Konzerns: Exklusiver Content, technische Innovationen und Kundenservice. Das heißt, Content zu jeder Zeit und an jedem Ort auf genau dem Device genießen können, auf dem der Nutzer es wünscht.

Spannende Einblicke in die Social Media Strategie erfolgreicher TV-Events gaben Matthias Mehner, ProSiebenSat.1 und Christian Jasper, sixx. Beide sehen in der Nutzung von Social Media eine große Macht und eine Verlagerung der Kommunikation ins Web. Dabei seien die emotionale Ansprache und zeitliche Aktualität sehr wichtig. Humor, Haltung und Selbstbewusstsein sind in dieser Kommunikation absolut unerlässlich. „Es geht nicht mehr darum, dass die Menschen am nächsten Tag über das TV-Event von gestern reden, sondern während des Events und am nächsten Tag bereits über die Fortsetzung sprechen“, betonte Jasper. Marion Dilg, Projektleiterin Crossmedia des SWR, stellte am Beispiel des aktuellen Lena Odenthal-Tatorts „Blackout“ das crossmediale Konzept des Senders vor. Mit einem extra programmierten Tatort Game wurde eine Brücke zu einem internetaffinen Publikum geschlagen. Dann wurden die Social Media Kanäle angekoppelt. Ihr Fazit lautete: „Das Community-Erlebnis spielt auch beim Tatort eine wachsende Rolle.”

Wie sich die Relevanz für Mobile Video Advertising erhöhen lässt, präsentierte Mark Stohlmann, Senior Marketing Manager von Telefónica. So sei es gelungen mit dem Dienst O2 more local innerhalb von knapp zwei Jahren von Null auf zwei Millionen Nutzer zu kommen. Telefónica setzt auf Video-Advertising mit Hilfe von local based Messaging. Das Erfolgsrezept: lokale Zielgruppenansprache mit exaktem Nutzerprofil in Kombination mit zielgruppen-definierten Werbebotschaften. „Wir nutzen hier gezielt die SMS und auch die MMS. Denn auch wenn die Nutzung in Deutschland sehr zurück gegangen ist, wird so gut wie jede eingehende SMS auch gelesen”, erläuterte Stohlmann.

Was Radio von Spotify lernen kann, zeigte Kristian Kropp, Geschäftsführer BigFM und RPR1. Für ihn ist DAB+ der wichtigste Ansatz für das Radio der Zukunft. Dabei ergänzen sich DAB+-Verbreitung und Webangebote. Für ihn sind Local Touch Points entscheidend für die Vermarktung. „Mobile Audioinhalte werden in der Zukunft mindestens die Nr. 2, wenn nicht das wichtigste Angebot auf mobilen Endgeräten sein“, stellte er abschließend fest.

Mit neuen Formen des Inboard-Entertainments auf der Straße befasste sich Frank Strässle, Geschäftsführer, Bayerische Medientechnik BMT. Da Smartphones nur noch zu 20 Prozent fürs Telefonieren genutzt werden, steigt die Bedeutung leistungsfähiger Netze. LTE kann für Strässle Broadcast-Techniken wie DAB+ nicht ersetzen. Würde man etwa versuchen, die mobile Radionutzung in Bayern über das Internet statt über UKW/DAB+ abzuwickeln, wäre dafür ein Volumen in der Höhe etwa des gesamten deutschen Datentraffics im mobilen Internet nötig. Dafür sind die Netze nicht ausgelegt und es entstünden sehr hohe Netzkosten für Radioveranstalter und Hörer. Im Auto sei es daher wichtig, dass Webanbindung und Broadcasttechnik für den Hörer bedienungsfreundlich und kosteneffizient zusammengeführt werden. Eine zentrale Frage für ihn ist, wie die Bedienoberflächen gestaltet sein werden: „Wer bestimmt künftig die Nutzerführung – Google, Apple oder der Autohersteller?“

Thema der TV Komm. war aber auch, wie regionale Medienhäuser ihre Nischen finden und neue Angebote über alle Kanäle verbreiten können. So zeigte Christopher Wertz, Verkaufsleiter digitale Medien der Pforzheimer Zeitung, wie ein regionaler Zeitungsverlag den Weg hin zu einem crossmedialen Medienhaus geht, das alle digitalen Verbreitungskanäle konsequent nutzt. Von den reinen Apps bis zur augmented reality. Die Geschäftsführerin des Radiosenders die neue welle, Andrea-Alexa Kuszák, präsentierte das Portal Regio-News. In Kooperation mit weiteren lokalen Sendern und Zeitungsverlagen ist eine cross- und multimediale Newsplattform entstanden, die über 14 Landkreise abdeckt. Die Nutzer können über eine Smartphone-App Nachrichten aus ihren Landkreisen auswählen. Felix Neubüser, Geschäftsleiter des online-Portals ka-news verdeutlichte, wie man als regionales Portal mit journalistischem Anspruch, mobiler Ausrichtung und mit Hilfe innovativer Werbemöglichkeiten sich erfolgreich am Markt positionieren kann.

Eckhard Eckstein

MB 2/2015

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