Die Hardware-Obsoleszenz muss ein Ende haben

Mit der ICT for Sustainability (ITC4S) fand in diesem Frühjahr in Zürich die erste internationale Konferenz zum Thema Green IT statt. Im Vordergrund stand dabei nicht nur der Ansatz, intelligente, energieeffiziente Systeme zu entwickeln, sondern auch ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und den sparenden Umgang mit Ressourcen zu schaffen.

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Die Hardware-Obsoleszenz muss ein Ende haben

Der Energiebedarf in der modernen Informationsgesellschaft wächst zunehmend durch den zunehmenden Einsatz von Computern, Fernsehgeräten, Mobiltelefonen und anderen mobilen Endgeräten. Aufgrund dieses Booms werden immer mehr Rechenzentren benötigt, welche die wachsende Datenflut verarbeiten und speichern können. „Allein auf Facebook kommen täglich rund 250 Millionen Fotos hinzu, die energetisch relevant sind“, weiß Lorenz Hilty, Professor für Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität in Zürich. Schon jetzt entspricht der weltweite Stromverbrauch, der durch die Übertragung sämtlicher YouTube-Videos anfällt, die täglich angeschaut werden, dem Stromverbrauch aller Privathaushalte in der Schweiz. Dank neuer Auswertungungsformen von Spielfilmen wie VoD werden immer mehr Bewegtbilder über das Netz übertragen, was ensprechende Rechenleistungen erfordert. Doch Rechenzentren sind äußerst energie- und kostenintensiv. Ein erheblicher Faktor stellt dabei die Kühlung dar, für die viel Energie aufgewendet werden muss.

Innovationen durch Suffizienz

Aber auch die Software-Architektur hat einen enorme Auswirkung auf den Energieverbrauch und die Auslastung der Hardware. Heutzutage muss für eine Rechenoperation nur noch ein Millionstel der Energie aufgewendet werden wie vor 40 Jahren. Doch trotz der gestiegenen Energie-Effizienz wird in der Summe nicht weniger Energie für die Informations- und Kommunikationstechnologie verbraucht. „Die Nachfrage nach Rechenleistung ist noch schneller gestiegen als die Energieeffizienz“, erklärt Hilty. Das hat dazu geführt, dass sich der Energieverbrauch in den Rechenzentren in Deutschland in den letzten zehn Jahren in der Summe zweimal verdoppelt hat.“ Um den Energieverbrauch zu reduzieren, sei neben der Effizienzsteigerung eine Begrenzung erforderlich. „Jedes mobile Gerät hat eine eingebaute Suffizienz. Denn durch die Akkus gibt es eine technische Grenze, wie viel ein Smartphone verbrauchen kann. Dies habe Innovationen ausgelöst, Software für ein Smartphone zu entwickeln. „Sobald wir gezwungen sind, mit Begrenzungen umzugehen, sind plötzlich große Fortschritte möglich.“

Die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) hat bei der europäischen Normungsorganisation CENELEC die Gründung einer Expertengruppe zur Erarbeitung von europäischen Normen für Rechenzentren forciert, wobei auch die Energieeffizienz ein zentraler Punkt darstellt. Um die Effizienz der in Rechenzentren eingesetzten Energie zu ermitteln, wird die Power Usage Effectivness (PUE) ermittelt. Dieser PUE-Wert setzt die Energie, die insgesamt im Rechenzentrum verbraucht wird, mit der Energieaufnahme der Rechner ins Verhältnis. Ein PUE-Wert von 2 bedeutet, dass das Doppelte der eingesetzten Leistung für Wärme und Wärmeabführung im Rechenzentrum verbraucht wird, während vom Rechner nur die Hälfte der eingesetzten Leistung beansprucht wird. „Der PUE-Wert lässt sich drücken, damit das Rechenzentrum diese Norm erfüllt“, sagt Hilty, „aber es löst nicht die Probleme, wenn die Leistung weiter wachsen kann.“ Ein nachhaltiger Effekt werde nur erzielt, wenn das Rechenzentrum eine begrenzte Anschlussleistung erhalte, aber trotzdem wachsen solle. Zu den Schlüsselthemen auf der ICT4S-Konferenz gehörte intelligentes Energie-Management. Unter dem Stichwort „Smart-Homes“ wurden Konzepte vorgestellt, um Energie in Privathaushalten effizienter zu nutzen. Ermöglicht wird dies durch Smart-Heating oder Smart-Cooling, das dafür sorgt, Wärme oder Kälte auf Vorrat zu produzieren, wenn beispielsweise sehr viel Strom aus alternativer Energie zur Verfügung steht. Aber auch Smart-Cities sind ein Thema. In Schweden werden die Anforderungen und Bedürfnisse der modernen Infomationsgesellschaft bereits bei der Städteplanung berücksichtigt. Der Grundgedanke ist dabei, bestimmte Produktions- und Konsumprozesse durch den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie intelligenter zu steuern. Dazu gehören beispielsweise Sharing-Modelle, durch die sich in einer Stadt die Anzahl der Autos reduzieren lässt. Aber auch im IT-Bereich selbst gibt es ungenutzte Potenziale, die noch ausgeschöpft werden könnten. Zu den auf der Konferenz formulierten Empfehlungen zählt, Software zu entwickeln, die energieeffizienter auf der Hardware läuft. Die Entwicklung von „Green Software” besitzt mittlerweile ein wachsendes Potenzial, da immer mehr Kunden allein schon aus Kostengründen auf energiesparende Applikationen setzen.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist, die Lebensdauer der Hardware zu verlängern. „Wir befinden uns in der absurden Situation, dass die Hardware zwar über zehn Jahre funktioniert, aber durch Vertragsmodelle für das Handy oder ein neues Betriebssystem, das mehr Speicher benötigt, eine Verkürzung der Nutzungsdauer erfolgt“, konstatiert der ICT-Experte. „Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen und diesen Trend umkehren, damit die Hardware-Obsoleszenz zurückgeht.“ Das Material, das in der Hardware steckt, sei sehr wertvoll. „Es hat noch keine Techologie gegeben, die mehr als die Hälfte des Periodensystems nutzt.“ Dazu gehörten so genannnte Gewürzmetalle wie Indium, die in solch minimalen Mengen verwendet werden, dass sich die Rückgewinnung beim Recycling eines Flachbildmonitors als zu aufwändig erweist. „Deshalb ist es enorm wichtig“, resümiert Hilty, „dass die Geräte länger genutzt werden, damit der Materialfluss verlangsamt wird.“

Virtuelle Medienmetropole am Nordpol

Mit seiner Firma Fjord IT entwickelt der Norweger Helge Gallefoss umweltfreundliche Technologien für die Fernseh- und Medienproduktion, Web-Anwendungen, IPTV, Web TV sowie virtuelle Dienste. Derzeit ist Fjord IT dabei, sein nachhaltig betriebenes Rechenzentrum auszubauen, in dem nächstes Jahr mehrere hunderttausende Server Kapazitäten im Petabyte-Bereich liefern sollen.

Was ist der Vorteil eines Rechenzentrums in Norwegen?

Wir haben das Glück in Norwegen, dass es bei uns kalt und regnerisch ist. Deshalb gibt es bei uns sehr viel Wasser. Fast 99 Prozent des gesamten Stroms in Norwegen wird aus Wasserkraft gewonnen. Wir exportieren auch Strom nach Europa, doch auf dieser lange Strecke ist, welche die Elektronen überwinden müssen, geht viel verloren. Deshalb bietet es sich an, die Datenverarbeitung nahe am Nordpol vorzunehmen, wo aufgrund der Temperaturen keine Kühlung erforderlich ist. Wir bauen große Rechenzentren in Norwegen, die wir mit alternativen Energien betreiben und bieten diese Kapazitäten auf dem europäischen Markt an.

Wird dieses Angebot von der Medienbranche angenommen?

Wir sind auf den Bewegtbildbereich und digitale Medien spezialisiert. Wir haben in den letzten 20 Jahren Medienplattformen aufgebaut, um Live-Streaming im Internet anzubieten, die Archivierung von Filmen, Archiv-Dienste mit Metadaten sowie die automatische Ausspielung auf Websites und Mobiltelefone. Das ist ein Teil unseres Portfolios.

Wie stark wächst dieser Geschäftsbereich?

Jedes zweite Jahr verdoppelt sich die Datenmenge auf der Welt, die wir archivieren und speichern müssen. Das ist eine große Herausforderung, denn die Datemenge erzeugt schon jetzt mehr Verschmutzung als der globale Flugverkehr. Deshalb ist es wichtig, Rechenzentren mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Die meisten Rechenzentren nutzen Strom aus Kohle und Gas. Eine einzige Google-Suche entspricht einer Autofahrt von 60 Metern

Wie hoch ist der Anteil von erneuerbaren Energien weltweit?

Er ist sehr niedrig, denn Norwegen und Island sind die einzigen Länder, die überwiegend auf Wasserkraft setzen. Hinzu kommt noch die Schweiz. Der Rest der Welt gewinnt seine Energie überwiegend aus fossilen Brennstoffen oder Atomenergie.

Wie groß sind Ihre Kapazitäten? Wie viele Länder können Sie mit Rechenleistungen versorgen?

Wir können ganz Europa versorgen, denn bei uns in Norwegen gibt es die höchste Dichte von Anlagen zur Stromerzeugung. Allein in unserer unmittelbaren Umgebung befinden sich 45 Wasserkraftwerke. Wir verlegen auch Seekabel, um Strom nach Großbritannien und den Niederlanden zu leiten. Aber es ist wesentlich sinnvoller, die Elektrizität in der Nähe der Kraftwerke abzurufen, damit nicht ein Großteil der Energie verloren geht.

Gibt es eine wachsende Nachfrage nach ökologisch arbeitenden Rechenzentren?

Wir wachsen mit unserem Geschäft, das sehr skalierbar ist. Derzeit verfügen wir über eine Kapazität von 1.000 Servern. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr mehrere hunderttausend Server einsetzen, die dann Datenmengen im Petabyte-Bereich verarbeiten können.
Birgit Heidsiek
(MB 05/13)

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