Als „Blut-, Schweiß- und Tränenproduktion“ bezeichnete Sascha Schwingel, Produzent bei der teamWorx Television & Film GmbH, die Realisierung des historischen Abenteuer- und Katastrophenfilms „Hindenburg“ bei seiner Vorstellung in Hamburg. Von der ersten Idee bis zur endgültigen Fertigstellung seien insgesamt zehn Jahre ins Land gegangen. teamWorx hat „Hindenburg“ gemeinsam mit RTL und EOS Entertainment produziert. Gefördert wurde der Zweiteiler von der Filmstiftung NRW, dem FilmFernsehFonds Bayern mit Unterstützung des europäischen Media-Programms, des ORF und Pixomondo Visual Effects.
Schon 1975 gab es eine Verfilmung Hollywoods zum Unglück der Hindenburg – in Szene gesetzt von Robert Wiese. Auch die jetzige TV-Produktion setzt auf den internationalen Markt. Dabei hilft die internationale Starbesetzung mit Greta Scacci, Stacy Keach, Maximilian Simonischek, Lauren Lee Smith, Heiner Lauterbach, Ulrich Noethen, Jürgen Schornagel, Christiane Paul, Hannes Jaenicke und Wotan Wilke Möhring.
Der Weltvertrieb Beta Film wird diesen Zweiteiler international vermarkten. Erste Trailer-Vorführungen in Cannes auf der MIP TV oder beim AFM seien hervorragend angekommen, heißt es. Da einige Einkäufer bereits Interesse signalisierten, diese Produktion ins Kino zu bringen, wird es auch eine gekürzte Spielfilmfassung geben. Damit hatte teamWorx schon bei Produktionen wie „Dresden“ oder auch „Sturmflut“ gute Erfahrung gemacht. „Die Hindenburg ist deutsches Fernsehen auf dem höchsten internationalen Niveau“ sieht Schwingel gute Erfolgschancen, wenn der Film beim Europäischen Filmmarkt der Berlinale in den Verkauf geht.
Die außergewöhnlich lange Entstehungszeit der „Hindenburg“-Produktion begründete Schwingel mit zwei grundsätzlichen Problemen. Neben der Finanzierung sei es auch schwierig gewesen, die auf limitiertem Raum im Luftschiff spielende Geschichte dramaturgisch gut aufzubereiten. Ein Großteil der Szenen spielt in den Bereichen des Kabinen- und Panoramadecks und im Innern des gewaltigen Luftschiffes. „Am Anfang haben wir noch mit einem Etat von bis zu 17 Mio. Euro gerechnet. Das hat sich dann aber als unrealistisch heraus gestellt. All die Energie, die wir zuerst in das Projekt hinein gesteckt haben, ist letztlich verpufft, weil uns die Visionen für nötige Problemlösungen fehlten“, berichtete Schwingel.
Das Projekt „Hindenburg“ musste zudem einen Regiewechsel hinnehmen. Der ursprünglich vorgesehene Regisseur Roland Suso Richter entschied sich für ein anderes Projekt („Dschungelkind“). Für ihn kam Philipp Kadelbach, mit dem Schwingel bereits vorher schon zusammen gearbeitet hatte. Mit der Entscheidung, den Film in Englisch zu drehen und mit dem neuen Regisseur kam das Projekt entscheidend voran. „Auch für die Umsetzung des Drehbuchs hatten wir endlich gute Ideen“ meinte Schwingel. Es sei hilfreich gewesen, dass man für die aufwändige Visual Effect-Produktion einen in technischen Fragen sehr versierten Regisseur gefunden habe.
Für RTL indes muss ein historisches Szenario wie bei „Hindenburg“ vor allem unterhaltend aufbereitet sein (siehe Gespräch mit Barbara Thielen). So wird die Unglücksfahrt des Zeppelins „LZ 129 Hindenburg“ vor dem Hintergrund der historischen Geschehnisse dramaturgisch entlang einer Liebesgeschichte sowie einer fesselnden Abenteuerstory erzählt, bei der es bis zum Schluss darum geht, eine an Bord geschmuggelte Bombe zu entdecken und zu entschärfen. Bis heute sind die Gründe für die Katastrophe nicht hundertprozentig aufgeklärt. Es kursierten immer wieder Sabotagetheorien, auch wenn sich die Fachwelt weitgehend einig zu sein scheint, dass sich der Wasserstoff letztendlich durch elektrostatische Aufladung der Außenhülle entzündet hatte. Der Zeppelin war kurz zuvor durch eine schwere Gewitterfront geflogen
Dreharbeiten in MMC Studios
Rund sieben von 13 Drehwochen wurden in den Kölner MMC Studios in zwei Hallen parallel gedreht. Dort wurde ein Teil des Panoramadecks in Originalhöhe von sechs Metern, die beiden Gangways , über die die Passagiere an Deck gingen, die Offiziersmesse, Passagierkabinen und die Heckflosse errichtet. Die Innenansicht des Zeppelinrumpfs wurde als ein Teilstück im Querschnitt 1:1 nachgebaut. „Wir haben bei MMC gedreht, weil dort das einzige Studio existiert, das auch die erforderliche Höhe für unseren Set mitbringt. Für die Rekonstruktion des Zeppelins im Querschnitt war alleine eine Höhe von 24 Metern erforderlich, über die schließlich noch das Lichtequipment installiert werden musste“, erklärte Schwingel.
Die Realisierung des Zeppelindramas sei letztlich an Kompromissentscheidungen gebunden gewesen, welche Bereiche des Luftschiffes gezeigt werden können. Schwingel: „Wir hätten uns gerne noch die Bugspitze erlaubt, die ein tolles Motiv ist und wo viel von der Geschichte hätte spielen können. Aber dafür hätten wir ein drittes Studio gebraucht und über 100.000 Euro Mehrkosten veranschlagen müssen. Schon als wir den Zeppelin in den Film einführten, mussten wir uns sehr viel einfallen lassen. Wir haben in diese Produktion insgesamt 230 Visual-Effekts-Szenen eingebaut und mussten um jede feilschen.“
Hoher Visual-Effects-Aufwand
Ein derartig hoher Aufwand in Sachen Visual Effects (VFX) zwinge zur absoluten Präzision. „Kadelbach, der neben einigen Filmproduktionen vor allem viel Erfahrung aus der Werbeproduktion mitbringt, ist ein Regisseur, der die Inszenierung im Vorfeld akribisch plant und seine Ideen exakt beschreiben kann. Für den VFX-Supervisor ist das enorm wichtig. Fehlplanungen verursachen sofort weitere Kosten in der Postproduktion“, sagte Schwingel.
Für den erfahrenen VFX-Supervisor Denis Behnke, der an teamWorx-Filmen wie „Dresden“, oder „Vulkan“ ebenso mitgearbeitet hat, wie an den Spielfilmen „Ghostwriter“ von Roman Polanski oder „Männerherzen“ ist die Fahrt und der Absturz der „LZ 129 Hindenburg“ die bis dato aufwändigste Effektproduktion bisher gewesen, was sich schon aufgrund der enormen Entwicklung bei den visuellen Effekten erklärt. „Die Entwicklung der Computergrafik macht sehr große Sprünge. Wenn wir nach heutigem Stand ‚Dresden’ oder ‚Sturmflut’ noch einmal realisieren würden, könnten wir sicher einiges noch besser und eindrucksvoller lösen. Durch den immensen Fortschritt in der Computeranimation werden die Projekte laufend aufwändiger und die Bilder immer gigantischer.“
Bereits am Filmset wurde ein virtuelles Zeppelinmodell in die gedrehten Kamerabilder eingefügt, um die Positionierung und Größe der Hindenburg exakt voraus bestimmen zu können. Die größte Herausforderung für die Effektspezialisten war schließlich der Absturz des Luftschiffes. Mit bis zu 17 Stunden für jedes einzelne Filmbild in der Spitze mussten die aufwändigen Simulationen des explodierenden Luftschiffes berechnet werden.
Ebenfalls virtuell waren einige der Luftaufnahmen etwa über dem Flugfeld in Frankfurt, über dem Eismeer oder im Anflug auf New York.
Ungeheure Dimensionen
Prinzipiell bestand die Herausforderung für das kreative Team am Set und in der Postproduktion darin, die ungeheure Dimensionen des größten Zeppelins der damaligen Luftschiffflotte zu veranschaulichen. Das Schiff war 250 Meter lang und besaß einen Durchmesser von 40 Metern. „Wir haben versucht, diese Größen dem Zuschauer verständlich zu machen“, erklärte Behnke. „Ein Luftschiff dieser Größenordnung gibt es heute nicht mehr.
Niemand kann sich vorstellen, welche Dimensionen es besaß. Die Schwierigkeit lag darin, dass das Schiff in der Totalen kleiner wirkt als es war. Bei einem Ausschnitt lässt sich diese Größe nur veranschaulichen, wenn es im Bild Referenzgrößen wie Menschen oder Autos gibt. In den Previsualisierungen am Computer haben wir sehr viel ausprobiert, welche Einstellungen geeignet sind, dies dem Zuschauer zu vermitteln. Eine der besten Szenen, in der dies gelingt, ist die Einstellung, als der Zeppelin erstmals aus dem Hangar gezogen wird. Die Kamera zeigt ihn aus der Vogelperspektive. Der Zuschauer sieht diesen gigantischen Flugkörper von oben und kann in Relation dazu die Haltemannschaft am Boden erkennen, die winzig klein und weit weg erscheint.“
Viele Szenen spielen im Kabinenbereich und im Panoramadeck, also in geschlossenen Räumen, die nichts von der wahren Dimension vermitteln. So groß diese Luftschiffe waren, im Kabinenbereich herrschte Enge wie in einem Schlafwagenabteil der Bahn mit Doppelstockbetten und klappbaren Waschbecken. Aus filmischer Sicht völlig unmöglich. Also hat man etwas größere Kabinen kreiert und auch den Speisesaal etwas erweitert, um die Eleganz und den Glanz des Raumes wirken zu lassen. „Die einzige Möglichkeit, den Zeppelin in seiner Größe zu erzählen, sind nur die Axial- und Kielstege durchs Schiff. Wenn ich den Axialsteg in seiner Länge anschaue, dann sehe ich die „Unendlichkeit“ des Luftschiffes.
Also haben wir bilddramaturgisch die inneren Ausmaße vor allem entlang dieser begehbaren Verbindung erzählt“, erklärt Behnke. Der in der Mitte des Schiffes gelegene Axialsteg, über den man der Länge nach durchs Luftschiff gehen kann, wurde im Studio über 20 Meter Länge gebaut, die dann digital in die Tiefe verlängert wurden. Dazu wurde der Axialsteg als 3D-Modell generiert und später digital im Compositing an das Realbild angesetzt.
Previsualisierung während des drehs
Bei Pixomondo in Stuttgart waren rund 30 Artists mit den VFX Shots beschäftigt. Schon während des Drehs wurde an den Previsualisierungen gearbeitet, damit der Zeppelin in die Kamerabilder eingesetzt werden konnte. Für den Kameramann war dies eine wichtige Referenz, damit er weiß, welche Optiken er verwenden kann und wo er hinschwenken muss. Für das Luftschiff-Modell und die aufwändige Absturzsimulation wurde 3D Studio Max verwendet, für Wolken und Hintergrund-Details Maya eingesetzt und das Compositing erfolgte mit Nuke. Dazu verwendete man für Motion Tracking 2D SynthEyes und für die Feuer- und Rauchsimulation Fume fx.
Absoluter Höhepunkt für das VFX-Team war der Simulationsaufwand für die Katastrophe. Alles sollte echt wirken und den historischen Aufnahmen so nahe wie möglich kommen. „Am Schluss haben wir sehr viel gewagt“, sagte Behnke. Und weiter: „Jedes Bild des Absturzes besteht aus fünfzig bis sechzig einzelnen Bildelementen, die teils im Computer generiert wurden. Das Feuer, der Rauch und die Komparsen wurden vor der Greenscreen gedreht. Der gesamte Simulationsaufwand des Zeppelins, das Kollabieren des Skeletts, der enorme Feueraufwand als Folge der Wasserstoffexplosion musste schließlich berechnet werden mit bis zu 17 Stunden pro Einzelbild. Die eigentliche Berechnung der Bilder musste daher auf die weltweiten Kapazitäten von Pixomondo ausgeweitet werden, auf Studios in Berlin, München, London, Los Angeles, Peking und Shanghai. Die haben schon ihre weltweite Renderkapazität einsetzen müssen, um diese Performance zu erzielen.“
Bernd Jetschin
(MB 02/2011)