In einem Impulsvortrag berichtete Andre Prahl, Bereichsleiter Programmverbreitung bei CBC (Cologne Broadcasting Center), über den Trend hin zur Multiscreen-, Multiplattform-Distribution. Er skizzierte das sich verändernde Nutzerverhalten und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für das Medien-Business insgesamt, einschließlich der Content-Produktion, -Organisation und -Verteilung.
Prahl erklärte: „Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs und des technologischen Wandels. Der Bedarf an Bewegtbild ist größer denn je. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 40 Millionen videofähige Endgeräte inklusive Smartphones und Tablets verkauft, also achtmal soviel Geräte wie zu den Zeiten als nur der Fernseher der Bewegtbild-Nutzung diente. Das fördert natürlich neue Angebote ebenso wie die sogenannte Parallelnutzung, ein Aspekt, der heute schon bei der Produktion von TV-Filmen und -Serien eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig wächst bei Sendern die Herausforderung, die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten wieder stärker auf den großen Bildschirm zu richten.“ Zudem sei die Mediennutzung in den einzelnen Altersgruppen sehr unterschiedlich und die wachsende Vielfalt der Inhalteangebote würde ein Nachlassen der Markentreue bewirken. Dies berge einerseits Risiken für etablierte Geschäftsmodelle, aber andererseits auch Chancen für neue. Als weiteren Trend bezeichnete Prahl die Konsolidierung bei den klassischen Infrastrukturanbietern wie den Kabelnetz- und Mobilfunkbetreibern und die starke Fragmentierung im OTT- und Internet-Video-Bereich. Der CBC-Manager wies auch darauf hin, dass TV-Angebote hierzulande nach wie vor starken Werberegularien unterliegen würden, Internet-Angebote hingegen nicht. Dennoch stünden beide im Wettbewerb. „Gleiche Rahmenbedingungen wären fairer“, meinte er. Neben dem Kampfschauplatz bei der Regulierung sei auch das Thema Endgeräte-Plattform von Relevanz. Endgeräte, wie die von Samsung, seien schließlich im regulatorischen Sinne auch als Plattform einzustufen, da sie die Auffindbarkeit, Zugang und Darstellung zu Inhalten beeinflussen würden. Die verschiedenen Rahmenbedingungen würden ebenfalls zur wachsenden Komplexität im Broadcast-Geschäft beitragen. „Wir haben es mit einer Vielzahl von Angeboten zu tun, die auf den unterschiedlichsten Plattformen und Endgeräten zur Verfügung gestellt werden müssten. Das ist technologisch sehr aufwändig“, betonte Prahl. Die Gestaltung der damit verbundenen Prozesse und Workflows in den Medienhäusern sei ohne effizientes Content Management nicht zu leisten.
„Beim Thema Content-Management, -Produktion, -Bearbeitung und -Distribution gehen wir einer Zeit entgegen, wo die Verzahnung der einzelnen Gewerke und Disziplinen zunehmend an Bedeutung gewinnt“, betonte Prahl. In der Broadcast-Branche entferne man sich zunehmend von ausschließlich linearen Prozessen an deren Anfang der Produzent von TV-Serien oder -Filmen stehe, der diese dann an „Videoverteilorganisationen“ weiter reiche, die dann wiederum ihr aggregiertes TV-Produkt an Plattformen übertragen würden. Prahl: „Diese lineare Kette, die wir jetzt aus vielen Jahren TV-Geschichte kennen, löst sich auf und wird überführt in einen bidirektionalen oder auch kreislaufförmigen Prozess.“ In diesem würde auf der einen Seite Content hergestellt und auf sehr vielfältigen Verbreitungswegen für verschiedene Displays und Nutzungsformen verteilt. Auf der anderen Seite sei man aber auch mit dem Rückfluss von Zuschauer-Informationen konfrontiert, der für die Gestaltung individualisierter Inhalte-Angebote wichtig seien. Der Zuschauer nehme so direkten Einfluss auf das, was am Anfang der Wertschöpfungskette stehe, nämlich auf die Content Erstellung.
Vor diesem Hintergrund würden beschreibende Daten von Videoinhalten, die sogenannten Metadaten, wachsende Bedeutung erlangen. Nur mit ihrer Hilfe könne das Nutzerverhalten verfolgt und spezifiziert werden, um dann personalisierte, exakt auf den einzelnen Nutzer zugeschnittene Verwertungsformen des Inhalts generieren zu können – auch bei Live-Produktionen. Dabei gelte es jedoch, mit sehr spezifisch beschriebenen Produktionsinhalten zu arbeiten und die Kompatibilität aller beim Content Management eingesetzten Systeme zu gewährleisten. „Herstellungsprozesse lassen sich nur an die sich schnell entwickelnde Medien-Distributionslandschaft anpassen, wenn die Systeme kompatibel sind, miteinander interagieren können und den Austausch der sehr wichtigen Metadaten gestatten. Das würde auch eine sehr viel effizientere Produktionslandschaft ermöglichen“, betonte Prahl. Der CBC-Manager wies auch darauf hin, dass neue Nutzungsformen wie das zeitversetzte Fernsehen zunehmend an Relevanz gewinnen würden. Alle Plattformbetreiber seien heute am Thema Network PVR (Private Video Recorder) interessiert, für das Aufzeichnen und Bereitstellen von Services in der Cloud und der Möglichkeit zu „Instant Restart“. Prahl: „Damit das aber richtig funktioniert, müssen alle Programminformationen vorliegen. Die dabei nötige Synchronisation von Video- und Audioinhalten mit den zugehörigen Metadaten stellt ganz neue Herausforderungen an ein Content-Management-System.“ Über die Set-top-Box passiere eine Interaktion mit dem Zuschauer. Nur durch die Bereitstellung und Gewährleistung der Echtzeitfähigkeit von Metadaten könne man auf sein Nutzerverhalten adäquat reagieren. Bei der Gestaltung der Videoproduktionsworkflows und den darüber liegenden Steuerungsebenen sei dies eine der zentralen Herausforderungen.
Für werbefinanzierte Sender würden künftig zudem die Nutzerdatenerfassung und -auswertung immer wichtiger, um auf deren Basis auch personalisierte Werbung anbieten zu können. Dazu gehöre ein gutes Rechtemanagement. „Auch hieraus ergeben sich besondere Herausforderungen für die Sender“, betonte Prahl. Für die RTL-Gruppe sei ferner der Geschäftsmodellschutz wichtig. Dies betreffe beispielsweise das Verhindern von Aktionen zur Überblendung von eigenen Werbespots.
Um den genannten Herausforderungen zu begegnen und um der RTL-Gruppe das Angebot von neuen Produkten und Services zu ermöglichen, arbeite CBC kontinuierlich an einer integrierten Prozess- und Systemlandschaft. Dabei versuche man auf der einen Seite, die Videoproduktion für die verschiedenen dahinter liegenden Nutzerformen, Displays, Auflösungen und sonstigen Präsentationsformen zu automatisieren und auf der anderen Seite zu gewährleisten, dass neue Produkte bei Bedarf schnell und flexibel auf den Markt gebracht werden könnten. Prahl: „Modularität, Austauschbarkeit und Automationsgrad sind bei solchen Produktionsprozessen sehr wesentlich. Ganz essentiell dabei ist, wie schon gesagt, das Verknüpfen des technischen Ablaufs mit Informationen über den Verwendungszweck über die Metadatenverwaltungsebene, damit auch das Nutzungsverhalten des Endkunden Berücksichtigung findet. Das heißt, wir reden hier von einem interaktiven fast schon bidirektionalen Produktionsprozess.“ Bei der Planung der Medienzukunft setze CBC auf einen „revolutionären Denkansatz“. Prahl: „Lineares Fernsehen ist im Prinzip ein Sonderfall im ansonsten vollständig personalisierten Video-Nutzungsszenario. Der Sonderfall ist, dass alle das Gleiche sehen, der Normalfall, dass jeder sein individuelles Programm nutzt.“ Dazu gehöre auch, dass künftig verschiedene technische Qualitätsstufen von TV-Angeboten, wie 4k- und HD-Programme, mit unterschiedlichen Datenvolumen für verschiedene Displays parallel nebeneinander angeboten würden. All dies sei nur durch eine komplette Umstellung auf IT-basierte Prozesse in den Sendern zu bewerkstelligen. Prahl betonte beim MEDIEN BULLETIN-Roundtable zusammenfassend: „Die Multiscreen-Verteilung ist materialtechnisch sicher eine große Herausforderung. Eine größere Herausforderung ist jedoch mit den Metadaten und programmbeschreibenden Informationen verbunden, die die Nutzungsformen abbilden müssen, und in Kombination mit Rechteverwaltungssystemen die Automatisierung vielfältiger Angebote und Services ermöglichen müssen.“ Die damit verbundene Komplexität erlaubt heute nicht mehr, ohne Partner und mit proprietären Systemen zu arbeiten: Prahl: „Das Stichwort heißt Kooperation. Es ist nicht mehr möglich, ein solches Videomanagementsystem alleine zu entwickeln, auch wenn jedes Medienhaus eigene Herausforderungen hat. Prahl: „Man muss in dieser Medienlandschaft mehr abstrahieren und generalisieren. Es sind Tools gefragt, die sehr viel Entwicklungsaufwand hinter sich haben, und stabil und gut von möglichst vielen Playern im TV- und Produktionsumfeld verwendbar sind.“
Jochen Pielage, Geschäftsführer Technologie und Development von Avid Deutschland, nahm den Ball gerne auf. Er wies darauf hin, dass Avid Technology mit der „AVID Everywhere“-Initiative die Kollaboration mit allen Partnern in der Medienbranche suche und sich in den vergangenen drei Jahren mit seinen Software-Produkten von einem eher proprietären zu einem offenen Plattform-Anbieter gewandelt habe. „Wir wollen und können gar nicht alles selber machen, sondern möchten vielmehr eine gemeinsame Plattform schaffen, eine Art ‚Betriebssystem’ für Medienunternehmen, auf der wir unsere Services anbieten können ebenso wie alle anderen Marktkräfte auch“, betonte er. Rechtemanagement- oder Security-Themen gehörten zum Beispiel nicht zur Kernkompetenz von Avid. Dafür gebe es Experten mit denen man auf der gemeinsamen Plattform gerne zusammen arbeiten wolle. Im MAM-Umfeld sei Arvato zwar einer der größten Avid-Mitbewerber. Man sei aber auch hier an einer Kooperation und nicht an einem Verdrängungswettbewerb interessiert. „Nur durch gemeinsame Lösungen können wir am Ende Mehrwert für unsere Kunden schaffen“, betonte Pielage. Als Beispiel dafür nannte er Kooperationen mit make.tv und mit Adobe beim Schnittprogramm Premiere.
Sophie Lersch, Chief Product Officer Services bei der SES Platform Services GmbH, bestätigte die im Impulsvortrag skizzierten Trends. „Was Andre Prahl gesagt hat, trifft auch für viele unserer Kunden zu. Multidevice bedeutet auch Multispec. Es kommen immer neue Spezifikationen hinzu, ohne dass die alten abgelöst werden. Wenn sich ein Dienstleister zentral mit dieser Thematik befasst, ist es natürlich effizienter und kostengünstiger und für alle verfügbar. Das ist auch sehr wichtig vor dem Hintergrund, dass aktuell die meisten VoD-Anbieter es nicht leicht haben, mit der Bereitstellung ihrer Inhalte auf Internet-Plattformen Geld zu verdienen“, meinte sie. Um Video Assets einfacher auf allen Plattformen mit unterschiedlichsten technischen Spezifikationen und in Verbindung mit Metadaten ausliefern zu können, habe SES Platform Services mit FLUID Media kürzlich eine neue kostengünstige Lösung an den Start gebracht (siehe Beitrag in dieser Ausgabe). Sie basiert auf dem Content Management System von SES Platform Services und bietet Features wie Transcoding, Metadatenverwaltung, Branding mit Logos, Bauchbinden und Verweisen et cetera. Rechteverwaltung wird bislang noch nicht angeboten. „Das findet ja aber meist auch in den MAM-Systemen in den Medienhäusern selbst statt. Wir würden eigentlich diese Daten nur bei uns importieren, um dann auch das Management auf den Plattformen sicher zu stellen“, meinte sie. Um personalisierte Werbung machen zu können, personalisierte Playlisten anzubieten oder Recommendation Engines einzusetzen, fehle den Anbietern noch die nötige Metadaten-Struktur. „Ich glaube, dass die, ebenso wie wir selbst, noch in Zukunft daran arbeiten können“, räumte sie ein. Lersch forderte auch einheitliche Schnittstellen. Mit Blick auf die Avid Everywhere-Strategie meinte sie. „Eine einheitliche Plattform, auf der viele unterschiedliche Services andocken können, kann eine Lösung sein. Offene, standardisierte Schnittstellen, damit die Systeme miteinander kommunizieren können, wäre eine andere.“ Um effizient arbeiten zu können, sei dies dringend erforderlich.
Kunde von SES Platform Services ist seit 2008 Beta Film. Geschäftsführer David Kratz berichtete beim MEDIEN BULLETIN-Roundtable, dass man lediglich IT- und Infrastruktur bezogene Aktivitäten ausgelagert hätte. Rechtedatenbanken, kaufmännisches und redaktionelles Content Management seien Inhouse geblieben. Im IT- und Infrastrukturbereich profitiere man klar von den Skalierungseffekten, die SES ermögliche. „Postproduktionshäuser, die auch gelegentlich IT-Ressourcen vorhalten, stoßen da ganz schnell an ihre Grenzen. Deswegen macht es mehr Sinn für uns mit einem großen Infrastrukturprovider zu kooperieren“, betonte er. Die Materialdisponenten von Betafilm, erklärte Kratz, würden mit dem eigenen CMS arbeiten und von dort aus über eine Auftragsschnittstelle mit dem MAM-System von SES Platform Services kommunizieren. Dieses MAM-System stammt ursprünglich von BlueOrder, einem Unternehmen, das Avid Anfang 2010 übernommen hat.
Der Beta Film-Manager wies auch darauf hin, dass sich das Geschäft mit den Plattformen, an die das Unternehmen seine Filme ausliefert, in den vergangenen Jahren stark verändert hat. „Wir betreiben ein B-to-B Business. Und da ist festzustellen, dass viele Plattformen das ganze Thema des Content-Aufbereitens aber auch des -Vermarktens und -Kuratierens auf den Anbieter dieses Contents verlagert und wir deshalb eine ganz wesentliche Vermarkter-Rolle auf diesen Plattformen mitspielen. Das heißt, es kommt nicht mehr nur darauf an, dass man technisch abliefert, sondern dass man Metadaten-Qualität mit entsprechenden Tags und Schauspielerbenennung abliefert. Die Genres Beschreibung muss abgestimmt werden. Es ist also hier nicht nur ein technisches Problem zu lösen, automatisiert auszuliefern, sondern auch ein redaktionelles Problem. Das ist bis heute aus unserer Sicht ungelöst“, betonte er. Die Vorstellung, dass man an viele verschiedene Plattformen automatisch ausliefern könne sei zwar sehr attraktiv aber das Mapping, das man trotzdem noch machen müsse, um das redaktionelle Verständnis unter den Partnern sicher zu stellen, würde dem entgegen stehen. „Die nötige redaktionelle Arbeit verhindert, dass viele Inhalte im Library Bereich überhaupt ausgeliefert werden können“, erklärte Kratz.
Ein weiteres Thema, das Betafilm beschäftigte, sei die Archivierung oder Servernutzung abseits dedizierter Rechenzentren bei Cloud basierten Diensten zum Beispiel von Amazon, Oracle oder IBM. „Hier stellt sich die Frage nach der Sicherheit beziehungsweise Verfügbarkeit des Contents. Können sich große Content-Inhaber vorstellen, weg von eigenkontrollierten Infrastrukturen zu gehen und die von großen amerikanischen Infrastruktur-Providern angebotenen Services zu nutzen?“ wollte er wissen.
Charles Perry, Head of Media Management bei Sky Deutschland, meinte dazu: „Das ist sicherlich bei einigen Inhalten und Formaten denkbar. Ich kann mir aber nicht vorstellen, eine Library komplett abzugeben. Besonders weil wir viel mit den Majors zu tun haben, und die müssten wir ja erst einmal um Erlaubnis fragen. Da gilt es ja auch, sehr strenge Sicherheitsrichtlinien einzuhalten. Bei Sky Deutschland sind zentrale Elemente des Content Managements Inhouse. Zur Verbreitung bereit gestellt werden die meisten Inhalte von Sky Deutschland an drei Stellen, bei den Dienstleistern Plazamedia und SES Platform Services sowie im eigenen Haus. „Was die Zusammenführung von redaktionellen und technischen Metadaten angeht ist man bei Sky noch nicht so weit, weil wir eben so viele Quellen haben, von denen wir Material beziehen und so viele Stellen, an die wir ausliefern. Die Metadaten-Zusammenführung müssen wir erst noch angehen“, sagte Perry.
Und Sophie Lersch von SES Platform Services erklärte: „Wir könnten Inhalte in der Public Cloud anbieten, machen das aber zunächst mal nur in der Private Cloud, einschließlich Services wie Transcoding. Wir evaluieren, mit welchem Public Cloud-Anbieter macht die Zusammenarbeit am meisten Sinn. Herausgefunden haben wir aber schon, das dies nicht unbedingt kostengünstiger ist, zumindest mal, wenn wir über die Distribution in Deutschland reden. Da sind wir mit unserem Service immer noch günstiger.“
Ernst Feiler, Technik-Chef bei UFA Serial Drama und unter anderem verantwortlich für die Einführung eines rein IT-basierten HD-Workflows und des produktionsunterstützenden, Cloud basierten Streaming-Dienstes ScreenerONE, meinte: „Wenn wir dem Kostendruck, unter dem wir stehen, etwas entgegen setzen wollen, dann müssen wir uns der hybriden Cloud öffnen.“ Bei 95 Prozent der deutschen Produzenten käme jedoch die Nutzung einer US-amerikanischen Cloud nicht einmal ansatzweise in Frage, weil man ja schließlich im starken Wettbewerb mit US-Produzenten stehe und man die Sicherheit europäischer Inhalte in einer US-Cloud nicht gewährleistet sehe. Lieber bezahle man mehr Geld. Das sei auch ein Grund dafür, dass Sony mit seinem in der Amazon Cloud liegenden CI-System in Europa nicht avanciere. Ausgelagert werden könnten in amerikanische Cloud-Services nur geschäftsunkritische Daten und Prozesse.
Feiler forderte beim MEDIEN BULLETIN-Roundtable auch den verstärkten Einsatz von Metadaten, möglichst früh in der Produktionskette, um so die spätere Verwertung von Filmen über die unterschiedlichen Verbreitungswege zu optimieren. Im fiktionalen Bereich würde heute erst nach Abgabe des Produkts über das Thema Metadaten nachgedacht. Das sei falsch.
„Unsere Zeit ist von einem Paradigmenwechsel geprägt. Mit dem UFA Lab haben wir deshalb schon vor Jahren eine eigene Unit geschaffen, die genau diese Fragen nach den neuen Geschäftsmodellen in einer veränderten Medienwelt adressiert. Wir haben gelernt, dass die Verwertungsketten deutlich flexibler werden und wir als Produzenten diesem Trend gerecht werden müssen.“ Auf den Produzenten von morgen komme „viel mehr Komplexität in den Geschäftsmodellen“ zu. Er müsse sich deshalb „neue Skills draufschaffen, die bisher nicht zum Standard gehörten“, betonte Feiler. Dazu gehöre insbesondere ein größeres Technologieverständnis. „Denn am Ende des Tages ändert sich die Medienwelt nicht, weil einer neue Inhalte erfunden hat, sondern weil neue Endgeräte die Wertschöpfungsketten verändern“, sagte der UFA-Manager. Film und Fernsehen seien technische Entwicklungen, über die Inhalte verbreitet werden könnten. Mit dem technischen Umbruch würden dafür neue Möglichkeiten entstehen. Feiler: „Das heißt, der Produzent der Zukunft muss sich viel stärker mit Technologie, mit technologischen Möglichkeiten und deren Einschränkungen auseinander setzen, um für sich Antworten zu finden, ob er morgen noch damit erfolgreich Geschäft machen kann.“ Nach wie vor seien nicht alle Kreativen dazu in der Lage oder bereit. „Für die ist Technologie nur ein Mittel zum Zweck. Aber das geht nicht lange gut. Denn Technologie ist nach 100 Jahren Filmgeschichte mittlerweile der wichtigste Enabler für innovative Produktionen. Bislang war Technologie immer ein Problem, weil man eine Vision, die man im Kopf hatte, nicht umsetzen konnte, weil es technisch einfach nicht möglich war. Spätestens mit ‚Matrix’ und ‚Herr der Ringe’ ist im fiktionalen Bereich dieser Damm gebrochen. Technisch können wir heute alles, egal welches Bild man sich ausdenkt. Es ist die Kunst des Produzenten die nötigen finanziellen Mittel dafür her zu bekommen. Das gilt nicht nur für Fiction, sondern auch für Shows, für News und viele andere Bereiche. Die heranwachsende junge Produzenten-Generation habe verstanden, dass Technologie ihr bester Freund ist. Feiler: „Deswegen freue ich mich jetzt, auch an dieser Stelle bei der UFA zu sein, genau in diesem Umbruch, wo Technologie am Ende des Tages den Kreativen hilft, die Herausforderungen der Zukunft in Angriff zu nehmen. Das pflegen wir in der UFA mit unserer neuen One-UFA-Strategie immer mehr.“
Der UFA-Manager kritisierte, dass Content Management Systeme heute meist nur für Broadcaster und nicht für Produzenten und andere Film- und TV-Dienstleister gemacht seien. „Die sind in eine Komplexität gewachsen, die wir weder brauchen noch wollen. Da wünsche ich mir, dass nicht nur die S-Klasse angeboten wird sondern auch der Smart, beim Preispunkt das Komma eine Stelle nach links verrückt und diese Modelle herunter gebrochen werden, sodass auch die normalen Marktteilnehmer daran partizipieren können. Das ist ein Schlüssel.“ Nur wenn man einfachere Content-Management-Systeme, kompatibel zu denen der Broadcaster hin bekäme, könnten auch alle besser an der gemeinsamen Wertschöpfungskette profitieren.
Bertram Bittel, Technischer Direktor des Südwest Rundfunks (SWR) wünschte sich beim MEDIEN BULLETIN Roundtable, dass der Daten-Austausch zwischen den unterschiedlichen CMS-Systemen noch verbessert wird. „Es müssen dazu noch mehr Schnittstellen geschaffen werden. Das betrifft uns alle hier am Tisch“, sagte er. Ferner seien einfache Plugins nötig, die mit jedem CMS funktionieren und Schnitt- und Redaktionsoberflächen bereitstellen würden, damit der Redakteur auch wirklich „everywhere“ arbeiten könnte.
Beim Thema Metadaten sprach er sich für ein besseres gemeinsames Verständnis aus. „Wenn man sie wirklich für die Personalisierung nutzen will, dann muss beim Metadatenaustausch von verschiedenen CMS-Systemen auch gewährleistet sein, dass dunkelgrau oder dunkelblau nicht als schwarz verstanden wird. Wenn die Definitionen nicht stimmen, dann klappt auch die individualisierte Nutzeransprache nicht“, betonte er.
Thomas Urban, Leiter Competence-Center System- und Infrastrukturplanung und Leiter Infrastrukturplanung, Geschäftsfeld Planung und Realisierung, beim ZDF, meinte: „Metadatenerfassung im technischen und redaktionellen Bereich muss selbstverständlicher werden. Wir als Sender müssen darauf achten, dass weniger Brüche auf dem Produktionsweg eintreten. Jeder Bruch bedeutet nötige manuelle Eingriffe und die kosten Zeit.“ Event- und Projektgeschäfte würden immer agiler und Software getriebener. Cloudlösungen seien deshalb hilfreich, um Inhalte vor Ort zur Verfügung zu stellen oder auch im Sendezentrum direkt verarbeiten zu können. „Da sehen wir Chancen und Mehrwerte. Am Ende muss sich das aber auch immer rechnen“, erklärte er.
Robert Zeithammel, Abteilungsleiter Medienproduktion bei der Plazamedia, erklärte: „Da alle unsere Kunden ganz unterschiedliche Anforderungen an das Content Management haben, können wir nur mit modularen Systemen arbeiten. An dieser Runde hier ist interessant zu sehen, dass wir da alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.“ Auch Plazamedia müsse sich mit seinem 2008 als Kern des Gesamtbetriebs installierten eCenters noch stärker den diskutierten Herausforderungen stellen.
Avid-Manager Pielage konstatierte am Ende: „Sehr viel von dem, was wir heute diskutiert haben, haben wir bereits von unseren Kunden gehört. Alle Roundtable-Teilnehmer sind mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wenn auch aus leicht unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Unsere ‚Avid Everywhere’-Strategie mit der Media Central Plattform scheint mir deshalb die richtige zu sein. Vielleicht stellen wir nicht den ‘Smart’ her, sondern jemand anderes, aber alle fahren auf der gleichen Straße.“ Im Anschluss an die Diskussion kündigte Pielage im Video-Interview mit mb News indes auch an, dass Avid sich dem Thema CMS für kleinere Unternehmen künftig näher befassen wolle. Avid-Vertriebsdirektor Jan Lange stellte die These auf: „Durch die zunehmende Multiplattform-/Multidevice-Komplexität wird ein einzelner TV-Sender, auch auf Grund der Kosten die dabei entstehen, gar nicht mehr in der Lage sein, seine MAM-Plattform so weiter zu entwickeln, dass sie jedes Bedürfnis abdecken kann.“ Von daher müsse es künftig eine Art Betriebssystem für die Medienbranche geben. „Wir, wie auch andere Anbieter, arbeiten daran, um standardisierte Schnittstellen bieten zu können, damit alle Medienunternehmen ihre individualisierten Workflows darauf aufsetzen können.“ Avid Regional Manager Joachim Bause meinte: „Gefragt sind nicht mehr die Monster-MAM-Systeme, die alles können, sondern eher kleine Department-CMS-Module für einzelne Anwendungen, die man an ein vorhandenes Enterprise MAM anschließen und intelligent miteinander vernetzen kann.“
Eckhard Eckstein
MB 5/2015
© Niklas Eckstein