Die Stadt Paris wollte zur UEFA Euro an seiner Fanzone am Marsfeld beim Eiffelturm Studios zur TV-Berichterstattung einrichten. Dazu fragte man bei UEFA an, ob diese das nicht übernehmen könne „Wir als UEFA wollten die Studios dort aber nicht selber bauen und betreiben, weil wir in der Fanzone nicht alles kontrollieren könne. Deshalb haben wir an dieser Stelle mit Dritten zusammen gearbeitet und das klappte ausgezeichnet“, erklärte Bernie Ross. Die UEFA sorgte dafür für die Glasfaseranbindung der als Media Base bezeichneten Produktions- und Technik-Einrichtung am Eiffelturm an das Internationale Broadcast Center (IBC) auf der Pariser Expo am Porte de Versaille. Dadurch war es möglich, dass Broadcaster vom Media Base aus Remote Produktionen fahren oder auch vom IBC aus ihre Media Base-Technik steuern konnten. Die Gesamtorganisation der Pariser Fanzone lag in den Händen der Sportmarketingagentur Lagardère Sports.
Insgesamt waren am Marsfeld vier Studios im Betrieb. Das größte gehörte zur BBC (11 x 9 Meter), die anderen zu Globosat, ORF (je 6 x 6 Meter) und SVT (5 x 5 Meter). Dazu kamen Stand-up-Positionen, die von allen Sendern angemietet werden konnten. Bei der Umsetzung des Projektes spielten deutsche Unternehmen eine maßgebliche Rolle. Geplant wurde das Media Base bereits seit Anfang 2015 von PLAZAMEDIA, in Kooperation mit dem Kölner TV-Produzenten Wolfgang Quinkenstein. PLAZAMEDIA verfügt zwar selbst über weitreichendes Know-how beim Studiobau, mit Quinkenstein holte man sich aber bewußt noch einen ausgewiesenen Experten für temporäre Installationen an die Seite. Quinkenstein hat sich in der Vergangenheit schon bei ähnlichen Projekten als Technikplaner einen Namen gemacht, so zum Beispiel auch bei der Fußball-EM in Polen, der Fußball-WM in Südafrika und bei den Olympischen Spielen in London.
Über Planung und den Bau der Media Base hinaus war PLAZAMEDIA auch für die komplette Vermarktung, Logistik und Betrieb der Anlage, einschließlich aller Versorgungseinrichtungen wie der Kantine, zuständig. Insgesamt bestand die Media Base aus 52 Bürocontainern, die in drei Ebenen aufeinander geschichtet waren. Lieferant war hier die französische Containerbaufirma Touax. In Sachen Studio- und Lichttechnik kam Unterstützung von VPT, einem Unternehmen für Veranstaltungs- und Produktionstechnik aus Neulingen-Nussbaum bei Pforzheim. Und bei der Lieferung der nötigen Broadcast-Technik halfen die deutschen Anbieter Century 22 Rental aus Köln und SkyMine Media. Und auch bei der Stromversorgung waren mit Die Stromer und Aggreko deutsche Unternehmen mit von der Partie. Die 17 Meter hohe Media Base Infrastrukur wurde in nur fünf Wochen aufgebaut. Der Rückbau war am 26. Juli erledigt, nachdem der Komplex am Marsfeld noch beim französischen Nationalfeiertag Verwendung fand.
Aus Sicherheitsgründen hatte PLAZAMEDIA das Thema Media Base an der Fanzone vor Ende der UEFA Euro nicht kommuniziert. „Wegen der insgesamt hochsensiblen Lage – auch innerhalb der Fanzone – hatten wir zum Schutz unserer Mitarbeiter, Kunden und Partner ein spezielles Sicherheitskonzept aufgesetzt. Das war in dieser Ausprägung Neuland für uns“, erzählt Friedrichs. PLAZAMEDIA hatte permanent ein Projektmanagement Team von sechs Leuten vor Ort. Die Zahl aller Mitarbeiter in der Media Base belief sich insgesamt auf rund 280 Leute. Davon waren in Spitzenzeiten bis zu 200 am Compound.
Für PLAZAMEDIA hatte Ex-Geschäftsführer Joachim Wildt das Media Base-Projekt zunächst organisiert und auch bis zum Ende hin begleitet. An der Projekt-Umsetzung ab November 2015 war dann auch der neue PLAZAMEDIA-Geschäftsführer Produktion, Jens Friedrichs beteiligt. „Die Media Base ist maßgeblich auch ein Projekt von Joachim Wildt“, erklärt er. „Um so ein Projekt aber überhaupt starten zu können, braucht es viele verschiedene Partner und auch Kunden. Und die galt es erst einmal für diese Idee zu gewinnen.“ Die Entscheidung zur Projekt-Realisierung sei erst gefallen, nachdem die BBC, Globosat, SVT und der ORF die Media Base-Studios gebucht hätten. Ein besonderes „Sahnehäubchen“ sei die anschließend geschlossene Kooperation mit der European Broadcast Union (EBU) gewesen, die in der Media Base Stand-up-Positionen für Rechtehalter und Nicht-Rechtehalter anbot.
Die vier Stand-up-Positionen der EBU waren direkt unterhalb der Studios installiert. Drei davon waren mit einer Kamera ausgestattet und eine mit drei Kameras. Die technische Ausstattung dazu hat PLAZAMEDIA organisiert. SkyMineMedia half bei den Stand-up-Positionen mit Personal und Technik. Insgesamt 185 Live-Schalten wurden hier umgesetzt.
„Die Stand-up-Positionen waren sehr gut genutzt von internationalen Teams aus zahlreichen Ländern, die sich in enger Taktung ablösten. Das war auch eine große Herausforderung für unser Sicherheitskonzept“, sagt Friedrichs. Aus Deutschland war das ZDF relativ häufig bei den Stand-up-Positionen unter dem Eiffelturm zu Gast. Auch Sat.1 war gelegentlich vertreten. Die Buchungen der Positionen, die im Zehn-Minuten-Takt mit und ohne eigenen Kameramann möglich waren, liefen über die EBU, die Organisation und Betreuung der Einsätze über PLAZAMEDIA. „Wir sind sehr zufrieden mit der EBU-Zusammenarbeit. Auch die Entwicklung des Business Cases für die Stand-up-Positionen war gut. Gemeinsam haben wir einen großen Nutzen daraus gezogen“, erklärt Friedrichs.
Der technische Berieb der Media Base lief zur UEFA Euro rund um die Uhr. Um 11.55 Uhr mittags startete der ORF mit seinen Sendungen und um 1.15 Uhr morgens beendete die BBC ihr Programm aus Paris. Das BBC Studio war mit einem Augmented Reality System ausgestattet. Der schwedische Sender SVT setzte auf eine Remote Produktion in Stockholm. Technik- und Redaktionsräume der Sender fanden sich in den Containern im Erdgeschoss. PLAZAMEDIA verantwortete zwar Planung, Bau und Betrieb der gesamten Media Base inklusive der vier gläsernen Studios, deren technische Einrichtung kam aber von den Broadcastern selbst. Ausnahme war hier lediglich Globosat mit seinem Sender SporTV. „Hier waren wir bei der Organisation der Übertragungstechnik behilflich“, formuliert Friedrichs.
Konkret wurde dazu das Kölner Rental House Century 22 Rental von Ulrich Maslak engagiert. Maslak verfügt über seine frühere Tätigkeit bei Presteigne Charter und GENESIS Broadcast Services ebenfalls über viel Erfahrung in Sachen Bereitstellung von kundenspezifisch konfiguriertem Technik-Equipment für Sport-Großveranstaltungen. Sein Unternehmen unterstützte auch Sender bei der Leichtathletik EM in Holland (ZDF) und bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (NDR) mit Technik.
Zur EM lieferte Century 22 Rental an SporTV Technik für das gläserne Studio, Regie und Master Control Room (MCR). Im Studio kamen drei Kamerazüge Sony HSR-100 RT zum Einsatz, in der Regie ein NewTek-Tricaster 850 als Mischer. Bei der Signalverteilung setzte man auf eine Kreuzschiene von Blackmagic Design (Smart Videohub 20×20) und beim Monitoring auf einen 16-fach Multiviewer des gleichen Unternehmens. In Sachen Intercom war eine Clerar-Com-Matrix am Start und bei der Tonmischung ein Yamaha QL-7-Pult. Maslaks Century 22 Rental lieferte der EBU ferner die Technik für die mit drei Kameras bestückte Stand-up-Position. Auch hier wurden Sony HSC-100-Kameras mit Canon Optiken genutzt.
Friedrichs: „Wir waren mit Vorbereitung und Verlauf sehr zufrieden, ebenso wie unsere Kunden. Wir haben im Rahmen dieses vielschichtigen Projekts auch wertvolle neue Erfahrungen gesammelt, mit denen wir unser Leistungsportfolio auch als Anbieter von Studio Facilities mit temporärer technischer Infrastruktur erweitern können.“ PLAZAMEDIA habe bewiesen, dass man solch komplexe Projekte stemmen könne. Man sei deshalb mit Blick auf entsprechende Kundenanfragen für ähnliche Aufgaben sehr zuversichtlich. „Wir prüfen jetzt, welche weiteren Möglichkeiten für uns bei den kommenden Sport-Großveranstaltungen bestehen“, meint Friedrichs.
Auch mit der eigenen, bereits gut im Markt etablierten Unit für Event-Produktion, sei man für Planung, Bau und Organisation technischer Einrichtungen bei Großevents bestens gerüstet. „Das Pariser Fanzone-Projekt ist eine wichtige Referenz für die Leistungsfähigkeit von PLAZAMEDIA auch im Umfeld von sportlichen Großereignissen, die großen Herausforderungen an die Logistik und ein weitreichendes Sicherheitskonzept stellen“, meint Friedrichs. In Paris habe das Team von PLAZAMEDIA die umfassenden Anforderungen von vier internationalen Broadcast-Kunden und der französischen Behörden hervorragend bewältigt. Im Ergebnis ist es gelungen, eine vollkommen autarke und komplexe High-End-Studio-Infrastruktur innerhalb kürzester Zeit zu erstellen und unter höchsten Produktionsanforderungen ohne technische Schwierigkeiten zu betreiben.
Friedrichs weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, das sich PLAZAMEDIA nicht mehr wie noch vor zehn Jahren als reiner Sportdienstleister definiert, sondern vor allem als Content Experte, der auch die Vermarktungs- und Monetarisierungsmöglichkeiten seiner Kunden im Auge habe, nicht nur im Broadcast- sondern auch im Corporate Video-Bereich.
Eckhard Eckstein
MB 3/2016