Technologische Spitzenleistung

Der Eurovision Song Contest (ESC) 2015, mit rund 200 Millionen TV-Zuschauern der größte TV-Unterhaltungsevent der Welt, stellte wieder sehr hohe Anforderungen an die Produktionstechnik. Hostbroadcaster ORF löste die Mammutaufgabe mit Bravour, maßgeblich unterstützt vom belgischen Dienstleister Videohouse. Lawo und Riedel lieferten die zentralen Systeme für den reibungslosen Ablauf. Aber auch andere Technik-Hersteller wie EVS und Sennheiser unterstützten die Show mit wichtigen Komponenten.

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Technologische Spitzenleistung

“Für den ORF als Host-Broadcaster ist der ‚Eurovision Song Contest‘ mit seinen drei Live-Shows, die in mehr als 40 Länder übertragen werden, eine höchst komplexe Produktion – die größte in der Geschichte des ORF. Wir werden dem heimischen und dem internationalen Publikum einen TV-Event auf höchstem technologischem Niveau präsentieren“, versprach Ing. Michael Götzhaber, Direktor für Technik, Online und neue Medien des ORF im Vorfeld des Großevents. Am Ende konnte er mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Selbst der Kostenrahmen von rund 15 Millionen Euro wurde laut ORF-Finanzdirektor Richard Grasl nicht ganz ausgeschöpft.

TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm war als Executive Producer mit der Gesamtleitung des Projektes betraut. Kurt Pongratz führte Regie. Stefan Zechner hatte bei dem Mega-Event die zentrale Funktion des TV-Show-Producers inne, und Ing. Claudio Bortoli die technische Leitung. Insgesamt wurden 3.500 Tonnen Material verbaut, mehr als 180 Kilometer Kabel verlegt und mehr als 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF waren beteiligt, davon rund 300 für den technischen Kernbereich. Der TV-Compound, das Herz der TV-Produktion, umfasste neben den Sound- und Übertragungsfahrzeugen rund 40 Container für produktionstechnische Einrichtungen und Office-Kapazitäten. Vom Aufbau bis zum Abbau der Produktionstechnik in der Wiener Stadthalle brauchte der ORF insgesamt acht Wochen. Die Planung für die Großveranstaltung hatte man laut Bortoli indes schon vor einem Jahr begonnen. Er selbst war dafür von seinen anderen Pflichten beim ORF entbunden worden, um sich mit seinem Team komplett auf die fernsehtechnische Vorbereitung des ESC 2015 in Wien zu konzentrieren. Als technischer Dienstleister für den ESC 2015 wurde wieder Videohouse aus Belgien engagiert. Die Tochtergesellschaft der Euro Media Group war unter anderem verantwortlich für die Bereitstellung der nötigen Ü-Wagen, für Planung, Errichtung und Personal des Technical Operating Centers (TOC), das technische Nervenzentrum, von wo aus alles mit jedem verbunden wurde, und für die Kameratechnik mit 30 HD-Kameras und 13 drahtlose Kamera-Systeme. EuroLinX, eine Tochtergesellschaft von Videohouse, die auf die Bereitstellung von RF-Lösungen und -Dienstleistungen spezialisiert ist, sorgte für die drahtlose Übertragung der Kamerasignale. Als Subunternehmen hatte sich Videohouse ferner Riedel und Lawo für Kommunikation, Signalverteilung und Audionetzwerk ins Boot geholt. Bei der produktionstechnischen Umsetzung des Events spielte das Thema Sicherheit eine zentrale Rolle. „Die EBU hat für die Veranstaltung die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen“, erklärte Claudio Bortoli im MEDIEN BULLETIN-Interview. So war dann auch beim Besuch des TV-Compounds „Flughafen-Sicherheitsprüfung“ Standard.

Um zu gewährleisten, dass die TV-Produktion reibungslos funktioniert, gab es viele Tests und Proben. Alle Systeme waren redundant abgesichert, manche sogar mehrfach. Das fing bei den eingesetzten Übertragungswagen an. Auf dem TV-Compound standen zwei komplett identisch ausgestattete Fahrzeuge von Videohouse – ein Haupt- und ein Backup-Ü-Wagen (EMP1 und EMP2). Ein weiterer Videohouse Ü-Wagen (OB-14) wurde für Pressekonferenzen eingesetzt. „Videohouse wurde von uns gewählt, weil das Unternehmen auch schon beim letzten ESC in Kopenhagen erfolgreich im Einsatz war und weil beide Ü-Wagen komplett identisch ausgestattet sind. Wenn ein Wagen ausfällt kann gleich auf den anderen umgeschaltet werden“, betont Bortoli. Der Pressekonferenz Ü-Wagen bediente vier Kameras im Pressekonferenz-Raum des ESC 2015. Mit dem Ü-Wagen wurden zudem die Monitore für die Event-Channels geschaltet, die in verschiedenen Bereichen der Wiener Stadthalle installiert waren. „Die EBU gibt uns vor, was wann wo gesehen werden darf“, erklärt Wolfgang Maier, Technischer Produktionsmanager des ORF.

Das Thema Redundanz spielte auch bei den beiden mit Lawo mc266-Audiomischern und Avids Protools ausgestatteten Soundmobilen auf dem TV-Compound eine wichtige Rolle. Sie sorgten für die Musikvormischung des Dolby 5.1-Tons beim ESC 2015. Beide Fahrzeuge stammten vom ORF. „Alle vier globalen MADI Streams liegen an jedem Soundmobil an und auch bei den TV-Ü-Wägen. Die Mischpult-Set-ups in den Soundmobilen sind absolut identisch. Im TOC kann man deshalb im Fehlerfall sofort von einem Wagen auf den anderen umschalten“, sagt Maier.

Funkmikrofone

Rund 60 Sennheiser-Funkmikrofone (SKM 9000 Serie) und mehr als 120 In-Ear-Empfänger (EK 2000 IEM) kamen beim ESC 2015 zum Einsatz. „Wegen der bislang immer zuverlässigen Zusammenarbeit beim ESC war Sennheiser für uns natürlich wieder erste Wahl“, sagt Bortoli.

Bei Sennheiser selbst war man mit Ergebnis des ESC-Engagements sehr zufrieden. Gerhard Vonwald, Technischer Leiter von Grothusen Audio Video, dem Sennheiser-Vertriebspartner in Österreich und Head of Wireless Audio für den ESC berichtet: „Das Finale – und alle elf Publikumsshows zuvor – liefen technisch hervorragend und waren ein einmaliges Erlebnis für die insgesamt 60.000 Live-Gäste sowie die Fernseh- und Online-Zuschauer.“ Das beim ESC eingesetzte Funkmikrofonsystem umfasste 96 Kanäle Digital 9000, dazu kamen 32 Kanäle für das In-Ear-Monitoring der Künstler. „Das Frequenzspektrum in Wien war natürlich recht dicht belegt. Innerhalb der Halle benötigten nicht nur die Mikrofone und das Monitoring Spektrum, sondern auch die zahlreichen Intercom-Systeme – rund 600 Handfunkgeräte waren im Einsatz –, die drahtlosen Kameras, die LTE-Basisstationen und die zahlreichen Effekt- und Lichtsteuerungen“, erläutert Vonwald. „Außerdem erzeugten die Metallröhren der Bühnenkonstruktion schwer beherrschbare HF-Reflektionen und waren eine Herausforderung bei der Positionierung der insgesamt elf Sende- und Empfangsantennen. Störungen entstanden zudem durch die großen LED-Wände und den LED-Boden. Da war es sehr hilfreich, dass Digital 9000 so gut wie keine Intermodulationsprodukte erzeugt und damit extrem frequenzeffizient arbeitet. Wir konnten die Mikrofonfrequenzen einfach in kleinen 600-kHz-Abständen anordnen, was die Planung sehr vereinfachte und diese hohe Anzahl von Mikrofonkanälen überhaupt erst möglich machte.“

Gleich mehrfach redundant war die internationale Signaldistribution unter Federführung der EBU ausgelegt. Sie erfolgte immer auf drei Wegen gleichzeitig: zwei mal via Uplink (Doppel-uplink am TV-Compound von 2Sat Europe aus den Niederlanden mit den SNGs HOL 307 und HOL 308) und einmal via Glasfaser ins ORF-Zentrum mit anschließender Einspeisung ins EBU FiNE Network. Um alle erforderlichen Signale, Leitungen und Feeds übertragen zu können, wurde eine eigene Glasfaserstrecke zwischen Stadthalle und ORF-Zentrum errichtet – vollredundant mit je acht Fasern auf unterschiedlichen Wegen.

Für die Bilder von den Shows sorgten 30 Kameras, darunter Standardkameras von Grass Valley auf Stativ und mobile Kameras mit Funksystemen, Steadycams, Minikameras in der Dekoration, Schienen- und Seilsysteme sowie eine Spidercam und erstmalig in Europa eine „JitaCam“ – ein ausfahrbarer Kamerakran, der von der Decke hängt. „Außer der Seilkamera Spidercam und dem Schienensystem Blackcam an der Bühne wurden alle anderen Spezialkameras von MAT geliefert“, berichtet Bortoli. Als „sehr hilfreich“ bezeichnet er den Einsatz des CuePilot-Systems von Per Zachariassen zur automatischen Steuerung der Schnittfolge am Bildmischer. „Damit konnten wir sicherstellen, dass beim Schnitt der Bühnenacts keine Fehler passierten“, sagt er.

Licht, Ton, Recording

Zur Beschallung der Halle kamen rund 160 Lautsprecher von MEYER Sound zum Einsatz sowie acht MIDAS PRO Serie Audiomischpulte für FOH, Monitor und In-Ear Rehearsals.

Mit rund 1.400 Scheinwerfern und fast 1.300 Licht-Stelen wurde für die Live-Show ein imposantes Lichtdesign konzipiert, das dafür sorgte, dass das Licht- und Bühnenkonzept ein einzigartiges Erlebnis wird. In der Umsetzung für das Licht- und Effektkonzept wurden mehr als 200 Meter Alu Truss Gerüstsysteme verwendet, die, getragen von 270 Kettenzügen, gesichert vom Dach der Stadthalle abgehängt wurden. „Wir haben uns die Statik der Hallendecke sehr genau angeschaut weil wir da ziemlich viel Material aufhängen mussten“, erklärt Bortoli.

Verantwortlich für die Bühne war Set Designer Florian Wieder, gemeinsam mit seinem Art Director Matthias Kublik. Die Bühne stellte ein Auge dar – 44 Meter breit und 14,3 Meter hoch. Die Dekoration bestand aus 1.288 Stelen, die auch beleuchtet werden konnten. Im hinteren Bereich der Bühne wurde die aktuell größte broadcasttaugliche LED-Wand (9mm LEDs) mit einer Fläche von 315 Quadratmeter für Multimediaprojektionen und Zuspielungen genutzt. In Kombination mit zwölf HD-Großbild-Projektoren und einer LED-Gesamtfläche von rund 500 Quadratmeter wurde die Show damit zum imposanten Multimediaevent. Medientechnik und kinetische Elemente wurden von ETC umgesetzt.

Für das Recording der Show-Acts setzte der ORF fünf EVS XT3-Maschinen im TOC ein, die von einem eigenen Content-Management-Platz aus zentral gesteuert wurden. „Wir waren am ESC 2015 in den Bereichen Aufzeichnung und Zuspielung beteiligt“, berichtet Enrico Ganassin, Geschäftsführer des Österreichischen EVS-Partners BNC sowie EVS-Projektleiter beim ESC 2015. Er war für die technische Planung der EVS-Workflows bei der Produktion zuständig sowie für deren Ausführung. Die dabei eingesetzten EVS-Systeme stammten von Videohouse. Das BNC-Team vor Ort bestand aus fünf Mitarbeitern. Insgesamt waren laut Ganassin beim ESC 2015 zehn XT3 (fünf im TOC, je zwei in den Ü-Wagen, und eine im Pressekonferenz-Ü-Wagen), acht IP Director zur Steuerung und drei XFile 3 für die filebasierte Aufzeichnung und das Transcoding am Start. Zum Clip-Kopieren wurde ferner LSM Connect verwendet. „Vom Content-Management-Platz aus wurde bestimmt, wer was wann sehen darf. So konnte jede Delegation, die nach der Probe in den Viewing-Raum wechselte, dort nur eine Aufzeichnung ihres Acts sehen“, sagt Ganassin. Die Aufzeichnungen der Proben wurden mit XFile transkodiert und in eine Cloud gestellt auf die jede einzelne Delegation Zugriff hatte, aber eben nur auf die Inhalte, die sie selbst betrafen.

Ursprünglich sollte auch das EVS System C-Cast für das Live-Streaming von Second Screen-Angeboten eingesetzt werden. „Nach eingehender Prüfung haben wir jedoch festgestellt, dass es für unsere Zwecke technisch zu anspruchsvoll und letztlich dann auch zu teuer gewesen wäre“, meint Bortoli. Stattdessen wurde über die von Microsoft bereitgestellte Cloud-Plattform Azure ein File-Austausch zwischen der ORF-Redaktion und den Delegationen realisiert. Über die Applikation Yammer konnte man laut ORF Informationen gleichzeitig an mehrere hundert Crewmitglieder via Push-notification übermitteln. „Da Azure mit Apple ProRes Files jedoch nichts anfangen konnte, mussten die EVS-Techniker mit dem XFile alle Files in H264/720p transferieren“, erzählt Ganassin. Aufgezeichnet wurden fast alle Signale vom Programm sowie Grafiken, abgesteckte Kameras und Multiviewer-Ausgänge, damit die Kameraleute die Möglichkeit hatten, sich nach den Proben alle dort verwendeten Kameraperspektiven nochmal anzuschauen. „Wir haben die auf den XT3 vorhandenen Kanäle von acht auf sechs reduziert, um 16 Audiospuren realisieren zu können, die wir benötigt haben“, berichtet Ganassin. Die XT3 in den Ü-Wägen waren mit den XT3 im TOC vernetzt. Der Regisseur im Ü-Wagen hatte dort auch Zugriff auf eine XT3 mit der 20 Sekunden Zusammenschnitte der einzelnen Acts für Wiederholungen (Recaps) gemacht wurden. Ganassin: „Ein Recap bestand aus drei Playlisten, die gleichzeitig abgefahren werden mussten. Deswegen haben wir uns für die GPI Steuerung (General Purpose Interface) entschieden. Es gab ein GPI-Impuls aus dem Ü-Wagen und dann sind die drei Playlisten gleichzeitig abgefahren worden.“

Intercom- und Netzwerk-Technik

Eine zentrale Rolle bei der TV-Produktion des ESC 2015 spielten Systeme von Riedel und Lawo, die Bortoli als „sehr zuverlässig und effizient“ bezeichnet. Basis für den reibungslosen Ablauf eines solchen Großevents stelle immer ein einwandfrei funktionierendes Kommunikationskonzept dar. Hierfür wurden in der Wiener Stadthalle mehr als 550 Funkgeräte in einem eigenen Drahtlosnetzwerk auf bis zu 56 unabhängigen Kanälen im mobilen Einsatz verwendet. Dabei wurde teilweise TETRA Digitalfunk (flächendeckendes Kommunikationsnetz) und teilweise Analogfunk (Echtzeit Kommunikation im Bereich Halle D) eingesetzt. Um die Funkkommunikation kümmerte sich Riedel, ebenso wie um Intercom- und Netzwerk-Technik. Und selbst die Akkreditierungs- und Zugangssysteme mit ihren Eintrittkarten-Scannern stammten von Riedel, respektive von der Riedel-Tochter DECA Card Engineering (siehe weiteren Beitrag dazu in dieser Ausgabe). Alle stationären technischen Einrichtungen waren in mehrere Intercom-Ringe unterteilt und umfassten gesamt über 150 einzelne Sprechstellen.

Über das zentrale Intercom-Netzwerk Riedel Artist wurde die Zusammenschaltung und Integration aller relevanten Positionen realisiert. Dazu zählten unter anderem TOC (Technical Operation Center), MCR (Master Control Room), Ü-Wägen für das internationale Signal und die Pressekonferenzen, Sound Mobile sowie Positionen in der Halle D und allen umliegenden Räumlichkeiten. Insgesamt waren zehn Intercom-Mainframes (5x in den Ü-Wägen, 4x in Halle D, 1x für Walkie-Talkie Funktechnik) im Einsatz und rund 100 externe Sprechstellen plus alle Ü-Wagen-internen Sprechstellen. Die Intercom-Programmierung erfolgte über einen zentralen Arbeitsplatz im TOC.

Das zentrale Signalübertragungs-/Signalverteilungs-Netzwerk (für Audio, Video und Datensignale), für alle erforderlichen Verbindungen wurde mit Hilfe von Riedels MediorNet-Technologie umgesetzt. Hierfür wurden zwei in sich redundante Glasfaserringe mit je circa 240 Fasern am Areal der Wiener Stadthalle errichtet – GF-Ring eins für Show Halle D, GF-Ring zwei für alle relevanten umliegenden Bereiche. Rund 40 Riedel MediorNet Module waren an 13 verschiedenen Positionen im Areal der Wiener Stadthalle und TV-Compound installiert. „In Summe galt es via MediorNet um die 500 HDSDI-Signale in beide Richtungen hin und her spielen sowie etliche Audiosignale, serielle Datensignale und IP-Signale abzusetzen“, berichtet Stefan Feichtegger, General Manager Austria von Riedel. Die Redundanz des Systems sei eine maßgebliche Vorgabe gewesen, was den Aufwand erheblich gesteigert habe. Rund neun Wochen vor dem ESC-Finale habe Riedel mit dem Aufbau seiner Gewerke begonnen. Zuerst sei im April das digitale Tetra Funk-Netzwerk aufgebaut worden. Riedel war laut Feichtegger beim ESC 2015 permanent mit zehn und zwölf Mitarbeitern vor Ort. „Wir sind mit Riedels Engagement hier sehr zufrieden. Es könnte nicht besser sein“, erklärt Wolfgang Maier.

Die zentrale Audioinfrastruktur für Signalaustausch und Routing wurde mit Hilfe einer Nova 73-Kreuzschiene von Lawo inklusive diverser DALLIS-Stageboxen in Halle D und auf dem TV-Compound realisiert. Neben der kompletten Audio-Signalverteilung sorgte Lawo als Videohouse-Subunternehmen auch für die Bereitstellung der Kommentator-Systeme in 45 Kommentator-Kabinen, die oberhalb des Greenrooms gegenüber der Bühne in zwei Etagen aufgebaut waren. „Was den ESC 2015 technisch auszeichnet ist der erste große Schritt Richtung IP-basierter Produktion“, berichtet Lawo-Marketing-Direktor Andreas Hilmer. Der ORF habe sowohl beim Kommentator-System als auch beim gesamten Audio-Backbone auf IP gesetzt. Die Anbindung der Kommentatoreinheiten sei redundant auf IP-Weg mit Ravenna-Technologie realisiert worden. „Und es gab zusätzlich eine analoge Redundanz durch die Verkabelung über IP Switch an die zentrale Nova-Kreuzschiene, an der dann die gesamten ISDN-Codecs, insgesamt 50, angebunden waren. Von denen gingen dann die Sendeleitungen in die einzelnen Länder ab.

In den Kommentatorkabinen gab es jeweils noch zwei Monitore mit dem Sende-Bild der Show und einem Backstage-Bild. Auch da war Distribution IP-basiert. Das MediorNet übergab das internationale TV-Signal an ein Link_4-System von Lawo und die Weiterverteilung der Video-Signale erfolgte dann über den IP-Backbone zu den Kommentator-Kabinen gestreamt. Lawo wandelte sie dort von SDI auf HDMI und verteilte sie via HDMI-Splitter an die einzelnen Monitore. „Das Signal hat dabei drei Frames Latenz, was aber für eine solche Monitoring-Anwendung ok ist. Dadurch erspart man sich den Aufbau einer Extra-Infrastruktur für Video. Vorteil ist, dass man auch mit normalen Computern oder Tablets Video-Streams empfangen und darstellen kann. So ein IP-Netzwerk ermöglicht schon recht große Flexibilität“, betont Hilmer. Auch sei ein schneller Wechsel von Kommentator-Position durch einfaches Ändern von deren IDs möglich. Die Verwaltung der Kommentator-Kabinen geschah beim ESC 2015 im sogenannten CCR (Commentary Control Room), der unter dem Greenroom und den Kommentatorkabinen aufgebaut war. Über die Commentary Control Software auf Windows PCs hatte man Zugriff auf alle Stationen und konnte das nötige Patching machen. Gleich nebenan war der Raum, wo die Übergabe an die ISDN-Codec erfolgte. Vom Kommentator-Bereich aus gab es auch eine Tieline-Schnittstelle in das große Audio-Netzwerk. „Das Lawo-System sammelt sämtliche Audiosignale, die irgendwo in der Produktion waren, zentral ein und gibt sie an die verschiedenen, an der Produktion beteiligten Gewerke wieder aus. Egal ob für Interkom, Ü-Wägen, Soundmix oder Playbacks, die sogar in Einzelspuren angeliefert wurden, Ambience Mikrofone, Sennheiser Drahtlosmikrofone, Funk- und In-ear-Strecken, alles ist über AES an die dezentralen DALLIs Frames auf dem Gelände angebunden, die dann diese Signale zum zentralen Audiorouter schicken“, erklärt Hilmer. Sämtliche Anbindung der DALLIS Frames an die Nova-Kreuzschiene im TOC seien mit Hilfe der IP-Netzwerktechnologie Ravenna umgesetzt worden. Nur die Audio-Anbindung an die Ü-Wägen sei dann klassisch über MADI gelöst worden.

„Über unsere Kreuzschiene wurde aber auch die gesamte Timecode-Verteilung realisiert. Bei so einer Show ist natürlich Timecode für die unterschiedlichen Anwendungen der Herzschlag der Veranstaltung. Das heißt, am Timecode hängt der gesamte Ablauf von der Lichtsteuerung bis hin zum CubePilot, dem Schnitt in der Bildregie. Beim ESC 2015 gab es also, was den Ablauf mit dem Timecode und die Tonsignale betrifft, kein Signal, das nicht über diese Kreuzschiene auf dem TV-Compound verteilt worden ist“, ergänzt Philipp Lawo, Vorstandsvorsitzender der Lawo AG. „Durch die komplette Stagebox-Anbindung aller Ton-I/Os an die zentrale Kreuzschiene über IP-Netzwerk können wir alle Vorteile der gemeinsamen Steuerung von Audio- und Daten-Signale nutzen.“ Die Lawo-Kunden seien mit dem Ergebnis der Veranstaltung als auch mit Lawos Beitrag dazu sehr zufrieden gewesen“, meint er. „Insofern war das eine tolle Veranstaltung und auch ein großer Erfolg für uns.“

ESC-Technik-Chef Bortolio betont indes, dass der ORF großen Wert darauf gelegt habe, den ESC 2015 als „Green Event” zu realisieren. Auch die TV-Produktion habe sehr umweltbewußt agiert. „Bei der Auswahl der technischen Geräte wurde, wo immer möglich, auf Energieeffizienz geachtet. Die eingesetzten Elemente und Materialien werden weitestgehend wiederverwendet beziehungsweise recycelt“, sagt er.

Eckhard Eckstein

MB 4/2015

© ESC Ralph Larmann

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