Für eine Geschichte über die Medienproduktion der Challenge Roth stand ein Gespräch mit Peter Hertrampf an. Als Geschäftsführer von quattro media verantwortet er die internationale Distribution des Events. Doch schon nach wenigen Minuten war klar: Das hier ist mehr als ein Fallbeispiel. Hertrampf spricht mit einer Mischung aus Detailtiefe und Überzeugung, die deutlich macht, dass es ihm um mehr geht als einen einzelnen Triathlon. Es geht um Sichtbarkeit für Sportarten, die im klassischen Fernsehen kaum stattfinden – und darum, wie man sie dorthin bringt, wo sie gesehen werden.
Vom Redakteurs-Bittsteller zur eigenen Plattform
Früher, erzählt Hertrampf, sei man noch „mit der Mappe unter dem Arm“ durch die Redaktionen gezogen, um Redakteure für neue Sportarten zu begeistern. Heute bespielt sein Team mehr als 35 OTT-Plattformen, Online-Medien, Social-Media-Kanäle und Out-of-Home-Screens. Gemeinsam mit Mainstream Media betreibt quattro media sogar einen eigenen FAST-Channel: World of Freesports. Ein 24/7-Kanal, vollgepackt mit dokumentierten Extremsituationen und Outdoor-Grenzerfahrungen, kuratiert aus dem eigenen Archiv und aktuellen Produktionen.
Der Sender läuft international auf Plattformen wie Samsung TV, LG Channels oder Rakuten – allesamt Gatekeeper moderner Mediennutzung. Hertrampf liefert Inhalte, Mainstream Media verantwortet die technische Distribution. „Alleine hätten wir das nie geschafft“, sagt Hertrampf. „Aber mit dem richtigen Partner haben wir einen festen Fußabdruck in dieser neuen Medienwelt.“
Die Strategie hinter der Reichweite
Am Beispiel der Challenge Roth, einem der größten Langdistanz-Triathlons der Welt, wird deutlich, wie komplex diese neue Distributionsarchitektur ist. Mehr als 1.700 Ausstrahlungen weltweit verzeichnete quattro media im vergangenen Jahr – verteilt auf TV, OTT, Online-Video, Social Media und Out-of-Home. Insgesamt erreichte die Berichterstattung laut dem Analyseunternehmen IRIS über 350 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Klassisches Fernsehen trug dabei „nur“ rund 26 Millionen Zuschauer bei.
Für jede Plattform produziert das Team maßgeschneiderte Inhalte. 3-Minuten-Clips für Publisher, 26-Minuten-Highlights für lineare Sender, Live-Feeds für OTT-Kanäle, 15-Sekunden-Spots für Fitnessstudio-Monitore. „Wir entwickeln jedes Medienprodukt individuell, je nachdem, wo und wie es ausgespielt wird“, erklärt Hertrampf. Die Kosten tragen meist die Veranstalter selbst – für sie zählt Sichtbarkeit. „Wir werden gebucht, weil wir wissen, wie man Reichweite generiert, auch ohne Exklusivrechte.“
Keine Exklusivität, keine Paywall, kein Dogma
Auffällig: Bei quattro media gilt Reichweite mehr als Rechte. Inhalte werden meist kostenlos zur Verfügung gestellt, wenn der Kanal zur Zielgruppe passt. „Wir vermeiden Exklusivität“, sagt Hertrampf. Stattdessen setzt er auf ein dezentrales System der Parallelverwertung: Fernsehen, Web, Public Screens, alles gleichzeitig. „Wenn jemand in der Münchner U-Bahn unsere Clips sieht, dann klickt er vielleicht abends auch auf den BR-Livestream.“
Der technische Unterbau? Eigene Streaming-Server, individuelle Rechtevergabe, personalisierter Zugang für Journalisten, automatisierte Distribution via E-Mail und ein wachsendes Netzwerk an Nischen-Publishern weltweit, die für Triathlon, Rudern oder Snowboarden brennen. „Viele von denen sind in ihrem Land die Plattform für genau diese Sportart. Die wollen wir erreichen.“
Die Herausforderung heißt Fragmentierung
Der eigentliche Gegner sei nicht mehr das Fernsehen, sondern die schiere Vielfalt an Plattformen, sagt Hertrampf. „Der Markt wird immer fragmentierter. Es gibt immer mehr Kanäle aber nicht mehr Zuschauer.“ Die Lösung: Noch mehr Anpassung, noch mehr Varianten, noch mehr Ausspielwege. Inzwischen machen Social-Media-Snippets bei der Challenge Roth mit 132 Millionen Views mehr als ein Drittel der Gesamtreichweite aus. „Aber das sind dann Clips von 30 Sekunden. Mehr schaut sich die Generation TikTok nicht an.“
Und bei der Bereitstellung hilft Künstliche Intelligenz? „Für Fußball vielleicht“, winkt Hertrampf ab. „Aber unsere Sportarten sind zu individuell, zu variabel. KI kann bei automatisierten Regeln glänzen. Aber wenn ich Slopestyle mit sechs Obstacles filmen will, brauche ich immer noch Kreative, die verstehen, was sie sehen.“
Eine Mission mit Haltung
22 Mitarbeitende zählt quattro media. Rund 15 davon kümmern sich ausschließlich um die Distribution. Sie stehen im ständigen Austausch mit Redaktionen weltweit, schlagen passende Inhalte vor und passen diese redaktionell an die Bedürfnisse der jeweiligen Medien an. „Wir sprechen mit den Redaktionen, konfrontieren sie mit dem Produkt und finden heraus, wie wir es gestalten müssen, damit es angenommen wird“, erklärt Hertrampf.
Der einstige Kuhstall, in dem sich heute Hertrampfs Büro inklusive Remote-Regie und Schnittplätze befinden, ist Symbol für die Philosophie des Hauses: mit begrenzten Mitteln das Maximum herausholen. Möglichst ressourcenschonend, möglichst breit gedacht, immer mit Blick auf Sichtbarkeit.
Und doch bleibt die Grundfrage bestehen: Wie bringt man Menschen dazu, sich für etwas zu interessieren, von dem sie noch nie gehört haben? Hertrampf antwortet ohne Zögern: „Indem man es ihnen zeigt. Immer wieder. Überall.“
Im kommenden Monat ist mebucom vor Ort bei der Challenge Roth – mit einem ausführlichen Produktionsbericht über dieses außergewöhnliche Event.