Herr Dr. Willich, bevor Sie 1980 als Mitglied der Geschäftsführung bei Studio Hamburg anfingen, waren Sie in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Justitiar beim Zigaretten-
hersteller Reemtsma und auch als CDU-Politiker aktiv. Was hat Sie bewegt in die TV-und Filmbranche einzutreten?
Das ist einfach. Es war nicht das Geld, sondern die faszinierende Branche, die mich lockte. Als ich das Angebot erhielt, habe ich sofort gedacht: Du musst es annehmen, es ist eine einmalige Chance, die kommt im Leben nie wieder.
Das faszinierende war von Anfang an, dass Sie wussten, es macht Spaß mit vielen Schauspielern zusammen zu sein …?
(schmunzelnd) Das habe ich gehofft und das war dann auch so.
Hat es auch etwas mit politischen Zielen zu tun gehabt?
Mit Politik hat es nichts zu tun gehabt. Im Gegenteil. Gerade in der Politik hat es viele gegeben, die nicht wollten, dass ich den Job übernehme. Damals war der Sender NDR (Muttergesellschaft von Studio Hamburg, d. Red.) ja noch stark politisiert, und da passte ich eigentlich nicht so richtig ins Gefüge rein.
Ich habe damals gesagt, wenn es um Politik geht, stehe ich nicht zur Verfügung. Mich hat die Branche interessiert, der Job, einen solchen Betrieb als Geschäftführer führen
zu können. Das hat mich gereizt.
Im Betrieb von Studio Hamburg wurden bereits damals nicht nur hochkarätige Filme- und TV-Produktionen hergestellt, sondern es gab auch schon die Media Consult International. Hat die MCI für Sie auch von Anfang an eine bedeutende Rolle gespielt?
Nein. Ich habe erst gemerkt, was für eine Perle die MCI ist, als ich schon bei Studio Hamburg war. Meine Erwartung hatte sich zuvor allein auf den Atelier- und Produktionsbetrieb bezogen. Dass es gleichzeitig eine so großartige Tochterfirma gab, die weltweit als Beratungsunternehmen für den Aufbau von technischen Infrastrukturen für den TV-Betrieb tätig war, wusste ich am Anfang nicht. Damals hatte ich noch keine genaue Vorstellung, worum es im technischen Bereich geht. Das kam erst später.
Sie sind dann aber schnell darauf gekommen, dass MCI eine prima Unterstützung für die kreative Produktion sein kann?
Das lag ja nahe. Ich hatte bei der MCI mit Christoph Schöndienst einen ganz tüchtigen Geschäftsführer an meiner Seite, der später mein Kollege als Geschäftführer in der Muttergesellschaft wurde. Als ich bei Studio Hamburg anfing, habe ich zunächst wochenlang mit den leitenden Angestellten kleine intensive – ich nenne es mal – Privatklausuren gemacht, um mich in die Geschäftfelder einführen zu lassen. Und da war MCI eine der größten und besten Überraschungen.
Sie haben noch vor Ihrem Abschied MCI mit dem Atelier-Betrieb zusammengelegt …
Studio Hamburg hat zwei Säulen. Die eine ist der technische Bereich, dazu gehört logischerweise die MCI, die andere ist der Kreativbereich, den wir Produktion nennen, zu dem auch der nationale und internationale Vertrieb zählt.
Technik und Kreativität wird auch in Zukunft unter Leitung von Prof. Carl Bergengruen nicht auseinanderdividiert?
Es bleibt alles unter dem einen Dach von Studio Hamburg.
Sind neue Ausrichtungen für den technischen Bereich geplant, zumal sich die Technik im Zuge der Digitalisierung in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat?
Es gab im technischen Bereich immer vagabundierende Euphorien. Die wenigsten sind Wirklichkeit geworden. Wenn Sie sich erinnern, wie lang die Entwicklung von HDTV von den 80er Jahren bis heute gedauert hat – oder die vielen Diskussionen über virtuelle Studios. Meine prophetischen Gaben sind begrenzt, aber die Entwicklung wird weiter gehen, und man muss immer in der Position sein, ganz schnell reagieren zu können. Und das wird Studio Hamburg auch in Zukunft tun.
Sie haben auch 1985 schnell reagiert, indem Sie das aufkommende Privatfernsehen schnell als neues Geschäftsfeld erkannten, obwohl das Mutterhaus von Studio Hamburg als öffentlich-rechtlicher Sender wohl wenig begeistert war?
Ich habe die Chancen gesehen. Unsere Branche hat ja immer regelmäßig Krisen. Damals hatten wir wieder einmal eine. Und da kamen die Privaten. Da habe ich mit meinen Kollegen erkannt, dass sich eine neue Chance ergibt. Darum haben wir die Fußballsendung ran von Sat.1 zum Laufen gebracht. Es hat dann in der ARD große Diskussionen gegeben, ob das richtig ist, wenn eine Firma, die dem NDR gehört, die
private Konkurrenz sendefähig macht. Wie sich später herausstellte, war das ein richtiger und wichtiger Schritt von Studio Hamburg. Denn seitdem haben uns die Privaten als technischen Dienstleister, im Atelier- und im kreativen Bereich, akzeptiert.
Die privaten Sender – Premiere, Sat.1, RTL2 – wurden aber nach einigen Jahren flügge und haben sich aus Hamburg verabschiedet. Da hatten Sie aber bereits längst eine nächste Chance entdeckt, nämlich die Achse Hamburg-Berlin?
Als die deutsche Einheit kam, wusste ich ja, dass Westberlin keinen großen Fernsehmarkt hat. Es gab zwar ein paar mittelständische, ordentlich geführte Firmen, aber nicht mehr. Und auch der SFB war kein besonders bedeutender Sender. Mit der Einheit kam in Ostberlin noch der Deutsche Fernsehfunk, DFF, hinzu. Das rief nach einem Investment. Und wir haben es gebracht. Denn wenn die Hauptstadt nicht eine funktionierende fernsehtechnische Infrastruktur hat, wer dann? Und es hat sich herausgestellt, dass auch dieses Investment richtig war.
Um verstärkt auch Kinoproduktionen in die Hallen von Studio Berlin in Adlershof zu holen, haben Sie im vergangenen Jahr ein Joint Venture mit den Londoner Pinewood Studios gestartet. Mit welchem Ergebnis bis jetzt?
Ein gutes Joint Venture braucht eine Vorlaufzeit von ein, zwei oder drei Jahren. Und ich denke, man wird bald etwas davon hören, aber nicht mehr unter meiner Führung.
Studio Hamburg gehört seit vielen Jahren zu den Marktführern in der TV-Fiction-Produktion. Sehen Sie nach der Wirtschaftskrise neue Potentiale, neue Trends in diesem Bereich?
Weil der Preisdruck immer größer wird, bin ich überzeugt, dass industriell gefertigte Serien wie unsere „Rote Rosen“ eine große Chance in der Zukunft haben, bei privaten und öffentlich-rechtlichen Abnehmern.
Auch in der Prime-Time?
Warum nicht? Aber das ist nicht unsere Entscheidung. Ich denke aber schon, dass es Sender geben wird, die industriell gefertigte Serien auch in der Prime-Time senden werden.
Der Bereich der nonfiktionalen Produktion scheint bei Studio Hamburg keine so große Rolle zu spielen?
Im Gegenteil: Wir haben uns kürzlich im Bereich Show und nonfiktionale Produktion massiv auf der Gesellschafterseite verstärkt, weil das ZDF mit seinem Tochterunternehmen ZDF Enterprises bei uns in die DocLights eingestiegen ist. Damit sind wir jetzt einer der größten Anbieter in diesem Segment in Europa und einer der wenigen in der Welt neben BBC und National Geographic.
Da sind unsere Doclights mit dem ZDF in einer ganz großartigen Ausgangsstellung für Wachstum. Auch im Bereich Show- und Entertainmentformate haben wir uns neu aufgestellt – auch da bin ich sehr optimistisch.
Meinen Sie, dass die Multimediawelt für Studio Hamburg in Zukunft noch ganz neue Expansionsmöglichkeiten offeriert – beispielsweise auch im Werbebereich?
Im Werbebereich haben wir uns ja schon massiv verstärkt. Es gibt immer Bereiche, die man sehr genau prüfen muss. In den digitalen Fernsehprogrammen ist bisher der ökonomische Durchbruch nicht so erfolgt, wie wir es uns wünschen.
Wenn er kommt, wird Studio Hamburg dabei sein.
Auch nach Ihrem Abschied von Studio Hamburg werden Sie die Hände wohl nicht in den Schoß fallen lassen. Was planen Sie?
Ich habe eine Menge auf dem Zettel. Ich habe auch einige Anfragen. Aber ich werde im Februar/März erst einmal ein bisschen kürzer treten und mich an die neue Situation gewöhnen. Im April oder Mai werde ich das eine oder andere entscheiden. Aber ich möchte auch ein paar Sachen aufholen, die bislang im privaten Bereich zu kurz kamen: meine Familie, Reisen – einen Stillstand werde ich wohl nicht haben.
Erika Butzek
(MB 03/11)