Aufsteiger aus der dritten Generation

Seit seinem Relaunch in 2005 als Spielfilmsender ist Tele 5 („Wir lieben Kino“) immer erfolgreicher geworden. Und im Gegensatz zu fast allen anderen großen und kleinen TV-Sendern hat der Münchner Free-TV-Sender mit seinem neuen Claim „Gute Unterhaltung“ in diesem Jahr nicht an Reichweite verloren sondern gewonnen. Den Trend will man jetzt noch verstärken und hat eine so genannte „Intelligenzoffensive“ kreiert, mit der man in einer 360-Grad-Kampagne zur Attacke bläst, um neues Publikum und mehr Werbegelder zu gewinnen. Was steckt dahinter?

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Aufsteiger aus der dritten Generation

Klappern gehört zum Handwerk. Und je kleiner Hunde sind, umso lauter müssen sie kläffen, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 1,4 Prozent ist Tele 5 als Spartensender zwar erfolgreich, dennoch aber ein recht kleiner Sender. Das weiß auch Kai Blasberg, Geschäftsführer Tele 5, der bekannt für seine derben Meinungen ist. Er kann wunderbar über das peinliche Programm seiner Mitwettbewerber ätzen, das sich seiner Meinung nur platt und ideenlos an Quote und Rendite orientiert. Ein Dorn im Auge sind ihm auch die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem vielen Gebührengeld, das, wie Blasberg weiß, sie in ihre Verstopfungsstrategie stecken, um den privaten Sendern Chancen zu rauben. Genauso drischt Blasberg mitunter auf medienpolitische Organisationen des Privatfunks ein, in denen er nutzlose Bürokraten sichtet, die kein Mensch brauche.

Das alles finden TV-Berichterstatter prima, die, wir drücken uns vornehm aus, das deutsche Mainstream-Programm immer langweiliger finden. Und Blasberg kann sich kantige Äußerungen leisten, weil er weiß, dass sein reicher Chef Heribert Kloiber hinter ihm steht. Kloiber ist seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Medienunternehmer und Filmhändler in Deutschland, womit er viele Millionen Euro erwirtschaftet. Ihm gehört die Tele München Gruppe (TMG) deren 100prozentige Tochter Tele 5 ist und die auch an RTL 2 beteiligt ist. Und bei all den forschen Blasberg-Worten kommt unterm Strich die kernige Marketing-Botschaft heraus, dass es sich bei Tele 5 um das beste Fernsehprogramm in Deutschland handelt. Wirklich? Was es dazu Neues gibt, hat Blasberg, der nach eigenem Bekunden sparsam haushaltet, in diesem Jahr ausnahmsweise an einem besonderen Ort präsentiert: im Soho House in Berlin, wo auch schon Madonna weilte. Ein Hotel, das sich als Anlaufstelle „für aufgeschlossene Menschen aus der nationalen und internationalen Kreativszene“ sieht. Der richtige Ort also, um die so genannte Intelligenzoffensive zu starten. Was aber hat Tele 5 bislang zu bieten?

Internationales Kino

Tele 5 gibt es eigentlich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten. Ein Sender dieses Namens, an dem von Anfang an Kloiber beteiligt war, ging nur wenig später als die allerersten deutschen privaten TV-Sender Sat.1 und RTL an den Start. Doch hinter dem Namen Tele 5 haben ungezählte Mutationen stattgefunden, programmlich und bei den Gesellschaftern. In sehr ferner Vergangenheit hatte neben Kloiber auch der Medienmogul und einstige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu den Gesellschaftern von Tele 5 gehört. Heute verstehe sich Tele 5 mit seinem aktuellen Markenkern als TV-Sender der dritten Generation, erklärt Stefan Graf, Leiter Verkauf & Services bei Tele 5. Zur ersten Generation zähle man Sat.1, RTL und ProSieben. Die zweite TV-Generation werde von Vox, RTL II und KabelEins repräsentiert. Und zur dritten Generation gehören branchenüblich, so Graf, all die Sender, die relativ neu gestartet sind und einen Marktanteil zwischen einem und zwei Prozent haben. So stehe Tele 5 im Wettbewerb mit N24, n-tv, DMAX, Sport1, Viva, Nickelodeon, Das Vierte, RTLNitro, Sixx und anderen.

Das heutige Programmprofil von Tele 5 wurde ab 2005 entwickelt. Die Federführung dafür hatte Dr. Ludwig Bauer, der unter anderem einmal Vorstand bei der ProSiebenSat.1-Gruppe war und 2005 in die TMG-Geschäftsführung berufen wurde. Blasberg war zunächst als Marketingleiter geschäftsführend verantwortlich. Das Tele 5-Programm wurde so umsortiert, dass es vor allem in der Prime-Time Spielfilm-Highlights gibt, die aus dem großen Lizenz-Portfolio von Kloibers TMG stammen. Dabei handelt es sich um internationales Kino aller Kontinente, zahlreiche Erstausstrahlungen und deutsche Free-TV-Premieren, Klassiker, Hollywood-Blockbuster und auch Arthouse-Filme. Das alles wird nicht durcheinander ausgestrahlt. Vielmehr wurden für jeden Tag spezifische feste Genre-Marken wie etwa „Meisterwerke“ am Sonntag oder „Herzklopfen“ am Mittwoch gebildet. Gelegentlich finden Zukäufe bei Major Studios oder Independents statt, um die Genres zuverlässig ausfüllen zu können. Der Vorabend wird von SciFi-Serien wie „Star Trek“, „Deep Space Nine“ oder „Raumschiff Voyager“ geprägt. Die einstigen Call-In-Formate, die nicht mehr zum Claim „Wir lieben Kino“ passten, wurden aus dem Programm entfernt. Mittlerweile gibt es nur noch am Morgen, wenn das hauptsächlich in der Prime-Time angesprochene anspruchsvolle Publikum noch nicht TV guckt, eine Teleshopping-Dauerwerbesendung. Die wird übrigens vom zugelieferten Kirchenprogramm eingerahmt. Auch dafür gibt es Zielgruppen.

„Im Vergleich zu allen anderen Sendern der dritten Generation“, so betont Graf, benutze Tele 5 eine „Vielzahl an Zielgruppenansprachen“. Das macht das internationale Spielfilm- und Serienprogramm möglich. Während sich die anderen Spartensender im Free-TV-Bereich auf entweder Männer oder Frauen, jung oder alt kaprizierten, beweise sich Tele 5 bei allen relevanten Zielgruppen, die die Werbung bedienen wolle, als Nummer 1. Das heißt: Das Programmschema von Tele 5 ist so angelegt, dass von morgens bis abends, von Tag zu Tag verschiedene Zielgruppen genau das Programm verlässlich finden können, was sie besonders lieben. Und das ist auch bei der werbetreibenden Wirtschaft gefragt. Sie kann bei Tele 5 immer ein spezifisches Programmumfeld für eine spezielle Zielgruppe beispielsweise zum Mainstream-Programm von RTL hinzubuchen. Damit kann der Streuverlust, der bei reichweitenstarken Mainstream-Programmen entsteht, ausbalanciert werden. So konnte Tele 5 nicht nur seinen Marktanteil seit 2005 von 0,4 Prozent auf durchschnittlich 1,4 Prozent (Zuschauer im Alter von 14 bis 49 Jahren) steigern, sondern vor allem seine Werbeeinnahmen. Graf nennt folgende Zahlen: 2006 habe man nur 40 Werbetreibende bedient, 2012 seien es 400 Werbetreibende. Eine Verzehnfachung in sechs Jahren. Damit sei man auch schon nahe dran an den 600 Werbetreibenden, die RTL bediene, weiß Graf. Und mehr: „Es verlieren sehr viele Sender an Reichweite, aber Tele 5 nicht“. Man wachse täglich sowohl in der Prime- wie in der Access-Prime-Time freut er sich.

Öffnen der Referenzzielgruppe nach oben

Um die Reichweiten stabilisieren und steigern zu können, will Graf ab 2013 die bisherige werberelevante Referenzzielgruppe 14 bis 49 Jahre im Alter nach oben öffnen und sie durch die neue Referenzzielgruppe 20 bis 59 Jahre ersetzen. Was auch RTL auf der Agenda hat. Das alte Raster sei heute weniger denn je stimmig. Sicher sei definitiv, dass 14-Jährige ein ganz anderes Konsumverhalten als diejenigen haben, die im Alter über 40 Jahre sind. Doch würde sich das Konsumverhalten der über 40-Jährigen nicht dramatisch von dem der 50+-Generation unterscheiden. Bei Beibehaltung des 14- bis 49-Rasters würden aber immer mehr Menschen, die aus den besonders geburtenstarken Jahrgängen stammen, peu à peu aus der Relevanz der Werbewirtschaft fallen, was unsinnig sei. Denn Fakt ist, so Graf: „Wir werden in der Gesellschaft immer älter“. Obwohl es schwierig sei, eine lang eingeführte Währung zu Gunsten einer neuen zu ersetzen, gibt er sich überzeugt, die Änderung werde in spätestens drei Jahren von der Werbewirtschaft breit angenommen.

Erstmals Eigenproduktionen

Derweil will Blasberg aber noch eine neue Zielgruppe für Tele 5 erobern: jüngere Männer. Womit er insbesondere den Wettbewerb mit den Spartensendern DMAX und RTLNitro aufnimmt. Er nennt die neue Zielgruppe „Jungs“ und will ihnen einen deftigen Männerhumor bieten, so wie er ihn selber pflegt. Speziell dafür hat Tele 5 seit Mitte Oktober sein Programmschema erweitert, das ohnehin bereits seit letztem Jahr unter dem offenen Motto „Gute Unterhaltung“ steht. Es gibt jetzt vier neue Comedy-Formate, Eigenproduktionen mit Lokalkolorit. Sie stammen von Fernsehmachern, die Neues probieren, und deshalb nicht in das Konzept der großen Sendern passen, die auf Mainstream setzen – aber in jüngerer Vergangenheit durch sie bekannt geworden sind. Für die neuen Eigenproduktionen von Tele 5 hat Blasberg als zündendes PR- und Marketing-Rubrum „Intelligenzoffensive“ erfunden. Dabei bekommt „Medienterminator“ Oliver Kalkofe nach jahrelanger Pause wieder auf den Bildschirm zurück. Das ist mutig. Denn Kalkofe räumte bei der Präsentation im Soho House ein, dass er bei anderen Sendern keine Chancen mehr gehabt habe. Doch bei Tele 5 darf er freitags ab 20 Uhr „mediale Aborte“ anderer Sender analysieren. Dass es dabei wohl derb zugehen wird, ist der offiziellen Beschreibung von Tele 5 zu entnehmen. Kalkofe werde in jeweils 15-minütigen Episoden als „selbsternanntes Furunkel am Arsch der Unterhaltung wöchentlich den schlimmsten Scheiß, den Fernsehdeutschland zu bieten hat“, zeigen.

Ob dies eine intelligente Formulierung ist, um gute Unterhaltung nachzuweisen, müssen die Jungs, die damit angesprochen werden sollen, selber wissen. Allerdings ist sich selbst Blasberg ob des kommenden Erfolgs des Formats „Kalkofes Mattscheibe – Rekalked“ wohl nicht ganz sicher und hat deswegen nicht besonders viel darin investiert, sondern nur die Free-TV-Rechte gekauft. Die erste Staffel wird von der renommierten Produktionsfirma Rat Pack auf eigene Kosten hergestellt, teilte Rat Pack-Chef Christian Becker mit. Umso erfreulicher für ihn, dass die Kalkofe-Mattscheibenkritik auch vom Internetriesen Yahoo! übernommen wird. Außerdem soll das Format auch via DVD ausgewertet werden.

Ganz neu ist das Format „Rüttens Bullshit Universum“, das donnerstags um 22.15 Uhr kommt. Der ehemalige Head-Autor der „Harald Schmidt Show“, Peter Rütten, hat sozusagen vor, aus Shit Diamanten zu formen indem er die schlechtesten Filme aus dem Kloiber-Archiv neu vertont. Und last but not least wird Schauspieler und Produzent Christian Ulmen in seiner Doppelrolle mit zwei Formaten bei Tele 5 aktiv. Seine Comedy-Figuren wie „Uwe Wöllner“, die er einmal für sein eigenes Internet-TV (Ulmen TV) erfunden und gespielt hat, sind zunächst in 20 neuen Folgen jeweils donnerstags um 22.40 Uhr auf Tele 5 zu sehen.

Wohlgefallen bei Programmkritikern

Zweitens ist Ulmen auch Produzent von „Stuckrad-Barre“, jenem Politik-Talk, der in zwei Staffeln auf ZDFneo lief und bei Programmkritikern auf großes Wohlgefallen stieß. Es hat allerdings im Nachhinein einige Politiker geärgert, obwohl sie an den Spielchen des schrägen Talks freiwillig teilgenommen hatten. Was zwar für die gute Kabarett-Qualität des Formats spricht, vermutlich für das öffentlich-rechtliche ZDF dann aber vielleicht doch zu viel Zündstoff bietet.

Blasberg hingegen ist gerade von diesem Format, das jetzt immer donnerstags um 23.10 Uhr auf Tele 5 kommt, so begeistert, dass er dafür auch schon die Perspektive für das Wahljahr 2013 festgeschrieben hat. Und laut Produzent Ulmen wird das bisherige ZDFneo-Showkonzept von Tele 5 dezidiert übernommen, auch was das Produktionsbudget angehe.

Mit diesen Eigenproduktionen für Jungs will Tele 5 Reichweiten und Werbeeinnahmen weiter steigern, um sich so noch mehr von den anderen Sendern der dritten Generation abzuheben. Ob es gelingt? Blasberg sagt trocken: „Es ist ein Versuch“. Ohne Risiko kann man heute ja keine großen Gewinne machen. Finanziell aber wird das neue Engagement Tele 5 nicht so große Kopfschmerzen machen. Das Risiko wird vor allem von den Produzenten und den Protagonisten getragen.
Erika Butzek
(MB 11/12)