Flinke Beiboote

Nachdem das ZDF bereits am 1. November 2009 seinen digitalen Jugendkanal ZDFneo gestartet hat, folgt ab dem 7. Mai 2011 der neue Sender ZDFkultur. Auch das ZDF-Hauptprogramm samt seiner Nachrichtensendungen wird renoviert. Gleichzeitig ist die neue ZDF-Senderfamilie in den Online-Communities unterwegs, um dort junges Publikum für sich zu erobern. Noch nie war das Dickschiff ZDF so experimentierfreudig wie heute. Noch nie wurden so viele neue Angebotsformen und TV-Formate vom Stapel gelassen.

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Flinke Beiboote

Der mit viel Werbe- und PR-Aufwand verbundene Start von ZDFneo stieß Ende 2009 auf ein geteiltes Echo: Jubel auf Seiten der feuilletonistischen Programmkritiker, Empörung auf Seiten der privaten Konkurrenz. Das Lob bezog sich vor allem auf die eingekauften angloamerikanischen fiktionalen Qualitätsserien wie etwa „Seinfeld“, „30 Rock“, „Hustle“, „Talking the Flak“ oder „Dirty Sexy Money“, „Six Feet under“ und „Mad Man“. Ebenso stieß die neuartige Umsetzung von eigenproduzierten Factional Entertainment- und Doku-Formaten wie „Der Straßenchor“ (Thema: Obdachlose) oder „Hochzeitsfieber“ bei den Programmkritikern auf Gefallen. Dass man sich in diesem Sektor durchaus auch die Erfolgsformate der privaten Konkurrenz orientiere, bestritt ZDFneo-Chef Norbert Himmler damals nicht. Man habe allerdings einen eigenen Stil dafür entwickelt.

„Anstatt Menschen vorzuführen“ würden die Protagonisten „als Individuen behandelt“. Dagegen empörte sich VPRT-Präsident Jürgen Doetz für die private Konkurrenz, es handle sich bei ZDFneo um eine Art „VOX light“. Mit einem allein auf eine junge Zielgruppe ausgerichtetem Programm werde das durch Gebühren finanzierte ZDF „privaten Anbietern aus dem Free-TV und Pay-TV-Bereich das Wasser abgraben“. Da müsse die Politik einschreiten, forderte Doetz und suggerierte mit eigens angefertigten ZDFneo-Programmangebotsanalysen, das ZDF habe den privaten Sendern mit viel Geld interessante Kaufserien auf dem internationalen Markt weggeschnappt und kopiere mehr oder weniger die Factual Entertainment-Formate der Privaten. Längst hat sich die Erregung auf beiden Seiten gelegt. Zwar konnte ZDFneo den Marktanteil von seinem digitalen Vorgängerkanal (ZDFdoku) ziemlich schnell verdoppeln, aber nur marginal von 0,1 auf 0,2 Prozent. Hierzu haben vielleicht die genannten Kaufserien beigetragen. Im Durchschnitt kommt ZDFneo auf rund 60.000 Zuschauer.

Mit seinen Programmhighlights, – das sind zum Beispiel die eigenproduzierte Impro-Comedy „Iss oder Quizz“ oder der US-Serien-Klassiker „Raumschiff Enterprise“, der schon vor Jahren beim ZDF lief, – sammelte ZDFneo in der jüngeren Vergangenheit allerdings durchaus auch mal 200.000 bis 300.000 Zuschauer ein. Empfangbar ist der Digitalsender bei 50 Prozent aller deutschen TV-Haushalte.

Qualität und Programmierung

Quote hin, Quote her. Der Qualitätsanspruch von ZDFneo ist bislang erhalten geblieben. Das Problem ist offensichtlich nur: Wer Qualitätsfernsehen für ein jüngeres Publikum anbietet, trifft auf eine relativ kleine Zielgruppe mit eben diesem hohen Anspruch und einem entsprechenden unberechenbaren selektivem Sehverhalten. Es sind vielleicht TV-Gourmets und Trüffelschweine, die sich aus dem ZDFneo-Angebot genau das herauspicken, was ihnen jenseits vom Alltagsfutter des Quotenfernsehens besonders gut schmeckt, sich dann aber wieder aus dem Programm verabschieden. So räumt Himmler ein, dass es eine seiner schwierigsten Aufgaben zurzeit sei, „Programmierungslösungen für das Gesamtprogramm“ zu finden, um diejenigen Zuschauer die bereits im Programm gelandet seien, dann auch dort weiter zu behalten.

Man habe „gelernt“, so Himmler, dass man sein Publikum nicht allein über „die horizontale Sendeleiste“ halten könne. Sprich: Um diejenigen Zuschauer, die für eine einzelne Sendung an einem Tag Interesse gewonnen haben, auch im weiteren Programmverlauf an den Sender zu binden, sei es vielmehr zusätzlich wichtig, die „vertikale Programmabfolge thematisch im Interesse der Zuschauer zu bündeln“, also linear in der Abfolge der Einzelsendungen.
Dies gelte, so Himmler, insbesondere für die Hineinführung in die Prime-Time. Zwar ist diese Erkenntnis, die nicht nur das ZDF, sondern auch alle anderen großen Vollprogramme im Wettbewerb mit bis zu 350 verschiedenen Kanälen gewonnen haben, nicht neu. Doch für ein Spartenprogramm wie ZDFneo sei die vertikale Programmierung besonders wichtig, weil die Summe der Einstiegskontakte so gering sei. Um wiederum die Einstiegskontakte vergrößern zu können, sei Werbung notwendig, bestätigt Himmler.

Ein Weg, um jüngere Menschen auf das ZDFneo-Angebot aufmerksam zu machen, sei neben Trailern im ZDF-Hauptprogramm „auf anderen Plattformen wie Facebook“ zu gehen. Das reiche allerdings nicht aus. Weshalb die Frage nach der geeigneten Werbung für ZDFneo ein Zukunftsthema für den Sender sei. Als Jahresetat für ZDFneo wurden im Rundfunkstaatsvertrag 30 Millionen Euro festgesetzt. Allerdings steht diese schöne Summe ZDFneo nicht komplett zur Verfügung. Denn „nicht wenig Geld vom ZDFneo-Budget“, so Himmler, fließe in das ZDF-Hauptprogramm zurück. Zum Beispiel für einzelne Produktionen von Fernsehfilmen wie etwa aus den Krimireihen „Wilsberg“ oder „Lutter“, die dann mitunter bei ZDFneo ihre Premiere feiern und wenig später im ZDF-Hauptprogramm wiederholt auf dem dort vorgesehenen Sendeplatz zu sehen sind.
Auch bei einzelnen Produktionen der gerade bei jüngeren Zuschauern sehr beliebten Dokumentationsreihe „Terra X“, die einen Schwerpunkt – auch in Aneinanderreihung von mehreren Folgen – im Programm von ZDFneo bilden, gibt es ähnliche Koproduktionen unterm ZDF-Dach. „Es handelt sich um eine Mischkalkulation“, sagt Himmler. Aufgrund dieser hausinternen Kooperationen könne ZDFneo mitunter Einfluss auf die Gestaltung des ZDF-Hauptprogramms nehmen und „ein Zünglein an der Waage sein“, was und wie produziert wird, mit besonderem Augenmerk auf ein jüngeres Publikum, natürlich.

Highlights bei ZDFneo

Sowieso wurde ZDFneo von ZDF-Intendant Markus Schächter und ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut von Anfang an nicht nur als ein neuer Sender, sondern insbesondere als „Innovationsmotor“ eingetaktet, der es ermöglichen soll, „Programmfarben zu testen – auch mit Blick auf eine Eignung für das Hauptprogramm“. Während sich in der eher fiktional geprägten Prime-Time von ZDFneo (ab 21:00 Uhr) immer mehr Angebote aus dem ZDF-Hauptprogramm wie die britische Krimiserie „Inspector Barnaby“, „Soko Leipzig“ oder einzelne ZDF-Fernsehfilme – neben neu gestarteten Kaufserien wie „Being Erica“ – tummeln, hat Himmler gleichzeitig eine Reihe von neuen eigenproduzierten Formaten für ZDFneo auf die Beine gestellt. Die werden vorwiegend am Tag, in der Access-Prime-Time oder am späten Abend platziert. Gut, das mit hohen Erwartungen gestartete „Comedy-Lab“ mit Comedian Klaus-Jürgen “Knacki” Deuser ist schon wieder so gut wie weg vom Schirm.

Stattdessen beteiligt sich ZDFneo an der „Heute Show“ mit Sportjournalist und Comedian Oliver Welke. Dagegen könnte aber nach derzeitigen Überlegungen beim ZDF die werktägliche ZDFneo-Quiz-Show „Iss oder Quizz“ auch im ZDF-Hauptprogramm landen wie auch ZDFneo-Entwicklungen aus dem Bereich Factual Entertainment.

Gerade die 30minütige Show „Iss oder Quizz“ (Sendeplatz: werktags ab 19:00 Uhr) ist Himmler offensichtlich besonders ans Herz gewachsen, weil sie „charakteristisch“ für die Programmfarbe von ZDFneo sei. Auf dem ersten Blick handelt es sich um eine gelungene Kombination der einst erfolgreichen Sat.1-Impro-Comedy „Schillerstraße“ mit „Versteckte Kamera“ (ARD). Tatsächlich basiert die Idee auf dem israelischen Format „Deal with it“, für das die Produktionsfirma Shine Germany die Rechte erworben hat, und es für den deutschen Markt leicht modifizierte. Das Schöne an diesem lustigen Spiel-Show-Format mit Reality-Anleihe ist auch, dass der Voyeurismus als Spaßfaktor nicht scheinheilig dem Zuschauer zugeschoben sondern von den Moderatoren gekonnt gesteuert wird. Die Protagonisten werden nicht in eine mediale Falle gelockt, sondern ihnen sind die Spielregeln von Anfang an bekannt.

Die 45minütige Existenzgründer-Dokusoap „Start me up“, produziert von der MME, hat es sogar in die ZDFneo-Prime-Time geschafft. Es geht um Menschen, die versuchen ihren Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen. Dieses Format besitzt in Form und Ton deutlich Ähnlichkeiten zu erfolgreichen Dokusoaps von RTL. Die aber sind ja auch zum großen Teil gut gemacht, wie etwa „Raus aus den Schulden“ oder „Rach’s Restauranttester“, weshalb nichts dagegen spricht, sie als Vorbilder zu nutzen.

Ein anderes neues uniques ZDFneo-Format ist „Stuckrad Late-Night“, produziert von Christian Ulmen. Oberschlaue Kritiker könnten an diesem Format bemängeln, die Macher hätten zuvor einen Blick auf andere Late-Night-Formate wie die von Harald Schmidt geworfen: „Begrüßung im Anzug, dann Schreibtisch, Einspielfilmchen und Gast“ – nichts Neues will Spiegel Online daran erkannt haben. Ganz anders urteilt die TAZ: „Endlich mal wieder was im Fernsehen, das so richtig begeistern kann“. Denn der Moderator und Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre mache, was es sonst kaum mehr gebe: „Er hört zu und er stellt Fragen – und seien die auch noch so abwegig oder peinlich“. Tatsächlich stecken in diesem Format eine Reihe neuer Ideen. Und nicht nur bei diesem Format, sondern im Gesamtprogramm kommt ein gutes Händchen von ZDFneo im Präsentationsstil zum Tragen, ästhetisch jung und frisch, nicht aufgesetzt grell.
Etwas schräg und jenseits vom eingefahrenen Mainstream gibt sich die ZDFneo-Reportage „Wild Germany“. Die Themen, so der ZDF-Pressetext, seien „gezielt abseitig und stehen sonst eher nicht im Fokus der Medien“, weil sie „nicht zum geläufigen Deutschlandbild passen“ würden. Produziert wird die Reportage-Reihe vom Unternehmen Vice Deutschland, das im Netz mit seinem Vice Magazin erfolgreich ist. Das kanadische Mutterunternehmen betreibt mit Vice TV unter anderem ein weltweit führendes Web-TV, produziert Dokumentationen und Reportagen, die es weltweit an verschiedene Sender lizensiert. Man arbeite mit unterschiedlichsten Produktionsunternehmen zusammen, von ganz kleinen bis zu den etablierten Großen, sagt Himmler.

Pop-Musik bei ZDFkultur

Auch die Auswanderdoku „Große Städte, Große Träume“ ist laut Himmler charakteristisch für ZDFneo und er hat noch jede Menge weiterer neuer Formatideen auf dem Zettel. Dass sein Sender ZDFneo keinesfalls in Geld schwimmt, sondern eher danach ringt, kann man an den vielen Wiederholungen von Sendungen aus dem ZDF-Hauptprogramm erkennen. So wird auch bei ZDFneo mit „Lafer!Lichter!Lecker!“ gekocht. Noch viel enger als bei ZDFneo ist der Budgetrahmen für den neuen Sender ZDFkultur geschnallt, der am 7. Mai auf dem bisherigen Theaterkanal startet. Ursprünglich hatte ZDF-Intendant Schächter einen Jahresetat für ZDFkultur in Höhe von 12,58 Millionen Euro angekündigt. Er wurde aber erst einmal auf den Etat des bisherigen Theaterkanals in Höhe von circa acht Millionen Euro eingefroren.

Doch kann ZDFkultur im Programmverbund mit 3Sat und ARTE, wo auch ZDF-Geld drin steckt, auf ein breites Programmvermögen zusätzlich zum ZDF-Hauptprogramm zurückgreifen. Der bisherige Chef des Theaterkanals, Wolfgang Bergmann, und Daniel Fiedler, 3Sat-Koordinator des ZDF, die gemeinsam den ZDFkultur-Kanal leiten, sind schon seit Jahren auch bei ARTE und 3Sat in die Programmplanung eingebunden. So sind sie gut vernetzt mit den Institutionen der Kultur-Elite in Deutschland und Europa, deren Trends und Themen sie kennen. Trotz niedrigem Budget haben Bergmann und Fiedler für den Start von ZDFkultur satte 17 neue TV-Formate auf die Beine gestellt, die täglich vorwiegend in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 00:15 Uhr stattfinden werden. Den Stress, „Innovationsmotor“ für das ZDF (Altersdurchschnitt der ZDF-Zuschauer: 61 Jahre) zu sein und dabei auch noch vor allem junge Zuschauer neu zu erobern, haben sie nicht. Auf Quotenspekulationen lässt sich Bergmann erst gar nicht ein.

Das Konzept für ZDFkultur sei weniger zielgruppen- denn „angebotsorientiert“, wenn auch „tendenziell auf Jüngere“ eingestellt, sagt er. Man werde „kein „me-too-Angebot machen“, sondern habe in Sachen Kultur eine „Angebotslücke“ ausgemacht, nämlich den Bereich der „Pop-Musik“. Die wolle man nun mit einem wöchentlich 60-stündigen Programmangebot auf ZDFkultur schließen. Man wolle „ohne Quotenangst einen repräsentativen Überblick zur zeitgenössischen Musik“ geben, samt“ redaktioneller Aufbereitung der kulturellen Zusammenhänge“.

So wird es als ein Highlight im Programm von ZDFkultur im Sommer eine Live-Berichterstattung von sieben der wichtigsten Musikfestivals in Europa und Deutschland geben, wo „die angesagten Bands aus Rock, Indie-Pop, Hip Hop und Heavy Metal auf der Bühne stehen“. Darauf, so sagt Bergmann, „freue ich mich schon selbst“. Da will ZDFkultur jeweils zwischen 20:00 und 24:00 Uhr live dabei sein und unter der Woche von Montag bis Freitag zwischen 18:00 und 20.00 Uhr zusammenfassend berichten.

Crossmediale Ambitionen

Auch außerhalb des Festival-Sommers ist das Programm von ZDFkultur stark von Musikformaten geprägt, die bekannte und eher unbekannte Bands auf der Bühne präsentieren werden. Zu diesen Formaten zählen „From the Basement“ und „Live from Abbey Road“ aus London, „Berlin Live“ und „London Live“und auch „zdf@bauhaus“ aus Dessau, eine Konzertreihe im intimen Rahmen mit internationalen Künstlern wie zum Beispiel Milow. Moderatorin Katrin Bauerfeind wird alle 14 Tage „Das Magazin für Popkultur“ präsentieren, wobei es allerdings nicht nur um Musik, sondern auch ums Internet, Kunst und Kultur gehen wird.
Interaktiv ausgerichtet und auch im Netz zu sehen sind die Musiksendungen „on tape“ und „TVnoir“. Dafür hat sich ZDFkultur zwei Berliner Web-TV-Sender mit großer Fangemeinde als Produktionspartner mit ins Boot geholt: „Tape-TV“ und „TV Noir“.

Überhaupt will sich ZDFkultur viel stärker als ZDFneo auch im Internet parallel engagieren. Während ZDFneo-Chef Himmler eher nur eine Programmbegleitung im Internet anstrebt, hat sich das Team Bergmann/Fiedler auch vorgenommen „crossmedial“ zu interagieren. Dafür steht vor allem das tägliche Format „Marker“, das in der Zeit der ARD-„Tagesschau“ von 20:00 bis 20:15 Uhr ausgestrahlt wird und über längere Zeit auch im Internet abgerufen werden kann. Da geht es um „relevante Themen aus der Alltags- und Popkultur“, heißt es in ihrem Positionspapier für ZDFkultur.

Auch die Performing-Arts, die bisher ihre Heimat beim Theaterkanal hatten, sollen „nicht fallen gelassen werden“, sagt Bergmann. Für die neuen Formate habe man leider Foyer, das bisher einzige Theatermagazin im deutschsprachigen Fernsehen, aufgeben müssen. Aber auch bei ZDFkultur bleibe Theater weiterhin Thema. Immerhin ist im Programmschema für jeden Dienstag zwischen 15:30 Uhr und 17:45 Uhr das Thema „Sprechtheater/Tanz“ eingeplant. Zudem ist der Übersicht über die nächsten Programmwochen zu entnehmen, dass auch Wiederholungen von Theater-Aufführungsverfilmungen stattfinden wie übrigens auch Dokumentationen und Fernsehspiele aus dem Archiv. Das Format „Kulturpalast“ soll jeden Donnerstag ab 20:15 Uhr das wichtigste aus der Welt der Performing-Arts 30 Minuten lang erzählen: „subjektiv, amüsant, vielschichtig und manchmal auch „böse“.

Nun war bislang noch nichts vom Programm von ZDFkultur zu sehen.
Ob montags ab 20:15 Uhr die „fast vierstündige Reise in ein ausgewähltes Themenfeld“ wie der Frage nach „Dem ersten Mal“ dank des neuen Formats „Montage“ interessant und erhellend sein wird, oder ob das Video-und Netzkulturmagazin „Pixelmacher“ neue interessierte Zuschauer finden wird, das alles steht noch in den Sternen. Jedenfalls, so Bergmann, hat sich ZDFkultur vorgenommen, „in einer anonymisierten Medienlandschaft wieder Menschen und Identifikationsfiguren“ zu zeigen. Zum einen soll es wieder Ansager als Identifikationsfiguren im Programm geben, wobei fünf neue junge Moderatoren und Moderatorinnen neben Katrin Bauerfeld ZDFkultur ein Gesicht geben sollen. Zum anderen soll es mehr Themen um Personen geben wie im Format „Kopf der Woche“, das mit Andy Warhol beginnt.

Und natürlich hat der neue Kultursender auch eine Meta-Philosophie für sein Programm parat. Bergmann: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Das wolle man im Programm beherzigen und den Zuschauern übermitteln – und die Grenze zwischen dem „überkommenden Kulturbegriff, der zwischen E wie Ernst und U wie Unterhaltung unterscheidet, aufbrechen. Man wolle ein „vorurteilfreies Kulturprogramm“ auf die Beine stellen, „spielerisch, nicht dozierend feuilletonistisch“ geprägt.

Verjüngung des ZDF-Hauptprogramms

Viele Ideen, schöne Konzepte. Wer weiß, vielleicht wird ZDFkultur sogar ZDFneo in der Akzeptanz bei einem jüngeren Publikum überflügeln? Erstaunlich allerdings, dass bei ZDFkultur das Thema „Kino“ bislang ausgeklammert ist. Dazu passt wiederum, dass das ZDF seinen Beitrag an der Kinofilmfinanzierung über die Filmförderungsanstalt von jährlich 5,5 Millionen Euro auf 2,3 Millionen Euro reduziert hat. Das teilte kürzlich die Produzentenallianz in einer Pressemitteilung mit, in der sie sich darüber mokierte, dass das ZDF die Fußball-Übertragungsrechte der UEFA Champions League von 2012 bis 2015 gekauft habe, für 56 Millionen Euro jährlich, angeblich, wird kolportiert. Die Produzentenallianz befürchtet jetzt natürlich, dass diese Investition auf Seiten der Film- und TV-Produktion zum Schaden der Produktionswirtschaft eingespart werde. Sie fordert den Mainzer Sender auf, seine Finanzierungsstrategie offen zu legen.

Jedenfalls ist Fußball immer schon ein probates TV-Angebot gewesen, um jüngere Zuschauer zu gewinnen. Um die dann aber auch im Programm halten zu können, muss neben dem inhaltlichen Angebot auch das Erscheinungsbild stimmen. ZDF-Chefredakteur Peter Frey, der in Nachfolge von Nikolaus Brender nun bereits seit über einem Jahr seines Amtes waltet, hat sich dazu viel vorgenommen. Man wolle das ZDF-Erscheinungsbild „nachhaltig verändern“, sagte Frey kürzlich in einem Interview, und er hat schon mit den Renovierungsarbeiten begonnen. Betroffen sind unter anderem das „heute-journal“, der Maybrit Illner-Talk, „Wiso“, „Frontal 21“, „Mona Lisa“ und das „auslandsjournal“. Frey will „auch bei der Generation der 30- bis 50jährigen in der Mitte der Gesellschaft ankommen“.
Dabei setzt Frey auch auf eine Stärkung des Reportagen- und Dokumentationsanteils im ZDF-Hauptprogramm, die er künftig unter einheitliche Marken wie „ZDF Zoom“ und „ZDF Zeit“ präsentieren will. In Bezug auf eine Veränderung der Präsentation der Nachrichten von „Heute“ hat er bei „RTL aktuell“ ein Vorbild gefunden. Tatsächlich wird „RTL aktuell“ tagtäglich von viel mehr Zuschauern als „Heute“ geguckt, vor allem auch von den Jüngeren.
Ganz generell plant das ZDF sein Programmschema zu optimieren. Am Mittwochabend beispielsweise solle es attraktive Filme anstatt „Der Bergdoktor“ geben. Auch der Show-Anteil des Senders soll verstärkt werden, insbesondere soll es neue Shows mit Jörg Pilawa geben, der schon als ZDF-Quizmaster mit „Rette die Million!“ auf Sendung ist. Für die Nachfolge von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass …?“ wird auch noch jemand gesucht.

Rein in die community

Vom Experimentierfieber und Innovationsdrang, um endlich jüngere Zuschauer zu kriegen, sind mittlerweile so gut wie alle ZDF-Abteilungen betroffen. Sogar „Das kleine Fernsehspiel“, dessen originäre Aufgabe es ohnehin ist, neue Talente zu fördern. Das Ergebnis wird bislang gegen 00:00 Uhr versendet. Dank ZDFkultur wird es nun aber zusätzlich einen Primetime-Platz um 20:15 Uhr am Sonntag kriegen. Und da wird „Das kleine Fernsehspiel“ gleich zu Beginn mit dem crossmedialen Projekt „Wer rettet Diana Foxx?“ etwas Besonderes auffahren: Ein Internet-Krimi, an dessen abrupten Ende, das ZDF seine Zuschauer in das Internet auf die Adresse www.freidaten.org schleusen will, wo sie dann selber über mehrere Wochen interaktiv den Mörder ermitteln sollen. Im Huckepack erfährt dann der User, wenn er will, viel Wissenswertes über die Datensicherheit im Netz. Es ist ein Spiel, eine Art Schnitzeljagd, bei der es allerdings nichts zu gewinnen gibt. Das Projekt wurde gemeinsam von „Das kleine Fernsehspiel“ und der Zentralredaktion Neue Medien entwickelt.

Umgesetzt wurde es von teamWorx Ludwigsburg(TV) und dem UFA Lab (Online). Und man hofft, damit Vice Versa sowohl neue Fernsehzuschauer wie auch Online-Nutzer zu gewinnen. Ganz bewusst wurde die Ausstrahlung des Internet-Krimis auf den Sendeplatz nach einem Fußballspiel gesetzt, um somit eine größtmögliche Anzahl an jungen Zuschauern zu gewinnen, die dann dem ZDF online treu bleiben sollen.

Zuvor hatte „Das kleine Fernsehspiel“ mit einer anderen Idee die Nähe zur Online-Community gesucht. Man hat unter dem Titel „Bodybits – analoge Körper in digitalen Zeiten“ eine Projektbeschreibung für Filmaufträge zum Thema „Erkundung der Netzwelten“ online vom Stapel gelassen. Aus den 120 Einreichungen hat die Redaktion unter Einbeziehung der Meinung der Online-User vier Projekte ausgewählt und in Auftrag gegeben. Die vier Filme, die mittlerweile daraus entstanden sind – ein Dokumentarfilm, ein Essay, ein Spielfilm und eine Doku-Fiktion – sind montags und sonntags ab dem 2. Mai auf den Sendeplätzen des kleinen Fernsehspiels im ZDF-Hauptprogramm und auf ZDFkultur zu sehen. Wer es verpasst hat, kann auch in die ZDF-Mediathek gehen.
Seit geraumer Zeit hatte der ZDF-Intendant einen etwas kryptischen Satz stetig wiederholt. Danach wolle sich das ZDF in der digitalen Welt „aus der babylonischen Gefangenheit des Einkanalsenders befreien“. Sollte Schächter damit gemeint haben, dass das Dickschiff auf dem Lerchenberg flinke Beibötchen braucht, um von außen Anschübe für durchgreifende Verjüngungsprozesse zu erhalten, dann kann man den Satz mittlerweile verstehen. Ganz klar tut dem deutschen Fernsehmarkt programmliche Innovation gut. Weshalb man dem ZDF nur viel Erfolg bei seinen Experimenten wünschen kann.
Erika Butzek
(MB 05/11)

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