Freundlicher Wettbewerb

Clear-Com feiert in diesem Jahr 50-jähriges Firmenjubiläum. Das Unternehmen hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich mit einigen Fusionen und Übernahmen. Mit innovativen Produkten und Lösungen zählt es heute nach wie vor zu den wichtigsten drei Interkom-Anbietern im weltweiten Broadcast-Markt. Auch zur IBC 2018 werden wieder einige Neuheiten präsentiert. MEDIEN BULLETIN sprach mit Simon Browne, VP Product Management Clear-Com & Trilogy, über die Entwicklungen im Interkom-Geschäft.

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Freundlicher Wettbewerb

Bei großen Konzerten läuft die Kommunikation zwischen allen Gewerken heute meist völlig problemlos. Das war nicht immer so. Als in den 60er Jahren die Flower-Power-Hippie-Bewegung ins Rollen kam und die Verstärkertürme bei den Musikfestivals immer höher wurden, konnten sich Bühnentechniker und Soundingenieure allenfalls noch per Zeichensprache oder mit Botengängern verständigen. Das war die Zeit als sich in Kalifornien Bob Cohen und Charlie Button zusammen taten, um mit dem analogen drahtgebundenen Beltpack-System RS-100 das erste Interkom-System für Liveproduktionen zu entwickeln. Im April 1968 gründeten sie dazu die Firma Clear-Com. Nomen est Omen: Der Name steht für „saubere Kommunikation“. Und das RS-100 war sofort ein echter Verkaufserfolg. Rock-Bands und -Künstler wie Jefferson Airplane, Janis Joplin oder Grateful Dead setzten das kabelgebundene Zwei-Wege-Kommunikationssystem bei ihren Konzerten ein. Noch heute gehören analoge Interkom-Systeme für den Live-Performance-Markt zu den wichtigen Assets von Clear-Com. Dabei hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren viele weitere neue Märkte für sich erschlossen und sein Vertriebsnetz und Produktportfolio dazu kräftig ausgebaut.

Heute ist man neben Live-Event und Broadcast auch in den Bereichen Militär, Luftfahrt, Marine, Regierungsorganisationen, Kirchen, Sportveranstaltungen und Themenparks unterwegs. „Hauptmärkte sind für uns Broadcast und Live-Veranstaltungen, Militär und Luftfahrt sowie Regierungsorganisationen. Das Geschäft verteilt sich etwa gleichmäßig auf diese drei Bereiche“, erklärt Simon Browne, Vice President Product Management bei Clear-Com. Die Mitarbeiterzahl des Unternehmens lag vor zehn Jahren noch bei 140 und ist mittlerweile auf über 300 angewachsen.

Clear-Com bietet heute einen Produkt-Mix aus Kommunikations- und Netzwerk-Technik an. Das Unternehmen entwickelt und vermarktet Technologien wie Analog und Digital Partyline, Digital Matrix-, Drahtlos- und Intercom-over-IP-Systeme für die verschiedensten Kommunikationsanwendungen.

„Wir haben einen langen Weg hinter uns. In unserem Jubiläumsjahr möchten wir deutlich machen, dass Clear-Com heute in vielfacher Weise ein ganz anderes Unternehmen ist als das, was im ‚Sommer der Liebe’ in San Francisco gestartet wurde“, erklärt Clear-Com-Präsident Bob Boster. „Unsere Technologie-Plattformen, globale Ausrichtung, unterschiedlichen Märkte und Applikationen gehen weit über das hinaus, was sich unsere Gründerväter einmal vorgestellt haben“, fährt er fort.

Die Geschichte von Clear-Com ist in der Tat wechselhaft. 1997 wurde das Unternehmen von der 1995 aus der Vinten-Gruppe hervorgegangenen Vitec-Gruppe übernommen. Ein Jahr später verleibte sich der Konzern auch Drake Electronics ein. Dieses Kommunikationstechnik-Unternehmen wiederum war 1976 mit Sitz in Cambridge gegründet worden und hatte seinen Schwerpunkt im Rundfunk- und Studiobereich. „Drake war sehr weit entwickelt. Es war der erste Hersteller mit einem modularen Interkom System mit Input- und Output-Karten, Crosspoint- und Control-Karten. Dadurch konnte man ein kundenspezifisches System realisieren. Das verkaufte sich von 1976 bis 1979 sehr gut“, berichtet Browne. Man war dabei noch sehr Hardware gebunden. Aber schon bald hielten auch Software-basierte Konfigurationslösungen Einzug. „Drake kam mit dem ersten grafischen Interface zur Einrichtung eines Interkom-Systems auf den Markt. Das war die Central Configuration Facility CCF. Damit konnten Broadcaster erstmals selbst Änderungen an ihrem Interkom-System vornehmen, ohne das ganze System ausbauen und neu verdrahten zu müssen. Das war noch in den Tagen von MS DOS um 1988/1989 und schaffte die Geschäftsgrundlage für die 6000 und 3000 Series von Drake“, erklärt Browne.

2004 wurden beide Traditionsunternehmen, Clear-Com und Drake, von der Vitec-Gruppe zu einem Unternehmen zusammengefasst und ihre Kräfte für die Pro-Audio Marktsegmente gebündelt. Im Zuge dessen wurden ihre Interkom-Produkte (Matrix +3 von Clear-Com und die 3.000er und 4000er Reihe von Drake) in der Eclipse-Produktfamilie integriert. 2007 schließlich ging auch die Marke Drake in Clear-Com auf. „Es gibt immer noch Drake Equipment auf dem Markt. Und es ist immer noch viel Drake DNA in den Clear-Com-Systemen vorhanden“, berichtet Browne, der selbst seit 1989 bei Drake Electronics beschäftigt war und später maßgeblich die Entwicklung der digitalen Matrix-Produktlinie Eclipse mit vorantrieb. Als Vizepräsident Produktmanagement und Mitglied der Clear-Com-Führungsriege ist er seit April 2017 für die gesamte Produkt- und Markenentwicklung aller Clear-Com-Lösungen und auch für die der 2016 von Clear-Com übernommenen Trilogy Communications, einem kleineren Interkom-Unternehmen aus Großbritannien, tätig. Schon zuvor hatte Clear-Com mit Vega einen Hersteller drahtloser Mikrofone und Interkom-Lösungen übernommen (1999) und mit TalkDynamics den ersten Anbieter einer Broadcast-tauglichen IP-basierten Interkom-Lösung (2008). „Die Übernahme von TalkDynamics hat uns bei der Audio-over-IP-Entwicklung sehr geholfen“, betont Browne. „Heute ist das Unternehmen die IP Engine in unserer Interkom-Entwicklung“, sagt er. Auch an der LQ-Produktentwicklung habe es maßgeblich mitgewirkt. Browne weiter: „Auch die letzten Neuerungen auf unsere Eclipse IPA-Karte, der IP Audio Karte, die wir auf ISE und NAB 2018 erstmals gezeigt haben, stammen aus dieser Entwicklungsschmiede.“

HME-Übernahme

2010 wurde Clear-Com vom kalifornischen Unternehmen HME übernommen, das auf digitale drahtlose Interkom-Lösungen für Restaurants, Gastgewerbe, Profi-Sport und Pro-Audio spezialisiert ist. Durch die Übernahme wollte HME Clear-Com einen breiteren Zugang zu weiteren Kommunikationsanwendungen vermitteln und damit die Wirtschaftlichkeit bei Produktentwicklung und Herstellung verbessern. Clear-Com blieb unter dem Dach von HME als operativ eigenständige Geschäftseinheit bestehen.

„Wir profitieren durch die Übernahme in einigen Bereichen, insbesondere im Herstellungsprozess. Hier hatten Drake und Clear-Com immer mit einigen Problemen zu kämpfen, weil wir vieles auslagern mussten. HME aber ist Experte für qualitativ hochwertige und effiziente Produktion. Wir haben heute unsere Produktion fast komplett in die HME-Produktion verlagert. 95 Prozent der Clear-Com-Produkte werden heute in Carlsbad bei HME produziert. Für unsere Lieferkette und unser Qualitätsmanagement ist das ein Riesenvorteil“, betont Browne. Weiterer Vorteil sei auch die Tatsache, dass HME auch im Bereich der drahtlosen Interkom-Systeme unterwegs sei. Diese Produkte könnten jetzt als Teil von Clear-Com-Lösungen mit angeboten werden. Das betrifft zum Beispiel die Drahtlos-Interkom-Produkte der DX-Serie (z.B. DX-410). „Das gibt uns eine schöne Portfolio-Erweiterung im Bereich der digitalen drahtlosen Interkom“, sagt Browne. Er lobt zudem das HME-Management. „Das hat uns sehr geholfen, versteht unser Geschäft und gibt uns die Freiheit, das zu machen, was wir für nötig halten.“ Angst, wieder weiter verkauft zu werden hat er nicht. „HME ist sehr zufrieden mit uns. Wir haben von Jahr zu Jahr die Umsätze gesteigert und die Verbindung zwischen Clear-Com und HME ist prima“, betont der Clear-Com-Manager.

Hauptsitz von Clear-Com mit Vertriebs- und Marketing-Units ist das im San Francisco Bay-Gebiet liegende Alameda, Kalifornien. Im kalifornischen Carlsbad ist Herstellungs- und Entwicklungszentrum sowie das Corporate HME Office. In Montreal existiert nach der TalkDynamics-Übernahme eine Entwicklerabteilung, die schwerpunktmäßig im Bereich der IP-basierten Kommunikation arbeitet. Weitere Entwickler arbeiten in der Ex-Drake-Niederlassung im englischen Cambridge sowie im Trilogy UK-Firmensitz in Andover. Dazu kommen eine Reihe von Vertriebsbüros weltweit unter anderem in Peking, Dubai und Singapur. In Deutschland, so Browne, werden die Clear-Com-

Produkte jetzt über verschiedene Systemhäuser vertrieben. Live-Event-Kunden werden weiter von Audio-Technica bedient. Zu den Clear-Com-Kunden hierzulande zählen unter anderem das ZDF, Arte, BR, NDR, MDR, WDR, SWR, RBB, Radio Bremen, Deutsche Welle, RTL, RTL 2, ProSiebenSat.1, Sky, n-tv und PLAZAMEDIA. Alte Drake-Anwender sind unter anderem ZDF, NDR und PLAZAMEDIA. Letzteres Unternehmen hat seine Clear-Com-Systeme erst kürzlich beim Bau des neuen Sendezentrums wieder auf den neuesten Stand gebracht (siehe Beitrag in dieser Ausgabe).

Clear-Com-Systeme und -Partnerschaften

Zu den Produktgruppen von Clear-Com zählen heute insbesondere die Encore Party-Line für Kommunikation bei Live-Events, das digitale Partyline System HelixNet, die digitalen Matrix-Systeme der Eclipse-Familie für Punkt-zu-Punkt-Kommunikation, die V-Series Panels (DSP-Kommunikationspanels), drahtlose Kommunikationslösungen wie FreeSpeak sowie IP-basierte Systeme und Interfaces wie Instant Voice Core (I.V. Core) und die LQ-Serie mit Gateway und ICON.

Clear-Com pflegt Technologiepartnerschaften mit Unternehmen mit Spezial-Know-how in Bereichen, in denen man selbst nicht unterwegs ist. Dazu zählt insbesondere die Optocore GmbH. Das in Gräfelfing bei München angesiedelte Unternehmen ist ein Pionier im Bereich der glasfaserbasierten Audio- und Daten-Netzwerk-Distribution. Zur IBC 2011 gab Clear-Com eine strategische Partnerschaft mit Optocore bekannt und stellte Interfaces zu Optocores digitalem Glasfaser- und SANE (Synchronous Audio Network plus Ethernet) CAT5-Netzwerk zur Distribution von Echtzeit-Audio, -Daten, -Video und -Kommunikation vor. Optocores zweifach redundantes Glasfaser-Netzwerk kann bis zu 1024 Audio-Kanäle mit 48 kHz übertragen. Es dient den Clear-Com-Systemen als Backbone für größere Events.

Gemeinsam mit Optocore hat Clear-Com erstmals auf der Broadcast Asia 2018 das COMduit AV-System für Signaltransport und Konversion für Remote Produktion vorgestellt. Die Lösung integriert BroaMan-Glasfaser-Videosignal-Transport- und Konversionslösungen von Optocore zusammen mit Clear-Coms ProGrid Video Audio und Video Transport Produkten, LQ für Intercom over IP und BroaMans MUX-22 Signal Multiplexer. „Wir haben früh erkannt, dass unsere Kunden die Optocore-Lösung mögen, weil sie damit alle Signale über eine einzige Glasfaserverbindung schicken können, – Audio, Video, Daten, Interkom“, sagt Browne. „Und wir schätzen deren Expertise.“ Glasfaser-Lösungen seien zukunftssicherer als solche mit Standard-Kabeln. Die BoaMan-Lösungen des Unternehmens werden von Clear-Com neuerdings auch exklusiv in den USA vertrieben.

„Wir nutzen das Know-how von anderen Firmen, um deren Technologien in Kombination mit unserer eigenen voran zu treiben und in unser Geschäft zu integrieren“, betont Browne. Clear-Com sehe das größte Kundeninteresse derzeit bei IP- und drahtlosen Interkom-Lösungen. „Das sind deshalb klare Fokus-Gebiete von uns, ohne aber die anderen Geschäftsfelder vernachlässigen zu wollen. IP hat derzeit irgendwie Einfluß auf alles was wir machen und ist bei uns schon in den Helixnet- und -Eclipse-Lösungen präsent.“ Bei Clear-Com verfolge man indes die Strategie nicht gleich auf alles zu springen, was neu sei, auch nicht bei den Audio-Standards. Browne: „Wir sehen, dass AES67 an Zuspruch gewinnt und sind dabei, das in unseren Systemen zu berücksichtigen. Bei unserer Matrix und bei Freespeak II haben wir das schon getan. Aber es sind auch andere Standards draußen und es ist schwer, alles zu machen, besonders bei Interkom-Systemen, die als eine Art zentrale Inseln mit vielen Interfaces für 2-Draht, 4-Draht, MADI, Dante, AES67, SIP und Radio over IP versehen sein müssen.“ Es sei nicht zielführend immer gleich alles zu machen, sondern erst zu schauen, was sich auf dem Markt durchsetzt.

Zur IBC 2018 will Clear-Com die neue COMdoit-Lösung vorstellen. „Wir werden dort aber auch die neuen IP-Transceiver für FreeSpeak II zeigen und die neue IP-Karte für Eclipse, IPA, und weitere Interkom-Entwicklungen mit Blick auf die Bedienoberfläche für Matrix-Interface-Nutzer“, verrät Browne.

Auf dem Interkom-Markt insgesamt sieht der Clear-Com-Produktmanager wenig Verdrängungswettbewerb. „Im Grunde bedienen gerade mal drei Firmen den weltweiten Broadcast Interkom Markt: RTS, Riedel und Clear-Com. „Das ist sehr überschaubar. Wir pflegen eher einen freundlichen Wettbewerb. Und ehrlich gesagt: Einen innovativen Wettbewerber wie Riedel zu haben ist gut für uns. Denn das hält uns auf Trab und steigert unser Bemühen, die Kunden mit unseren Lösungen zu überzeugen.“ 

Eckhard Eckstein

MB 3/2018

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