Push für Maxdome dank SmartTV

Die ProSiebenSat.1-Gruppe will ihr Wachstum vor allem auch in den Geschäftsfeldern vorantreiben, die unabhängig von klassischen Werbeeinnahmen sind. Dafür wurde im Mai 2010 der Bereich „New TV“ als Unternehmenssäule im Konzern etabliert, dessen Geschäftsführer seitdem Christoph Bellmer (Foto) ist. Vorrangig geht es hier um die Pay-Video-On-Demand Plattform „Maxdome“ und um Pay-TV. Im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN erläuterte Bellmer beispielsweise seine OTT-Strategie“, mit der er die VoD-Plattform Maxdome zum aktuellen Marktführer gemacht hat. OTT steht für „Over the Top“ und ist ein Schlüsselbegriff für den strategischen Umgang mit hybriden Endgeräten wie SmartTV.

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Push für Maxdome dank SmartTV

Bevor Berufspilot Christoph Bellmer, der auch Chef der Flight Design-Firma Bellmair ist, vom Vorstand der ProSiebenSat.1 AG zum Head of New TV berufen wurde, hat er bereits vielfältige, teils abenteuerliche Pionieraufgaben in verschiedensten namhaften Unternehmen der digitalen Welt gestemmt. Studiert hat Bellmer Elektrotechnik und Datenverarbeitung und ist nach dem Examen zum Diplom-Ingenieur 1989 schnell in führende Positionen beim Informationstechnologie-Dienstleister CompuNet Computer AG gekommen. Seine Anteile an dem Unternehmen verkaufte Bellmer 1996 an den US-Konzern General Electric (GE) und rückte 2000 in den Vorstand der GE CompuNet ein.

Ab 2002 nahm Bellmer dann verschiedenste Führungspositionen bei anderen Unternehmen ein, etwa bei T-Systems, wo es ihm gelang das zuvor vor dem Scheitern stehende LKW-Mautsystems Toll Collect doch noch auf die Erfolgsspur zu bringen. Er wirkte als COO beim Kabelnetzbetreiber Unity Media und wurde Geschäftsführer dessen Pay-TV-Kanals Arena, bei dem damals die TV-Bundesliga-Rechte für die Live-Spiele angesiedelt waren. Arena konnte aber auch Bellmer nicht mehr retten. Bevor Bellmer dann zur ProSiebenSat.1-Gruppe wechselte, hatte er auch noch einen Abstecher zu Media Broadcast gemacht. So hat Bellmer neben seinem technologischen Know How auch jede Menge kaufmännische Erfahrung im Distributionsbereich von Informationssignalen und Inhalten über verschiedenste neue IT-geprägte Plattformen in der digitalen Welt sammeln können. Seine vorrangige Aufgabe bei ProSiebenSat.1 war es dann die VoD-Plattform Maxdome im Sinne des Münchner Unternehmens auf Vordermann zu bringen.

Systemwechsel bei Maxdome

Die Idee für Maxdome stammte ursprünglich noch aus dem Visions-Portfolio des Filmhändlers Leo Kirch, der neben Pay-TV auch eine Bezahlplattform als weiteres Wertschöpfungsglied für einzelne Filme im Sinn hatte, die Konsumenten direkt kaufen können. Zunächst ließ sich das aber technologisch nicht realisieren. Als 2006 die Breitbandentwicklung für das Internet so weit war, dass zunehmend auch Bewegtbilder im Internet möglich wurden, hat ProSiebenSat.1 dann Kirch’s Idee aus der Versenkung geholt und zusammen mit dem United Internet-Unternehmen 1&1 realisiert. Letzteres brachte insbesondere das Server-Know-How in die Kooperation ein. Unter Bellmers Ägide übernahm dann aber ProSiebenSat.1 im Dezember 2010 die Anteile von United Internet und damit auch das technologische Management für die Infrastruktur der Pay-VoD-Plattform. Das hat allerdings den treuen Maxdome-Kunden, die die VoD-Plattform via PC, Mac oder via zwischen geschalteten Set-top-Boxen auch über das TV-Gerät empfangen, erst mal wenig Freude bereitet. Das kann man an ihren Kommentaren in Facebook und dem Maxdome-Blog ablesen, wo sich einige als „stinksauer“ bezeichnen. Es hat wohl nicht wenige Kündigungen gegeben. Denn ihre teuer bezahlten Boxen, mit denen man nach typischem Maxdome Filter-System genau die Filme oder Serien abrufen konnte, die man sehen wollte, etwa Genres wie Action- oder Dokumentarfilm, funktionierten plötzlich nicht mehr. Trotz nachgelieferter Updates für die Boxen entpuppten sich einige als für „mit 99 Euro eingekaufter Elektronikschrott“, heißt es beispielsweise in den Kommentaren.

Anfang März dieses Jahres hat nun Maxdome seinen Kunden versprochen, die vermissten Filtermöglichkeiten mit einer neuen Navigation wieder möglich zu machen. Das Update werde auf allen Endgeräten aufgespielt, doch auf einigen älteren Boxen werde die Implementierung nicht möglich sein, schränkte man ein.
Gleichzeitig hatte sich bereits im letzten Jahr viel Neues bei Maxdome auch in Bezug auf die Verbesserung des Angebots bei der Umstellung getan. So hat sich die Anzahl der Videos vervielfacht, es kamen viele Hunderte neue Videos hinzu, davon viele auch in HD-Qualität. Und wer als Maxdome-Kunde mit der Nutzung über den PC, Mac oder einer Set-Top-Box nicht mehr zufrieden war, konnte sich einfach „nur“ ein neues hybrides SmartTV kaufen. Mittlerweile ist nämlich Maxdome auf den TV-Geräten fast aller Hersteller „pre-installed“ wie Bellmer sagt. Es sei „das größere Entertainmenterlebnis einen Film auf einem Fernseher als über den PC zu sehen“.

Maxdome als Entertainment-Erlebnis möglichst komfortabel über große TV-Flat-Screens abrufbar zu machen, ist Sinn und Übung des technischen System-Wechsels bei Maxdome gewesen. Das wiederum hat etwas mit der Ott-Strategie zu tun, mit der Bellmer die Maxdome-Reichweite kräftig gesteigert hat. Bellmer: „Maxdome ist heute Marktführer in Deutschland, und hat vor, es zu bleiben“.
Hauptgrund für die Marktführerschaft sei, dass die ProSiebenSat.1-Gruppe früh mit dem Aufbau einer wertvollen, einer überlegenen Content-Bibliothek mit nunmehr über 45.000 Titeln angefangen habe. All diese Titel können, so betont Bellmer, tatsächlich auch online via TV oder PC abgerufen werden. Im Gegensatz dazu verfüge beispielsweise Amazon über einen großen Katalog an Video-Titel. Von denen würde aber der Großteil nur per Post verschickt. Das sei den Kunden heute aber nicht mehr egal, sie wollen den gewünschten Film nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort auf dem Schirm haben. Das Telekom VoD-Angebot „Videoload“ oder Vodafones Videothek erwähnt Bellmer gar nicht als Konkurrenten.

Man habe noch im vergangenen Jahr eine Fülle von Herausforderungen im operativen und technischen Bereich meistern müssen, räumt Bellmer ein. Doch die meisten Probleme seien mittlerweile gelöst. War die VoD-Plattform früher primär via PC oder Mac zu sehen, haben sich laut Bellmer mittlerweile SmartTV und Blue-Ray-Player mit ihrem integrierten Internet-Zugang als präferierte Medien der Maxdome-Kunden herauskristallisiert. Das könne man anhand der Nutzungsdaten aus den vergangenen Monaten sehr gut nachvollziehen. Dabei hebt Bellmer insbesondere die extrem schnelle Ausbreitung der hybriden Geräte, sprich: SmartTV, hervor. „Allein in diesem Jahr“ rechnet Bellmer mit „über vier Millionen Geräten“. Und Maxdome sei so gut wie in allen Hersteller-Portalen (App-Stores, die unter verschiedenen Produktbezeichnungen bei den Herstellern laufen) implementiert. Kooperationen bestehen seit längerem mit Samsung, LG, TechniSat und Humax, seit der letzten IFA auch mit Philips, Toshiba, Panasonic und Loewe. „Damit kriegen wir natürlich eine schöne Reichweite“, freut sich Bellmer, die er aber nicht konkret benennt. Nach Angaben der GFK aus dem letzten Jahr schließen sich ja nur rund 13 Prozent der SmartTV-Haushalte auch tatsächlich an das Internet an.

HbbTV nicht kriegsentscheidend

Aber immerhin: „Mit jedem SmartTV-Gerät, das in den Markt geht, haben wir eine Chance einen neuen Kunden zu gewinnen“, sagt Bellmer. Das sei wichtig. Zweitens habe sich heraus gestellt, dass die „Nutzungshäufigkeit via TV viel größer als via PC“ sei. So bekomme Maxdome „sehr treue Kunden“. Allerdings muss auch der TV-Kunde im ersten Schritt noch den PC oder Mac nutzen, um sich als Abonnent registrieren zu lassen. Dabei wurde kürzlich die Preisstruktur für Maxdome-Abonnenten vereinfacht. Es gibt ein monatliches Preispaket für 17,49 Euro für diejenigen, die keine Vertraglaufzeit haben möchten. Wer sich gleich für ein Jahr entscheidet Maxdome-Kunde zu sein, muss nur 14,99 Euro monatlich bezahlen. Zusätzlich gibt es bei beiden Paketen für fünf Euro die Blockbuster-Option. Außerdem kann man Filme auch einzeln leihen oder kaufen. Und als Schnupperangebot bietet Maxdome auch Videos für den kostenlosen Abruf an.

Was hat das nun alles mit der so genannten Over the Top-, kurz OTT-Strategie zu tun? Ganz einfach, wie Bellmer erklärt. Anstatt sich darum zu kümmern, von wem beispielsweise ein Maxdome-Kunde den für den Videoabruf vorausgesetzten Breitband-Service erhält, werden die Inhalte seitens ProSiebenSat.1 over the top im Internet selber bereitgestellt. Ob die erforderliche Bandbreite dann von einem Kabelnetzbetreiber oder der Telekom dem Kunden zur Verfügung gestellt werde, ist dabei unbedeutend. Die OTT-Strategie komme deshalb neuerdings zum Tragen, weil die Breitbandigkeit des Internets es mittlerweile ohne Probleme erlaube, Bewegtbilder-Angebote selbst in HD-Qualität auszuspielen. Was am Beispiel Maxdome Folgendes bedeutet: Anstatt auf den HbbTV-Standard für SmartTV zu warten, habe man über den hybriden Teil der Geräte Maxdome auf die Herstellerportale gebracht. Demnächst wolle man Maxdome auch über Games-Konsolen, die laut Bellmer ein wichtiges Segment darstellen, bringen. Es handele sich dabei um „hybride Geräte, die auch in Deutschland sehr weit verbreitet“ seien. Es seien „annähernd zehn Millionen Games-Konsolen im deutschen Markt“.

Bellmer räumt ein, dass man jeweils technische Anpassungen an die weitgehend proprietären Herstellerportale habe machen müssen. HbbTV indessen sei ein weiterer komplementärer Weg, um Maxdome anzubieten. Auch auf fast jedem HbbTV-fähigen Fernseher sei ja bereits ein Maxdome-App installiert. So könne man auf beiden Wegen zu Maxdome kommen. Ob HbbTV oder Herstellerportale: „Das ist für uns nicht kriegsentscheidend“, erklärt Bellmer: „Für uns ist die Reichweite das Wesentliche“.

Den HbbTV-Standard beim SmartTV schätzt Bellmer als zusätzliche Möglichkeit, direkt aus dem laufenden Programm auch Maxdome zu promoten, womit der Vorteil Red Button in der Cross-Media-Promotion zum Zuge komme. Wenn beispielsweise die Serie „Danni Lowinski“ auf Sat.1 ausgestrahlt wird, könne man am Ende der Sendung darauf hinweisen, dass bei Maxdome bereits jetzt die Folge der kommenden Woche zur Verfügung steht, also eine Woche vor der Free-TV-Ausstrahlung. „Dadurch gewinnen wir sehr viele Kunden“, weiß Bellmer. Kannibalisierungseffekte, die sich mit HbbTV ergeben könnten, wenn der Zuschauer vom werbefinanzierten Fernsehen in ein Internet-Angebot geschickt wird, fürchtet Bellmer nicht. Gerade weil man das Problem ernst nehme, wäge man immer wirtschaftlich ab, was wichtiger ist. Das gelte auch für die Pay-TV-Strategie der Gruppe.

Ganz ausgeklammert ist die Werbefinanzierung weder bei Maxdome noch bei den Pay-TV-Kanälen der ProSiebenSat.1-Gruppe, räumt Bellmer ein. Sie taucht vielmehr meistens als Sponsoren-Werbung auf, auf jeden Fall wie Bellmer betont, „nicht als Unterbrecherwerbung“. Die Tatsache, dass sich die SmartTV-Strategie der ProSiebenSat.1-Gruppe stark von der RTL-Gruppe unterscheidet, die von den Geräteherstellern ausdrücklich den HbbTV-Standard fordert, kommentiert Bellmer mit den Worten: „Wir hatten keinen Raum für Dogmen“. Weil ProSiebenSat.1 bereits mit Maxdome ein für die Herstellerportale prima geeignetes Pay-VoD-Angebot im Markt hatte, habe man nicht sagen können, das machen wir nicht.

Man habe sich entschieden, „opportunistisch“ im Sinne des angestrebten Geschäfts vor zu gehen. Darüber hinaus, so erklärt Bellmer, habe man die OTT-Reichweitenstrategie bei ProSiebenSat.1 „breit für verschiedene Inhalte aufgegriffen“. Auch für werbefinanzierte Catch-up-Angebote wie sie sich unter den Online-Auftritten von beispielsweise ProSieben und Sat.1 finden. Für die Zukunft könne er sich vorstellen, dass die OTT-Strategie auch im Gaming-Bereich bei ProSiebenSat.1 eine Rolle spielen wird. Allein aufgrund der Partnerschaft mit Sony ist das Geschäftsfeld „Games“ schon heute bei ProSiebenSat.1 erfolgreich.
Was wird denn nun bei Maxdome am liebsten geguckt? Vor allem Blockbuster-Filme und Serien. Doch das gelte, so Bellmer primär für Neukunden, die durch die Werbung für attraktive Blockbuster überhaupt erst einmal auf die VoD-Plattform aufmerksam geworden sind. Treue Maxdome-Kunden hingegen würden das Angebot auch in der Tiefe nutzen und zum Beispiel Kultsendungen wie die frühere Sat.1-Reihe „Der Bulle von der Tölz“ sehen.

Dafür gebe es eine große Fangemeinde in Deutschland. Und das ist für uns gut, meint er. Schließlich hat die ProSiebenSat.1-Gruppe solche Angebote im eigenen Programmvermögen und muss dafür keine extra Lizenzen kaufen. Dass Maxdome beispielsweise mit Disney im vergangenen Jahr einen Rechtevertrag abgeschlossen hat, begründet Bellmer damit, dass gerade Content für Kinder perfekt für VoD ist. Damit können nämlich Eltern ihren Kindern immer genau zu dem Zeitpunkt, wenn sie es wünschen ihre Kleinen mit einem besonderen Filmangebot erfreuen. Ebenso hat Maxdome im letzten Jahr Deals mit Twentieth Century Fox und Universal Film, eine Bertelsmann-Tochter abgeschlossen. Auch das ZDF hatte in der Vergangenheit Maxdome Online etliche Film-Hits im Lizenz-Geschäft zur Verfügung gestellt. Dazu gehören etwa „Rosamunde Pilcher“ oder Kultserien wie „Der Kommissar“ „Der Kriminalist“. Je mehr sich aber VoD wie Maxdome im hybriden TV-Markt als Knüller erweist, umso mehr Konkurrenzangebote wird es dann wohl zu Maxdome geben. Ohnehin haben mittlerweile alle öffentlich-rechtlichen wie privaten Sender und Produzenten neue VoD-Plattformen ins Visier genommen.

Parallel zu Maxdome hat Bellmer auch die Pay-TV-Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe genauer unter die Lupe genommen und sie neu aufgestellt. In diesem Segment hat bislang die RTL-Gruppe mit ihren drei Angeboten die Nase gegenüber ProSiebenSat.1 vorn. Weil sich insbesondere das Programm von Sat.1 in den letzten sechs Jahren stark gewandelt hat, soll der Pay-TV-Ableger in seiner Programmfarbe wieder deutlicher an den Free-TV-Schwestersender angepasst werden. So hat nun Bellmer aus „Sat.1 Comedy“ ein eher weiblich ausgerichtetes „Sat.1 Emotion“ gemacht und mit „ProSieben Fun“ einen neuen Pay-TV-Sender aufgelegt. Daneben ist „Kabeleins Classics“ geblieben. Pay-TV, so weiß Bellmer gegen alle Unkenrufe, die es dazu in Deutschland immer noch gibt, funktioniere „sogar ausgesprochen gut“. Was ein wenig verwunderlich ist, zumal zumindest die Pay-TV-Sender von ProSieben.Sat.1 und RTL vor allem das bringen, was schon im Free-TV zu sehen war. Aber welcher TV-Konsument hat heute noch einen Überblick über das TV-Angebot im Markt, das aus bis zu 400 Sendern besteht?
So lassen sich mittlerweile viele TV-Konsumenten auch gerne gegen Bezahlung exklusiv via VoD-Plattformen aller Arten zusätzlich zeitunabhängig vom linearen Fernsehen bedienen. In der Regel ist auch die Bezahlung via SmartTV recht einfach. Denn der Zuschauer kann, wenn er sich schon bei Bezahldiensten im Internet angemeldet hat, denselben Account nutzen, um für hybride Applikationen zu bezahlen. Und das breitbandige Internet ist bald wie das TV flächendeckend verbreitet.
Erika Butzek
(05/12)

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