Von allem etwas

Vor gut einem Jahr wurden die vier fiktionalen Ufa-Produktionsunternehmen TeamWorx, Ufa Fernsehproduktion, Phoenix Film und Ufa Cinema eingestellt und stattdessen Ufa Fiction unter Leitung des früheren TeamWorx-Chef Nico Hofmann als eine neue Unit aufgebaut. Zusammen mit den zwei weiteren Geschäftsführern Joachim Kosack und Markus Brunnemann stellte Hofmann am 29. September in Berlin das aktuelle Portfolio der Ufa Fiction im angesagten Prominenten-Restaurant Grill Royal vor.

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Von allem etwas

Als Leiter der Geschäftsführung hat Nico Hofmann natürlich erst einmal die Zahlen im Blick. So betonte er gleich am Anfang seiner Begrüßungsrede, Ufa Fiction sei in Sachen fiktionaler TV- und Filmproduktion im Wettbewerb mit Studio Hamburg und Bavaria, gemessen an den Geschäftszahlen, „deutlich der Marktführer geblieben“. Erfolgsfaktor für Hofmann ist, dass sich Ufa Fiction „als Anlaufstelle für Talente“ versteht. Man bemühe sich extrem um die Nachwuchspflege, sei es im Buch-, im Regie- oder im Schauspielerbereich. „Wir haben uns stark verjüngt“, erklärte Hofmann. Man stelle mittlerweile nur noch „unter 25-Jährige“ ein, – das sei kein Scherz! Tatsächlich will Hofmann mit der Verjüngung wohl gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen fließen so neue Ideen und Herzblut für die Produktion von Filmen ein, zum anderen dürfte sie gleichzeitig zu günstigen Kosteneffekten führen. Und drittens ist Verjüngung genau das, was alle TV-Sender von den Produzenten erwarten. Dabei, so bekannte Hofmann, habe man „eine mächtige Umstrukturierung“ durchmachen müssen, indem man verschiedenste Unternehmenskulturen, Persönlichkeiten und Teams in einer völlig neuen Organisationsform unter einem Dach neu formiert habe.

Zur Erinnerung: Vor gut zwei Jahren fing Ufa-Chef Wolf Bauer an, seine Unternehmensgruppe, die als Tochter der RTL Group zu Bertelsmann gehört, völlig umzukrempeln und in den drei Units „Show & Factual“, „Serial Drama“ und last but not least „Fiction“ zu bündeln. „Rationalisierung. Mehr Effizienz mit weniger Kosten und weniger festem Personal. Man wollte dem digitalen Wandel Herr werden“, argumentierte Wolf. Wobei aber sicher das allgemeine Bertelsmann-Ziel im Vordergrund stand, möglichst schlank und dennoch schlagkräftig im neuen höchst fragmentierten audiovisuellen Entertainment-Markt zu agieren. Auch für die Zerschlagung der einzelnen Brands TeamWorx, Ufa Fernsehproduktion, Phoenix Film und der noch jungen Ufa Cinema gab es eine schöne Begründung. In Zukunft soll, wo Ufa drin ist, auch Ufa draufstehen – der legendäre Brand Ufa soll wieder einzigartig strahlen. Was wurde dazu in nur einem Jahr erreicht, was bleibt, was ist neu?In einem ersten Trailer wurde zunächst das Portfolio präsentiert, das aktuell bis ins nächste Jahr hinein zu sehen sein wird. Speziell im Bereich „Reihen und Serien“ wird Ufa Fiction künftig einige Herausforderungen meistern müssen. Denn die vielfach preisgekrönte Serie „Danni Lowinski“ wurde mittlerweile von Sat.1 eingestellt. Bei der ZDF-Vorabendserie „Soko 5113“, die es schon seit 1978 gibt, sind die jungen Zuschauer zuletzt nach Sat.1 und der Krimialternative Navy CIS gewechselt. Man habe bereits Verjüngungsstrategien für Soko 5113 entwickelt, die man aber noch mit dem ZDF abstimmen müsse, war im Grill Royal zu erfahren. Auch die seit vielen Jahren etablierte ZDF-Krimi-Reihe „Bella Block“ wird es nicht mehr lange geben, da die Hauptprotagonistin Hannelore Hoger nicht mehr weiter machen will. Bestehen bleiben aber „Ein starkes Team“ (ZDF), Soko Leipzig (ZDF) und „Donna Leon“ (ARD). Auch hat Ufa Fiction im Serienbereich ganz neue Formate in Petto, etwa die schon gestartete Kinderserie „Binny und der Geist“ für Disney Channel und die von einem deutsch-amerikanischen Autorenteam kreierte Event-Serie „Deutschland!“, die es vielleicht schon im nächsten Jahr auf RTL zu sehen gibt. Es handelt sich um einen Spionage-Thriller aus dem Deutschland der 1980er Jahre, als eine nukleare Katastrophe wahrscheinlicher war, als man damals dachte.

Überhaupt bleibt die von TeamWorx entwickelte Qualitätshandschrift für die fiktionale Erzählung historisch relevanter Stoffe von „Der Tunnel“ bis zu „Unsere Mütter, unsere Väter“ offensichtlich erhalten. Hierzu gehören sicherlich „Bornholmer Straße“, „Nackt unter Wölfen“ oder auch „Götz von Berlichingen“ und „Grzimek“. Und es wird etliche Movies aus der Ufa Fiction-Schmiede mit unterschiedlichen Farben geben, die sich an den jeweiligen Sendern und ihren Sendeplätzen orientieren. Beispielsweise: „Die letzten Millionen“, „Alle unter einer Tanne“, „Die wilde Kaiserin“, „Winnetous Weiber“, „Beckenbauer“ als Doku. Maßgeschneidert für einen Sender und einen Sendeplatz, das war beispielsweise „Die Schlickerfrauen“ für Sat.1: ein preiswertes fiktionales Event mit gesellschaftlich relevantem Thema. Zwar geriet es Quoten-mäßig eher zum Achtungserfolg, brachte Sat.1 aber hohe Aufmerksamkeit in der Meinungselite. Böse TV-Kritiker zürnten, mit dem Film sei der Konkurs der Drogeriekette Schlecker zur Klamotte verhunzt. Tatsächlich aber war die Satire so weit weg von der Realität platziert, dass es sich eher um ein junges soziales Wohlfühlmärchen handelte, das bestens mit den vielen eingestreuten Werbespots harmonierte und Sat.1 deshalb sicher viel Freude bereitet hat. Freude beim Kinopublikum wird Ufa Fiction mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahr mit der Verfilmung des Hape Kerkeling-Bestsellers „Ich bin dann mal weg“ erreichen, so dass die Kassen klingen werden. Man bringt zudem drei weitere Kinofilme an den Start.

Aber all das, was man schon im Portfolio habe, sei nur die Vor- und nicht die Hauptspeise, betonte Ufa Fiction-Geschäftsführer Markus Brunnemann, der für sein neues Ufa Fiction-Engagement die von seinem Vater geerbte renommierte Marke Phoenix Film auf Eis gelegt hat, die zuletzt viele Jahre unterm Ufa-Dach firmierte. Er beherrscht die leichte serielle Mainstream-Unterhaltung, wie er viele Jahre mit den ZDF-Vorabendserien „Unser Charly“ und „Hallo Robbie!“ bewies. Gleichzeitig stammen einige innovative Serien, wie unter anderem einst „Edel & Starck“ und zuletzt „Danni Lowinski“, von ihm. Mit dem Biopic „Romy“ hat Brunnemann ein wunderschönes Arthouse-Movie geschaffen, mit dem Mystery-Format „Kill Your Darling“ etwas Neues für das Web ausprobiert. An diesem Abend im Grill Royal präsentiert sich Brunnemann indessen mehr von seiner Marketing-Seite. Er betont Ufa Fiction wolle „den gesamten Markt abbilden“, wolle alle Genre anbieten und mit allen ins Gespräch kommen. Ziel sei es, die Benchmarks selber zu setzen, sowohl erzählerisch als auch produktionstechnisch. Nicht mehr und nicht weniger habe man sich vorgenommen als „den Markt selber mit zu gestalten“. Und was ist im Zukunfts-Portfolio drin? Spektakulär ist natürlich die Hitler-Serie für RTL. Hier plant man offenbar Hitlers Lügengebäude zu durchleuchten. Da wird aber wohl noch viel Detailarbeit hinein gesteckt werden müssen. Vor 2016 gibt es die Serie wohl nicht zu sehen. Es soll ja auch etwas werden, wie Hofmann schon vor einem Jahr angekündigt hat, was international vermarktbar ist. Auch an dem kommenden Doku-Drama über Hannelore Kohl wird schon seit Jahren gestrickt. Neu in Machart und Farbe wird vermutlich „Killing Berlin“ werden, eine Mini-Krimiserie, die in den 20er Jahren spielt, als Berlin als amerikanischste Stadt Europas galt. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Miniserie „Charité“ zeitlich angesiedelt, wo es um den Mythos einer der ältesten Kliniken der Welt geht, die noch heute in Berlin steht. Verfilmen will Ufa Fiction auch „Die Porsche-Saga: Eine Familiengeschichte des Automobils“ von den Autoren Stefan Aust und Thomas Ammann. Hier geht es nicht nur um die Mainstream-Themen Automobil und Pioniere, sondern auch um die Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW. Westberlin und die 50er Jahre, in denen das deutsche Wirtschaftswunderland entsteht, sollen im Mittelpunkt der 3-teiligen Miniserie „Ku’damm 56“ stehen. An den Niederrhein soll die Verfilmung des Bestsellers „Wir sind doch Schwestern“ führen, der ein ganzes Jahrhundert in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Loveparade und der EU aufzeichnet. Pläne über Pläne, die bei Ufa Fiction grassieren. Aber „eine richtige Linie hat das nicht“, weiß Ufa Fiction-Geschäftsführer Joachim Kosack. Es ist von allem etwas. Von seinen Wurzeln her ist Kosack sowohl Theatermann mit kabarettistischem Einschlag als auch von Anfang an mit den früher so genannten industriell gefertigten Ufa-Formaten wie GZSZ oder „Hinter Gittern“ verbunden. In seiner Zeit bei TeamWorx hatte er unter anderem den großen anspruchsvollen TV-Event „Die Flucht“ (ARD) mitverantwortet. Bevor Kosack zurück zur Ufa und Hofmann wechselte, war er zuletzt als Sat.1-Geschäftsführer verantwortlich. Er ist somit der einzige im Ufa Fiction-Geschäftsführer-Dreiergestirn, der das Innenleben eines TV-Senders als eigene Erfahrung kennengelernt hat. Wie die anderen, so sagt Kosack, liebe er es „über die Genres zu hüpfen“. Fundament von allem sei eine „extrem starke Mannschaft“. Die wird bei Ufa Fiction von neun weiteren Produzenten und Producern geleitet. Noch ist Ufa Fiction weit entfernt davon im Output Hollywood das Wasser zu reichen. So war Hollywood-Star George Clooney, der wie man in Berlin weiß munter das Grill Royal besuchte, an diesem Abend leider nicht zugegen. Andererseits: Die Zeiten haben sich gewandelt und wandeln sich. Vermutlich taugen heute weder Hollywood noch das legendäre, mystifizierte Label Ufa als Vorbild dafür, um zeitgemäße Fiction zu schaffen. Wie sich die neue Ufa Fiction bewährt, wird man erst in einigen Jahren wissen.

Erika Butzek

MB 7/2014

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