Hürden überwinden: Der Weg zur HDR-Live-Produktion

Für John Mailhot, CTO für Infrastruktur bei Imagine Communications, ist klar, dass auf dem Weg zur flächendeckenden HDR-Live-Übertragung noch einige Hürden zu überwinden sind. Ein Wendepunkt könnten die Olympischen Spiele 2024 bringen, meint er im mebucom-Kommentar.

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John Mailhot, Imagine Communications
John Mailhot ©Imagine Communications

Von John Mailhot, CTO Infrastruktur, Imagine Communications


HD-Video hat in den späten 90er- und frühen 00er-Jahren mit seiner deutlich verbesserten Bildqualität entscheidend dazu beigetragen, dass Fernsehsender ihre Zuschauer fesseln und an sich binden konnten. Heute spielt High Dynamic Range (HDR) eine ähnliche Rolle. Auch sie bietet selbst für das Auge des flüchtigen Betrachters eine hervorragende Bildqualität.

Trotz der Einführung von HDR-fähigen Fernsehgeräten bereits im Jahr 2016 hat sich die massenhafte Nutzung von HDR-Liveübertragungen nur langsam durchgesetzt. Ein wichtiger Faktor für diese Verzögerung war die COVID-19-Pandemie. Während dieser Zeit konzentrierten sich die Sendeanstalten auf die Anpassung ihrer Arbeitsabläufe an vollständig ferngesteuerte Setups, wodurch HDR auf die lange Bank geschoben wurde.

Mit der Rückkehr in die Büros hat sich die Branche jedoch wieder darauf konzentriert, Programme mit HDR-Technologie auszustrahlen. Und trotz vieler Hürden sind die Fortschritte auf dem Weg zu diesem Ziel beachtlich.

Licht ins Dunkel bringen

Neun Blendenstufen – danach war bei den besten Röhrenfernsehern Schluss

Bei HDR-Übertragungen wird versucht, dem Betrachter einen sehr großen Helligkeitsumfang zu bieten. In der realen Welt finden wir ein enormes Helligkeitsspektrum vor. Von dunkelsten Schatten in einer Ecke bis zur überwältigenden Helligkeit der Sonne. Mit dem traditionellen “Standard”-Dynamikumfang (SDR), den die Industrie in den letzten sieben Jahrzehnten verwendet hat, war der Leistungsbereich der Kameras ziemlich begrenzt, wobei die Varianz zwischen dunkel und hell auf etwa neun Blendenstufen begrenzt war, was auch ungefähr die Grenze für die besten CRT-Fernseher (und die ersten Flachbildschirme) war.

Moderne CCD-Sensoren, LEDs und andere aktive Anzeigetechnologien bieten einen weitaus größeren Bereich, den das HDR-System unterstützen soll. Dieser sprunghafte Anstieg des Helligkeitsbereichs brachte jedoch ein erhebliches Problem mit sich – die Übertragung des größeren Signalbereichs durch die bestehende Infrastruktur für Fernsehproduktion und -verteilung, insbesondere die allgegenwärtigen 10-Bit-Signalverarbeitungspipelines.

Wie bei vielen Problemen in der Rundfunkindustrie wurden zwei Technologien entwickelt, um das gleiche Problem zu lösen: das Hybrid Log Gamma Format (HLG) und das Perceptual Quantization Format (PQ). Beide Formate sind in ITU-R BT.2100 dokumentiert, wurden aber von zwei Gruppen entwickelt, die das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten.

Die HLG-Gruppe konzentrierte sich auf das Licht in der Szene, d.h. auf die Helligkeit des Bildes und deren Umwandlung in die Darstellung auf dem Kabel. Das PQ-Team verfolgte einen umgekehrten Ansatz. Sie gingen von einem Referenzdisplay aus und untersuchten, welche Details das menschliche Sehsystem bei unterschiedlichen Helligkeiten erkennen kann. Beide Formate sind weit verbreitet, wobei HLG in der Regel bei der Aufnahme und Produktion und PQ eher bei der Verteilung verwendet wird. Distributionssysteme wie HDR10 und Dolby Vision basieren auf dem PQ-Standard.

Letzte Hürden

Eine weitere Herausforderung auf dem Weg zu flächendeckenden HDR-Live-Produktionen ist das Fehlen standardisierter Workflows, die konsistente Ergebnisse garantieren – insbesondere bei der Aufzeichnung eines Events, bei dem sowohl HDR- als auch SDR-Versionen an den Kunden geliefert werden müssen, um einen Produktionsworkflow zu ermöglichen, der problemlos auf verschiedene Shows und Live-Events übertragen werden kann. Um das Thema besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich noch einmal die Umstellung auf HD vor Augen zu führen.

Als die Branche mit der Umstellung von SD begann, wurden zwei getrennte Ü-Wagen eingesetzt, einer für jedes Format. Auch die ersten HDR-Testproduktionen erforderten getrennte Ü-Wagen, Crews und Kameras. In beiden Fällen wurde schnell klar, dass die Sendeanstalten aus wirtschaftlichen Gründen ihre Aktivitäten in einem einzigen Ü-Wagen konsolidieren mussten, der sowohl HDR- als auch SDR-Versionen produzieren konnte. Die SDR-Version würde bei guter Umsetzung auch eine bessere Bildqualität als bisher bieten. Dieser Ansatz ist als Single-Master-Workflow bekannt und wird von allen Sendeanstalten als ultimatives Ziel anerkannt.

In den letzten Jahren war einer der wichtigsten Fortschritte im Bereich HDR die Veröffentlichung eines Single-Master-Workflows durch NBCUniversal, der für hochkarätige Veranstaltungen verwendet wird. Die Dokumente für diesen Workflow sind für die Industrie frei zugänglich.

OTT-Dienste sind am besten in der Lage, HDR-Inhalte anzubieten

Eine letzte Hürde bei der HDR-Live-Produktion ist die nahtlose Übertragung der Inhalte zum Zuschauer. Während ein Großteil der in den letzten Jahren verkauften Fernsehgeräte sowohl UHD- als auch HDR-fähig ist, befindet sich die terrestrische HDR-Übertragung (ATSC-3 und DVB-T2) noch in der Erprobungsphase. Kabel- und Satellitenbetreiber können HDR-Inhalte zu den Verbrauchern nach Hause liefern, benötigen jedoch spezielle Set-Top-Boxen und ein ausreichendes Verbraucherinteresse, um HDR als Dienst anzubieten.

Over-the-Top (OTT)-Dienste wie Amazon Prime und AppleTV+ sind am besten in der Lage, HDR-Inhalte anzubieten. Dies liegt daran, dass sie in der Lage sind, HDR- und SDR-Signale getrennt über das Internet zu übertragen, ohne dass dadurch erhebliche Zusatzkosten entstehen. Im Gegensatz dazu müssten Satelliten- und Kabelbetreiber separate Transponderbandbreiten für diese beiden Signale bereitstellen. Darüber hinaus können OTT-Dienste VOD-basierte HDR-Inhalte anbieten, aus denen der Verbraucher auswählen kann.

Bereit für Showtime

Angesichts der Fortschritte, die seit der Pandemie erzielt wurden, haben die Sommerspiele 2024 in Paris das Potenzial, einen Wendepunkt für HDR-Live-Produktionen zu markieren. Da Sendeanstalten bestrebt sind, modernere und interessantere Inhalte zu liefern, bieten die kommenden Spiele eine wichtige Gelegenheit, die Möglichkeiten dieser Technologie zu demonstrieren.

UHD- und HDR-Signale für bestimmte Veranstaltungen werden vom Veranstalter bereitgestellt, und jeder Rechteinhaber überlegt, wie er HDR und UHD in seinen Betrieb integrieren kann. UHD- und HDR-Funktionen sind in der aktuellen Generation von Videoverarbeitungsgeräten leicht verfügbar. Darüber hinaus verfügen die meisten Kameras, die in den letzten zwei bis drei Jahren verkauft wurden, über eine HDR-Funktion, die einfach durch den Erwerb einer Lizenz aktiviert werden kann. Die Spiele in Paris werden daher einen Wendepunkt in der Entwicklung von HDR darstellen und möglicherweise die Nachfrage der Verbraucher nach mehr HDR-Inhalten in der Zukunft wecken.

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