Interaktivität und Vernetzung

Austausch und Vernetzung zwischen verschiedenen filmischen Disziplinen wie Kamera, Postproduktion, Ton oder Schnitt stehen im Zentrum der 14. Ausgabe des eDIT – The Filmmaker‘s Festival in Frankfurt.

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Interaktivität und Vernetzung

„Mit dem Polanski-Kameramann Pawel Edelman und dem Cutter Terry Rawlings sind bei uns zwei echte Cracks aus ihrem Fach zu Gast, die den Gedanken des Teamworks und der Interaktion der verschiedenen Gewerke verkörpern“, betont Rolf Krämer, Leiter des eDIT The Filmmaker‘s Festival. Pawel Edelman, der für den polnischen Meisterregisseur Roman Polanski Kinofilme wie „Der Pianist“, „Oliver Twist“, „Der Ghostwriter“ sowie sein jüngestes Werk „Gott des Gemetzels“ visuell aufgelöst, aber auch bei „Ray“ oder dem Andrej Wajda-Film „Das Massaker von Katyn“ hinter der Kamera gestanden hat, erhält auf der eDIT einen Ehrenpreis vom europäischen Kameraverband IMAGO (The European Federation of Cinematographers).

„Pawel Edelman ist für uns hochgradig interessant, weil er nicht nur ein guter Kameramann ist, sondern sich auch eingehend damit auseinandersetzt, was passiert, nachdem abgedreht worden ist. Er beschäftigt sich sehr intensiv mit der Postproduktion, der digitalen Colorierung, dem Intermediate und der Frage, was digitale Kameras im Vergleich zu Filmkameras leisten“, weiß Kramer. „Damit schlägt er genau die Brücke, die wir seit vielen Jahren auf der eDIT propagieren: Es reicht nicht, sich darauf zu verlassen, was im eigenen Bereich passiert, um den fertigen Film zu kontrollieren.“ Der Workflow müsse für alle, die daran beteiligt sind, verständlich sein. „Die Interaktion zwischen den Gewerken ist unser Hauptthema.“ Pawel Edelman nimmt an der Paneldiskussion „Digital Marriage“ teil, bei der es darum geht wie die Arbeitsteilung zwischen Kameramann, Coloristen und Digital Intermediate im Postproduktionsprozess aussehen muss, damit die Vision des Regisseurs umgesetzt und der Standpunkt des Kameramanns im digitalen Workflow respektiert werden.

Die Bilder, die eine digitale Kamera aufnehme, seien so „raw“ dass sie gar nicht mehr ohne eine digitale Bearbeitung genutzt werden könnten. Früher wurde ausgeleuchtet und in der Postproduktion hin und wieder mit chemischen Prozessen nachcoloriert. Heutzutage erfolge dieser Prozess bereits in der Kamera, die bereits ein Computer wie die Alexa oder RED sei. „Es interessiert uns, Vergleiche zu ziehen und zu sehen, was bereits bei uns umgesetzt wird“, erklärt Krämer, „denn was heute in Hollywood passiert, geschieht morgen in den öffentlich-rechtlichen Sendern.“

Als zweiter Ehrengast zur eDIT eingeladen ist der Cutter Terry Rawlings, dessen Karriere in den 70 Jahren mit Ken Russell-Filmen wie „Tommy“ begonnen hat. Neben dem britischen Animationsfilm „Unten am Fluß“ zeichnet der britische Cutter für den Schnitt von filmischen Meilensteinen wie „Alien“ und „Blade Runner“ von Ridley Scott verantwortlich. „Zuvor war Terry Rawlings als Sound Editor tätig“, verrät der eDIT-Leiter, der bereits im zweiten Jahr mit der Motion Picture Sound Editors (MPSE) zusammenarbeitet. In einem Interview auf der eDIT wird Terry Rawlings dazu Stellung nehmen, wie die verschiedenen Disziplinen miteinander harmonieren können und welches Know-how in einem Bereich erforderlich sei, um den anderen zu beherrschen.

Zu den kreativen und technischen Innovationen in der Bewegtbildproduktion, die einen größeren Bereich beim eDIT The Filmmakers Festival einnehmen, gehören die Fluid Effects- und Partikel-Simulaton. Als Beispiel fungieren das Actionspektakel „Sucker Punch“ von Zack Snyder und das Weltuntergangsdrama „Melancholia“ von Lars von Trier, an denen das gleiche Visual Effects-Team von Pixomondo in Frankfurt gearbeitet hat. Die Darstellung von Wasser, Feuer und Haaren, aber auch Staub und Lawinen, die mit Hilfe von komplexen Simulationsprogrammen erfolgt, bildet einen Schwerpunkt im Bereich der visuellen Effekte.

Wer kreiert das beste digitale Wasser

Die Münchner Firma Scanline hat sich mit ihrem CGI-generierten Wasser auf dem Weltmarkt durchgesetzt. „Digital erzeugtes Wasser war bereits 1999 auf der eDIT ein Thema“, weiß Krämer. Damals hat ein Vertreter von Industrial Light [&] Magic (ILM) die visuellen Effekte von dem Schiffuntergangsdrama „Der Sturm“ von Wolfgang Petersen vorgeführt. „Einen Tag später zeigte Scanline Filmausschnitte von einem Staudammbruch, für den sie mit ihrer hauseigenen Software das digitale Wasser generiert hatten. Die Entwicklung der Fluid Simulationssoftware „Flowline“ hat dem Scanline-Team 2008 einen Scientific and Technical Achievement Academy Award eingebracht. Für das Clint Eastwood-Projekt „Hereafter – Das Leben danach“ hat das Scanline-Team das Anrollen einer Tsunami-Welle am Strand simuliert und dafür in diesem Jahr eine Oscar-Nominierung für die visuellen Effekte erhalten.

Einst auf der eDIT von einem ILM-Vertreter endeckt worden ist ebenfalls das Postproduktionsunternehmen Pixomondo, das 2008 die gesamten VFX-Shots für den deutschen Kinofilm „Der Rote Baron“ produziert hat. Daraufhin wurde die Firma beauftragt, mit Volker Engel an der Previsualisierung von „2012“ zu arbeiten und schließlich mit ihrer eigenen Software komplette Sequenzen zu produzieren. Inzwischen verfügt Pixomondo über ein globales Netzwerk mit eigenen Studios in Los Angeles, London, Shanghai, Beijing sowie Toronto. Auf der eDIT können die Postproduktionshäuser zeigen, was sie leisten.

„Wir stellen die Partikel-Simulation von Pixomondo, Das Werk und Scanline gegenüber, um zu sehen, wer das beste digitale Wasser generiert.“ Aber auch die Produktion der visuellen Effekte für große Hollywoodproduktionen wie „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“, „Transformers 3“, „Captain America: The First Avenger“, „X-Men: First Class“ oder „Cowboys [&] Aliens“ wird von den verschiedenen Visual Effects-Supervisors erläutert. Zu den „Harry Potter“-Filmen findet in Kooperation mit der MPSE eine Sound-Show statt. Der Supervising Sound Editor James Mather erläutert, welche Anforderungen zu erfüllen waren, um die Wirkung der einzelnen Charaktere zu unterstreichen. Darüber hinaus zeigt er auf, wie sich das Sound Design in den letzten zwölf Jahren entwickelt hat.

Mit der „Listening Session“ präsentiert das eDIT Filmmaker’s Festival in Zusammenarbeit mit dem Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) einen Wettbewerb für Filmkomponisten und Musiker, die gefordert sind, eine Filmmusik für einen dreiminütigen Ausschnitt aus dem Animationsfilm „virtuos virtuell“ von dem Oscar-Preisträger Thomas Stellmach („Quest“) zu komponieren. Die zehn besten Arbeiten werden auf dem eDIT Filmmaker’s Festival im Schauspiel Frankfurt vorgestellt. Der Gewinner dieses Wettbewerbs wird zur FilmSoundHamburg eingeladen.

„Unsere Schwerpunkte sind Kamera, Animation, visuelle Effekte, Schnitt und Sound“, unterstreicht Krämer. 3D sei hingegen kein großes Thema mehr. Auch der deutsche Filmregisseur Werner Herzog hat 3D nur als reinen Gimmick für das Kommerzkino betrachtet, bis ihm sein Kameramann Peter Zeitlinger vorschlug, den Dokumentarfilm „Die Höhle der vergessenen Träume“ in 3D zu drehen, um die 32.000 Jahre alten Höhlenmalereien aufzunehmen. Zunächst lehnte Herzog dies ab. Doch nach der Begehung der Höhle, die der Regisseur nur zusammen mit einem Kameramann, Tonmann sowie einem Assistenten betreten durfte, entschied er sich dafür, in 3D zu drehen. Zeitlinger wird über die Filmaufnahmen berichten, bei denen er starke LED-Kaltlichtlampen eingesetzt hat.

Oscar-Preisträger zu Gast

Beim eDit Filmmaker’s Festival sind verschiedene Oscar-Preisträger zu Gast wie beispielsweise Chris Dickens, der Cutter von dem internationalen Erfolgsfilm „Slumdog Millionaire“ oder Bill Plympton, der als „König der Animation“ gilt, seitdem er einen abendfüllenden Animationsfilm komplett mit der Hand gezeichnet hat. „Zum Auftakt gibt es jeden Tag eine Keynote, die den Ton setzen soll“, sagt der Festival-Leiter. „Dabei geht es immer um das Thema Vernetzung.“ Als Sprecher für die Keynotes hat er Randy Roberts, Präsident des amerikanischen Cutterverbandes American Cinema Editors (ACE) und Nigel Walters, Präsident des europäischen Kameraverbandes European Federation of Cinematographers (IMAGO) gewonnen.

„Wir haben das Programm gestrafft, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten“, resümiert Krämer. „Daher präsentieren wir maximal nicht mehr als drei Shows parallel.“ Insgesamt werden beim eDit Filmmaker’s Festival, das vom 31. Oktober bis zum 1. November stattfindet, mehr als 3.000 Teilnehmer erwartet. „Wir einen deutlich späteren Zeitpunkt gewählt, um mehr Branchenvertretern die Teilnahme zu ermöglichen“, berichtet Krämer. Für die Terminverschiebung hätten sowohl der Verband der Hessischen Film- und Medienakademie, in dem die Film- und Medienschulen organisiert sind, als auch der Bundesverband Kamera im Interesse ihrer Mitglieder plädiert, da diese Anfang Oktober noch mit Außendrehs beschäftigt seien.
Als Locations für das eDit Filmmaker’s Festival in der Frankfurter Innenstadt fungieren die E-Kinos an der Hauptwache, die Industrie- und Handelskammer sowie das Schauspiel Frankfurt, in dem neben verschiedenen Veranstaltungen zu Musik und Film auch die große Eröffnungsgala stattfinden wird.
Birgit Heidsiek
(MB 10/2011)

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