Die Welt der Multiscreens

Bei den jetzt anstehenden großen Sport-Events wird die Verbreitung der TV-Bilder über Internet und Mobilfunk-Netze eine extrem wichtige Rolle spielen. Darüber sind sich alle Experten einig. Kein Wunder, dass das Thema „Multiscreen-Distribution“ ein zentrales Thema auf der NAB 2012 war. Zahlreiche Anbieter hatten Lösungen parat, um TV-Sendern zu ermöglichen, kosteneffizient und automatisiert verschiedene Plattformen und Displays zu bespielen.

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Die Welt der Multiscreens

„Second Screen“ war eines der meist genannten Schlüsselwörter auf der diesjährigen NAB in Las Vegas. Dahinter verbirgt sich der Trend, dass in der konvergierenden digitalen Medienwelt Inhalte nicht nur auf dem Fernsehschirm sondern auch auf anderen Displays angeboten werden. Einerseits will man so dem sich ändernden Nutzungsverhalten der Medienkonsumenten gerecht werden, andererseits aber auch neue Möglichkeiten zur Umsatzgenerierung erschließen.
Zahlreiche Aussteller auf der NAB 2012 bezeichneten die „Multiscreen“-Distribution neben „Social-TV“-Angeboten unisono als die wichtigste Herausforderung, der sich die TV-Sender stellen müssen.

Digital Rapids: rasantesEntwicklungstempo

„Die Broadcast-Branche ist im rasanten Wandel. Neue Endgeräte, schnellere Internetzugänge und die Möglichkeit immer mehr Content überall und jederzeit konsumieren zu können, sind die Treiber dabei“, meinte auch Mike Nann, Director Marketing [&] Communication von Digital Rapids. Das Tempo der aktuellen Multiscreen-Entwicklung im Markt sei sehr beeindruckend. Rechtehalter und Medienunternehmen seien jetzt gefordert, mit dieser Marktentwicklung Schritt zu halten. Dabei sei es wichtig, die sich bietenden neuen Chancen voll auszunutzen und gleichzeitig die dabei entstehenden Kosten unter Kontrolle zu halten. „Wichtig ist auch zu wissen, dass sich die Zahl der verschiedenen Endgeräte und Plattformen in den nächsten Jahren extrem vermehren wird. Also müssen sich die Broadcaster die Frage stellen, wie sie ihre Arbeitsabläufe möglichst flexibel und fortschrittlich gestalten, um sich zukünftigen Gegebenheiten anpassen zu können und gleichzeitig die benötigte große Menge an Inhalten verarbeiten zu können“, betonte Nann.

Natürlich hatte sein Unternehmen zur NAB auch gleich die richtigen Lösungen dafür mitgebracht. „Wir haben mit Kayak eine neue Workflow-Plattform entwickelt. Die Idee dahinter ist, dass wir eine Technologie anbieten, die durch ihre modulare Bauweise für unsere Kunden leicht zugänglich ist und es ihnen möglich macht, nur die wirklich benötigten Bausteine zu nutzen. Durch die Struktur der Plattform ist gewährleistet, dass unsere Kunden immer wieder neue Technologien und Standards, wie beispielsweise MPEG DASH, in ihr System integrieren können. Auch die automatisierte Ausspielung via Cloud ist mit Kayak kein Problem“, erzählte er. Nann: „Unsere Vision der Zukunft ist ganz klar eine Multiscreen-Welt in der IP eine wichtige Rolle spielt und der Konsument das Sagen hat. Über Social Media-Anwendungen werden wir in Zukunft stärker mitbestimmen können, welche Inhalte wir wann, wie und wo nutzen wollen. Das eröffnet aber auch den TV-Sendern ganz neue Geschäftsoptionen. Sie müssen sich nur überlegen, wie sich ihre neuen Services und Angebote am besten monetarisieren lassen.“

Telestream: Automation wird immer wichtiger

Am Telestream-Stand sah man das nicht viel anders. Steve Ellis, VP Sales erklärte: „Ich betrachte den Markt durch die Augen meiner Kinder. Meine beiden Söhne sind mit Computern, iPads und Smartphones aufgewachsen und ich sehe den Trend dahin gehen, dass immer mehr Inhalte auf den verschiedensten Endgeräten, überall und jederzeit konsumiert werden. Die Welt ändert sich. Es geht heute sicherlich nicht mehr nur um den Fernseher, sondern um eine Vielzahl von Bildschirmen. Wenn man heutzutage mit jungen Menschen spricht, wird klar, dass viele Inhalte gar nicht mehr auf dem Fernseher angesehen werden. Fernsehinhalte werden jetzt über das Internet gestreamt oder auf dem iPad gespeichert.“ Das alles habe zur Folge, dass sich die Sender ihre Einnahmen nicht mehr nur über klassische Fernsehwerbung generieren könnten. „Die Menschen wollen Inhalte über viele Screens nutzen können und das zu einem möglichst niedrigen Preis. Das hat zur Folge, dass Automation und gute Workflows immer wichtiger werden“, meinte Ellis. Durch die Vielzahl an Formaten auf dem Markt wachse die Komplexität der Prozesse bei der für reibungslose Workflows nötigen Transcodierung der Daten. Unternehmen wie Telestream falle deshalb im Broadcastbusiness eine immer wichtigere Rolle zu. „Der Transcoding- und Encoding-Markt wird in Zukunft stark wachsen“, betonte er.

Envivio: Rein softwarebasierte Lösungen

Auch bei der Encoder-Firma Envivio ist man davon überzeugt. „Heutzutage leben wir in der Welt der Multiscreens. Es geht nicht mehr darum nur einen oder zwei große Fernsehgeräte zu bedienen, sondern auch die neueren Geräte wie Tablets. Viele der Unternehmen werden sich jetzt also in diese Richtung bewegen müssen“, meinte hier Boris Felts, Vizepräsident Produktmarketing. Envivio setze im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern auf rein softwarebasierte Lösungen. „Durch die oben genannte Entwicklung ist es wichtig Lösungen anbieten zu können, die schnell einsatzfähig sind, aber auch die Eigenschaften haben, sich ständig weiterentwickeln zu können. Durch unseren softwarebasierten Ansatz sind wir flexibel und können schnell auf Marktgegebenheiten reagieren. Außerdem ist die Qualität durch die Möglichkeit hoher Kompressionsraten sehr gut. Durch die Software sind auch HD-Streams mit geringen Bitraten möglich. Es ist unseren Kunden also möglich, Ihr Geschäftsmodell den Gegebenheiten anzupassen. Die Zeiten, in denen sich Broadcaster auf ein Modell festlegen mussten, sind vorbei“, betonte er.

Auf der NAB 2012 zeigte Envivio Erweiterungen zu seinen Kernprodukten Muse und Halo. Die Multiscreen-Plattform Muse ermöglicht Transcoding und Distribution von Live-Video in einer Vielzahl von Formaten für unterschiedlichste Endgerät wie Smartphones und Tablets. Erstmals vorgestellt wurde eine iTV-Applikation für Muse um Over-the-Top-Videos (OTT) auf alle Screens zu spielen. Halo ist Envivios Network Media Processor zur Konfektionierung, Distribution und Live-to-File-Workflows. Vorgestellt wurde von Envivio auf der NAB auch das Network-Management-System 4Manager.

Harmonic: „Intelligent Function Integration“

Zu den wichtigsten Anbietern in Sachen „Multiscreen-Distribution“ zählt auch Harmonic. „Wir von Harmonic sehen im Internet-Zeitalter ein starkes Verlangen nach personalisierten und vielfältigen Inhalten. Unsere Kunden müssen also neue Services, mehr Kanäle und mehr Inhalte für ein immer kleiner werdendes Publikum produzieren. Um das ganze wirtschaftlich umzusetzen, müssen die Lösungen natürlich kosteneffizient sein. Wir sprechen also von einer so genannten „Intelligent Function Integration” oder in anderen Worten von der Möglichkeit, immer mehr technische Komponenten in immer weniger Geräte unterzubringen“, berichtete Tom Lattie, Vizepräsident Produktmanagement von Harmonic. „Diesen Anforderungen entsprechen zum Beispiel unser neue Playout-Plattform ChannelPort oder unser multifunktionaler IRD (Integrated Receiver Decoder) ProView 7100 mit eingebautem Transcoding. Dies sind nur Beispiele aus dem Harmonic-Portfolio, die zeigen, dass wir ständig versuchen, mehr Funktionen in unsere Produkte zu integrieren. Letztendlich kommt das dann unseren Kunden zugute, die versuchen, sich den neuen Marktgegebenheiten anzupassen und neue Services zu starten.“

Harmonic-Präsident Patrick Harshman betonte auf der NAB-Pressekonferenz des Unternehmens das „Multiscreen-Momentum“, das es heute zu nutzen gelte. Harmonic sei deshalb auch Kooperationen mit Unternehmen wie Qualcom eingegangen und unterstütze die MPEG DASH-Entwicklung. Er gab an dieser Stelle auch bekannt, dass Harmonic für den Kunden NBC Olympics zur Berichterstattung über die Olympischen Sommerspiele 2012 in London Omneon MediaGrid Shared Storage Systeme und ProMedia Carbon Transcoding-Systeme bereitstellen wird. Die Integration der Omneon-Speichersysteme mit Avid Interplay und den Carbon-Transcodern soll NBC Olympics in die Lage versetzen, einen schnellen, flexiblen, filebasierten Produktionsworkflow aufzusetzen, um OTT- und Second-Screen-Services zu generieren.

Snell: Inhalte-Organisation für Second Screen

Den Second-Screen hatte auf der NAB auch Snell im Visier. Dazu wurde unter anderem das neue Asset-Management-, Workflow-Automations- und Ressourcen-Planungs-System Momentum vorgestellt. „Es dient der besseren Organisation der Inhalte in der Multiscreen- und Multiplattform-Welt“, betonte Snells Chefentwickler Neil Maycock. Außerdem wurden einige zentrale Produkte erweitert. So ist das Channel-in-a-box-Playout-System ICE in der neuen Version 3.0 jetzt mit 3D-Grafik-Engine und einem Validation-System ausgestattet. Letzteres dient vor dem Playout der Analyse der von ICE übernommenen Files. Snell Morpheus-Automationsplattform erhielt eine Second-Screen-E-Commerce-Funktion verpasst. Damit lassen sich TV-Werbespots mit Online- und Mobile-Kampagnen synchronisieren. TV-Sender sollen so in die Lage versetzt werden, Web- und Mobile-Apps einfacher zu monetarisieren.
„Unser Vorteil ist, dass wir mit Morpheus ein Weltklasse-Automations-System haben und mit ICE eine Content Engine, die alle Funktionalitäten, die der Broadcaster braucht, beinhaltet – wie zum Beispiel Multiformat-Video-Server, 3D-Grafik, DVE und Master-Controll-Funktionalität. ICE können wir mit unserer Automation steuern. ICE-Anwender können dabei trotzdem ihre vorhandenen Geräte wie High-end-Grafik-Maschinen oder spezielle Router weiter benutzen. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber anderen Systemen“, berichtete Rajesh Patel von Snell im MEDIEN BULLETIN Video-Interview auf der NAB 2012.

Snell präsentierte in Las Vegas auch die Version 3 von Morpheus mit neuem User-Interface. Sie erlaubt unter anderem die Konfiguration einer Server-Infrastruktur für virtuelle Systeme. Neuigkeiten von Snell gab es zur NAB auch beim asymetrischen Router Vega (192 Ports), der nun auch Hybrid-Processing kann, beim High-end-Konverter Alchemist Ph.C-HD und beim Live-Mixer Kahuna 360, der in kompakter Bauform nun in ein 6 RU-Chassis passt. Zur NAB teilte Snell-Präsident Simon Derry mit, dass sein Unternehmen 21 Alchemist Ph.C-HD- und 19 Mach HD-Konverter NBC Olympics zur Produktion der Olympischen Sommerspiele 2012 in London bereitstellen wird. „Unsere Kunden wollen ihre Inhalte über mehr Plattformen verbreiten, um mehr Einnahmen generieren zu können. Sie benötigen deshalb die Skalierbarkeit ihrer Infrastrukturen, operationale Effizienz, Second-Screen Lösungen und File Processing in der Cloud“, betonte Snell Managing Director, MRM, Paul Martin, auf der NAB-Pressekonferenz des Unternehmens. Snells Tätigkeitsschwerpunkte seien deshalb klar auf die Bereiche Broadcaster-Infrastruktur, Live-Produktion und TV Everywhere fokussiert.

Chyron: Kooperation mit ConnecTV

Chyron-Präsident Michael Wesley-Wesley und Chyron-VPO/CMO Bonnie Barcley, nutzten ebenfalls die NAB-Pressekonferenz ihres Unternehmens um Chyrons Vision von der TV-Zukunft zu skizzieren. Auch hierbei wurden „Second Screen“ und „Social TV“ als maßgebliche Treiber der Fernsehentwicklung genannt. Beide Themen waren auch schwerpunktmäßig am Chyron-Stand in the South Hall präsent. Hier stellte man auch die Kooperation mit den Partnern ConnecTV, Vibes, Mass Relevance und never.no vor. Mit ConnecTV will Chyron eine Technologiepartnerschaft eingehen, um seine Broadcast-Grafik-Plattformen mit ConnecTVs Second Screen App zu verbinden.
Wesley-Wesley erklärte: „Social TV und Second Screen erlauben den Mediennutzern Inhalte zu konsumieren, während der Betrachtung darauf zu reagieren, sich mit ihren Freunden in sozialen Netzwerken darüber auszutauschen ebenso wie mit den Programmmachern selbst. Das ist ein sehr, sehr mächtiges Paradigma, das meiner Meinung nach das Potential hat, das Fernseherlebnis komplett zu verändern. Chyron will mit seinen Lösungen dabei eine wichtige Rolle spielen.“
Ein Produkt, das Chyrons Engagement in diesem Bereich belege, sei unter anderem die Software-Applikation Shout mit der TV-Veranstalter Social-Media-Kommentare in Live-Sendungen einbinden könnten. Als weiteres Produkt nannte er die neue Plattform Engage zur Kombination von Live-Broadcast mit Social Media, Social TV-Daten und Second Screen.

AXON: gutes Zeichen für die gesamte Branche

Axon, niederländischer Hersteller modularer Systeme zur Bearbeitung von Audio- und Videosignalen, feierte auf der diesjährigen NAB 25-jähriges Firmen-Jubiläum. Axon-CEO Jan Eveleens betrachtet die aktuelle Entwicklung in der Broadcast-Branche sehr positiv. „Nach einigen schwierigen Jahren, vor allem 2008 und 2009, sehen wir jetzt das Geschäft wieder stark wachsen“, erklärte er gegenüber MEDIEN BULLETIN. Der Grund dafür seien die aktuellen Trends in der Broadcast-Branche Richtung IP-basierter Netzwerke. „Die TV-Unternehmen werden sich über die nächsten Jahre mit dem Umbau ihrer Infrastrukturen und Systeme für die Multiscreen-Distribution beschäftigen müssen. Das wird nicht von einem Tag auf den anderen geschehen. Genauso war es auch mit der Umstellung von SD auf HD.

Auch hier war neue Technologie nötig, um den Umstieg zu schaffen. Wir sehen die aktuellen Geschehnisse deshalb auch als eine besondere Chance für uns. Um die Anforderungen unserer Kunden bestmöglich bedienen zu können, sind wir schon heute sehr gut aufgestellt“, meinte Eveleens. Beim Umstieg von Baseband auf IP-basierte Netze seien flexible, zuverlässige Systeme zur Wandlung und Kontrolle von Audio- und Videosignalen nötig. Und die biete Axon seinen Kunden an. Die aktuelle Entwicklung biete auch Rundfunkanstalten einige Vorteile. „Die neuen Infrastrukturen werden sich universeller und durchgängiger nutzen lassen. Es wird keine Insellösungen mehr geben. Egal ob es sich um den Transport von Files oder Live-Streams handelt – alles wird in einer IP-basierten Umgebung stattfinden“, sagte der Axon-Chef. „Wir werden den Umbruch in der Branche auf jeden Fall aktiv mit vorantreiben und blicken zuversichtlich in die Zukunft.“

ROVI: Server-basierter Encoding Solution

Auch Rovi war auf der NAB 2012 vertreten und stellte dort mit TotalCode Enterprise 2.0 und MainConcept SDK 9.5 zwei neue Lösungen vor. TotalCode Enterprise 2.0 ist eine skalierbare und Server-basierte Encoding Solution und eine der ersten kommerziellen Lösungen, um digitale Inhalte für die Nutzung über UltraViolet vorzubereiten. UltraViolet ist ein Video-Standard für die Cloud-basierte Speicherung und Wiedergabe (inklusive digitalem Rechte-Management/DRM) von Film- und TV-Inhalten. Darüber hinaus haben Unternehmen mit TotalCode Enterprise 2.0 die Möglichkeit, ihre digitalen Inhalte für DivX Plus Streaming oder die Umwandlung im Bereich Disc-to-Digital optimal zu formatieren.
Rovi präsentierte ferner MainConcept SDK 9.5 Im Mittelpunkt des MainConcept-SDK-Updates stehen eine verbesserte H.264-Encoding-Qualität, 4k und AVCHD 2.0 Unterstützung sowie die Erstellung von DivX Plus-Streaming-Dateien. Die Video- und Audio-Codec-Bibliothek MainConcept SDK 9.5 gibt Entwicklern die Möglichkeit, professionell und zuverlässig neueste Video- und Audio-Codecs in ihre Anwendungen, Produkte und Dienstleistungen zu integrieren
Eckhard Eckstein
(MB 06/12)

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