Qualität vor Pixelzahl

Der 3D-Hype hat sich gelegt. Mit 4K, 8K und High Frame Rate stehen neue spannende Themen ganz oben auf der Agenda der Film- und TV-Wirtschaft. Auf der Workshop- und Tagungsveranstaltung „Beyond Hands on HD“ vom 8. bis 12. Juli in Hannover trug man dem Rechnung. Hier diskutierte man die Zukunft der High Resolution-Formate und die mit ihnen verbundenen Workflow-Anforderungen.

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Qualität vor Pixelzahl

„Der Übergang von SD zu HD ist weitgehend vollzogen und die Technologie etabliert“, erklärte die Nordmedia–Projektleiterin der Beyond Hands on HD Veranstaltung Lisa May. „Daher wollen wir den Blick darauf richten, wie die Entwicklung weiter geht und uns den Bereichen High Resolution mit 4K oder auch 8K sowie höheren Bildraten zuwenden.“ Im Zentrum der Workshops stand der komplette Workflow einer digitalen Produktion sowie die Schulung der Teilnehmer an der neuesten Gerätetechnologie. Unterteilt waren die Kurse in Anwendung spezifischen Kameraklassen und einem Postproduktions-Workshop. In den vier Kameraklassen standen 38 Kameras, darunter ARRI Alexa, Blackmagic Cinema, Canon EOS C300, RED Scarlett und Sony F55 zur Verfügung. Die von DoP Geoff Boyle geleitete Masterclass beschäftigte sich mit 2K- und 4K-Workflows. Dazu hatte Rohde [&] Schwarz DVS eine Produktionsstrecke zur Verfügung gestellt mit der DI-Workstation Clipster, dem Media Production Hub Venice sowie der Spycer Box; den 4K-Projektor stellte Barco. „In den beiden Vorjahren richtete sich unser Blick sehr stark auf 3D. Dies ist nun mehr dem HFR- und 4K-Format gewichen. Wir wollen hier auch Vorreiter sein und den neuesten Stand in der technischen Entwicklung abbilden“, erklärte Lisa May, die davon überzeugt ist, dass 3D nicht völlig aus dem Blick gerät. Vor allem im Animationsbereich werde es weiter eine große Rolle spielen.

Immer wichtiger für die Filmproduktionen wird indes der Umgang mit der virtuellen Technik. Deshalb wurde Beyond Hands on HD in diesem Jahr noch um die Grundlagenklasse VFX erweitert, die von Marco Del Bianco (Day for Night) und Frank Kaminski (Jumping Horse Film) geleitet wurde. Im eigenen Workshop und einem weiteren Vortrag bei der Tagung stellten die beiden VFX-Optionen wie Virtual Backlot, Set Extensions und Full CGI vor und führten aus, welche Chancen insbesondere auch für Low-Budget-Produktionen bestehen, Bilder zu realisieren, wenn sie die VFX-Spezialisten in ihre Filmproduktion frühzeitig einbeziehen. Lisa May: „Der Bereich VFX gehört heute stark zum Drehen dazu. Dabei ist es wichtig, die Spezialisten spätestens beim Drehen am Set zu beteiligen. Wer nach dem alten Motto ‚Fix it in the Post’ verfährt, kann ansonsten mit hohen Kosten rechnen.“ Die Diskussionen über die Umstellung von SD auf HD und inwieweit die neue Qualität beim Fernsehzuschauer zu Hause überhaupt ankommt ist noch allgegenwärtig. So stellte man sich auch in Hannover wieder die Frage, welche Qualitätssteigerung 4K/Ultra HD und höhere Bildraten im Vergleich zu heutigen Kinoformaten sowie HDTV versprechen und welcher Aufwand bei der Datenverarbeitung in der Postproduktion oder auf der Sendestrecke bis zu den Zuschauern zu leisten ist, damit die höhere Auflösung auch beim Zuschauer ankommt. Wie schnell eine Umstellung auf 4K oder UHD für den Massenmarkt zu realisieren ist, vermag derzeit noch niemand genauer zu prognostizieren. Tenor der in Kooperation mit der FKTG (Fernseh- und Kinotechnische Gesellschaft) und der Hochschule Hannover veranstalteten Beyond Hands on HD Tagung war, dass es aus heutiger Sicht zunächst sinnvoll ist, eine bessere Bildschärfe über höhere Bildraten anzustreben. Der doppelte Mehraufwand bei 48 Bildern pro Sekunde (fps) in der Datenverarbeitung sei schließlich noch gut vertretbar.

Fußball-WM als Leuchtturmprojekt für 4K/UHD

Als Leuchtturmprojekt für eine 4K-Produktion, die im Fernsehbereich als Quad-HD-Ausstrahlung auf die Strecke geht, gilt die Fußball-WM nächstes Jahr in Rio de Janeiro. Gisbert Hochgürtel von Sony Europe berichtete von den Testproduktionen, die in diesem Jahr für den FIFA Confederations Cup in Brasilien durchgeführt wurden. Für diesen 4K-Probelauf, mit dem erste Erfahrungen in der TV-Produktion mit diesem Format gesammelt werden sollte, wurden drei Spiele in Belo Horizonte in 4K, das heißt im Quad HD-Format (3.860 X 2.160) mit einer Bildrate von 60P und 10 Bit (4:2:2) aufgezeichnet. Im Stadion selbst kamen sieben Sony PMW F55-Kameras zum Einsatz sowie zwei HDC-2500 Kameras. An der Zahl von Kamerapositionen ändere sich nichts, da der Zuschauer mindestens den gleichen Standard wie bei HDTV-Übertragungen erwarte, so Hochgürtel. Die F55 wurde mit entsprechenden Adaptern zur Studiokamera ausgerüstet und mit einem OLED-Sucher versehen. „Die HD-Studio-Objektive sind hoch-performant auch im Vergleich zu echten 4K-Objektiven“, so Hochgürtel.

Für den Bildingenieur im Kontrollraum ändere sich gegenüber einer HD-Produktion so gut wie nichts, die Bildregie benötige jedoch größere Monitore, mindestens ein 65 Zoll Display sei ratsam, um die Bildqualität bestimmen zu können. In der Übertragung zum Ü-Wagen reichten die Coaxialkabel für die 4K-Signale nicht mehr aus, berichtete Hochgürtel. Hierzu bedürfe es einer Netzwerkverbindung (10 Gigabit) über Ethernet, wozu es bereits ein eigenes IP-Live-Interface gäbe. Die Erfahrungen bei der Bildgestaltung insbesondere in der dynamischen Kameraführung seien mit 3D-Aufnahmen vergleichbar. Langsamere Schwenks und weitwinkligere Aufnahmen seien zu empfehlen.

Bildparameter wichtiger als Pixelanzahl

Auch wenn solche Paradeprojekte wie die Fußball-WM schon mal einen Vorgeschmack auf die neue Generation des Ultra HD-Fernsehens liefern, ist klar, dass noch einige Jahre vergehen, bis die komplette Sendekette bis zum Endverbraucher steht, der dazu entsprechende Geräte benötigt.

Für Henning Rädlein von Arri TV macht der Einstieg in die Herstellung von 4K-Kameras sowieso erst Sinn, wenn damit Geld verdient werden kann. Die Alexa-Kamera sei gezielt für 16mm- und 35mm-Kunden entwickelt worden. Rund 3.500 Alexa-Kameras befänden sich derzeit im Markt. „Die Regale bei den Rentalfirmen stehen leer, weil diese Kameras draußen im Einsatz sind“, fasste Rädlein die Erfolgsgeschichte dieser digitalen Filmkamera zusammen. Er betonte auch, dass es ohnehin nicht nur auf die Anzahl der Pixel ankomme, sondern eher auf die Qualität und welche Gestaltungsmöglichkeiten dem Kameramann zur Verfügung stehen. Der Grundgedanke bei Arri sei es, die höchst mögliche Bildqualität zu erzielen. Oberste Priorität habe der Dynamikumfang, das heißt, das Handling in den Highlights. Dann folgen weitere Bildparameter wie der Filmlook, eine möglichst hohe Auflösung, die Farbtrennung sowie die Hauttöne. Am 4K-Rennen werde Arri sich nicht beteiligen. 4K sei erst ein Thema, wenn der Markt es nachfrage und wenn alle gesetzten Qualitätsansprüche in diesem Format erfüllt werden könnten. „Wir werden 4K-Kameras bauen, aber es darf nicht auf Kosten der anderen Kriterien gehen. Die Gesamtqualität des Bildes darf nicht leiden, nur um mehr Pixel zu erhalten.“

UHD und 4K: Größer, schöner, unschärfer

Dr. Rainer Schäfer vom Institut für Rundfunktechnik (IRT) machte denn auch in seinem Referat „UHD und 4K: Größer, schöner, unschärfer“ deutlich, dass der Pixelsprung etwa im Kino von 2K auf 4K nur von wenigen Plätzen in den vordersten Sitzreihen zu sehen ist und bis UHD die Bildschirme der Endverbraucher erreicht, noch einiges geschehen müsse. In diesem Zusammenhang erinnerte Schäfer auch daran, dass die Sender heute nicht einmal Full HD auf die TV-Bildschirme bringen. Die 4K-Chips für die Fernsehbildschirme seien allerdings bereits entwickelt, was die hochauflösenden Formate weiter antreiben werde. Für Ende des Jahres sei die Markteinführung von Chips für 4K/30 Hz angekündigt, 4K-Chips für 60 Hz sollen schon im nächsten Jahr folgen. Schäfer rechnet mit einem Wachstumsmarkt frühestens in vier Jahren. Derzeit seien weltweit zwei UHD-Entwicklungen im Gange. In Europa werde das UHD1 Format favorisiert (3840X 2100), was in der Auflösung vierfachem HD und zwanzigfachem SD entspreche.

Bei der in Japan voran getriebenen UHD-Version von 8K (7680X4320) handele es sich bereits um 16faches HD und eine 80fachige SD-Auflösung. In der Post seien solche Datenumfänge erst ab 10 oder 12 Bit zu bewältigen. Schäfer verdeutlichte, dass mehr Bildschärfe einige Artefakte zur Folge haben kann vor allem störende Bewegungsunschärfen bei schnelleren Kamerabewegungen. Dies zwinge dazu, extrem langsam zu schwenken oder eine höhere Bildrate einzusetzen. „UHD benötigt eine andere dynamische Bildgestaltung oder High Frame Rate“, konstatiert Schäfer. Die Kompressionsformate für Live-Übertragung und Streams seien bereits entwickelt: H.264 könne 4K übertragen, der neue Standard HEVC sogar bis 8K. Und wie bringt man nun 4K oder UHD auf die Fernsehbildschirme? Auf der Sendestrecke zum Endkunden hin müsse auch aufgerüstet werden mit neuen Modulationsverfahren und neuen Interface-Standards.

Derzeit können Fernsehgeräte an ihren HDMI-Eingängen noch keine 4K-Signale entgegennehmen und die Player keine 4K-Bilder an ihren HDMI-Ausgängen ausgeben. Erst ab HDMI 1.5 wird die 4K-Ausgabe mit einer Bildrate von 50 und 60 Hz möglich sein.

Erst einmal höhere Bildrate

Stefan Alberts von Rohde [&] Schwarz plädierte dafür, zunächst auf eine höhere Bildrate zu gehen. Bei einer Bildrate von 48fps, wie sie bei dem Kinofilm „Der Hobbit“ realisiert wurde, erreiche man bereits ein schärferes Bild durch die kürzeren Shutter-Zeiten. Für Rädlein macht 4K alleine ohnehin wenig Sinn, da die bessere Auflösung nur bei einer höheren Bildrate sichtbar sei. IRT-Manager Schäfer, der das Thema vor allem aus öffentlich-rechtlicher Sicht betrachtet, meinte, es gehe heute beim Fernsehen vorrangig darum, den Übergang zu HD zu vollenden. Priorität habe hier die filebasierte Produktion, optimierte Workflows und vor allem Multiformatfähigkeit. Er zweifelt indes nicht daran, dass die neuen hochauflösenden Formate auf jeden Fall kommen werden und ist sich mit vielen anderen auch darüber einig, dass sich der Übergang von HD zu UHD aller Wahrscheinlichkeit schneller vollziehen wird als der von SD zu HD. Dafür waren rund 25 Jahre nötig, erinnerte ein Tagungsteilnehmer in seinem Beitrag.
Bernd Jetschin
(MB 09/13)