Schnelle Workflows für HD und Stereo 3D

Die Anfang August in Hannover veranstalteten „Hands on HD“-Tage besitzen einen guten Ruf als Testlabor und Netzwerktreffen für die Film- und Fernsehproduktion. In der neunten Auflage wurde der Fokus noch weiter geöffnet und auch auf den High End-Kinobereich mit 65mm-Look gelegt. Erstmals in Deutschland zu sehen waren im Rahmen des HD-Events Bilder der neuen Sony F65 CineAlta Kamera, die Aufnahmen in voller 4K-Auflösung ermöglicht.

5
Schnelle Workflows für HD und Stereo 3D

Im Zentrum der „Hands on HD“-Tage in Hannover stand der komplette Workflow einer digitalen Produktion sowie die Schulung der Teilnehmer an der neuesten Gerätetechnik. „Dieses Konzept ist einzigartig“, erklärt Sebastian Wolters, der Projektleiter für den Bereich Digital Media Cluster bei der Nordmedia Mediengesellschaft Niedersachsen und Bremen, die in Kooperation mit Band Pro, München auch die „Hands on HD“-Tage veranstaltet.

Das Kursprogramm wurde dieses Jahr nach anwenderkategorischen Klassen ausgerichtet anstatt nach Herstellern und modular aufgebaut, um hier dem unterschiedlichen Kenntnisstand der Teilnehmer Rechnung zu tragen. Die Teilnehmer konnten zwischen Professional Broadcast und TV Movie 35mm Digital wählen, was dazu dienen sollte, die jeweiligen Erfahrungsbereiche noch weiter zu vertiefen. Enger verzahnt worden sind auch die Kamera-Workshops und Postproduktionskurse. Einen eigenen Schwerpunkt bildete erneut Stereo3D, wo unterschiedliche Stereo3D-Rigs und Kamerasysteme getestet wurden. Das Material konnte dann in den Postproduktions-Workshops aufbereitet und mit einander verglichen werden.

Großes Thema in diesem Jahr war der filebasierte Workflow, der viele Vorteile mit sich bringt, aber auch Probleme wie die nicht vorhandene Standardisierung, die zum Umgang mit einer breiten Formatvielfalt zwingt. Und es bedarf ausreichender Speicher- und Renderkapazitäten. „Kritisch sehe ich den exorbitanten Anstieg des Drehverhältnisses in der digitalen Produktion“, resümierte Sebastian Wolters, für den es allerdings keine Frage ist, dass unter dem Kosten- und Zeitdruck in der Broadcastproduktion hier schnell eine Umkehr erfolgen wird. „Postproduktions-Workflows sollten alle gängigen Formate wie RAW, AVC-Pro, HDCAM, HDCAM SR oder HighRes einlesen können, da es ansonsten zu zeitraubend und aufwendig ist, um während der Produktion zu wechseln.“

Dienstleister leiden unter Preisverfall

Auf der parallelen zweitägigen HD-Tagung am 4. und 5. August, auf der Experten über ihre Erfahrungen mit den neuen Kameras und Postproduktionssystemen berichteten, räumten die Service-Dienstleister mit dem Gerücht auf, dass digital kostengünstiger produziert werden könne. Hierin am deutlichsten wurde Martin Ludwig vom Ludwig Kameraverleih, der über „Workflows und Codecs für die High-End-Produktion“ referierte. Es sei zwar wahr, dass sich mit digitaler Technik billig produzieren ließe, aber unter Wahrung gängiger Qualitäts- und Workflowstandards in der Fernsehbranche eben nicht billiger. Es komme lediglich zu einer Verschiebung der Summen zwischen den Gewerken.

Die Rental-Firmen sowie überhaupt die Dienstleistungsbranche wie Postproduktionsstudios oder Ateliers bekämen aufgrund des Spardiktats bei den Sendern einen ungeheuren Preisverfall zu spüren. Außerdem litten die Miethäuser darunter, so Ludwig, dass derzeit etwa im Bereich der Speichermedien alles im Fluss sei. Die Lage am Markt sei dramatisch und Ludwig forderte die Rückkehr zu marktüblichen Preisen.

Filmlook mit neuer Generation von HD-Kameras

Breiten Raum nahmen in diesem Jahr vor allem die neuen HD-Kameras ein, die sich hinsichtlich Handling, Lichtempfindlichkeit, Kontrastumfang und den 35mm-Vollbild-Sensoren den Filmkameras annähren. Die großen Produktionshäuser im Lande wie Studio Hamburg oder UFA Grundy haben bereits reagiert, dort kommen die digitalen HD-Kameras für fiktionale Primetime-Filme und –serien wie auch für Soaps verstärkt zum Zuge. Als Shooting-Stars in dieser Klasse gelten Arris Alexa-Kamera sowie die im vergangnen Jahr herausgebrachte und inzwischen modifizierte PMW-F3 von Sony, beides 35mm-Sensor-Kameras, die sehr lichtempfindlich (800 ASA) sind und mit zahlreichen Optiken ausgestattet werden können. Im Ausstellungs- und Workshop-Bereich wurden zudem die neue Red Epic-Kamera sowie eine 35mm-Digitalkamera von Ikegami vorgestellt.

Über erste Erfahrungen mit Sonys PMW F3-Camcorder berichteten Rainer Hercher (Band Pro, München) und Thomas Huber, cine plus. Die Kamera sei sehr lichtempfindlich (800 ASA) und verfüge über einen Kontrastumfang von sechs bis neun Blenden. Der Sensor besitzt eine Größe, die es erlaubt, filmisch mit der Schärfentiefe umzugehen und sei zudem sehr rauscharm. Der neue Camcorder basiert auf dem XDCAM EX-Workflow von Sony (Codec: MPEG-2 Long GOP 4:2:0 8bit, 35 Mb/s) und verwendet das Sony SxS-ExpressCard-basierte Speichermedienformat. Diese Kamera eigne sich für szenische Produktion, entsprechende Adapter sorgen dafür, dass auch andere Optiken einsetzbar sind. Sony liefert zudem Zoomobjektive für diese Kamera (auch geeignet für Rigs), wodurch sich die F3 auch als Reportagekamera für den hochwertigen Dokumentarfilm eigne.

Die Qualitäten von Arris ALEXA haben sich in der Branche schnell herum gesprochen. Kameramann Jens E. Tukiendorf hat die Alexa auf Herz und Nieren für UFA Grundy getestet, wo sie bereits für die Soap „Verbotene Liebe“ zum Einsatz kommt“. „Für mich gilt die Maxime, wie ich unter dem Gesichtspunkt der Budget-Limitierung ein möglichst hochwertiges Produkt herstellen kann.“ Ob im Studio oder im Nachtdreh mit starken Kontrasten sowie beim Dreh mit Tageslicht – in allen Bereichen lasse sich mit der ALEXA künstlerisch szenisch gestalten. Die hohe Lichtempfindlichkeit und der 35mm-Sensor der ALEXA lässt die Herzen der DoPs höher schlagen. Drehen wie mit einer 35mm-Filmkamera für eine Fernsehproduktion klingt gut, hat aber auch eine Kehrseite, wie der bekannte TV-Regisseur Niki Stein und sein Kameramann Arthur W. Ahrweiler bei dem Dreh zu einer TV-Filmproduktion in der Uckermark in diesem Frühjahr erfahren haben.

„Das Schöne an der ALEXA ist für uns, dass 35mm im Fernsehen Einzug hält. Aber es ist ein schöner und gefährlicher Weg, den wir beschreiten, weil es mehr Zeit erfordert. Denn wir müssen noch exakter mit den Schärfen arbeiten, als wir das eh schon immer mit 16mm gemacht haben.“ Für Hands on HD-Leiter Sebastian Wolters zeichnen diese Kameras den Trend vor, dass Film- und Fernsehproduktion in der Technik und dem Workflow zunehmend konvergieren werden. „Ich bin nicht sicher, ob es noch lange bei der Trennung von Ein- oder Zweidrittel-Sensor und Vollchip-Kameras bleibt.“

Keine Kostenexplosion durch Stereo3D

Eine große Innovationsdynamik beherrscht nach wie vor den Bereich der Stereoproduktion, wenn auch in diesem Jahr von dem Hype des Vorjahres schon nicht mehr viel zu spüren gewesen ist. Es ist eher Ernüchterung eingekehrt und es setzt sich die Einsicht durch, dass nur noch hochwertige Stereo 3D-Produktionen, die wirtschaftlich herstellbar sind, Erfolg haben werden im fiktionalen Bereich. Hochgerechnete 2D-Filme, wie sie in den vergangenen Monaten häufig im Kino zu sehen waren, haben sich eher kontraproduktiv ausgewirkt. Der Trend im 3D-Bereich muss sowohl bei der Aufnahme am Set als auch in der Nachbearbeitung zu kosteneffizienten und schnellen Workflows führen, die sich dem Zeitaufwand von 2D Produktionen annähern. Gleichzeitig muss die Stereoqualität einen echten Mehrwert bieten, weil ansonsten das Publikum nicht bereit ist, mehr zu zahlen und daher die 2D-Version bevorzugt.

Solange Stereoproduktionen mit dem Makel des doppelten Aufwands verknüpft sind, ist eine breite Marktdurchdringung schwierig. Panasonic bringt nun mit dem Stereo3D-Camcorder eine echte Single-Bodylösung auf dem Markt, mit der Kameramann Matthias Bolliger einen zweiminütigen Surfspot auf Sylt gedreht hat. Sein Fazit: Dieser Camcorder ist für einen kleineren 3D-Dreh durchaus geeignet, vor allem wenn es auf Schnelligkeit und Flexibilität ankommt. Die Variabilität der Stereobasis des Kamerasystems sei freilich limitiert und für Kinoproduktionen nicht geeignet, weil auf der großen Projektionsfläche andere Größen- und somit andere Parallaxenverhältnisse gelten.

Florian Maier gilt als erfahrener Stereograph, der sich mit seiner bei München niedergelassenen Firma Stereotec vor allem auch als Hard- und Softwareentwickler einen Namen gemacht hat. „Wir können Tools so bauen, dass sie einem schnellen Workflow gerecht werden“, sagt er selbstbewusst. Er war mit seinem Know-how und Entwicklungen sowohl bei der 3D-Fortsetzung des Kinoabenteuers „Wickie auf großer Fahrt“ dabei, einer der teuersten deutschen Produktionen der letzten Jahre, die am 29. September von Constantin Film in die deutschen Kinos gebracht wird, wie auch an der Hollywood-Produktion „Hänsel und Gretel – Die Hexenjäger“ für Paramount.

Mit Karbon-Rigs und Calculator Software

Maiers Leitgedanke ist, wie sich Zeit- und Kostenaufwand für eine größere Stereoproduktion begrenzen lassen. Stereotec setzt Rigs auf Karbonbasis ein, die stabil sind, jedoch längst nicht so schwer wie Alu-Riggs, sowie das eigens für 3D kreierte Stereoskopic Calculator Programm, mit dem sich sehr schnell am Set alle entscheidenden 3D-Parameter wie Stereobasis, Konvergenzpunkt und auch Brennweiten bestimmen lassen. Basis dieser Software sind Erfahrungswerte, dass etwa lange Brennweiten flach wirken und mit einer zu großen Stereobasis schnell zum Modelleisenbahneffekt führen und sehr weitwinklige Shots schnell zu rund aussehen. Für 3D-Stereoproduktionen eigneten sich vor allem Sets, die viel Bewegungs-Indikatoren zulassen.

Gemeinsam mit dem Wickie-Regisseur Christian Ditter und seinem Kameramann Christian Rein habe man bei einigen Szenen, die zunächst in mehreren Schüssen aufgelöst werden sollten, sich jeweils für eine Plansequenz und Kamerafahrten entschieden, die dem 3D-Erlebnis zugute kommen. Maier gehört zu denen, die zu einem vorsichtigen Umgang mit den Stereoeffekten tendieren. Diverse Studien belegten, dass Stereo3D-Produktionen die Erlebnisfähigkeit des Zuschauers steigern können. 3D trage dazu bei, näher und emotionaler am Geschehen teilnehmen zu können. Starke 3D-Effekte, auch Close Ups und natürlich Fehler würden den Betrachter aus seinem emotionalen Erleben wieder herausreißen. „Sobald 3D hilft, näher an der Geschichte zu sein, ist es gut“.

Entscheidend für den Erfolg sei aber letztlich auch, dass 3D keine Kostenexplosion bedeuten muss. Mit den im eigenen Haus entwickelten Software-Tools sowie ferngesteuerten motorisierten Rigs „bewältigen wir den Abgleich der Stereoachsen und das Objektiv-Matching in 90 Sekunden“, berichtet Maier. Der Produzent der Paramount-Produktion wollte ursprünglich nur zwölf 3D-Drehtage einplanen und den Rest konvertieren lassen. „Mit unserer Technik konnten wir ihn überzeugen. Es sind dann 39 3D-Drehtage geworden, und die Hälfte des Films ist in 3D gedreht worden. Für uns war es die große Chance zu beweisen, dass Stereo-3D nicht unbedingt die Verdoppelung der Kosten mit sich bringt. Und wir konnten demonstrieren, dass wir schneller, präziser und auch besser als 3D-Konvertierungen sind.“

Maier ist überzeugt, dass der Stereo3D-Dreh der Konvertierungssoftware physikalisch in 95 Prozent der Fälle überlegen sei. Vor allem in den Grenzbereichen und bei der Zeichnung der Texturen. Konvertierung sei sinnvoll für extreme Schüsse, die sich mit den Rigs nicht realisieren lassen oder als Ersatz für einen zu aufwendigen Nachdreh, wenn einzelne Einstellungen mangelhaft sind.
Bernd Jetschin
(MB 09/11)

Anzeige
Relevante Unternehmen