Das Fernsehen leistet die Hauptarbeit

Wohin entwickelt sich der Bewegtbildmarkt? Welche Monetarisierungsmöglichkeiten gibt es und vor allem: welche Nischen? Wie geht man mit alldem um, welche Herausforderungen ergeben sich daraus? Fragen, die jeweils Ende Januar von den Teilnehmern der Bitkom-Veranstaltung NewTV Summit in Berlin diskutiert werden.

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Das Fernsehen leistet die Hauptarbeit

Bewegtbild in all seinen Erscheinungsformen, auf allen Arten von Displays, einschließlich Virtual Reality-Brillen und teilweise sogar auf verschiedenen Screens parallel – ist mittlerweile der Schlüssel zu Erfolg und Wachstum geworden. Die Bedeutung von Text und sogar Musik an sich nimmt langsam aber dennoch graduell ab. Jon Gisby, Europachef der Musikvideo-Plattform Vevo verweist darauf, dass Musik immer mehr mit Bild konsumiert wird, weshalb Vevo einerseits hohe Zuwachsraten verzeichnet und andererseits sein Geschäftsmodell durch die Veranstaltung und Übertragung von Konzerten sowie der Einrichtung von „Watch-Parties“ ausbauen wird. Die Funktion Watch-Party, die sich zur Zeit in der Entwicklung befindet, wird Teil der Vevo-App sein. Mit ihr erhalten Besucher einer Party oder einer Kneipe Einfluss auf die Musikgestaltung, indem ihnen Zu- und Eingriffsrecht auf die Playlist gewährt wird.

Auch DaWanda, eine E-Commerce-Plattform für Selbstgemachtes, konnte durch Bewegtbild wachsen und mit ‚How-tos‘ sogar zusätzliche, kostenpflichtige Geschäftsfelder entwickeln. Gleichzeitig ist YouTube stolz darauf zu vermelden, dass 54 Prozent der deutschen Online-Nutzer zwischen 16 und 34 Jahren YT-Videos schon einmal auf dem Fernseher geschaut haben. Das große Display hat also längst noch nicht ausgedient, auch wenn das TV-Gerät in der Generation bis etwa 30 Jahren immer deutlicher ein Auslaufmodell wird. Hier sank die Sehdauer zwischen 2010 und 2015 bis zu knapp einer halben Stunde. Das traditionelle Fernsehmodell steht aber nicht nur unter Druck, weil die junge Generation oft gar keinen Fernseher mehr hat, sondern auch weil die Fragmentierung der Angebote zu einer Umschichtung von Werbegeldern führt. „Noch wird das Geld im Fernsehen verdient“, sagt Alexander Rösner, Senior Vice President Sports von 7Sports, das zu ProSiebenSat.1 gehört. „Doch das wird sich ändern und wir bereiten uns jetzt schon auf die Zeit vor, in der das Fernsehen nicht mehr eine so große Rolle spielt, sondern andere Plattformen.“

Wie das aussehen könnte, deutete Joel Berger, Industry Leader Media [&] Entertainment von Google Deutschland, in seiner Präsentation an. Die Sichtbarkeit von Werbung auf YouTube ist um 40 Prozent höher als Videowerbung im Internet allgemein. Dies führt er unter anderem darauf zurück, dass 95 Prozent der YouTube-Werbung mit Ton gesehen wird. Konsequenterweise bietet YouTube Hilfe an, um Zuschauer zu erreichen und Inhalte zu monetarisieren, weiter mit den Argumenten untermauert, dass einerseits der Konsum von Online-Videos jeder Art generell zunimmt und speziell die Nutzung von (kurzen) YouTube-Videos auf Telefonen. „YouTube liefert Sichtbarkeit, Sound und Sehdauer für die größte Werbewirkung, denn Sichtbarkeit allein ist noch keine Markenwahrnehmung“, sagt Berger selbstbewusst.

Letztendlich geht es um Inhalte und hier standen beim NewTV Summit nicht fiktionale Inhalte im Vordergrund, die man wann immer, wo immer abruft, sondern Live-Inhalte, die ihre ganze Wucht nur in dem Augenblick entfalten, in dem sie stattfinden. Und das kann im Grunde nur der Sport. Egal ob traditioneller oder E-Sport. Dass es gut funktioniert, wenn man Personen, Typen und Gesichter nach vorne stellt, sie promotet und Geschichten mit und über sie erzählt, hat Sport1 mit Dart vor gemacht. Dies wurde bereits beim NewTV Summit im vergangenen Jahr gewürdigt, dass dies aber zu einer solchen Welle führen würde wie um das Finale der PDC Dart WM 2017 am 2. Januar herum, hatte wohl auch bei Sport1 niemand gedacht. Dass es durchaus Platz für neue Sportarten gibt, zeigen neben Darts American Football, das 1999 von Sat.1 zum ersten Mal übertragen wurde, oder seit neuestem Drohnenrennen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es eine Menge Zeit und Arbeit braucht, bis eine Trendsportart als solche wahr genommen wird – bei Dart waren es immerhin um die 15 Jahre. Und wenn es soweit ist, ist die sogenannte Trendsportart – siehe Dart – in ihrer Nische längst ein erfolgreiches Produkt.

Aber wie geschieht der erste Schritt, also heraus zu finden, ob es überhaupt ein Kernpublikum für etwas gibt? „Es sind die Online- und Social Media-Nutzung der Fans, die uns Aufschluss darüber geben wie ein Trend ankommt“, sagt Alexander Rösner. „Aufgrund der Aktivitäten dort, haben wir begonnen bei ProSieben MAXX Sonntags zwei Spiele der NFL zu übertragen. Dabei haben wir festgestellt, dass das Interesse an diesem Sport größer ist, als das bestehende Angebot.“ Ähnlich ist es beim Drohnenrennen. Die Idee dies auch in Deutschland aufzuziehen, kam Frank Wernecke, Gründer [&] CEO der DroneMasters, als er ein Drohnenrennvideo aus Neuseeland gesehen hatte. Auch wenn, so Rösner, die Übertragung der Rennen der US-amerikanischen Drone Racing League (DRL) im November auf ProSieben MAXX am Senderschnitt lagen, so ist Wernecke noch längst nicht an dem Punkt angelangt, ab dem man von einem erfolgreichen Geschäftsmodell reden kann. „Es gibt Potential, aber wir haben den letzten Dreh noch nicht gefunden. Zudem braucht es finanzielle Ausdauer und Rückhalt, um Drohnenrennen zu pushen.“ Denn auch hier gilt: Gesichter, Typen und Geschichten. „Ohne Personalisierung und Gesichter schafft es kein Sport“, so Rösner zu den wahren Herausforderungen eine neue (Trend)-Sportart zu etablieren. Auch wenn Social Media zuarbeitet, um einen Trend zu erkennen, die Hauptarbeit wird letztendlich (noch) vom Fernsehen geleistet. „Content muss emotionalisieren, polarisieren“, bringt es Andreas Heyden, CEO der Abteilung Digital Sports der DFL, auf den Punkt. „Das kann das Fernsehen sehr gut. Das Ziel ist nun, dies auch auf die digitalen Kanäle zu ziehen.“ Sprich: auch dort muss ein plattform- beziehungsweise kanalbezogenes Storytelling erfolgen. „Es geht darum eine Sportart zu inszenieren“, sagt Ivo Hrstic, Director Digital, Sport1. „Und da ist es egal auf welcher Plattform das stattfindet solange wir die Zielgruppe ansprechen. Insofern sind klassisches Fernsehen und Online kein Gegen-, sondern ein Miteinander.“ Und so wie Sport1 Dart über alle Kanäle, inklusive Facebook-Stream, vermarktet und inszeniert, möchte der Sender auch den E-Sport aufbauen – vornehmlich Übertragungen der „League of Legends“-Wettbewerbe, der erfolgreichsten E-Sport-Serie überhaupt.

Auch auf Schalke setzt man auf E-Sport und ist bei der „League of Legends“ eingestiegen. „Wir sehen E-Sport ebenfalls als Sport“, sagt Tim Reichert, Leiter E-Sports beim FC Schalke 04. „Wir wollen uns in diesem Bereich breit aufstellen, was auch bedeutet, dass sich die Abteilung nicht nur selbst tragen muss, sondern auch eine Einnahmequelle werden soll, denn aus sportlichem Erfolg erwächst immer auch wirtschaftlicher Erfolg.“ Doch Schalke schlägt diesen Weg nicht nur ein, um neue Einnahmequellen zu schaffen. Vielmehr geht es darum die Generation Z zu erreichen. Im Medienjargon werden sie auch als „Unreachables“ bezeichnet: als diejenigen, die man nicht erreicht, weil sie sich den traditionellen Ansprachewegen von Marketing und Werbung verweigern. Für die müssen Angebote gemacht werden, die sie von alleine entdecken. „E-Sport hilft dem Fußball nicht nur in dieser Generation Fans zu finden, sondern auch in Ländern Fuß zu fassen, wo E-Sport populär ist – Korea etwa“, erklärt Reichert. „So können wir über E-Sport neue Zielgruppen für das bestehende Modell gewinnen.“

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) setzt noch nicht auf E-Sport, aber auf auf Spiele und digitale Angebote, um den Traffic auf ihrer Website auch an den spielfreien Tagen hoch zu halten und darüber das Interesse an der Bundesliga weltweit zu pushen, was, so Andreas Heyden, „finanziell immer interessanter wird“. Dies gelingt unter anderem durch Partnerschaften wie mit Fox Sports oder zahlreichen Partnerschaften in China, wo bei Übertragungen bei CCTV schnell eine sieben-stellige Zuschauerschaft zustande kommt. So ist es wenig verwunderlich, dass der Löwenanteil der Steigerung bei den Besuchern der digitalen Kanäle der DFL um elf Prozent von Dezember 2015 bis Dezember 2016 auf den internationalen Traffic geht, den man von

15 Prozent Anteil am Gesamttraffic auf 30 Prozent verdoppeln konnte.

Was heißt dies nun für den Sport, für das Live-Streaming ansich? „Die Plattformen und das Fernsehen werden sich treffen, weil immer mehr Plattformen Sportrechte akquirieren“, gibt Daniel Knapp, Senior Director Advertising Research von IHS Markit einen Teil der Antwort. „In China etwa gibt es 154 Live-Streaming-Plattformen. Dort sind zudem Influencer und

E-Commerce viel stärker ausgeprägt als hierzulande. Andererseits befindet sich alles noch in einem sehr experimentellen Stadium.“

Die Annäherung geschieht jedoch nur auf der Ebene der Inhalte, so Juliane Leopold, Consultant und Journalistin sowie Gründungschefredakteurin von Buzzfeed. Sucht die junge Generation Inhalte auf YouTube, und sie nutzt YouTube als Lexikon, findet sie keine relevanten deutschen Inhalte oben in den Ergebnissen. „Deutsches Fernsehen nutzt YouTube nicht intensiv als Verbreitungskanal“, stellt Leopold fest. „Es stellt lieber die eigenen Kanäle und Apps in den Vordergrund.“ Da das Nutzer-Erleben aber immer mehr weg von Text hin zu Bewegtbild geht, sinkt so auch der Einfluss deutscher Anbieter – weniger bei Sport und Unterhaltung – ganz erheblich jedoch im Informationsbereich, warnt Leopold.

Thomas Steiger

MB 1/2017

© Matthias Brose, Bitkom