Absolute Zuverlässigkeit

Seit 25 Jahren versorgt Riedel Motorsport-Events weltweit mit Kommunikationssystemen. Dazu gehören auch alle Formel 1-Rennen. Die Wuppertaler unterstützen dabei neben der Motorsport-Spitzenorganisation FIA auch Rundfunksender wie RTL und ORF sowie die meisten F1-Rennställe. MEDIEN BULLETIN besuchte den Grand Prix Italia in Monza und sprach dort unter anderem mit Riedels Motorsport-Chef Dario Rossi.

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Absolute Zuverlässigkeit

Wer sich hinter den Kulissen von Formel 1-Events bewegt trifft an vielen Stellen auf technisches Equipment von Riedel Communications. Der Wuppertaler Anbieter von Kommunikationssystemen und Echtzeit-Netzwerken zur Video-, Audio- und Datenübertragung spielt nicht nur bei der F1-TV-Produktion eine zentrale Rolle sondern auch in der Team-Kommunikation der F1-Rennställe und bei den vielfältigen Informations- und Kommunikationsaktivitäten des F1-Veranstalters FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) zur Organisation, Überwachung und Kontrolle der Rennen. Zum Einsatz kommen hier Funk- und Intercom-Systeme, Glasfaser-Infrastrukturen, Event-IT-Lösungen sowie drahtlose Video- und Audio-Übertragungssysteme. „Deren absolute Zuverlässigkeit ist im Rennsport gerade vor dem Hintergrund sicherheitsrelevanter Fragen enorm wichtig“ betonte Dario Rossi, Head of Motorsport Division von Riedel, beim Besuch von MEDIEN BULLETIN am Autodromo Nazionale von Monza. Pro Saison stehen 19 Rennen bei der Formel 1 auf dem Programm. Der Große Preis von Italien gehört dabei zu den spektakulärsten Events. Seit Gründung der Formel 1 im Jahr 1950 wird er jährlich (mit Ausnahme von 1980) in Monza veranstaltet und ist als Heimstrecke großer Anziehungspunkt der Ferrarista. In diesem Jahr hatten sie indes nicht viel zu feiern. Die Silberpfeile von Mercedes, chauffiert von Lewis Hamilton und Nico Rosberg, hatten die Nase vorn. Auf Grund seiner langen Geraden erlaubt der 1922 eröffnete Hochgeschwindigkeitskurs den heutigen Boliden mit bis zu 370 km/h über die Piste zu brettern. Die internationalen TV-Bilder der F1-Grand-Prix-Rennen produziert als Hostbroadcaster die Formula One Productions (FOP). Sie gehört zur Formula One Management (FOM), einem Tochterunternehmen der Formula One Administration (FOA), die die kommerziellen Vermarktungsrechte einschließlich der Medienrechte an der Formel 1 Weltmeisterschaft des Motorsportweltverbandes FIA hält und über ein Firmengeflecht immer noch von Bernie Ecclestone (84) kontrolliert wird. In 2014 wird ein Gesamtumsatz bei der F1 von knapp zwei Milliarden US-Dollar erwartet. Die Einnahmen aus TV-Werbung und TV-Rechten betragen dabei rund 600 Millionen US-Dollar. Allein der deutsche TV-Sender RTL soll seit 1991 über 1,4 Milliarden US-Dollar (1,1 Milliarden Euro) für F1-Lizenzrechte ausgegeben haben. Neben den TV-Rechten spülen unter anderem die Lizenzgebühren der Grand Prix-Veranstalter in den einzelnen Ländern (600 Mio. US-Dollar pro Jahr) sowie Einnahmen aus Sponsoring, Merchandising, Corporate Hospitality und Streckenwerbung viel Geld in die Kassen.

Das ganze komplexe Formel 1-Räderwerk funktioniert nur, wenn auch die Kommunikation zwischen all den Beteiligten gut klappt. Und hier kommt Riedel ins Spiel. Seit nunmehr 15 Jahren sind die Wuppertaler im F1-Geschäft. Bei jedem der Grand Prix-Rennen ist ein Team von bis zu 20 Riedel-Mitarbeitern dabei. Es errichtet und betreut alle nötigen Kommunikationsinfrastrukturen. Als Standardkommunikationsplattform werden Riedels Artist Intercom Systeme und Tetra-Sprechfunkgeräte von Motorola genutzt. Bei jedem Rennen sind rund 1.500 davon im Einsatz. Alle werden zentral über eine Funk-Basisstation geroutet und gemanagt. Ausgestattet ist sie mit drei Antennen, die meist auf dem Tower den Race Controll, der höchsten Stelle der Rennstrecke, installiert sind. In Monza waren die Antennen wegen der dortigen Topographie auf einem Steiger platziert.

Alle elf Renn-Teams, nach dem möglichen Ausscheiden von Caterham und Marussia künftig wohl nur noch neun, die FOA und die FIA, die ihren Vertrag mit Riedel erst kürzlich wieder auf weitere fünf Jahre verlängert hat, nutzen die gleichen Übertragungswege für Sprache, Video und Daten.

Die FIA und ihre Stewards sind für die Überwachung und Kontrolle (Race Control) aller Übungsrunden, dem Qualifying und dem Rennen selbst zuständig. Dabei kommt ein sogenanntes Closed Circuit Television (CCTV) System zum Einsatz, mit dem die gesamte Rennstrecke und die Boxengasse jederzeit eingesehen werden kann. Die Race Control verfügt außerdem über vielfache weitere Informationen von den Zeitnahme-Daten bis hin zur Geschwindigkeitskontrolle in der Boxengasse. Telefon- und Funkkontakt besteht zudem zu den Marshalls, zum Safety Car, zum Renn-Doktor und zur medizinischen Abteilung. Race Control und Stewards müssen während des Rennens jederzeit in der Lage sein, Regelverstöße der Fahrer durch Zeitstrafen zu ahnden oder bei Unfällen oder anderen Problemen sofort zu reagieren. Um die Sicherheit der Übertragungen zu gewährleisten installiert Riedel an jeder Rennstrecke als Backbone eine eigene acht bis zwölf Kilometer lange Glasfaserleitung, selbst wenn vor Ort bereits Glasfaserleitungen vorhanden sind. „Wenn alles in einer Hand ist kann nicht einer die Schuld auf den anderen schieben, wenn mal etwas schief läuft“, meinte Richard Serschen, Manager Motorsport Solutions bei Riedel.

Bei den Rennteams läuft eine enge Kommunikation zwischen den Fahrern, der Boxen-Crew und einem Team von Ingenieuren in den heimischen Werken der Rennställe. Die Teams arbeiten mit verschiedenen Interkom-Konfigurationen, einschließlich 32, 64 und128 Port Artist Mainframes mit 40 bis 50 Kontrollpanels pro Team. Das sind insgesamt rund 500 Panels. Auch in den Werken sind Artist-Sprechstellen für Talkback installiert.

Während der Renn-Sessions sind die Fahrer permanent im Gespräch mit ihren Boxen-Teams und den Ingenieuren in den Werken. „Die FIA hat die Zahl der Team-Mitglieder vor Ort auf 60 begrenzt. Bei den großen Rennställen sind deshalb zusätzlich bis zu 250 Leute in den Werken an jedem Renntag involviert“, berichtete Rossi.

Die Kommunikation läuft über Riedels Hochleistungsnetzwerk MPLS und RiLink. „Die Delay-Zeit beträgt dabei nur wenige Millisekunden. Die Remote-Arbeit wird dadurch sehr gefördert und macht allen das Leben leichter“, meinte Rossi. „Die Teams in den Werken und in den Boxen vor Ort können direkt reagieren, wenn taktische oder technische Fragen zu klären sind. Sie legen dabei natürlich höchsten Wert darauf, dass Sprechfunk und Datenverkehr von niemandem abgehört oder abgegriffen werden kann. Und dass das, was die Teams untereinander reden, von der FOM nicht in den TV-Übertragungen verwendet wird“, betonte er. Auch die Safety Car- und Renndoktor-Autos kommunizieren mit Riedels Artist über eigene Kanäle. „Wenn es einen Unfall oder andere Probleme auf der Rennstrecke gibt, dann ist die absolute Zuverlässigkeit in der Kommunikation natürlich lebenswichtig“, betonte Rossi. „Die nahtlose Integration von drahtgebundenen und drahtlosen Systemen, die Sicherstellung einer hundertprozentigen Abhörsicherheit sowie die Vernetzung unterschiedlicher Team-Strukturen erfordern langjährige Erfahrung in der Systemplanung und stellen höchste Anforderungen an das verwendete Material“, konstatierte er. Das Riedel Artist Digital Intercom System bilde dafür eine ebenso flexible wie zuverlässige Basis.

Riedel Kommando-Zentrale

Das Herz der ganzen Riedel-Technik bei allen F1-Rennen ist die sogenannte Kommando-Zentrale. Sie wurde laut Rossi unlängst neu aufgebaut. Dazu wurden mehrere Flightcase-Einheiten in ein einziges Flyaway-System integriert. Die Kommando-Zentrale ist eine vollredundante Einheit mit eigenem Generator und Cisco Routern und Servern mit Riedel Software zur Erfassung aller Informationen für die FIA. „Alles ist hier fest installiert und wird von einem Rennen zum anderen als eine Einheit transportiert. Das spart Kosten“, betonte Rossi. Über Riedels Kommando-Zentrale laufen nicht nur die Audio- und Video-Signale der FOA-Kameras, sondern auch die Signale der Onboard-Kameras der Rennwagen, die Funkkommunikation, die Team-Telemetrie und die Signale der jeweils an jeder Rennstrecke fest installierten 22 CCTV-Kameras entlang der Rennstrecke und in der Boxengasse.

„Zu den Car-Informationen zählen nicht die Maschinen-Daten, aber alles was Bremsen, Gang-Wechsel, Boxengasse-Begrenzer, etc. betrifft. Das sind Informationen, die die Renn-Stewards interessieren, wenn zum Beispiel die Gelbe Flagge angezeigt wird“, erklärte Rossi. Die Gelbe Flagge signalisiert, dass Gefahr auf der Strecke und Überholverbot. Wenn ein Fahrer sich nicht an die damit verbundenen Regeln hält müssen die Stewards noch während des Rennens möglichst direkt entscheiden und gegebenenfalls eine Zeitstrafe auszusprechen. Dazu benötigt die FIA sofort alle relevanten Car-Telemetrie Daten.

Laut Rossi ist der Wuppertaler Hersteller ständig bemüht, sein Equipment für die Formel 1 weiter zu optimieren. „Die hier eingesetzten Komponenten sollen noch leichter und widerstandsfähiger gemacht werden. Geplant ist auch eine neue TETRA-Version“, berichtete er in Monza.

Global Fiber Service RiLink

Neben Artist Digital Intercom Systemen und TETRA-Sprechfunk ist Riedels Global Fiber Service RiLink als End-to-End Full-Service-Lösung ein wichtiger Bestandteil des Wuppertaler F1-Engagements.

RiLink wird von den meisten Rennställen (unter anderem vonSauber und Ferrari) ebenso wie von RTL und ORF genutzt. Das System ermöglicht den weltweiten Transport von Live-HD-Videos, Audio und Daten. Die Hauptanwendung von RiLink ist die Übertragung von Live-Rundfunksignalen von entfernten Sendeorten oder Auslandsstudios zum Hauptstudio. RiLink basiert auf Riedels eigenem weltweiten MPLS (Multi Protocol Label Switching) Backbone. „RiLink bietet bi-direktionale Verbindungen zwischen Standorten weltweit und transportiert nicht nur live 3G/HD/SD-SDI Sendesignale, sondern ermöglicht auch Return-Video-Feeds, voll-duplex Kommunikation, VoIP Telefonie oder IP-Daten einzubinden.

Darüber hinaus verfügt RiLink über eine höhere Bandbreite als reguläre Satelliten-Links. Dies führt zu einer deutlich besseren Bildqualität“, erklärte Riedels Motosport-Solutions-Manager Scherchen. Im Gegensatz zu Satellitenverbindungen sei RiLink unabhängig vom Wetter und verfüge über wesentlich kürzere Latenzzeiten. Zahlreiche Redundanzebenen innerhalb des Netzwerks würden zudem maximale Zuverlässigkeit und Dienstgüte (QoS) garantieren.

Da die Kosten für RiLink als Flatrate für den gesamten Einsatz berechnet werden, lassen sich zusätzliche Live-Schaltungen in der Vor- und Nachberichtserstattung ohne zusätzliche Kosten realisieren.

RiLinks garantierte Signalbandbreite lässt sich dynamisch verwalten, so dass sich der Link außerhalb der Live-Übertragung auch für Daten-Transfers mit hoher Bandbreite nutzen lässt, beispielsweise für den Zugang auf digitale Archive. Zu den ersten RiLink-Projekten gehöre die Live-Übertragung der Formel 1 Saison 2011 von RTL.

Kooperation mit RTL

Riedel realisiert seit sechs Jahren für RTL eine bidirektionale Verbindung zwischen den Rennstrecken und der RTL-Sendezentrale in Köln. Darüber hinaus werden von RTL Riedels MediorNet und Artist Plattformen zur Sprachkommunikation und Signal-Erstellung und Distribution eingesetzt. „Wenn es um die Übertragung von Top-Live-Events wie der Formel 1 geht, dann ist eine starke und verlässliche Partnerschaft ein absolutes Muss“, meinte Fritz Behringer, technischer Betriebsleiter der zur RTL Gruppe gehörenden CBC in Köln. „Riedels RiLink ist für unseren Workflow von zentraler Bedeutung. Sobald das Glasfaserkabel mit unserer Produktionseinheit verbunden ist, starten sofort alle Systeme, verbinden sich direkt mit ihren Hosts und starten mit der Sendung von Files und Nachrichten. Riedel verbindet für uns zwei Welten: Broadcast und IT.“

RTL überträgt das internationale Videosignal der Rennen und weitere Signale von seinen ENG Teams vor Ort direkt nach Köln ins Playout Center. Riedels Interkom Artist erlaubt es der RTL-Crew vor Ort, direkt mit der Heimmannschaft in Köln zu kommunizieren und zu kollaborieren. Technischer Dienstleister für RTL/CBC ist WIGE MEDIA. Das Kölner Unternehmen erstellt für RTL bereits seit 1992 das nationale F1-TV-Signal. Stefan Flügge, Produktionsleitung Sport, RTL Television: „Crew und Technik müssen für das Projekt komplexeste Herausforderungen meistern: Beinahe wöchentlich wird das gesamte Setup für bis zu 20 Grand-Prix-Veranstaltungen pro Saison an Orten rund um den Globus auf- und abgebaut. Es muss extremen Transport- und Klima-Bedingungen standhalten, sich vor Ort perfekt und flexibel in den detaillierten Workflow integrieren und dabei den hohen Qualitätsansprüchen des Senders und der Formel 1 entsprechen. Gemeinsam mit WIGE sei es RTL gelungen, ein passgenaues Konzept zu entwickeln, welches diesen technischen, qualitativen und logistischen Anforderungen gewachsen sei. 2009 wurde dazu die klassische Flightcase-Lösung durch den Einsatz von Spezialcontainern abgelöst. Mit der aktuellen „Plug [&] Play“-Lösung werden nicht nur Aufbau und Inbetriebnahme der Technik beschleunigt, sondern auch die Frachtkosten deutlich minimiert. Die Container sind in ihren Abmessungen so konzipiert, dass sie im Frachtraum eines normalen Passagierflugzeugs transportiert werden können. Innerhalb Europas werden sie per Truck an die jeweilige Rennstrecke gebracht.

Sky Deutschland bei der Formel 1

In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden die F1-Rennen auch von Sky Deutschland übertragen. Technischer Produktionsdienstleister des Pay-TV-Anbieters sind dabei PLAZAMEDIA und Subunternehmen MTI Teleport München von Ludwig Schäffler. MTI stellt die komplette Technik mit EVS-Maschinen und Monitoring-Systemen und kümmert sich auch um den Signaltransport. Das PLAZAMEDIA/MTI-Team ist bei Formel 1-Produktionen mit drei Tonnen Material, verpackt in 44 Flighcases unterwegs. Nicht dazu gehört das von der Sky-Redaktion seit der Rennsaison 2013 erfolgreich genutzte Uppercut-Produktionssystem von Reality Check Systems (RCS) aus Kalifornien. Das neue System erlaubt sehr effizientes Arbeiten bei geringem Personaleinsatz.

Das Sky-Team besteht nur aus elf Personen: Neben dem Leiter der Sendung und Ablaufredakteur/Uppercut-Operator gehören vier Techniker, ein EVS-Operator sowie Kommentator, Experte und Paddock-Reporter/in dazu. Die Uppercut-HD-Regie besteht im Wesentlichen aus einem Carbonite Multimedia Switcher von Ross und zwei Grafik-Rendermaschinen von Reality Check. Der Ross Carbonite verfügt über 24 Video-Inputs, wo alle Signale des Hostbroadcasters der Formel 1-Produktion einlaufen, einschließlich der von Sky selbst produzierten Signale. In Monza war Andreas Hüttges als Produktionsleiter von PLAZAMEDIA im Einsatz und Imke Durmke als Redaktionsleiterin.

CAMCAT-Einsatz in der Boxengasse

Neben Riedel arbeiten bei jedem Formel 1-Rennen natürlich auch viele andere technische Dienstleister. Beim Grand Prix in Monza war zum Beispiel CAMCAT-Systems aus Österreich vertreten. Das Unternehmen hatte dort die kleine, leichtgewichtige Seil-Kamera CAMCAT colibri in der Boxengasse im Einsatz. Sie kann bei einer Streckenlänge von bis zu 350 Metern in 4,6 Sekunden von 0 auf 50 km/h beschleunigen und erreicht eine Maximalgeschwindigkeit von 54 km/h (15m/s). „Seit Spielberg konnten wir auch in Silverstone, Hockenheim, Ungarn und Spa je eine Anlage für die FOM installierten. In Budapest kamen sogar die Live Bilder des Starts direkt von der CAMCAT“, berichtete CAMCAT-Chef Alexander Brozek. Darüber hinaus klären wir gerade die technischen Möglichkeiten für weitere F1 Rennen.“

Eckhard Eckstein

MB 8/2014

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