Eine anstrengende Produktion

Als großen Sommer-Fun-Event hat ProSieben vom 20. August bis 3. September die zweite Staffel von „Die Alm“ mit insgesamt 15 Folgen gezeigt. Für die Promi-Nabelschau in den Südtiroler Bergen zeichneten als Produktionsunternehmen blue eyes Television und Red Seven Entertainment verantwortlich. technischer Dienstleister war wie bei der ersten Staffel im Jahr 2004 nobeo.

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Eine anstrengende Produktion

Sieben Jahre lang hatte Alm-Öhi Joseph Huber seine Ruhe vor den Fernsehleuten. Im August des Jahres war es damit vorbei. Die ProSiebenSat1 Media AG schickte wieder mal ein paar aus den Medien leidlich bekannte Menschen auf seine Bergalm im Südtiroler Ahrntal. Die sollten dort dem ProSieben-TV-Publikum zeigen, wie hart das Leben abseits zivilisatorischer Annehmlichkeiten sein kann. Am Ende wurde Mani Ludolf aus der Schrottplatz-Doku „Die Ludolfs“ zum „Almkönig“ gekürt. So einfach die Geschichte klingt, so schwierig war die Umsetzung.

Beteiligt daran waren die Red Seven Entertainment, eine hundertprozentige Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG und die blue eyes Film [&] Television, als Rechte- und Formatinhaber von „Die Alm“. „Das war eine klassische Produktionspartnerschaft bei der wir uns mehr um die logistische Produktionsabwicklung und die Technik gekümmert haben und Red Seven um die inhaltliche Ausgestaltung“, berichtet Franz Gülden, Geschäftsführer von blue eyes Television. Die 1997 gegründete Münchner Firma ist auf Dokutainment-Produktionen spezialisiert (Kabel 1: „Die strengsten Eltern der Welt“, RTL 2: „Autopsie“, BR: „Nachfolger gesucht“, etc.)

Wie schon bei der ersten Staffel von „Die Alm“ im Jahr 2004 war nobeo als technischer Dienstleister engagiert. Das Hürther Unternehmen lieferte die komplette Technik und das aus 40 Personen bestehende Bedienpersonal. Auch Verkabelung und Installation wurden ebenfalls von nobeo erledigt. „Wir haben das gesamte technische Material inklusive dem benötigten Personal als Package komplett von nobeo geliefert bekommen. Ich halte nichts davon, so ein großes Projekt, wo alles reibungslos funktionieren muss, mit mehreren Dienstleistern abzuwickeln. Es gibt keine Schnittstellendiskussionen, wenn alles in einer Hand liegt“, erklärt Gülden.
Die diesjährige Produktion von „Die Alm“ war von der ganzen Portionierung etwa doppelt so groß wie die vor sieben Jahren. „Das gilt für die Zahl der Postproduktions-Suiten ebenso wie für die Zahl der Mitarbeiter. 2004 bestand unser Team aus 85 Leuten. In diesem Jahr waren es 160. Die ganze Logistik war entsprechend intensiver“, meint der blue eyes-Chef. Die Produktionskosten, räumt er auf Nachfrage ein, seien indes nicht doppelt so hoch gewesen.

Technikeinsatz

Alle Räumlichkeiten der Location „Almhütte“ waren mit insgesamt 32 Remote-Kameras vom Typ Sony BRC 300 T mit Schwenk/Neigeköpfen versehen. Dazu kamen drei glasfaserverkabelte Hand-Kameras am Set und vier ENG-Kameras Sony XDCAM HD. Letztere wurden bei den sogenannten Out-of-Area-Drehs, bei Außenaufnahmen weit weg von der Almhütte, genutzt. Rund 150 Meter vom Set befand sich die Remote-Regie. Hier liefen alle Signale der Remote-Kameras wie auch die der kabelgebundenen Hand-Kameras auf. Sie wurden hier zur Vorbereitung der einzelnen Geschichten Redakteuren geloggt und dann auf einem zentralen Server mit 80 TB Speicherkapazität abgelegt. Zugriff darauf hatten über Glasfaserleitung zehn Avid-Media Composer-Schnittsysteme, die in einem rund 400 Meter Luftlinie entfernt liegenden Containerdorf untergebracht waren. In den Avid-Suiten wurden dann die finalen Stücke zur Ausspielung generiert.
Im Containerdorf, das unterhalb der Almhütte in einer Schlucht lag, stand auch ein Ü-Wagen von nobeo, in dem die Senderegie abgewickelt wurde, außerdem ein SNG, der das Sendesignal in die Sendeabwicklung (SAW) von ProSieben nach Unterföhring schickte.

Das Verhältnis der vorproduzierten Stücke, also der MAzen, zu Live-Schalten und Moderation betrug bei der Produktion rund 70 zu 30“, berichtet Gülden. „Je Sendung benötigten wir sechs bis zehn Mazen à zwei bis fünf Minuten, die mit 24 Stunden Vorlauf produziert werden mussten“, sagt er. Zur schnellen und einfachen Lokalisierung des für die Mazen benötigten Bildmaterials wurde das Content Management System TCM² der Kölner beyondSoft GmbH in der Postproduktion eingesetzt.

In dem entsprechenden Workflow wurden serverbasiert Proxies aufgezeichnet. Parallel dazu fand ein sogenanntes Live-Logging statt. Diese Verschlagwortung stand den Vorschnitt-Redakteuren gemeinsam mit den Proxies zur Recherche in dem TCM²-System zur Verfügung, um dort Material für Stories zu finden und in sogenannten Schnittlisten zusammenzufassen, die dann per AAF inklusive aller Logging-Infos an den Schnitt übergeben wurden.

„Sobald die Mazen fertig waren, wurden sie auf den Ü-Wagen gespielt und inklusive der Live-Moderation und den Live-Schalten von der Almhütte über einen SNG nach München in die SAW geschickt“, erklärt Gülden.
Die Postproduktion war mit bewährten Avid Unity- und Adrenaline-Systemen ausgerüstet. Ingesamt wurden 15 Live Sendungen erstellt. Täglich wurden 20 bis 22 Stunden Bildsignale im Server aufgezeichnet.
Der Energiebedarf der gesamten Produktion (für Server, Rechner, Kameras, Schnitt, Regie, Heizung, Klimaanlage bis hin zur Kaffeemaschine) musste komplett mit Hilfe von sechs Generatoren gedeckt werden (4 x 200kVA und 2 x 125kVA).

Für den technischen Aufbau benötigte die Mannschaft 14 Tage, für den Abbau sieben Tage. „Der Bühnenbau war bereits fünf Wochen vorher am Set, die Produktionsleitung sechs Wochen. Eine Woche vor der ersten Sendung haben wir mit den Proben begonnen“, berichtet Gülden. 25 Tonnen Material hat nobeo nach Tirol geschafft und rund 30 Kilometer Kabel verlegt. „Es war nicht einfach den Ü-Wagen auf den Berg zu bekommen. Der Fahrer hat für die letzten drei bis vier Kilometer Wegstrecke sechs Stunden gebraucht. Das war eine große Leistung“, erzählt Gülden. Auch der Transport der insgesamt 30 Container zum Produktionsort war sehr aufwändig. „Im letzten Dorf im Tal vor dem Set gab es einen Sportplatz wo alle größere Dinge entladen werden mussten, um dann mit kleineren Transportfahrzeugen auf den Berg gebracht zu werden. Normale Sattelschlepper hätten es zum Produktionsort hin nicht geschafft“, sagt Gülden.

Bei der Produktion von „Die Alm“ gab es weder Stromausfall noch andere technischen Probleme. „Wir konnten 15 sehr stabile Live-Sendungen abliefern. Aus Produktionssicht war das für uns ein großer Erfolg“, betont Gülden.
Dazu konnte sich die Südtiroler Produktion als Nothelfer in einer für ProSieben prekären Situation betätigen. Im ProSiebenSat.1 Sendezentrum war am 24. August ein Feuer ausgebrochen. Knapp zwei Stunden lang die Sendeabwicklung für „Die Alm“ im nobeo-Ü-Wagen im Ahrntal. „Zu Beginn der Livesendung – wir waren noch nicht in der Werbung drin – kam auf einmal die Nachricht aus Unterföhring: SAW an ‘Die Alm‘[-]– Bei uns brennt es. Ihr müsst jetzt übernehmen. Wir haben alle gedacht, das ist eine Übung und kann nicht lange dauern“, erzählt Gülden. Dann habe man 45 Minuten ohne Werbeunterbrechung gesendet, die Buchung der SNG-Leitung um zwei Stunden verlängert und nach einer Live-Moderation die Wiederholung der Sendung abgefahren. „Erst in der Mitte der Wiederholung konnte dann eine Not-SAW in Unterföhring wieder übernehmen. Durch die Professionalität unserer Regie und Ü-Wagen-Besatzung ist das alles problemlos gelaufen. Trotzdem hat die Aktion bei allen Beteiligten für einen ordentlichen Adrenalin-Schub gesorgt“, erzählt Gülden.

Die besondere Herausforderung bei einer Außenübertragung wie „Die Alm“ sei, dass man keine Logistik und Infrastruktur wie auf einem Studiogelände habe. Gülden: „Allein die Mitarbeiter, die in unserem Fall oft von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts im Einsatz waren – und das in 1800 Meter Höhe, über die gesamte Produktionszeit hoch motiviert zu halten, ist eine Herausforderung. Das war für alle eine sehr anstrengende Produktion, bei der nicht nur die Psyche sondern auch Physis der Menschen gefordert war. Glück hatten wir mit den Wetterbedingungen.“
Ein Kompliment macht der blue eyes-Chef nobeo. „nobeo hat mit einer Supertruppe einen wirklich guten Job gemacht und unser Vertrauen voll bestätigt“, betont er.
Und auch Alm-Öhi Huber kam am Ende auf seine Kosten. Besonders freute er sich über das „Bullireiten“ der Promis. „Oana nachm andern is in den ausglegtn Kuhmist neigflogn“, berichtet er.
Eckhard Eckstein
(MB 10/2011)


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