Näher am finalen Look

Serienproduzent GrundyUFA setzt neuerdings am Set das Farbmanagement- und Preview-Tool FLIP von FilmLight ein. Damit lässt sich bereits am Set der gewünschte Filmlook einstellen. Das spart Zeit und Geld in der Postproduktion. Ein FLIP-Update soll nun auf der NAB 2013 präsentiert werden. MEDIEN BULLETIN sprach darüber mit FilmLight-Gründer und -CEO Wolfgang Lempp.

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Näher am finalen Look

Schon seit vielen Jahren setzt GrundyUFA bei der Farbkorrektur auf das im Postproduktionsmarkt weit verbreitete Colorgrading-System Baselight der britischen Firma FilmLight. Gemeinsam hat man bereits vor fünf Jahren begonnen, eine neue, effizientere Lösung für das Colorgrading bei industriellen Serienproduktionen zu entwickeln. Herausgekommen ist dabei das Farbmanagement- und Preview-System FLIP. Es wurde jetzt von Oskar Kammerer, Look Supervisor und Senior Colorist, der die Looks für die unterschiedlichen Sets am Baselight erstellt, und Jens Tuckiendorf, DoP Supervisor und Visual Consultant, erfolgreich bei den Formaten „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Verbotene Liebe“ eingeführt. Beide Produktionen werden fünf Tage pro Woche gesendet und stellen besondere Herausforderungen an den verfügbaren Produktionszeitraum.

FLIP wurde von FilmLight speziell dafür entwickelt, den Produktionsprozess am Set effizienter und zeitgleich kreativer zu gestalten und diese Vorteile bis zum Finishing weiterzuführen. Der Prozess beginnt beim Coloristen, der eine Auswahl von Looks am Farbkorrektur-System Baselight erstellt, welche als BLG Files (Baselight Grade Files) im Open EXR Format in den FLIP geladen werden und alle Grading-Metadaten für jeden einzelnen Look enthalten.

Am Set kann dann am FLIP der gewünschte Look ausgewählt und auf das HD-SDI Live-Signal der Kamera angewendet werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mit den Baselight-Grading-Tools im FLIP die einzelnen Grading-Parameter nach zu justieren und sicherzustellen, dass die Lichtsetzung und die Kameraeinstellungen perfekt passen. Der gesetzte Look wird anschließend mit dem relevanten Shot geloggt und dem Coloristen via Metadaten – wiederum im gleichen Open EXR Format – übergeben. „Es ist dann ein Kinderspiel, diese BLG-Look-Files in die Baselight-Timeline zu laden, in welcher die Gradings automatisch mit dem RAW-Kameramaterial verknüpft werden. Wenn wir mit Referenz-Looks beginnen, die so nah wie möglich am finalen Look liegen, sparen wir enorm viel Zeit und erhalten gleichzeitig eine höhere Qualität der Produktion. Es ist deshalb ein großer Vorteil, wenn jede Szene bereits am Set mit dem finalen Look nach der Farbkorrektur zu sehen ist“, erklärt FilmLight-Gründer und -CEO Wolfgang Lempp gegenüber MEDIEN BULLETIN. Der Licht setzende Kameramann sei mit Hilfe des FLIP-Systems in der Lage, sehr schnell einzuschätzen, ob Licht- und Kameraeinstellungen korrekt seien, was kostspielige Verzögerungen und die Zeit zum Einleuchten von Set zu Set minimiere. „Zusätzlich ist das Videomaterial, das in die Postproduktion geliefert wird, ausgeglichener und näher am finalen Look, was wiederum den Coloristen mehr Freiheit ermöglicht, sich kreativen Bereicherungen und weiteren ästhetischen Elementen zu widmen“, betont Lempp.

Davon profitieren auch die GrundyUFA-Produktionen mit ihren jeweils individuellen Looks. Um dieses einheitliche Erscheinungsbild zu gewährleisten, wird die Beleuchtung der verschiedenen Sets auch dort ständig neujustiert und angepasst und bedarf einer aufwendigen Postproduktion. Da allein das Daily Drama „Verbotene Liebe“ über mehr als 50 Sets verfügt, erwies sich dieser Vorgang als sehr zeitintensiv. Dies betraf auch die Postproduktion im Prozess der Lookgestaltung, da die Herstellung der Looks am Set ungenau war und die Coloristen viel Zeit und Mühe investieren mussten, um die inkonsistenten Shots anzupassen, sowohl innerhalb einer Szene als auch bei den Übergängen von Set zu Set, so dass nur wenig Zeit für mehr kreatives Fine-Tuning blieb.

„In der Vergangenheit war es eine große Herausforderung, einen konsistenten Look zu generieren. Von Woche zu Woche mussten wir mit einer großen Bandbreite von unterschiedlichem RAW-Material arbeiten”, sagt Kammerer. „Es hat viel Zeit am Set und in der Postproduktion gekostet. Jeder DoP, der in der Produktion arbeitet, bringt eigene Ideen bezüglich der Lichtsetzung ein, und dabei kam es oft zu Konflikten mit dem Ziel, einen bestimmten Look für unser Produkt zu gestalten“, erklärt Kammerer. Nun seien die Looks der einzelnen Serien vorab definiert und festgelegt worden und könnten mit FLIP direkt an die Set-Kamera übertragen werden. „GrundyUFA wollte ursprünglich eine spezielle Ausführung von Baselight haben, die auch am Set benutzt werden kann. Das konnten wir damals aber nicht ohne weiteres liefern. Stattdessen haben wir das existierende Produkt Baselight mit einer Preview-Möglichkeit ausgestattet, die sehr einfach in ihrer Funktion war und die GrundyUFA in seinen Workflow einbauen konnte“, berichtete FilmLight-CEO Lempp. Das System sei dann über die Jahre immer ein Stück weiter entwickelt worden. „Die Entscheidung, FLIP zu entwickeln, ist eigentlich in der Form erst vor zwei Jahren gefallen, und wir haben es dann bei der NAB vorgestellt und im letzten Jahr bei GrundyUFA in der Praxis ausprobiert und weiter entwickelt. Wir arbeiten mit GrundyUFA sehr gerne zusammen, weil man bei diesem Unternehmen auch die gleiche Vision wie bei FilmLight hat“, betont er.

Nachdem FLIP vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt worden sei, hätten verschiedene Firmen weltweit großes Interesse daran gezeigt und Vorschläge für weitere Verbesserungen gemacht. Lempp: „Wir haben uns das alles zu Herzen genommen und werden jetzt auf der NAB 2013 ein Update vorstellen, das sehr viel weiter entwickelt wurde.“ Die von GrundyUFA eingesetzte Version sei letztlich eine Art Produktionsprototyp gewesen. „Wir haben das System nun etwas verkleinert und die Software hat sehr viel an Funktionen dazu gewonnen.“ Möglich ist jetzt auch, die Grading-Informationen beziehungsweise die Daten und Instruktionen der Farbkorrektur über entsprechende Plug-ins nicht nur mit Baselight sondern auch mit anderen Systemen austauschbar zu machen. Auch dabei hilft das EXR File-Format.

„Natürlich ist die gesamte Funktionalität von Baselight nicht so leicht portierbar. Aber viele Anwender sind damit zufrieden, einen Global Look einzusetzen, der in der Form von einem dreidimensionalen Lookup-Table dargestellt werden kann. Und als solches ist es ein Format, das alle anderen Systeme und Geräte interpretieren und lesen können.“ So gesehen könne ein Großteil der Farbkorrektur-Systeme mit FLIP portabel gemacht werden wenn auch nicht mit der vollen Funktionalität, die Baselight biete. „Das Open IXR-Format bedient nur einen Teil der Metadaten, die wir austauschen. Wir nennen die Baselight Grade Files – BLG. Dazu gibt es noch weitere Metadaten. Die müssen natürlich auch in unsere Software Plattformen integriert sein. Daran haben wir im letzten Jahr sehr viel gearbeitet“, berichtet Lempp.

Der Workflow mit dem FLIP-System bietet nach Angaben des FlilmLight-Chefs zahlreiche weitere Vorteile. „Fehler, die während dem Dreh gemacht werden, können oft nur sehr schwer und aufwendig korrigiert werden. Je größer die Kontrolle bei den Aufnahmen am Set ist, desto weniger Fehler passieren. Und dadurch lässt sich viel Geld einsparen“, betont er. Heute würde meist noch mit einer „absurden Menge“ an Material gearbeitet. Lempp: „Wenn man 40 mal so viel Material dreht, wie man eigentlich braucht, macht man sich sehr viel unnötige Arbeit und verschwendet eine Menge Zeit. Das lässt sich vermeiden, wenn man am Set disziplinierter arbeitet. Wichtig dabei ist, dass alle Mitarbeiter, die an einem Projekt arbeiten, ihre Fähigkeiten nicht nur im kreativen, sondern auch im organisatorischen Bereich einbringen müssen. Die Workflows in der Produktion verändern sich dadurch sehr und werden deutlich effizienter. Alle müssen lernen, damit erst umzugehen.“ Der Veränderungsprozess in der Filmproduktion sei vergleichbar mit dem bei der Einführung von Desktop Publishing. Hätte das Verfahren nicht die Arbeit erleichtert, dann würde es auch heute niemand nutzen.

„Wir sparen effektiv Zeit und erzielen einen durchgängig höheren Production Value“, bestätigt auch GrundyUFAs Senior Colorist Kammerer. „Gerade für eine Serie wie „Verbotene Liebe“, die an bis zu 50 unterschiedlichen Drehorten entsteht, ist der Zeitgewinn beträchtlich, da durch die Presetting-Möglichkeit der Software die Kamera- und Lichteinstellungen leichter zu handhaben sind“, sagt er.

Hinterher, in der Postproduktion, sei es bei dieser Vielzahl an unterschiedlichen Drehorten fast unmöglich, einen nahezu durchgängig gleichförmigen Look aus dem Material zu erzeugen. Durch den Einsatz der FLIP-Software am Set erhalte die Post gleichmäßigeres Material in die Pipeline, das zudem dem endgültigen Look schon sehr nahe komme. Kammerer: „Die Coloristen können sich dadurch auf reine Ausbesserungen und ästhetische Korrekturen konzentrieren.“

Durch die On-Set-Previsualisierung würden sich auch Ausstattungselemente wie Make-up, Kostüme und Setdetails kritisch betrachten. „Wir gewinnen dadurch mehr Handlungsspielraum, schnell und direkt beim Dreh noch einzugreifen und Details zu verändern“, meint DoP-Supervisor Tuckiendorf.

Ästhetisch gesehen gibt es große Unterschiede zwischen den zwei GrundyUFA-Serien, die mit FLIP arbeiten. „Verbotene Liebe“ wird mit Arri Alexa Kameras in der Art eines Prime-Time-Dramas gedreht. „Durch den 35mm-Chip entsteht ein filmischer Look. Zusätzlich arbeiten wir mit großen Linsen, und die Show hat einen glamourösen, glossy Look” sagt Kammerer.

„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ im Gegensatz dazu besitzt einen eher realistischen, dokumentarischen Look. „Hier nutzen wir Panasonic Studio Kameras und der Look ist eher entsättigt. Das Set sind die Straßen von Berlin und ihre mitreißende, faszinierende Umgebung und der Look unterstreicht ein reelles, modernes und schnelllebiges Leben“, meint Kammerer. FLIP ermögliche beide Varianten, sowohl den glamourösen, filmischen Look von „Verbotene Liebe“, als auch den realistischen Look von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zu erstellen. Kammerer: „FLIP schafft eine Brücke zwischen Produktion und Postproduktion, die früher eher eigenständig gearbeitet haben. Unsere Coloristen kommunizieren mit den Kamera-Crews über Look und Lichtgestaltung und FLIP stellt die Basis für diese Gespräche dar. So werden wir Woche für Woche besser und kommen immer näher an den finalen Look heran.”

Eckhard Eckstein
(MB 04/13)

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