Sensibles Terrain

TV Skyline war in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge exklusiver TV-Produktionspartner der Bayreuther Festspiele. Der Mainzer TV-Dienstleister bediente die TV-Sender arte/ZDF und NHK (Japan) mit Live-Bildern von Wagners Lohengrin. Dazu organisierte er das Internet-Streaming, das Public Viewing für rund 30.000 Wagner-Fans, die Aufzeichnung einer Kinder-Oper und die Produktion von DVDs/Blu-rays zum Event.

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Sensibles Terrain

Alljährlich öffnet für vier Wochen das wohl berühmteste Opernhaus der Welt auf dem sogenannten „Grünen Hügel“ in Bayreuth seine Pforten. Es ist Pilgerstätte für Wagner-Fans aus aller Welt. Viele warten bis zu zehn Jahre auf eine Eintrittskarte. Seitdem Katharina Wagner die Festspielleitung übernommen hat, öffnet sich das Event stärker dem breiten Publikum. Das äußert sich vor allem in den Public Viewings auf dem Bayreuther Festplatz.

Aber auch TV-Übertragungen, Internet-Streamings und DVD-Veröffentlichungen gehören heute zum Geschäft der Bayreuther Festspiele Medien GmbH (BF Medien). Zum vierten Mal in Folge hat sie den Mainzer Produktionsdienstleister TV Skyline mit der TV-technischen Aufbereitung der Wagner-Festspiele beauftragt. In diesem Jahr stand Lohengrin auf dem TV-Programm (2010 Walküre, 2009 Tristan und Isolde, 2008 Meistersinger von Nürnberg).

Die technische Gesamtplanung und Umsetzung erledigte TV Skyline gemeinsam mit TMT. Das ITK-Unternehmen betreibt ein Glasfasernetz in Bayreuth, über das auch die Audio- und Videosignale zwischen Festspielhaus und dem fünf Kilometer entfernten Festspielplatz, auf dem das Public Viewing stattfand, transportiert wurden. Außerdem ist TMT als Medienproduktionsgesellschaft tätig, organisiert als solche die Einspielfilme zur Festival-TV-Übertragung und agiert als medientechnischer Berater der BF Medien.

TV Skyline wiederum operiert in Bayreuth als eine Art Hostbroadcaster. Als solcher produzierte man in diesem Jahr unter anderem das Live-Feed der Lohengrin-Aufführung und eine Kinder-Oper, unterstützte arte/ZDF und NHK aus Japan bei der Festspiel-Produktion, sorgte für Audio und Video beim Public Viewing auf dem Bayreuther Festplatz und erledigte die DVD- und Bluray-Disk-Produktion vom Event.

Bereits im März des Jahres startete TV Skyline mit der fernsehtechnischen Planung der Bayreuther Festspiele. Erster Einsatz war zur Hauptprobe am 9. Juli, ohne Publikum, nur mit Orchester und den Darstellern in Kostümen. Hierbei wurde ein Supertechno-Teleskop-Kran im Zuschauerraum aufgestellt, um zusätzliches Material für die DVD-Produktion zu generieren. Die am 22. Juli folgende Generalprobe wurde mit zwölf Kameras produziert, darunter neun Remote-Kameras, zwei bemannte Kameras mit 86-fach Optik und eine kleine Chip-Kamera. Auch die Aufzeichnung der Generalprobe diente ausschließlich der DVD-Produktion. Die Signale aller zwölf Kameras wurden dabei in ProRes HD mit 185 Mbit/s live auf Festplatte encodiert, um sie möglichst schnell in der Postproduktion weiter verarbeiten zu können. In der Postproduktion kooperiert TV-Skyline mit der Kölner Firma The Editors.

Lohengrin-Produktion 2011

Die Lohengrin-Aufführung mit Live-Produktion für das Fernsehen und Public Viewing in Bayreuth fand am 14. August statt. TV Skyline war dazu mit 70 Mitarbeitern fast drei Tage rund um die Uhr im Einsatz. Technikaufbau und Produktion waren nicht einfach. „Wir bewegen uns hier auf sehr sensiblem Terrain. Zahlreiche und genaue Absprachen mit den technischen Verantwortlichen des Opernhauses, mit Dirigenten und Künstlern sind notwendig“, meint TV Skyline Geschäftsführer Robert Kis. „Musiker und Künstler dürfen durch die Technik und das Produktionspersonal nicht behindert oder abgelenkt werden. Nötig ist ein ‚unsichtbarer’ Aufbau während des laufenden Betriebes der Festspiele und eine weitgehend ‚unsichtbare’ Produktion. Das Opernhaus an sich ist eine eigene Produktionswelt. Aber Bayreuth ist noch mal ganz anders“, erklärt Kis.

Die Live-Produktion am Veranstaltungstag dauerte ganze zwölf Stunden. Zum Einsatz kamen dabei fünf Regien. Die Hauptregie befand sich im Ü5 HD von TV Skyline auf dem „Grünen Hügel“. Dazu wurde die feste Subregie im Ü5-HD-Rüstwagen genutzt sowie die Regien von zwei beigestellten Subregie-Fahrzeugen. Die fünfte Regie schließlich war im Ü2 von TV Skyline untergebracht, der am Bayreuther Festplatz stand. Die fünfstündige Lohengrin-Aufführung wurde mit zehn HD-Remote-Kameras im Saal produziert. Der Ton wurde in Dolby Digital 5.1 mit Nuendo 5 von Steinberg aufgezeichnet. Auf dem Mehrspurrecorder lagen 60 Audiokanälen auf. Allerdings: TV-Sender arte ist erst im erst im Frühling 2012 soweit mit 5.1 Mehrkanalton zu arbeiten.

Er bekam von TV Skyline deshalb nur einen Stereo-Ton geliefert. „Parallel zur Stereo- und Dolby 5.1-Mischung haben wir auch noch eine Dolby Prologic-Mischung generiert. Das Signal kann man in das Stereosignal hinein encodieren. Jeder Stereo-Empfänger mit integrierten DolbyPrologic Decoder kann dann trotzdem Surround-Sound abspielen. Da fehlt dann nur der LFE-Kanal .1“, erklärt TV Skyline-Geschäftsführer Wolfgang Reeh (LFE = Low Frequency Effect, Anm. d. Red.).

Als Tonpulte kam im Haupt-Ü-Wagen Ü5 HD ein Lawo MC2 66 von Lawo zum Einsatz, darüber hinaus drei DM 1000 von Yamaha. „Das Internet-Audiosignal lief mit über den Lawo Mischer“, sagt Reeh. Drei Tonmeister waren im Einsatz: Peter Rafailov aus Wiesbaden als Audio-Superviser, Tonmeister Peter Hecker, Berlin, und Askan Siegfried, Cheftonmeister vom NDR.

Insgesamt hatte TV Skyline 21 HD-Kameras, darunter 15 Remote-Kameras, am Start. Dabei handelte es sich um Sonys HDC 1500 sowie um die HD-Mehrzweck-Kameras Panasonics AK-HC1500G und Sonys HDC-P1. Dazu wurden sieben SportCams, TV Skyline eigene Produkte, sowie MicroPlus und Minimote Remote-Köpfe von Bob Nettman genutzt. Eine spannende Perspektive bot unter anderem eine im Souffleusenkasten direkt auf der Bühne eingesetzte Kamera. „Auf Wunsch von Regisseurs Michael Beyer wurde zudem eine Remote-Kamera in zehn Meter Höhe unter dem Dach über der Bühne installiert“, berichtet Reeh. Eine Kamera war zudem in der Orchester-Muschel permanent auf den Dirigenten gerichtet.

Die Live-Signale wurde mit deutschem Untertitel auf die Public Viewing Großleinwand auf dem Bayreuther Festplatz übertragen. Das Live-Streaming ins Internet erfolgte mit deutschem und englischem Untertitel. Zur Live-Produktion wurden mit dem eigenem Ü-Wagen auf dem Festplatz Vorlauf, Interviews, Clips, Highlights, Pausenprogramm und Nachlauf produziert. arte und NHK setzten die Lohengrin-Übertragung mit von TV Skyline bereit gestellten Regien und Kommentatorenpositionen um. arte nutzte eine HD-Produktionseinheit mit drei zusätzlichen Kameras und zwei Open-Air-Studios am „Grünen Hügel“.

NHK arbeitete mit fünf zusätzlichen Kameras (1x Remote am Festplatz, 4x Remote am am Opernhaus für die verschiedenen Studiopositionen), einer Handkamera und einen Operator für alle Remote Kameras. Über Glasfaserleitung war die NHK-Subregie mit einer SportCam Remote-Kamera und einer Sony HDC 1500 auf dem Festplatz verbunden. „Über sechs Kilometer Glasfaserleitungen hatte NHK vollen Zugriff auf diese Kameras als wenn sie um die Ecke wären“, sagt Reeh. Für NHK hatte TV Skyline zudem auf dem „Grünen Hügel“ und dem Festplatz extra Surround-Mikros aufgestellt. NHK war mit 15 Mitarbeitern vor Ort. Der Sender hatte auch einen eigenen Toningenieur mitgebracht, der in der Subregie die 5.1-Mischung selbst erledigte.

Zwischen Opernhaus und Public Viewing-Platz nutze TV Skyline insgesamt zwölf unterschiedliche Glasfaser-Sendeleitungen. „Die waren auch nötig für die Surround-Beschallung auf dem Platz plus Redundanz“, erklärt Reeh. Als weitere Redundanz für die Haupsendeleitung stand zudem ein SNG zur Verfügung. Insgesamt waren drei SNGs in Bayreuth für die Satellitenübertragung zuständig.

TV Skyline sorgte auch für die DVD-Produktion der Kinderoper „Der Ring der Nibelungen“ auf der Probebühne. Eingesetzt wurde dabei TV Skylines Ü1 HD mit vier Kameras. Auch in Zukunft wird der Mainzer Produktionsdienstleister die Opern-Kunst vom Grünen Hügel TV-technisch begleiten. „Wir pflegen eine langfristig angelegte Kooperation mit BF Medien. Bereits heute reden wir schon über die Produktion von Parsival im nächsten Jahr und über den 2013 neu inszenierten kompletten Ring“, berichtet Geschäftsführer Kis.
Eckhard Eckstein
(MB 09/11)

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