In Ferropolis trifft die Klangkulisse moderner Rap-Acts auf rostige Industriegeschichte. Das Splash Festival bringt nicht nur die Stars der Hip-Hop-Szene auf die Bühne, sondern fordert auch die Produktionscrew heraus: TVN übernimmt die technische Umsetzung des Splash Festivals im Auftrag von Live Nation, die wiederum für Magenta Music die Festival-Inszenierung verantwortet – mit einem Setup, das an eine Bundesliga-Produktion erinnert, nur mit mehr Sand, Stahl und pulsierender Lichtinszenierung.
Burkhard Hinte, Produktionsingenieur bei TVN, kennt das Gelände seit Jahren. „Ich war 2011 zum ersten Mal beim Splash. Die Umgebung ist einzigartig, aber auch anspruchsvoll. Deshalb planen wir frühzeitig mit Vorbesichtigungen“, sagt er. Dieses Jahr steht der Ü-Wagen Ü6 direkt neben einem der imposanten Kräne – auf festem Untergrund und mit kurzen Kabelwegen. „Wir stehen auf Stahl, nicht auf matschiger Wiese. Das macht einen großen Unterschied“, betont Hinte.
Drei Regien, zwei Bühnen, ein Festivalstream
Die Telekom Main Stage und die Beach Stage bilden das Zentrum der TV-Produktion. Beide bespielt TVN in HD und überträgt sie live. Zusätzlich läuft die Sendungsproduktion für Magenta Music parallel. „Pro Bühne eine Regie, dazu eine dritte für das Programm – das heißt: drei voll ausgestattete Einheiten“, erklärt Hinte. Regie Red verantwortet die Magenta-Sendung, Regie Blue betreut die Hauptbühne. Für die Beach Stage hat das Team eine kleinere Green-Regie im Rüstwagen eingerichtet.
Rund 30 TVN-Mitarbeiter betreuen dauerhaft die Produktion, acht weitere unterstützen Auf- und Abbau. Inklusive Redaktion, Kameraleuten und Kabelhilfen kommen ca. 40 weitere Personen zum Einsatz – ergänzt durch Kolleginnen und Kollegen von Magenta und anderen Dienstleistern.
Broadcast-Technik im Festivalmodus
TVN kombiniert in der Produktion klassische Broadcast-Kameras mit Spezialoptiken und cineastischen Setups. Auf der Hauptbühne fangen zwei Sony HDC-5500 mit Canon-Optiken (95-fach und 122-fach) die Künstler auf der Höhe des FOH ein. Eine Cruise-Cam auf einem gekrümmten PMT-Schienensystem liefert bewegte Bilder aus dem Wellenbrecher. Ein Kamerakran mit langem Ausleger zeigt das Geschehen aus der Vogelperspektive.
Für einen besonderen Look sorgt unter anderem eine Sony FX6 im Gimbal direkt auf der Bühne. Die Kamera bringt mit ihrem Vollformatsensor cineastische Tiefe ins Bild. Eine weitere HDC-5500V, die mit variablem ND-Filter arbeitet, ergänzt das Setup. „Wir fahren mit offener Blende und steuern die Helligkeit über den Filter. So erreichen wir geringe Tiefenschärfe trotz klassischer Broadcasttechnik“, sagt Hinte.
Zwei Panasonic PTZ-Kameras (UE150), eine Super-Totalen-Kamera und eine Drohne erweitern das Kameranetz auf zehn Positionen. Die Drohne startet von der Beach Stage, um gesetzeskonform außerhalb des Publikums zu fliegen. Die beiden PTZ-Kameras auf der Hauptbühne decken unterschiedliche Perspektiven ab: Eine steht untersichtig auf einem Bodenshot an der Bühnenkante, um Bewegungen auf dem Steg einzufangen. Die zweite wird je nach Setup flexibel auf einem Stativ positioniert – etwa am DJ-Pult, an den Drums oder in der Nähe von Keyboards.
Flexible Kameraarbeit und zuverlässige Moderationstechnik
Die Beach Stage deckt TVN mit sieben Kameras ab: Zwei Handkameras auf der Bühne, zwei lange Optiken im FOH, eine PTZ sowie eine Dolly-Kamera auf einem manuell bewegten Schienensystem erzeugen dynamische Bilder. „Das ist quasi eine manuelle Cruise-Cam: Die Person steht dahinter, bewegt den Dolly selbst und bringt so eine Führung ins Bild“, erläutert Hinte. Trotz des sandigen Untergrunds funktioniert die Arbeit reibungslos.
Für die Moderation nutzt das Team eine drahtlose Sony FX6 mit Schulterrig. Vislink-MESH-Systeme sorgen für stabile Funkstrecken, unterstützt von mehreren Antennen an der Bühne, an der Moderationsplattform und auf einem der Kräne. Sollte an einzelnen Positionen keine stabile Funkverbindung bestehen, kann die Moderation auch lokal in der Kamera aufgezeichnet und später zugespielt werden.
Audio über Remote, Kommunikation per Bolero
Den Musikton mischt Remote Recording unter Leitung von Peter Brandt. Das Team übergibt TVN eine fertige Summe aus FOH-Signalen beider Bühnen. Parallel nimmt TVN die Ausspielungen zusätzlich über eigene Stageboxen auf. Das schafft Redundanz. Die finale Mischung für die Magenta-Sendung und TikTok erfolgt im Ü6, ergänzt um eigene Atmos und Moderationen.
Die Kommunikation innerhalb der Crew läuft über ein Riedel-Bolero-System. In der lauten Festivalumgebung sorgt das für saubere Verständigung zwischen Technik, Kamera und Redaktion. „Wenn nachts der Bass alles wackeln lässt, muss die Technik trotzdem durchhalten“, sagt Hinte.
Plattformgerecht produziert
TVN produziert parallel zwei verschiedene Signalformate: einen klassischen 16:9-HD-Stream für die Magenta-Plattform und einen vertikalen 9:16-Stream für TikTok. Die Glasfaserstrecken samt Nimbra-Infrastruktur für die Kontribution der Hauptsignale liefert MTI.
Für die TikTok-Ausspielung kommt ein separater Haivision-Encoder zum Einsatz, der von der IT-Abteilung von TVN administriert wird. Das vertikale Format ist dabei kein reines Reformatting, sondern wird von Beginn an bei der Kameraführung mitgedacht: Die Kameraleute erhalten auf ihren Suchern oder Monitoren eingeblendete Hilfslinien, die den zentralen Bildbereich markieren, aus dem der 9:16-Ausschnitt erzeugt wird.
„Unsere Regisseure Sven Offen und Hans-Christian Vetchy framen bewusst so, dass das Bild sowohl in 16:9 als auch in 9:16 funktioniert“, erläutert Hinte. Die Redaktion kann dadurch sicherstellen, dass der Event-Charakter und die Protagonisten auf beiden Plattformen gleichwertig zur Geltung kommen.
Zusätzlich liefert TVN ein substituiertes Programmsignal an die LED-Walls der Bühnen. Das verhindert Dopplungen und ermöglicht kreative Weiterverarbeitung durch VJs oder externe Dienstleister. „Viele Artists bringen ihre eigenen Visual Artists mit“, berichtet Hinte. „Die bekommen zusätzlich eine Close-up-Kamera, um den Hauptact gezielt inszenieren zu können.“
Kontrastprogramm zum Sport
Festivalproduktionen unterscheiden sich deutlich von Fußballübertragungen. Aufbau bei 36 Grad, einsetzendes Gewitter, danach 10 Stunden Sendebetrieb – und das über mehrere Tage. „Aber dafür entstehen Bilder, die bleiben“, meint Hinte. TVN plant gezielt mit wechselnden Teams, um auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Sportbereich neue Impulse zu geben. Ein Ort wie Ferropolis, mit seinen Kränen und der markanten Szenerie, verstärkt diesen Effekt. Wenn sich abends das Licht in den Stahlkonstruktionen bricht und die Kamera durch Nebel, Rauch und Backlight fährt, entsteht ein audiovisuelles Erlebnis, das über die reine Dokumentation hinausgeht – live übertragen von TVN.