Was hat Sie besonders daran gereizt, den Vorstandsposten bei der ARRI AG zu übernehmen?
Ich war fast 20 Jahre lang in einem Industriebereich mit Schwerpunkt physikalische Chemie tätig. Nach so langer Zeit gerät man ganz automatisch in eine Situation, in der man meint, schon alles zu kennen und zu können. Man verlässt sich gern auf seine langjährige Erfahrung und muss bei vielen Dingen nicht mehr lange nachdenken. Ehrlich gesagt, man neigt dazu, eher selbstherrlich zu agieren.
Sie haben deshalb eine neue Herausforderung gesucht?
Nein. Neue Herausforderungen gab es auch in meiner bisherigen Tätigkeit bei VARTA. Ein Beispiel dafür: Apple-CEO Steve Jobs wollte von uns die leichteste antimagnetische Batterie aus Kunststoff haben. Wir wussten nicht, was das bedeutet und haben erst nicht geglaubt, dass so etwas überhaupt machbar ist. Vier Jahre später hatten wir das Produkt.
Was war dann der Grund für den Wechsel?
Wenn man über seine weitere Lebensplanung nachdenkt, kommt man, wie gesagt, leicht zu dem Punkt, an dem man sagt, in diesem Bereich kann ich schon alles. Dann gibt es aber auch immer die Überlegung, Dinge zu machen, die einen ganz besonders interessieren. Und das ist für mich die Chiptechnologie. Ein Chip ist für mich ein Wunderwerk. Er funktioniert wie eine winzige Fabrik. In Sachen Chiptechnik habe ich zwar keine dezidierte Grundausbildung, aber im Laufe der Jahre doch einiges an Erfahrungen sammeln können. So habe ich schon vor 15 Jahren einen Chip in eine Batterie einbauen lassen, um bestimmte Prozesse kontrollieren und betrachten zu können. Chiptechnik war für mich bislang eine Art Hobby. Studiert habe ich ja ursprünglich physikalische Chemie. Früh habe ich mich aber auch für die Spektroskopie interessiert. Die Lasertechnik wurde vor 22 Jahren erstmals genutzt, um Metallspuren im Edelstahl zu bestimmen. Niemand glaubte zunächst, dass das überhaupt klappt. Ich habe dann ein extrem genaues Spektroskop-System entwickelt. Die Funktionsweise war eigentlich nicht viel anders als bei einer Optik, wie man sie beim Scanner oder im Fotobereich kennt. Während meiner Magisterzeit in Frankreich habe ich also gelernt, nach physikalischen optischen Gesetzen zu arbeiten, wie sie genauso für Kameras gelten.
Und was bedeutet das nun für Ihr ARRI-Engagement?
Mich reizt es, durchgehend digitale Workflows bei ARRI zu realisieren – von der digitalen Akquisition über die Postproduktion bis hin zur Projektion in den Kinos. Heute ist die digitale Prozesskette ja noch x-mal unterbrochen. Ich stelle mir vor, ein natürliches Bild so zu digitalisieren und dreidimensional darzustellen, dass es der Endverbraucher als absolut realistisch wahrnimmt. Das kann man durch den Einsatz besonderer Chip-Technologie erreichen. Die will ich hier bei ARRI entwickeln. Und das ist letztlich auch ein Grund, warum ich zu diesem Unternehmen gewechselt bin.
Wann soll der neue Chip für den durchgehend digitalen Workflow einsatzbereit sein?
Ich schätze, dass wir in etwa vier bis fünf Jahren im High-End-Filmbereich komplett verkettete digitale Prozesse anbieten können. ARRI hat hier punktuell bereits einiges an Vorarbeit geleistet. In den nächsten zwölf bis 16 Monaten wird aber auf jeden Fall schon eine neue digitale 4K-Kamera von ARRI auf den Markt kommen. Im gleichen Zeitraum werden wir auch die Verarbeitungssoftware unserer Scanner auf höhere Geschwindigkeit trimmen. Natürlich werden wir keinen 4K-Projektor anbieten. Dafür gibt es andere Spezialisten wie Sony. Bis zum Projektor – einschließlich der zum Einsatz kommenden Software auch für 3D-Bild – werden wir anbieten. Dazu gehören auch Nebenfunktionen wie die Lichttechnik. Auch sie ist eine wichtige Voraussetzung.
Was soll der neue Chip können?
Jeder Chip in der Prozesskette wird nicht die gleichen Funktionen haben. Wir arbeiten beispielsweise an einem Chip für eine digitale Ein-Chip-Kamera. Wir werden also nicht für jede Grundfarbe einen eigenen Chip einsetzen, sondern nur einen für alle. Wichtig bei der Chip-Entwicklung ist auch, dass wir die riesige Datenflut, die bei den digitalen Aufzeichnungen entsteht, handeln und elektronisch speichern können. Dann wollen wir sicherstellen, dass die Visibilität beziehungsweise die Bildqualität besser ist als bei analoger Kameratechnik.
Setzen Sie bei den Entwicklungsarbeiten auf die Digitalkamera D20 von ARRI auf oder gehen Sie einen ganz neuen Weg?
Die D20 hat uns geholfen, bestimmte Prozesse besser kennen zu lernen. In ihr steckt viel Entwicklungsarbeit. Wir werden aber schon zur NAB 2008 in Las Vegas mit der D21 eine neue Kamera vorstellen. Auf dieser Serie aufbauend werden später sicher auch noch andere Kameras entstehen. In den nächsten zwölf bis 16 Monaten werden wir jedenfalls die beste digitale Kamera der Welt auf den Markt bringen. Die wird dann nicht nur für bestimmte Aufnahmesituationen geeignet sein, sondern alle meistern können und natürlich auch alle Vorteile der digitalen Technik integrieren.
Die D20 ist im Hochpreis-Segment angesiedelt. Konkurrenten wie RED ONE bieten sehr viel günstigere Produkte an. Wie reagieren Sie darauf?
Wir nehmen unsere Wettbewerber alle sehr ernst. Nur so können wir uns darstellen. Natürlich gibt es immer Risiken, die entweder vom Markt oder von neuen Applikationen herrühren. Wenn wir über Film sprechen, werden sich unsere Anstrengungen in Sachen Kreativität und Innovation nicht verringern. Jeden Tag kommen schließlich neue Kameramänner, die experimentieren und ihre Kreativität auszuleben wollen.
Wird ARRI im Kamerabereich weiter ausschließlich den Hochpreis-Bereich bedienen oder sind auch Low-Cost-Modelle geplant?
Der Marktbedarf an High-Quality-Kameras ist unbestritten vorhanden. Es ist nur die Frage, wie groß ist diese Spitze, reicht sie, um ausreichend davon partizipieren zu können. Der Spitzenbereich ist eigentlich die absolute ARRI-Domaine und das soll auch weiterhin so bleiben. Wir möchten den Markt hier weiterhin beherrschen.
Ist das in der digitalen Welt überhaupt möglich?
Aber ja. Die D20 ist eine Kamera, die auch heute noch sehr gut einsetzbar ist. Wir haben damit viele praktische Erfahrungen in den letzten zwei Jahren gemacht. Außerdem helfen uns die Erfahrungen im analogen Bereich, den Technologiewandel selbst zu bestimmen und nicht nur dabei zu sein. Die paar Start-up-Companys, die uns Konkurrenz machen wollen, nehmen wir, wie gesagt, durchaus ernst. Wir kennen deren Schwächen und Vorteile und werden uns dementsprechend auf dem Markt positionieren. Aber es ist keine Frage, dass wir High-End-Produkte haben werden und eine Hochpreispolitik. Wir kommen nie auf den Gedanken, dass wir eine ähnliche Strategie wie RED ONE fahren werden und sind auch nicht so sicher, ob die damit Erfolg haben werden – unabhängig vom finanziellen Background der Unternehmen, die dahinter stehen. Sie wissen nicht, was der Markt akzeptiert und was nicht. Am Anfang sind deren Produkte vielleicht noch sehr attraktiv, aber erst am Ende des Tages wird sich zeigen, dass eigentlich immer die Qualität und der Innovationsgrad gewinnen.
Geschwindigkeit zählt
Was ist mit den Wettbewerbern aus Fernost, die zu großen Konzernen gehören?
Die sind vom Know-how her durchaus in der Lage, digitale Kamera-Systeme erfolgreich zu positionieren. Geld spielt letztlich im Innovationsprozess nicht die große Rolle, sondern eher die Geschwindigkeit, mit der man Innovationen umsetzt. Das muss vom Know-how der Mitarbeiter getragen werden. Und hier liegt die besondere Stärke von ARRI. Ich habe mal gedacht, ARRI-Mitarbeiter seien nicht ausreichend innovativ. Da habe ich mich sehr getäuscht. Sie sind leicht zu mobilisieren, wenn es darum geht, künftig noch schneller unterwegs zu sein als in der Vergangenheit. ARRI hat zudem eine hohe Kontinuität in der Entwicklung. Als mittelständisches Unternehmen erhöhen wir 2008 unser Entwicklungsbudget wieder um 30 Prozent. Auch in den Jahren zuvor haben wir schon zweistellig erhöht. 2007 war für ARRI ein absolutes Rekordjahr bei Umsatz und Gewinn. Aber nicht nur deswegen geben wir mehr Geld für die Forschung und Entwicklung aus, sondern weil wir bestimmte Ziele auch in einem gewissen Zeitrahmen erreichen wollen. 4k ist nicht das Ende der Entwicklung. Wir denken längst weiter.
Was passiert künftig mit den analogen Film-Kameras von ARRI?
Die werden sicher weiterleben. Aber: Miniaturisierung und Digitalisierung kann letztlich kein Mensch stoppen.
Werden Sie weiter in die analogen Kameras Entwicklungsgeld stecken?
Vielleicht nicht mehr in gleichem Maße wie heute. Aber wir werden sicher in Kooperation mit anderen Firmen die Optiken weiter entwickeln. Analoge Kameras werden eine Ergänzung zu den digitalen sein, je nach Bedarf und nach Märkten, die man bedienen will. Im Übrigen darf man nicht vergessen, dass ARRI auch in anderen Bereichen als der High-End-Filmproduktion aktiv ist. Wir werden zum Beispiel wieder verstärkt mit digitaler Technik in den Medizinbereich einsteigen, ebenso in den Bereich Security. Ein Riesenpotenzial sehen wir im Maschinenbau, hier insbesondere im Bereich der Qualitätsbestimmungsmethoden. Wir denken also nicht nur in Richtung High-End-Produkt beim Film, sondern parallel dazu auch an andere neue Applikationen für digitale Technik.
ARRI kooperiert mit der Carl Zeiss AG und der Fraunhofer Gesellschaft. Was steckt dahinter?
Ich kenne den CEO und Präsidenten der Carl Zeiss AG, Dr. Dieter Kurz, schon seit Jahren aus meiner vorherigen Tätigkeit. Wir haben mehrere Projekte zusammen realisiert. Diese Zusammenarbeit möchte ich nun verstärken. Zunächst werden wir zwei neue Projekte im Objektivbereich angehen. Mit der Fraunhofer Gesellschaft wiederum ist ARRI verbunden, weil dessen Präsident, Prof. Dr. Hans Jörg Bullinger, gleichzeitig auch Aufsichtsratsvorsitzender von ARRI ist. Wir werden auf jeden Fall die naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten, die wir selbst nicht erledigen können, Forschunsgeinrichtungen überlassen. Grundsätzlich wollen wir die Unterstützung von Dritten forcieren. Bei Forschung und Entwicklung setzen wir klar auf Kooperationen. Auch im Chipbereich haben wir einige Partner in Europa.
Wird auch der Bereich Forschung und Entwicklung im eigenen Haus verstärkt?
Ja. Wir konzentrieren uns hier insbesondere auf Verbesserungen in den Bereichen Software und Optik, sowie auf die Integration der von unseren Partnern gelieferten Entwicklungen. Hier verfügen wir schon seit Jahren über ein enormes Know-how. Das werden wir aber noch mehr ausbauen.
Welche Ziele verfolgt ARRI sonst?
Unternehmensstrategisch steht ARRI ja auf vier Beinen: Kamera, Licht, Digital-Intermediate – DI – und Rental. Wir wollen nicht nur produzieren, sondern auch vermieten und werden deshalb unseren Rental-Bereich weltweit ausbauen. Im Kamerabereich setzen wir, wie erwähnt, auf neue Chips und neue Optik. Im DI-Bereich wollen wir unseren ARRILASER und ARRISCAN als Teil des Workflow-Integrationsprozesses durch neue Software schneller und leistungsfähiger machen. Im Lichtbereich werden wir die klassischen Scheinwerfer im Design verändern. Außerdem gehen wir mit Osram zusammen in drei LED-Technik-Projekte hinein. Erste LED-Prototypen werden wir auf der NAB 2008 in Las Vegas zeigen. Es handelt sich dabei um modular aufgebaute LED-Lichtsysteme, die speziell für Einsätze entwickelt wurden, bei denen sehr viel Licht benötigt wird, auch im Tageslicht-Bereich. Die LED-Systeme bieten deutlich höhere Effizienz und 30 Prozent mehr Helligkeit als herkömmliche Leuchten. Über die Markteinführung entscheiden wir erst im Sommer, wenn wir das erste Marktfeedback erhalten haben. Beim Aufbau neuer Studios wird die LED-Technik künftig eine größere Rolle spielen. Da möchten wir mit neuen Technologien natürlich dabei sein.
Tageslicht-Systeme liegen im Trend. Was plant ARRI hier?
Die Simulation des Sonnenlichts ist auch bei uns ein Thema. Hier wollen wir jedoch vorrangig durch Verbesserungen vorhandener Lichttechnik zum Ziel kommen. Es ist kein Geheimnis, dass wir versuchen, auch im Lichtbereich neue Märkte zu erschließen. Das ist ein wichtiger Geschäftsbereich für ARRI. Unser Wachstum war in den letzten drei Jahren stark davon getragen. Wir haben ja zwei eigene Licht-Firmen, Illumination Dynamics in den USA und ARRI Lighting Solutions in Berlin Adlershof. Beide wachsen schnell. Die unabhängigen Einheiten zeigen, dass es Sinn macht, bestimmte Bereiche zu konzentrieren.
Geht ARRI beim Licht künftig auch in den Bereich Event, Show und Messen, oder bleibt man mehr dem Schwerpunkt TV/Film treu?
Wir versuchen uns da anders zu positionieren, aber eher durch Akquisition. Das sind klassische Bereiche, in denen wir bislang wenig vertreten sind, wo wir aber durchaus hin wollen.
Was hat ARRI in Sachen Marktexpansion sonst vor?
Wir werden unsere Präsenz auf dem Markt insgesamt deutlich verbessern. Geografisch werden wir stärkere Akzente in Asien und den ehemaligen Ostblock-Ländern setzen. So haben wir jetzt zwei neue ARRI-Niederlassungen in Hongkong und in Peking eröffnet. Die Markterschließung in Osteuropa ist auch sehr wichtig. Bereits 2007 haben wir großes Wachstum aus diesen Ländern registriert.
Was bedeutet das für die vorhandenen Produktionsstandorte. Gibt es Auslagerungen?
Das ist eine strategische Frage. ARRI muss in der Produktion sehr effizient sein, wenn Umsatz und Gewinn im zweistelligen Bereich wachsen sollen. Ich gehe davon aus, dass wir das schaffen. Die Standorte in Deutschland werden deshalb beibehalten. Ich bin kein Freund von Dezentralisierung, sondern mehr von Zentralisierung. So haben wir zum Beispiel unlängst die Entscheidung getroffen, unsere outgesourcte Lagerhaltung wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dafür werden wir bei ARRI in Stephanskirchen mehrere Millionen Euro investieren. Wir müssen unsere Stärken zusammenfassen. Personalabbau findet in Deutschland nicht statt. Im Gegenteil, das geplante Wachstum ist eher mit mehr Personal verbunden.
Wenn Sie die ARRI-Marktaktivitäten in Osteuropa und Asien ausbauen, macht es da nicht Sinn, gleich vor Ort zu produzieren, um näher am Kunden zu sein?
Nein, auf keinen Fall. Ich denke zwar auch global, aber hier habe ich eine andere Position. Als 1996 viele deutsche Unternehmen dabei waren, Produktionen nach Asien auszulagern, bin ich bei Varta den umgekehrten Weg gegangen und habe 500 Arbeitsplätze von Singapur nach Deutschland zurückgeholt. Ich bin der Ansicht, dass man hierzulande nur vieles optimieren und effizienter machen muss. Durch Auslagerung kaschiere ich nur das Problem mangelnder Effizienz. Wenn ich durch Auslagerung einen echten Marktvorteil gewinnen würde, könnte ich das noch verstehen, nicht aber wenn nur ein Kostenvorteil der Grund ist. Für mich muss beides stimmen.
Welchen Stellenwert hat für ARRI das Systemgeschäft?
Wir haben dafür eine Firma in Berlin, die auf Wachstumskurs ist, und hoffen, dass wir auch in diesem Bereich einige zusätzliche Akquisitionen tätigen können, um unser Geschäft auch hier zu vergrößern.
Werden Sie hierbei den Film- und TV-Bereich fokussieren oder auch den Event-Bereich?
Wir werden sicherlich schwerpunktmäßig Studio-Konzepte machen. Darin sind wir sehr gut. Unser heutiges Engagement im Event-Bereich ist eher sehr begrenzt und ist abhängig von der Veranstaltungsart. Die Unterschiede sind hier schließlich groß. Wo wir die gesamte Projektskizzierung machen können, sind wir stark. Wir sind aber nicht unbedingt prädestiniert dazu, einzelne Lösungen zu liefern.
Aber da kommt dann wieder Ihr Rental-Geschäft zum Zuge?
Genau. Damit können wir auf jeden Fall ARRI-Produkte positionieren.
ARRI als Hightech-Unternehmen
ARRI gilt als echtes Traditionsunternehmen. Was wird sich an der Unternehmenskultur ändern? Wollen Sie hier auch optimieren?
Ich hoffe, ich werde nicht nur hier und da Verbesserungen anstreben, sondern auch wirklich gestalten können. ARRI hat natürlich eine bestimmte Kultur, die vom Filmgeschäft getrieben ist. Das prägt das Image des Unternehmens. Was ich auf jeden Fall erreichen will, ist die Darstellung von ARRI als innovatives Hightech-Unternehmen und weniger als ein filmkulturelles Unternehmen. Schließlich wird Hightech-Innovation künftig die treibende Kraft hinter ARRI sein.
Der Traditionsbetrieb ARRI ist also Vergangenheit?
Wir setzen auf Innovation und digitale Technik und erschließen damit neue Welten. Das ist Hightech. Ohne Hightech werden wir nicht überleben. Aber wir werden all das mitnehmen, was dazu passt, auch was die unternehmenskulturellen Aspekte betrifft. Wichtig ist, dass die Einstellung der Mitarbeiter sich entsprechend ändert, dass wir in der Lage sind, sie zu mobilisieren, einen neuen Weg zu gehen und dass sie die Hightech- und Innovationsprozesse aktiv prägen werden – und zwar in jeder Hinsicht. Ich will Innovationen überall sehen, nicht nur im Produkt, sondern auch beim Marktauftritt, bei der Kundengewinnung, bei der Expansion in die osteuropäischen Märkte, im Personalbereich wie in allen geschäftlichen Fragen. Jeder Mitarbeiter wird sich letztlich mit Innovationsprozessen auseinander setzen müssen. Ich bin dankbar für neue Ideen aus allen Bereichen.
Sie stellen also alles grundsätzlich auf den Prüfstand?
Das ist nicht meine Absicht. Ich nehme nur das, was ich brauche, um meine Vision umzusetzen, unseren Kunden das beste, innovativste Produkt der Welt anzubieten. Um alles zu prüfen, haben wir gar keine Zeit. Wichtiger ist es, die Bewusstseinsbildung der einzelne Mitarbeiter für das gemeinsame Ziel zu forcieren. Es ist kein einfacher Prozess, das filmkulturelle Unternehmen ARRI in ein innovatives Hightech-Unternehmen zu transformieren. Aber ich habe keine Zweifel daran, dass wir das schaffen werden. Unsere Dominanz war bislang nur technisch begründet. Künftig reicht das allein aber nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein. Wir brauchen Dominanz auch im Marketing, im Finanzbereich, im Accounting, im internationalen Cash-Management etc. Alles dreht sich ums Geld. Je mehr wir verdienen, je mehr können wir auch für Forschung und Entwicklung ausgeben und desto schneller können wir unsere Produkte auf den Markt bringen.
Wie funktioniert die beschleunigte Markteinführung?
Projekte müssen gezielter und mit mehr Kraft bis zum Ende hin realisiert werden. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Das, was wir machen, müssen wir extrem schnell umsetzen können. Man muss von Anfang an beurteilen können, wie die Erfolgschancen aussehen und was man eigentlich erreichen will. Ich möchte, dass mein Produkt in maximaler Stückzahl abgenommen wird und meine Marge stimmt. Die Rahmenbedingungen dafür müssen in der Vorbereitungsphase zu einer Entwicklung genauer geprüft werden. Dafür braucht man zwar möglicherweise mehr Zeit oder Geld, aber man kann eher sicherstellen, dass ein Projekt nicht floppt. Entscheidungen müssen in der Praxis schnell und konsequent umgesetzt werden, wenn ein Projekt erst einmal läuft. Auch darauf muss die Unternehmenskultur eingestellt werden.
Wenn Sie über Akquisitionen sprechen, denken Sie da an dieses Jahr?
Man kann davon ausgehen, dass wir in diesem Jahr noch das ein oder andere unter Dach und Fach bringen werden. Das sind keine spektakulären Akquisitionen, aber auf jeden Fall handelt es sich um Unternehmen, die gut zu uns passen. Wir werden insbesondere in den Märkten Flagge zeigen, in denen wir bislang noch wenig vertreten sind.
Welche Länder betrifft das zum Beispiel?
In Frankreich suchen wir eine Lösung. Da haben wir schon ein paar Ideen, zu denen ich aber noch nichts sagen kann. In Australien haben wir eine Rental- und Verkaufseinrichtung mit modernsten Anlagen installiert. Bislang, das ist auch kein Geheimnis, mit wenig Erfolg. Australien ist eine Bastion von Panavision. Wir werden aber versuchen, diese Dominanz mit viel Geschick zu brechen. Wir müssen clevere Konzepte entwickeln und hier auf den Markt bringen.
ARRI hat Panavision, wie man hört, an anderer Stelle dafür einen Renommee-Auftrag weggeschnappt.
Wir sind sehr stolz darauf, dass ARRI ausgewählt wurde, die komplette Technik inklusive Kameratechnik zur Produktion des 22. James Bond-Filmes zu stellen. Start der Dreharbeiten war Anfang Januar 2008. Beim Pre-Shooting war unsere D20 im Einsatz. Damit war man sehr zufrieden. Bei den gegenwärtigen Dreharbeiten werden alle Kameratypen von ARRI eingesetzt. Zum Teil wird mit 18 Kameras gleichzeitig gedreht.
Was bedeutet für Sie die Marktführerrolle von ARRI im Filmkamerabereich?
Ich weiß, was es heißt, Marktführer zu sein. Auch bei Varta waren wir schließlich in einigen Nischen-Bereichen Marktführer. Grundsätzlich meine ich, wenn man Marktführer ist, muss man in gewisser Weise auch den Markt gestalten können, so dass man von anderen Firmen als Markt-Vorbild betrachtet wird. Diese Vorstellung habe ich auch bei ARRI. Und wenn ich über die D21-Kamera-Familie spreche, dann sollte sie Vorbild auch für andere große Player auf dem Markt wie Sony oder Panasonic sein. Ich achte und schätze diese Unternehmen, aber Marktführer ist Marktführer. Deshalb werden wir auch einige Gestaltungsschritte vornehmen.
Das weiß ich nicht. Es war eigentlich immer so, dass eine Zeit lang erfolgreich an einem Produkt gearbeitet werden muss. Die Awards und Anerkennungen kommen dann von allein. Lassen wir uns überraschen.
Eckhard Eckstein (MB 03/08)