Beim Online-Event „Rethink Your Infrastructure“ hat der deutsche Hersteller Lawo mehrere neue Softwarelösungen vorgestellt, mit denen sich Produktionsinfrastrukturen in TV, Radio und AV flexibler und ressourcenschonender gestalten lassen sollen. Die Präsentation, moderiert von CMO Andreas Hilmer und Produktstratege Henry Bourne, richtete sich an ein Fachpublikum aus der Broadcast- und Medienbranche – bot aber weniger konkrete Produktneuheiten als vielmehr eine Weiterentwicklung des bestehenden Plattformkonzepts.
Zentrale Ressourcen effizienter nutzen
Hilmer stellte eingangs die These auf, dass ein Großteil der Signalverarbeitungskapazitäten in heutigen Broadcast-Setups ungenutzt bleibt. Der Grund dafür liege in der Architektur klassischer Produktionssysteme: „Mit statischer Hardware müssen Sie für Spitzenlasten planen“, so Hilmer. Das führe zu dauerhaft laufenden, aber im Alltagsbetrieb oft unterforderten Systemen.
Lawo setzt diesem Ansatz ein softwarebasiertes Modell entgegen. Die bereits 2021 eingeführte Plattform Home bildet die technische Grundlage. Sie organisiert Geräteerkennung, Registrierung und Verwaltung in IP-basierten Netzwerken. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Serververbund, auf dem unterschiedliche sogenannte Home Apps gestartet und gestoppt werden können – je nach aktuellem Bedarf.
Neue App für PowerCore-Funktionen
Neu vorgestellt wurde die Home PowerCore App, die Funktionen der gleichnamigen Hardware nun als Softwaremodul auf generischen Servern bereitstellt. Der PowerCore ist seit Jahren als vielseitige Audio-Kommandozentrale in On-Air-Studios im Einsatz – die Softwarevariante soll dieselbe Funktionalität bieten, aber mit dem Vorteil dynamischer Skalierbarkeit.
Laut Produkt-Evangelist Johan Boqvist unterstützt die App Transportformate wie ST2110, Ravenna, AES67, Dante, MADI und SRT. Sie biete vorgefertigte Konfigurationen für gängige Anwendungen, lasse sich aber auch mit einem integrierten Logic Engine an individuelle Produktionsabläufe anpassen. Für das Monitoring können bestehende Lawo-Oberflächen wie die modulare Diamond-Konsole oder die kompaktere Crystal verwendet werden. Alternativ steht ein browserbasiertes UI zur Verfügung, das als Sidecar oder Stand-alone-Bedienoberfläche nutzbar ist.
Proxy-Optimierung beim Multi-Viewer
Ein zentrales Update betrifft die bereits verfügbare Home MultiViewer App. In der neuen Version optimiert die Software automatisch den Bandbreitenverbrauch, indem sie abhängig von der Größe einzelner „Picture-in-Picture“-Kacheln (PIPs) das passende Videoformat auswählt. Möglich wird dies durch das Edge-Gateway, das pro Videoeingang vier Varianten erzeugt: in voller Auflösung sowie in ¼, ¹⁄₁₆ und ¹⁄₆₄ der Originalgröße.
Je nach Darstellung im Layout wird automatisch die passende Auflösung ausgewählt – eine manuelle Proxy-Zuweisung entfällt. Das Ergebnis, so Hilmer: „Weniger Datenverkehr im Netzwerk, geringere CPU-Last und mehr Spielraum für andere Streams.“ Diese Optimierung funktioniere ohne zusätzliche Steuerbefehle im Broadcast Controller – ein Aspekt, den Lawo als „automagisch“ bezeichnet.
Drei neue Apps für spezifische Arbeitsprozesse
Mit der Einführung von Lawo Workspaces bringt das Unternehmen eine neue Nutzeroberfläche auf den Markt, in der sich Home Apps direkt im Browser starten und bedienen lassen – unabhängig vom Endgerät oder Betriebssystem. Die Workspaces-Oberfläche sei responsiv, barrierearm und sichere alle Medien- und Steuerströme über die Home-Authentifizierungsdienste ab.
Parallel dazu stellte Lawo drei neue Apps vor, die auf typische Produktionsrollen zugeschnitten sind:
1. Home Video Monitor App:
Die App bietet latenzarmes Monitoring von bis zu neun Videoquellen samt Audiopegel-Anzeige. Sie nutzt Transcoding nur dann, wenn es technisch notwendig ist. Quellen im passenden Format werden direkt durchgereicht. Funktionen wie Bild-in-Bild und Fullscreen sind browserseitig umgesetzt. Die Steuerung erfolgt per Touch oder Maus; Signalrouting übernimmt die Home-Plattform.
2. Home Commentary App:
Für Kommentatorinnen und Kommentatoren bietet diese Lösung eine zentrale Oberfläche zur Tonaufzeichnung, Videoüberwachung, Rückkanal-Kommunikation und Monitoring – ebenfalls komplett im Browser. Laut Henry Bourne genüge dafür ein USB-C-Mikrofon mit Kopfhörerausgang. Techniker:innen können aus der Ferne Support leisten; Talkback und Coordination Mix werden im Backend verarbeitet, das Monitoring kann zusätzlich lokal im Browser erfolgen.
3. Home MC² Crystal Controller App:
Diese App ergänzt die physische Crystal-Konsole um browserbasierte Steuerung, Monitoring und Metering. Zwei Konsolenvarianten stehen zur Verfügung: ein Fader-Modul mit acht Kanalzügen sowie ein Hauptmodul mit sechs Kanalzügen und zusätzlichen Kontrollfunktionen. Die App erlaubt es, Videomonitoring und Audiosteuerung auf einem Gerät zu kombinieren – etwa auf einem Tablet oder Laptop.
AR-Kompatibilität als Zukunftsversprechen
Ein Schwerpunkt des Lawo-Events rückte überraschend die Integration von Augmented Reality (AR) in Produktionsumgebungen in den Mittelpunkt. Gegen Ende der Veranstaltung zeigte Henry Bourne ein Anwendungsszenario, das auf der AR-Brille Apple Vision Pro basierte. In der Demo kombinierte er zwei physische Crystal-Module mit echten Fadern und Tastern mit mehreren virtuellen Benutzeroberflächen. Diese Oberflächen zeigten Audio-Metering, Videomonitoring, Gerätekonfiguration und detaillierte Parameteransichten des MC²-Mixers – frei im virtuellen Raum positionierbar.
Bourne nutzte dafür mehrere Home Apps gleichzeitig, darunter die MC² Crystal Controller App, die Home Video Monitor App sowie das Konfigurations-Frontend der Plattform. Alle Anwendungen liefen im neuen browserbasierten UI-Framework Lawo Workspaces. Die grafischen Oberflächen arrangierte er so, dass sie den physischen Arbeitsplatz visuell umgaben – klassische Monitorwände ersetzte er damit vollständig.
„Das gesamte Setup passt in ein Handgepäckstück“, betonte Bourne. Er unterstrich damit eine der zentralen Aussagen des Events: In softwaredefinierten Infrastrukturen müssen Anwender nicht mehr auf dedizierte Hardware setzen. Stattdessen greifen sie über mobile Geräte oder AR-Systeme auf dieselbe Funktionalität zu – einschließlich Routing, Monitoring, Steuerung und Transcoding.
Schrittweise Weiterentwicklung statt disruptiver Umbruch
Mit den vorgestellten Neuerungen setzt Lawo seinen Plattformkurs konsequent fort. Die Home-Plattform wächst technisch weiter – durch zusätzliche Apps, höhere Formatunterstützung und eine erweiterte Nutzeroberfläche. Konzeptionell bleibt das Unternehmen bei seiner Linie: zentrale Verarbeitung auf Standard-Hardware, dynamisch skalierbare Softwaremodule und flexible Lizenzierung über das LawoFlex-Modell.
Die neuen Apps sind ab sofort verfügbar, entweder über ein bestehendes LawoFlex-Abo oder als Einzelkauf mit permanenter Lizenz.