Professionelle Audiotechnik

Die NEXUS-Kreuzschiene sowie die CANTUS- und AURUS-Mischsysteme bringen innovative Konzepte in die professionelle Audio-Produktionswelt. Grund genug für einen Einblick hinter die Kulissen des Entwicklungsteams und der Fertigung in Berlin.

20

Die STAGETEC-Geschäftsführer Dr. Helmut Jahne und Dr. Klaus-Peter Scholz gaben dem MEDIEN BULLETIN Auskunft über die technischen Details.

STAGETEC vereint ja Router und DSP-Mischpult-Core in einer besonderen Weise. Hat sich das bei Planungen von neuen Produktionsstrukturen bemerkbar gemacht?
Dr. Klaus-Peter Scholz: Im Prinzip ist Nexus beziehungsweise Aurus doch ein großes Audio-Netzwerk, in das die Audio-Signalverarbeitung – mit dem Pult als Steuerelement – eingebettet ist. Wenn Planer und Kunde diese Eigenschaften konsequent nutzen, dann sind große Einsparpotenziale vorhanden. Unsere Technik kann sehr kompakt aufgebaut werden. Aber es braucht auch seine Zeit bis die Vorzüge bekannt und verstanden werden. Manchmal tut es mir richtig weh, wenn man fertige Installationen sieht, wo nur ein analoges Pult durch ein digitales ersetzt worden ist, riesige Patch-Felder vorhanden sind und irgendwie immer die analoge Welt der Planung zugrunde liegt. Was nutzt ein abgespeicherter Status mit allen Routings, wenn ich den zwar in Sekundenbruchteilen aufrufen kann, aber dazu stets berücksichtigen muss, wie 100 Kabel am Patch-Feld gerade gesteckt sind. Aber vieles muss auch erst gedanklich wachsen.

Surround-Sound wird ja immer wichtiger. Sind hier noch bei den Pulten Neuerungen zu erwarten?
K-P.S.: Die ersten Erfahrungen mit Surround in unseren Mischpulten haben wir bereits 1997 mit dem Filmpult Cinetra gemacht. Aufbauend auf diesen Kenntnisstand haben wir beim Aurus die Technologie für die Mehrkanalmischung perfektioniert, bis hin zur frei definierbaren Mehrkanalfähigkeit aller Kanäle und Busse, einschließlich Abhören. Eine Besonderheit ist auch, dass die möglichen Mehrkanalformate gleichzeitig auf dem Pult verarbeitet werden können. Zukünftig sind sicher Neuerungen im Detail hinsichtlich der besseren Bedienbarkeit und Surround-Kontrolle, aber auch in der räumlichen Positionierung einer Quelle zu erwarten. Auch die Fragen nach noch höheren Kanal- und Busanzahlen müssen wir zukünftig beantworten.

Wie sehen Sie die Integration der digitalen Mikrofonschnittstelle nach AES-42 in Mischpulten? STAGETEC bietet hier doch schon eine Lösung…
K-P.S: STAGETEC hat bereits 1996 anlässlich der 100. AES-Convention in Kopenhagen, also vor elf Jahren, ein digitales Mikrofon präsentiert. Natürlich hatten wir nicht die Absicht, zukünftig Mikrofone zu bauen. Wir wollten nur unsere fortschrittliche Wandlertechnologie präsentieren und Perspektiven aufzeigen. Zu dieser Zeit entstand auch die erste AES-Eingangsbaugruppe für digitale Mikrophone – ein Vorläufer der heutigen AES 42. Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit Beyerdynamik. Im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes in Berlin tun seit genau neun Jahren mehr als 200 digitale Mikrofone täglich ihren Dienst. Und die sind an unser Nexus über diese frühe Version der AES-42-Schnittstelle angeschlossen.

Dr. Helmut Jahne: Allerdings muss man auch sagen, dass wir seit der Anpassung an die aktuell geltende AES-42-Norm nur sehr wenige Baugruppen verkauft haben. Wir haben also die gleichen Erfahrungen wie einige Mikrofonhersteller, die digitale Mikrofone anbieten – bisher lässt sich damit kein großes Geschäft machen. Unabhängig davon ist die AES 42 bei uns vollständig integriert bis hin zur Anzeige von Mikrofonhersteller, Mikrofontyp und Gerätenummer in unseren Mischpulten.

Mit dem neuesten Produkt von STAGETEC hat man die Angebotspalette ja nach unten abgerundet. Wann wird das Pult verfügbar sein und wo sehen Sie die Besonderheiten des Pults?
H.J.: Wir denken daran, Anfang 2008 unser neues Pult in Serie zu liefern. Die Struktur der Audiosignalverarbeitung ist fest konfiguriert. Für unsere Anwender ist dies ganz wichtig. Man kann sich heransetzen und sofort loslegen. Die Bedienung ist intuitiv und besonders im zentralen Bereich übersichtlich und großzügig gestaltet. Die Signalverarbeitung, das sind 32 Eingangskanäle sowie Gruppen-, Summen-, Aux- und N-1-Kanäle sowie die Steuerung, finden Platz auf einer 3-HE-Nexus-Einsteckkarte. Selbstverständlich ist das neue Pult auch 5.1-Surround-fähig. Neu ist auch, dass das Pult keinen integrierten PC für Steuerungsaufgaben besitzt. Das Pult lässt sich sehr gut als Sende-Pult einsetzen. Das ist ein Markt, wo wir bisher wenig präsent waren. Aber auch als kleines transportables Produktionspult wird es seinen Markt finden, wenn man bedenkt, dass bereits in einem 3-HE-Basisgerät sowohl Audiosignalverarbeitung und I/O-Schnittstellen Platz finden können.

Wie sehen Sie überhaupt die weitere Entwicklung von Mischsystemen in den nächsten Jahren beziehungsweise Jahrzehnten? Werden Pulte allgemein kompakter? Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Nutzungsverhalten ändern?
K-P.S.: Das ist schwer zu beurteilen. Zum einen ist der Trend zu immer preiswerteren Techniken zu verzeichnen, wobei man auch zunehmend einen Verlust an Qualität in Kauf nimmt. Auf der anderen Seite wird immer mehr nach Surround gefragt, was ja mit erheblich mehr Kanälen einhergeht und somit aufwändiger wird. Surround verlangt auch mehr Können und Wissen vom Tonmeister. Schließlich kommt es auch darauf an, dass die Audiosignalverarbeitung sehr kurze Latenzzeiten aufweist und auch die Bedienpulte einschließlich der Automationsformen unmittelbar reagieren. Allerdings ist heute offenbar kaum jemand bereit oder in der Lage, für diesen Aufwand mehr Geld auszugeben.

H.J.: Ein anderer Trend ist auch klar absehbar. Alles was Zeit zur Audiobearbeitung hat, wird auf PCs und Workstations verlagert. Echte Mischpulte sind zunehmend nur noch in zeitkritischen Projekten zu finden, also bei allem, was live ist. Ein Mischpult besteht nicht nur aus der Signalverarbeitung, sondern auch aus seiner Bedienoberfläche, die es ermöglicht, die immer umfangreicheren Ansprüche an die Funktionalität und Automation zu befriedigen. Die wird anteilig immer mehr den Preis und die Akzeptanz des Pults bestimmen. Es liegt auch an uns selbst, wie unser Qualitätsanspruch in der Zukunft aussieht. Wenn wir guten Ton loben und schlechten Ton auch klar als solchen kritisieren, tragen wir zur Meinungsbildung bei. Wenn wir allerdings Mängel nicht aufzeigen, entsteht der Eindruck, dass dies allgemein akzeptiert ist. Es liegt also in unserer Verantwortung als Hersteller sowie in der Verantwortung der Medien, auch der Print-Medien, das Qualitätsbewusstsein für den guten Ton wach zu halten und zu fördern.
Peter Kaminski (MB 04/07)

Anzeige