Alle setzen auf Hybrid-Lösungen

Die NDS Group ist seit 1990 mit Sicherheits- und Zugangslösungen für Pay-TV-Anbieter und Plattformbetreiber auf dem Fernsehmarkt aktiv. Getrieben von Medienkonvergenz und „Multiple Distribution“-Strategien der Inhalteanbieter werden die Anforderungen daran immer komplexer. MEDIEN BULLETIN wollte von Yves Padrines, NDS Vice President, Business Development und General Manager der NDS GmbH, wissen, wohin die Reise geht.

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Alle setzen auf Hybrid-Lösungen

›Das Thema 3D-Produktion bewegt derzeit die Broadcastbranche. Welche Lösungen hat NDS dafür parat?

Es gibt bereits einige Sender, die 3D-Kanäle gestartet haben und unsere Technologie einsetzen. Dazu gehören BSkyB und Sky Deutschland. Darüber hinaus denken wir verstärkt über moderne 3D-User-Interfaces beziehungsweise 3D-EPGs nach (EPG = Electronic Programm Guide, Anm. d. Red.). Nutzer von 3D-Kanälen oder 3D-Video haben heute schließlich noch 2D-Bedienoberflächen auf ihren Fernsehgeräten. Besser wären hier EPGs in 3D. Daran arbeiten wir.

Das gehört aber nicht zu Ihrem Kerngeschäft?

Im Unternehmen haben wir eine Gruppe mit der Bezeichnung „New Initiative“. Die Kollegen dort denken ganz allgemein über neue Produkte, Services und Lösungen nach. Sie befassen sich mit 3D-Technologien ebenso wie mit Technologien für innovative Werbemöglichkeiten oder für den Zugang zu konvergierenden Mehrwertdiensten. Hierbei geht es beispielsweise um eine Set-top-Box (STB), die den Internetzugang mit Videotelefonie kombiniert.
NDS kann STB-Middleware inklusive Gateway-Software anbieten. Dabei profitieren wir natürlich von der bereits im Dezember 2006 getätigten Übernahme der israelischen Firma Jungo, einem Spezialisten für Heim- und Business-Gateway-Softwareplattformen und -Anwendungen. Deren Kunden sind Modem-Hersteller wie ´oder ´. Neuerdings hat Jungo aber auch immer mehr Kunden aus dem Bereich der Plattformbetreiber – hauptsächlich Telekommunikationsunternehmen aber auch Kabelnetzbetreiber. Wir sehen insgesamt ein zunehmendes Interesse an der Jungo-Gateway-Software.

Was bedeutet das für NDS?

Wir werden die Jungo-Software verstärkt mit unserer NDS-Middleware in einer Box kombinieren. Die bietet dann alles einschließlich Internetzugang, Video und Telefonie. Die für den US Markt vorgesehene Box funktioniert ohne „Headed Gateway“. Das heißt, sie kann irgendwo im Haus statt im Wohnzimmer untergebracht werden. Aber für Europa denken wir mehr über den Zugang via Headed-Gateway mit einfachen IP-Clients für das Heimnetzwerk nach. Solche STBs brauchen keine Smartcard mehr. Diese ist dann im Headed-Gateway-System untergebracht, das dann auch über ein Digital Rights Management-System (DRM) von NDS geschützt ist. Eine solche Lösung bereiten wir zum Beispiel für UPC vor. Deren Muttergesellschaft, der weltweit größte Kabelnetzbetreiber Liberty Global von John Malone, hat NDS als neuen Software-Partner ausgewählt. Für UPC und Liberty Global werden wir ein neues auf Snowflake basierendes User Inferface erstellen. Die Auslieferung ist für Ende 2011 geplant. UPC nutzt jetzt auch schon NDS Middleware. Als erstes Land werden die Niederlande, wo sich der Hauptsitz von UPC Europe befindet, die neue Box erhalten, dann die Schweiz mit dem UPC-Unternehmen Cablecom und Österreich mit UPC Österreich. Der ebenfalls zu Liberty Global gehörende Kabelnetzbetreiber Unity Media in Deutschland soll 2012 mit der neuen Box versorgt werden.

Wird man künftig ganz auf die Smartcards verzichten können?

Nur wenn ein Plattformbetreiber über ein bi-direktionales Netzwerk permanent mit der Box verbunden ist. Dafür haben wir eine Lösung mit dem Namen Videoguard Server (VGS). Hierbei sind die NDS-Smartcards im Server des Headends integriert.
In Deutschland nutzt diese Lösung zum Beispiel Arcor für sein IPTV-Angebot. Und auch die neue Arcor-Muttergesellschaft Vodafone Deutschland hat jetzt Vodafone TV mit dem serverbasierten Verschlüsslungssystem VideoGuard und NDS-Hybrid-Technologie gestartet.

Können sie das NDS-Engagement dort kurz beschreiben?

Eingesetzt wird bei Vodafone TV eine HD PVR-Box (PVR = Personal Video Recorder, Anm. d. Red.) die Sat- und Kabelem-pfang mit Internet-TV, Video-on-Demand und IP-basierten Abruf-Inhalten verschmilzt. Die Box ist übrigens auch Sky Deutschland tauglich. 2011 wird sie dann per Software-Download mit einem DNLA-Stack (DLNA = Digital Living Network Alliance, Anm. d. Red.) ausgerüstet werden. Die Nutzer werden dann in der Lage sein, Inhalte zwischen verschiedenen Endgeräten auszutauschen. Das heißt, „Vodafone Connected Home“ ist dann in der Lage sich mit einer Vielzahl von Geräten, vom Handy über die PlayStation bis zum Fernseher, Computer oder Tablet-PC zu vernetzen.
NDS sorgt nicht nur für die Betriebssoftware und den Schutz der Inhalte, sondern wurde von Vodafone als leitender Systemintegrator mit dem Launch und der Markteinführung des Projektes beauftragt. Das ist das erste Mal, dass wir solche Aufgaben für ein Telekommunikationsunternehmen erledigen. Bislang haben wir das nur unsere traditionellen Kunden, den Rundfunksendern sowie Kabel- und Satellitenbetreiber gemacht. Bei der Systemintegration auf der Head-end-Seite bei Vodafone TV kooperieren wir mit Subunternehmen wie Eventis Im Bereich VoD-Feature und Harmonic im Bereich Hardware-Encoder. Die eingesetzte STB ist natürlich komplett mit NDS-Software bestückt – inklusive EPG, Middleware, CA-System, VoD-Applikation etc. Vodafone möchte, dass die für Vodafone TV in Deutschland aufgebaute Plattform künftig auch in anderen Ländern zum Einsatz kommt.

Warum wurde NDS von Vodafone für den Job ausgewählt?

Vodafone wollte eine leistungsstarke Box, um seinen Kunden in Deutschland ein umfassendes Hybrid-TV-Angebot anbieten zu können. Während webbasierte Mehrwertdienste, etwa über das Internet gestreamte Sender, Video-on-Demand-Inhalte, Widgets und andere Applikationen, über den Vodafone DSL-Anschluss bereitgestellt werden, kann der Zuschauer mit unserer Technologie auch seinen bestehenden TV-Anschluss weiter nutzen – egal ob via digitalem Satelliten oder analogem Kabel.

Welche Bedeutung haben die Telkos für das NDS-Geschäft?

Immer noch eine eher geringe. Die wichtigsten Kunden sind nach wie vor Kabel- und Sat-Operator. Die Zahl der ausgelieferten IPTV-Boxen weltweit ist noch nicht so groß.

Wie sehen sie die allgemeinen Erfolgschancen für IPTV?

Wir bei NDS glauben nicht daran, dass sich reines IPTV durchsetzen wird. Das hängt natürlich stark vom jeweiligen Markt ab und lässt sich nicht verallgemeinern. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird der kostengünstigste Weg zur Distribution von Massenmedien weiter Broadcast bleiben. Die Menschen werden hauptsächlich die klassischen TV-Programme weiter über alle vorhandenen Rundfunkverbreitungswege nutzen. Und deshalb ist die Hybrid-Box der richtige Weg. Damit haben Nutzer dann Zugang auch zu umfangreichen Breitband-, Over-the-Top-, VoD-und Catch-up-Inhalte etc.
Solche Angebote lassen sich dann gut mit dem Personal Video Recorder zu schönen Nutzererlebnissen kombinieren.
Und ehrlich gesagt: alle unsere heutigen Kunden, insbesondere in Westeuropa und Nordamerika, gehen in Richtung Hybrid-TV. Die Sat- und Kabelnetzbetreiber fügen ihrem Angebot entweder IP-basierte Dienste dazu und die Telkos, die bislang nur IPTV hatten, setzen auf Hybrid, um ihr Angebot um Broadcast zu erweitern.

Was bedeutet HbbTV für NDS?

Wir schauen uns die Entwicklung da sehr genau an. Unsere Software ist HbbTV-tauglich. Wenn einer unserer Kunden das will, können wir HbbTV liefern. Und insbesondere in Deutschland sehen wir hier ein wachsendes Interesse daran. Wie MHP in der Vergangenheit ist HbbTV eine sehr stark von Deutschland getriebene Entwicklung. In anderen Ländern ist das Thema weniger relevant.

Wird interaktives Fernsehen vom Nutzer heute eher akzeptiert?

Das hängt davon ab, was man unter interaktivem Fernsehen versteht. In vielen Bereichen funktioniert das einfach nicht. NDS engagiert sich schon seit 1998 im Bereich interaktives Fernsehen. Wir haben all die modernen Applikationen schon entwickelt und wissen sehr genau, was funktioniert und was nicht.
Niemand will zum Beispiel eine Pizza via iTV bestellen, wenn er gerade TV schaut und niemand will dann e-Banking beziehungsweise TV-Banking machen. Wir haben solche Applikationen trotzdem für unsere Kunden entwickelt. Sie haben nirgendwo funktioniert – auch nicht bei BSkyB.
Wer seine Kontodaten anschauen will, macht das am liebsten allein am PC und nicht zusammen mit der Familie vor dem Fernseher. Interaktive Applikationen funktionieren nur, wenn sie sehr eng mit dem Content verbunden sind, den man gerade konsumiert und in Verbindung mit On-demand-Applikation wie VoD, Catch-up, Progressive Download etc.. Auch im Bereich Push- und Zielgruppen-Werbung kann das funktionieren.
Grundsätzlich gilt: Wenn die Menschen TV schauen, wollen sie nichts anderes machen. Sie wollen passiv und nicht aktiv sein. Diese Erfahrung haben wir auch bei BSkyB mit seinen neun Millionen Abonnenten gemacht. Das mag sich allerdings mit den jungen Nutzern im YouTube- und Facebook-Zeitalter ändern. Aber heute ist der Massenmarkt eher passiv eingestellt.

Die NDS High-end-Boxen sind dem PVR ausgestattet. Der gilt als Feind der Werbesendungen…

Es stimmt nicht, dass Leute weniger Werbung sehen, wenn sie Time-Shifting auf ihrem PVR nutzen. Wir haben eine Studie, die genau das Gegenteil belegt. Es gibt sogar eine Applikation, die dem Nutzer eine kleine Video-Werbung oder einen Banner zeigt, wenn er Fast Forward drückt bzw. wenn der Time Shifting Modus läuft. Oder man hat Möglichkeiten, mehr über bestimmte Werbebotschaften zu erfahren. Das wird auch gerne genutzt.

Welche Marktposition hat NDS heute bei den Zugangssystemen?

Weltweit setzen aktuell 80 Plattformbetreiber unser CA-System VideoGuard ein. In Sachen Marktanteil sind wir Nr. 1. Wir haben vielleicht 38 Prozent Marktanteil, Nagra hat vielleicht 30. Die anderen Mitbewerber sind dann deutlich kleiner. In USA haben wir Motorola und Cisco als Mitbewerber – aber nur auf dem US-Kabelmarkt.
In Sachen Middelware haben wir fast 170 Millionen Boxen im Markt. Und rund 35 Millionen PVRs. Auch hier sind wir die Nr. 1 – noch weit vor TiVo.

Der deutsche Pay-TV-Markt tut sich schwer, zu avancieren. Kann NDS ihm technologisch auf die Beine helfen?

Die Zuschauer kaufen ein Pay-TV-Abo nicht wegen der Technologie sondern wegen den Inhalten. Dennoch: HD ist heute ein echter Treiber für Pay-TV. Die Zuschauer wollen Qualitätsfernsehen im HD-Format. Der Bedarf steigt mit den neuen HD-Flachbildschirmen. Auch die PVR-Applikation bietet Mehrwert. Nur ist die PVR-Verbreitung in Deutschland im Vergleich zu anderen Märkten noch sehr gering.
HD kombiniert mit PVR und dazu noch ein Hybrid-Angebot würde Pay-TV noch attraktiver machen. Die Nutzer haben so Zugang zu Hunderten Broadcast-Kanälen und zu unzähligen Breitband-Inhalten. Diese Kombination wird sie dazu bringen, insbesondere wenn sie ein gutes und einzigartiges Nutzererlebnis haben, auch dafür zu bezahlen.

Wie sehen sie den deutschen TV-Markt im Vergleich zu den Nachbarländern?

Der deutsche TV-Markt hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert. Aber der Pay-TV-Markt ist noch nicht auf der Erfolgsspur. Obwohl der Markt da ist. Die Verbreitung von Digital-TV ist in Deutschland noch immer niedriger als in anderen europäischen Ländern. Auch die Zahl der HD-Kanäle in Deutschland ist vergleichsweise gering. In UK hat man mittlerweile über 35 HD-Kanäle. Und die PVR-Marktdurchdringung ist hier, wie gesagt, extrem niedrig. Dabei wäre PVR einer der größten Treiber. Aber die PVR-Vermarktung ist sehr schwierig. Nur wer ein solches Gerät benutzt, erkennt seinen Wert. Der liegt vor allem in der zeitunabhängigen Nutzung von Inhalten und der besseren Kontrolle dessen, was man sehen will. Das beobachten wir in anderen Märkten. Wir haben zum Beispie
lPVR-Marktuntersuchungen in UK, USA, Italien und Australien gemacht. Auf die Frage, was ist wichtigstes Gerät im Haushalt, war der PVR immer Nummer 2 oder 3. In Italien zum Beispiel Nummer 2. Nummer 1 war da der Fön. Ansonsten war das Handy die Nummer 1. Neun von zehn der befragten PVR-Besitzer meinten, sie könnten auf das Gerät nicht mehr verzichten.

Der deutsche TV-Markt gilt als sehr schwierig, wenn es um die Einführung neuer Technologien geht. Warum eigentlich?

Weil er auch ein sehr komplexer Markt ist. Auch in Sachen Regulierung. Die vielen Medienanstalten und Aufsichtsbehörden wie das Bundeskartellamt machen die Sache nicht leichter. Zudem ist Deutschland ein sehr fragmentierter Markt mit vielen Playern und ein Markt auf dem auch das Free-TV noch eine sehr wichtige Rolle spielt. Die Menschen sind hier nicht gewohnt, für das Fernsehen zu bezahlen.
Wir von NDS haben aber mittlerweile ein sehr gutes Verständnis für den deutschen Markt. Die meisten Kabelnetzbetreiber nutzen hier unsere Technologie. So zum Beispiel auch Kabel Deutschland ein CI+ Modul seit Mai 2010. Das war das erste CI+ Modul, das NDS weltweit auf den Markt gebracht hat. Im September 2010 hat KDG seine erste HD PVR-Box gestartet, auch mit NDS-CI, -Middleware und -EPG. Sie ist sehr leistungsstark und eines unserer besten Systeme weltweit. Auch Kabel BW nutzt NDS-CI und -Middleware mit HD PVR, Tele Columbus, Primacom, Eutelsat KabelKiosk, UnityMedia und Vodafone sind unsere Kunden. Es fehlt noch die Deutsche Telekom.

Was halten sie von CI+?

Für Operator ist die Entscheidung für CI+ nicht einfach, weil sie dadurch ein Stück weit die Kontrolle über den Endusers verlieren. Sie können nicht mehr den eigenen EPG und das eigene Branding in den Vordergrund stellen. Das User Interface wird dann von Sony oder Samsung bestimmt. Operator können kein eigenes VoD mehr anbieten oder Push-Content mit PVR. Kurzum: CI+ limitiert die Möglichkeiten, innovative Interfaces anzubinden und ist für sie deshalb nicht besonders attraktiv.

Und für Sie als Hersteller von Sicherheits- und Zugangslösungen?

Solange unsere Smartcard eingesetzt wird, ist das für uns ok.
Eckhard Eckstein
(MB 04/11)