Am Puls der Zeit

Wie viele Web-TV-Sender es gibt, und wie viele von ihnen – auf welche Weise - auch eine ordentliche Rendite abwerfen, bleibt im Dschungel des Internets ein Geheimnis. So gut wie sicher ist, dass die erfolgreichsten Sparten für Web-TV Games, Musik, Kino, Reisen und Sport sind: Lifestyle-Angebote, die sich zuvorderst an die junge Generation wenden und von der next Generation der Medienmacher produziert werden. Ein Bündel („bunch“) dieser Themen hat der Kölner Web-TV-Sender Bunch.TV zusammengestellt und ein filigranes Geschäftmodell für die Vermarktung des Videocontents entwickelt. Mit Erfolg. Jetzt plant Bunch.TV-Geschäftsführer Marc Niki Jondral, auch international zu expandieren.

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Am Puls der Zeit

›„Bunch.TV ist Entertainment nonstop und interaktiv. Bunch.TV ist anders und einzigartig in Style und Content und dadurch nicht austauschbar. Das ist ein Mix, den Werbekunden schätzen“. Das verkündete Bunch.TV-Chef Marc Niki Jondral im April dieses Jahres, als Bunch, wie er sagt, seinen „Ritterschlag“ erhielt. Damals hatte der Werbezeitenvermarkter der RTL-Gruppe, IP-Deutschland, Bunch.TV in sein Vermarktungs-Portfolio aufgenommen. Bunch wurde die Ehre zuteil, als erster Fremd-Mandant vom langjährigen Bewegtbildvermarktungs-Know-How der RTL-Gruppe zu profitieren. Über diesen Deal laufen nun monatlich Einnahmen in fünfstelliger Zahl bei Bunch.TV ein, freut sich Jondral.

Die Zielgruppe von Bunch sind 18- bis 39-jährige, die „markenaffin und trendbewusst“ leben. Von Bunch.TV erfahren sie sieben Tage in der Woche, was in Sachen Musik und Lifestyle angesagt ist, „mit täglich eigens produziertem Content auf qualitativ höchstem Niveau“, wie Paul Mudter, Geschäftsleiter IP Deutschland Interactive, betont. Jondral ist wichtig, dass das Programm von Bunch immer „am Puls der Zeit“ seiner Zielgruppe bleibt.

Als seine Mitbewerber im Web-TV-Geschäft nennt Jondral beispielsweise tape.tv, 3Min.de und putpat.tv. Wie der Klick dahin zeigt, handelt es sich bei diesen Video-Online-Angeboten im Gegensatz zu Bunch.TV teils um personalisiertes Web-TV, in dem sich der User einloggen muss, damit sich der Server langfristig merken kann, welche Video-Vorlieben der Eingeloggte hat. Besonders stolz ist Jondral auch darauf, die populären Mitbewerber mtv.de und viva.tv weit überflügelt zu haben. Im letzten Juni beispielsweise habe Bunch.TV rund 5,5 Millionen Videoabrufe registrieren können, bei mtv.de seien es knapp vier Millionen, bei viva.tv knapp 2,5 Millionen gewesen.

Klar gehört Jondral zur next generation der Medienmacher, er ist 33 Jahre jung. Man könnte ihn auch einen Hans Dampf in allen Mediengassen nennen. Schon in seiner Schulzeit war Jondral „medienaffin“ und jobbte als Schauspieler. Zwei Jahre hatte er eine Nebenrolle in einer ARD-Serie und einmal sogar eine Titelrolle in einem Spielfilm. 1997 machte er Abitur. 1998 gründete er die Agentur Jondral Künstler Management, die er bis heute unterhält.

Nach Synergien Ausschau haltend, gründete Jondral 2004 die Produktionsfirma Paper Boy Productions GmbH. Er sammelte Know-how im Bereich der TV- und Filmproduktion und absolvierte in seiner eigenen Firma eine dreijährige Ausbildung als Kaufmann, die er, wie er sagt, „vor der Kammer mit Gut“ bestand. Anfang 2008 übernahm Jondral Bunch.TV und packte den Web-TV-Sender unter sein Produktionsfirma-Dach. Die Übernahme von Bunch.TV habe 150.000 Euro gekostet, in der Investition sei der Wert des technischen Equipments erhalten. Heute sei Bunch.TV „nicht nur erfolgreich, sondern wir gehen durch die Decke“, betont er selbstbewusst. Ganz genaue Zahlen will er aber nicht verraten.

Bunch.TV war bereits 2005 vom Ex-Viva-Producer Stephan Faber als reiner Musiksender mit den Genres HipHop, Heavy Metal, Rock, Reggae und chilligen Sounds jenseits des Mainstream gegründet worden. Der Web-TV-Sender zählte zu den hippsten Angeboten im Netz und war von der Berliner Firma exozet technisch realisiert worden, die eine innovative Software entwickelt hatte, mit der man – damals neu – Bewegtbildinhalte, interaktive Community-Elemente und neue Werbeformen verschmelzen konnte.

Mittlerweile wird Bunch.TV über die Technologie des US-Anbieters Brightcove abgewickelt. Zum technischen Equipment gehören laut Jondral vier Panasonic-Kameras 171 HD und sechs Kameras Sony Z1 sowie elf Final Cut Schnittplätze. „Wir produzieren in HD Qualität und bald im Bereich Lifestyle komplett in Full HD“, sagt er.
Seit 2009 hat Jondral das Angebot des Senders völlig umgekrempelt. Gab sich Bunch.TV unter der Ägide von Faber im Design eher avantgardistisch hipp, doch wenig übersichtlich, präsentiert sich das Web-Portal nach seinem Relaunch nun ästhetisch wohl geordnet.

Neue Geschäftsmodelle

Im Kern ist Bunch.TV zwar ein Musiksender geblieben, der eine Menge Berichte über Musikfestivals wie etwa Sennheiser Festival Sommer bringt. Doch hat Jondral das Angebot nun um die Lifestyle-Sparten „Games“, „Cinema“, „Travel“ und „Sport“ ergänzt, für die seine Paper Boy Productions GmbH die Videos produziert. Daraus ergeben sich wiederum neue Geschäfts- bzw. Handelsmodelle.
So hat beispielsweise erst der Pay-TV-Kanal Kinowelt TV das Kinomagazin
„Seen“ von Bunch.TV übernommen, mittlerweile ist es bei dem RTL-Web-TV-Portal „Clipfish“ zu sehen. Der Pay-TV Kanal Animax von Sony Pictures Television zeigt das Bunch.TV-Gaming-Magazin „Play’d“. Für das Reisemagazin „Boarding“ hat Jondral eine recht aufwändige Reportage über Istanbul produzieren lassen. Berichte, auch in englischer Sprache, über weitere Metropolen sollen folgen. Die, so plant Jondral, sollen an internationale TV-Sender und Fluggesellschaften lizenziert werden. Denn als Zukunftsvision hat Jondral vor Augen: „Bunch.TV goes international“. Mit den Aktivitäten für Sony Pictures Television wähnt er sich auch schon auf dem Wege dahin.

Die entscheidende Weichenstellung für den Ausbau von Bunch.TV war im Februar 2009 passiert. Bis dahin hatte es noch den Jugendsender Giga TV gegeben, der es in seinem fast zehnjährigen Leben mit mehrfachem Besitzerwechsel zu tun gehabt hatte, aber mit seinen Games-Magazinen und Lifestyle-Formaten eine originelle und professionelle Ansprache von vor allem jungen männlichem Publikum entwickelt hatte.
Schließlich war Giga TV unter das Dach vom Pay-TV-Sender Premiere geraten. Urplötzlich gab aber das Premiere-Management um Rupert Mudorchs News Corp bekannt, den Sender einzustellen, wegen der Werbekrise. 54 Mitarbeiter erhielten die Kündigung.

Neue Heimat für Giga.tv-Mitarbeiter

Da hat Jondral, wie er sagt, „sofort zugeschlagen“. So fanden 15 Ex-Giga-TV-Mitarbeiter bei Bunch.TV flugs eine neue Heimat, vor allem Producer und Grafiker. Nicht nur das in der Branche geschätzte professionelle personelle Giga-Know-how übernahm Jondral dabei, sondern gleich auch die Lichttechnik von Giga TV für sein Studio. „Headqarter“ von Bunch ist, wie Jondral sagt, Köln: ein durchaus lichtdurchflutetes Kellergeschoss einer alten Kölner Schirmfabrik auf geräumigen 1.000 Quadratmetern. Bunch habe weitere „Units“ in Hamburg und Berlin mit freien Mitarbeitern etabliert.

Insgesamt beschäftigt Jondral heute nach eigenen Angaben rund 40 Mitarbeiter bei Bunch.TV, 25 davon seien fest angestellt. Das monatliche Gehalt liege in etwa zwischen 2500 und 4000 Euro. Man produziere rund 800 Sendungen im Jahr mit einer Länge von rund 25 Minuten, gibt Jondral an. Darunter: rund 190 Musiksendungen, 150 Festivalbeiträge, 104 Livestylesendungen und 144 Kooperationssendungen. Das Arbeitsprinzip im Haus heiße „auf Volldampf Leistungen erbringen“ und „Geschwindigkeit auflegen“. Der dynamische Markt gebe die Vorgabe für alle Aktivitäten.

Fünf Säulen

Das filigrane Bunch-Geschäftsmodell lässt sich mit fünf Säulen skizzieren. Erstens hat Bunch treue Sponsoren im Rücken. So ist Karlsberg mit seinem Trendgetränk Desperados seit Jahren prominent auf der Startseite präsent. Für Sennheiser produziert Bunch.TV Berichte über Festivals. Auch die Bierbrauerei Heineken reihte sich unter die Sponsoren ein. Zweite Säule ist die Werbung, die jetzt von IP Deutschland akquiriert wird. Zu diesem Kundenkreis zählen unter anderem BMW, McDonalds, MiXery, Telekom und Nokia, die Video ads schalten. Als eine wichtige, ausbaufähige dritte Säule nennt Jondral „Special Ad“: Es werden Sondersendungen zum Beispiel für Nintendo produziert und Berichte über Events hergestellt. Vierte Säule ist das Lizenzierungsgeschäft. Von Bunch produzierte Formate werden weiter verkauft, wobei Bunch für Sony Animax auch die Synchronisation übernimmt. Das Geschäft laufe „wie geschnittenes Brot“, sagt Jondral.

Last but not least erreicht Bunch nicht nur Reichweite über das eigene Web-Portal, sondern kooperiert mit 20 anderen Portalen, wie zum Beispiel hiphop.de, rap.de oder virtualnights.com. Ganz wichtig, um die Reichweite zu puschen, seien die Social Media-Funktionen, die auf der Startseite von Bunch ins Auge springen. Speziell dafür hat Jondral Personal abgestellt, das sich zum Beispiel darum kümmert, dass Newsletter zu den neuesten Sendungen Einzug in die Communities finden, um die Nutzer dann auf das Portal von Bunch.TV zu locken.
Wir sind mittlerweile „keine Freak-Garagen-Bande mehr, sondern ein Medienunternehmen“, resümiert Jondral. Er ist überzeugt, dass Bunch.TV das Fernsehkonzept der Zukunft repräsentiere. Zumal immer mehr Werbetreibende ihre Etats von den klassischen Medien in den Online-Bereich umschaufeln würden, wo sie „ohne Streuverlust“ in der gewünschten Zielgruppe wirken könnten.
Erika Butzek
(MB 09/10)

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