Feinzeichner

Ist die schiere Pixelzahl entscheidend? Nein, sagen Experten, der Kontrastumfang habe einen größeren Einfluss auf die subjektiv empfundene Bildqualität als die Auflösung. Auf der IFA und der IBC war High Dynamic Range (HDR), also ein höherer Dynamikumfang, das Thema in der Unterhaltungselektronik wie im Broadcast.

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High Dynamic Range (HDR) war das beherrschende Schlagwort für TV-Geräte auf der Internationalen Funkausstellung (IFA). Gemeint ist eine höhere Dynamik beziehungsweise ein größerer Kontrastumfang. Dabei diskutieren Experten bereits seit Jahren lebhaft über den Zugewinn an subjektiver Bildqualität durch die vierfach höhere Auflösung von UHD, eine höhere Bildfrequenz (High Framerate, HFR), einen größeren Kontrastumfang (HDR) sowie einen erweiterten Farbraum (Extended Color Gamut). Der Kontrast, darin sind sich Experten einig, trägt mehr zum subjektiven Schärfeeindruck bei, als die Pixelzahl alleine. Wie Johannes Steuerer, Principal Engineer bei ARRI Cine, auf einem Vortrag erläuterte, könne ein reales Motiv mühelos einen Kontrastumfang von 20 Blendenstufen umfassen, was einem Kontrast von mehr als 1.000.000:1 entspricht. Dies können reale TV-Bildschirme nicht abbilden – auch wenn die Datenblätter der Hersteller oft etwas ganz anderes versprechen. Die Leuchtdichte der TV-Geräte ist ein wichtiges Merkmal, um einen höheren Kontrastumfang zu erzielen.

Auf der IFA kündigte beispielsweise TP Vision den Philips 9600 UHD TV an, dessen 65-Zoll-Bildschirm durchschnittlich mit 600 Nits strahlt und kurzzeitig bis zu 1.000 Nits erreichen soll (die Leuchtdichte wird auch in Candela pro Quadratmeter angegeben). Dafür verwendet TP Vision eine gezielte Ansteuerung der LED-Hintergrund-Beleuchtung. Branchenprimus Samsung stellte dieses Jahr seine SUHD-Geräte vor. Deren winzige Nanokristall-Dioden sollen mehr Licht passieren lassen, wodurch sich die Helligkeit der SUHD-Bildschirme erhöht. Neben der Helligkeit ist ebenso eine feine Zeichnung in den Schatten maßgebend. Panasonic konzentriert sich mit seinem neuen 4k OLED TV TX-65CZW954 mehr auf die dunklen Bildpartien. Das Modell soll dunkelste Grautöne zeichnen können und dadurch einen höheren Kontrastumfang erzielen. Auch Sony oder LG stellten zur IFA mehrere HDR-taugliche UHD-TV-Modelle vor. Doch wie lassen sich HDR-Bilder erzeugen und zum Zuschauer übertragen?

Hier kommen Techniken wie Dolby Vision ins Spiel. Dolby arbeitet bereits seit einigen Jahren an der Technologie. Das Ziel von Dolby Vision ist, den Helligkeitsspielraum aktueller Displays auszuschöpfen. Dieser werde, so Dolby in einem White Paper, durch aktuelle TV-Standards jedoch auf 100 Nits beschränkt. Um ihn zu erweitern verwendet Dolby Vision eine spezielle Elektro-Optische-Übertragungsfunktion (EOTF), die der sogenannten PQ-Kurve entspricht. PQ steht dabei, wie Klaus Weber, Senior Product Marketing Manager Camera bei Grass Valley erläuterte, für „Perceptual Quantizer“, also die optimale Verteilung der Bitstufen für eine bestmögliche wahrgenommene Qualität. Denn Tests ergaben, dass das menschliche Auge die Helligkeitsunterschiede in dunklen Bildpartien weit feiner erfassen kann, als in den hellen Bereichen. Dementsprechend rastert die PQ-Kurve die dunklen Bereiche feiner, mittlere und vor allem helle Bildpartien gröber. Die PQ-Kurve ist daher, so Weber, nicht linear, sondern an die Augenempfindlichkeit angepasst. Diese Elektro-Optische-Übertragungsfunktion für Bildschirme wurde im Standard SMPTE ST 2084 festgelegt, der nicht allein von Dolby Vision genutzt wird, sondern allgemein für HDR-Techniken gilt.

Grass Valley demonstrierte auf der IBC, wie seine aktuellen LDX 86-Kameras einen Dynamikumfang von 15 Blendenstufen über ein Standard-HDTV-Signal mit 10-Bit-Abtastung nach ITU-R BT.709 übertragen können. Dazu werde, so Weber, das Signal mittels der PQ-Kurve auf die 10-Bit-Stufen des HD-SDI-Signals „gemappt“. Die Basisstation der LDX 86-Kameras lieferte sowohl ein Standard-SDR-Signal (Standard Dynamic Range) wie ein HDR-Signal, beide über eine herkömmliche 10 Bit 4:2:2 HD-SDI-Verbindung. „Die 15 Blendenstufen sind das Maximum an Kontrastumfang, den Broadcast-Kameras heute ausgeben können“, erläuterte Klaus Weber. Da sich die 15 Blendenstufen mittels HDR-Technologie über ein 10-Bit-Signal übertragen ließen, sieht Weber zumindest für die Live-TV-Produktion keine Notwendigkeit für eine 12-Bit-Abtastung nach der ITU-Empfehlung BT.2020.

Anders sehe es bei filmischen Produktionen aus. Hier ließen sich in der Postproduktion einzelne Bereiche getrennt nachbearbeiten – etwa der Himmel oder die Schattenpartien. „Hier machen 12 Bit durchaus Sinn, um Rundungsfehler zu vermeiden“, so Weber. Im Broadcast gebe es keinen 12-Bit-Workflow – weder entsprechende Mischer noch Server stünden derzeit zur Verfügung.

Die SDR- und HDR-Signale wurden zum Vergleich auf Monitoren am Stand von Grass Valley und von Dolby gezeigt. Bei Dolby wurde das HDR-Signal zusätzlich mithilfe eines Dolby-Prozessors wieder in ein SDR-Signal konvertiert. Dies entfaltete im Vergleich zum direkt von der Kamera ausgegebenen SDR-Signal eine sichtbar bessere Kontrastwirkung. Dolby verwendete für die Wiedergabe eigens hergestellte Referenzdisplays. Diese Displays, so erläuterte Roland Vlaicu, Vice President Consumer Imaging Dolby Laboratories, Inc., arbeiteten mit LED/LCD-Technologie und sogenannten Quantum-Dot-Nanopixeln. Damit erreichten die Displays eine maximale Leuchtdichte von 2.000 Nits und könnten einen Farbraum bis zu DCI-P3 abdecken – ein Standard für digitale Kinoprojektoren.

Die Übertragungskette ins Heim ist damit jedoch keineswegs geschlossen: Denn DVB-Signale sind mit dem aktuellen Codec H.264/AVC im Main Profile lediglich mit acht Bit aufgelöst. Zudem werden das Helligkeits- und die beiden Farbsignale bei H.264 Main Profile lediglich mit 4:2:0 abgetastet. Gleiches gilt für den kommenden HEVC-Codec. Hier setzt die Dolby-Vision-Technologie an. Wie Vlaicu auf der IBC erläuterte, nutzt Dolby Vision für die Übertragung einen sogenannten Dual-Layer-Modus. Das SDR-Basissignal werde, so Vlaicu, in einem sogenannten „Base Layer“ übertragen. Das Differenzsignal zum vollen Dolby-Vision-HDR-Signal werde zudem in einem „Enhancement Layer“ übermittelt, der etwa 20 Prozent zusätzliche Bandbreite benötige. Das Verfahren, so Vlaicu, ermögliche eine kompromisslose Übertragung sowohl des SDR- als auch des HDR-Signals. Die Abwärtskompatibilität zu herkömmlichen Bildschirmen sei damit, laut Vlaicu, gegeben. Für die Besitzer bisheriger SDR-Displays natürlich wichtig. Noch allerdings gibt es keine Dolby-Vision-tauglichen TV-Geräte. Laut Vlaicu sollen erste Modelle mit Dolby Vision vor Jahresende 2015 in den USA auf den Markt kommen. Chipsätze mit der SMPTE ST 2084-Kennlinie stellen beispielsweise Sigma Designs, Realtek oder Mediatek her. Dolby Vision nutzt sowohl auf Senderseite einen Encoder wie auf Empfängerseite einen Decoder. Dabei arbeitet Dolby stets mit einem Lizenzmodell, was für die TV-Gerätehersteller zusätzliche Kosten bedeutet. Im hart umkämpften Konsumentenmarkt könnten viele Hersteller daher Lizenz freie Techniken bevorzugen. Eine davon ist das sogenannte Hybrid Gamma, das die britische Sendeanstalt BBC zusammen mit dem japanischen Sender NHK entwickelt hat. Daneben existiert noch das sogenannte S-Log Gamma. Doch beide Techniken können nach Ansicht Webers keine 15 Blendenstufen übertragen. Welches Verfahren sich für die Übertragung durchsetzen wird, ist ungewiss.

Thomas Wrede, Vize Präsident Empfangssysteme beim Satellitenbetreiber SES Astra, nannte auf einer IBC-Pressekonferenz Dolby Vision oder Hybrid Gamma als mögliche Übertragungstechniken. Zudem würden weitere Methoden diskutiert. Letztlich sei dies jedoch nicht die Sache des Satellitenbetreibers. Klaus Weber schätzt, dass mehr und mehr SMPTE ST 2084-kompatible TV-Geräte auf den Markt kommen werden. Denn die PQ-Kurve sei auch Teil des UHD-Blu-ray-Standards.

Auf der IFA gaben einige Hersteller jedenfalls an, dass ihre HDR-TV-Geräte die SMPTE-Norm erfüllten. Um HDR-Inhalte per HDMI zu übermitteln, wurde auf der IFA zudem der jüngste HDMI-Standard 2.0a vorgestellt, der speziell zur Übertragung der HDR-Metadaten dient.

Jan Fleischmann

MB 6/2015

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