Herzstück internationaler Wachstumsstrategie

Am 8. April 2011 weihte die ASTRA Platform Services GmbH ihr neues Playout- Center in Unterföhring ein. Es gilt eine der modernsten einrichtungen dieser Art in Europa. APS setzt damit weiter auf Expansion. MEDIEN BULLETIN war bei der Eröffnung mit zahlreichen Vertretern aus Politik und Rundfunk dabei und hatte Gelegenheit, auch hinter die Kulissen zu schauen.

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Herzstück internationaler Wachstumsstrategie

Bereits Ende 2010 wurde das neue Playout-Center des Broadcast-Dienstleisters ASTRA Platform Services (APS) in Betrieb genommen. Jetzt erst kam man dazu, auch die offizielle Einweihung nachzuholen. Dazu standen zahlreiche Vertreter aus Politik und Medien Spalier. Lobende Worte gab es von Staatsminister Marcel Huber, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, der die Einweihung als eine der ersten Aufgaben in seiner Funktion als neuer Bayerischer Medienminister wahrnahm. Er sagte: „Die Entscheidung von APS, auch das zweite Playout-Center in Unterföhring zu bauen, ist ein Kompliment für Bayern.“ Das neue Technikzentrum sei ein starkes Zeichen für die Bedeutung des Medienstandorts München.

Der Neubau war nötig geworden, nachdem APS in den letzten seine Kundenzahl verdoppeln konnte. „Dieses Wachstum war nur möglich, weil wir in der Lage sind, für unsere Kunden permanent in neue Dienstleistungen und Technologien zu investieren“, erklärte Wilfried Urner, Vorsitzender der Geschäftsführung von APS. Als Tochter der SES ASTRA habe die APS zwar den Schwerpunkt Satellit, jedoch übernehme sie zunehmend weitere Dienstleistungen für die Fernsehsender wie etwa das Content-Management. „Wenn wir heute Inhalte archivieren, dann archivieren wir sie, egal ob sie später für Internet, mobile Verbreitung, Satellit oder Kabel verwendet werden“, sagte Urner.
Entsprechend würde die APS mittlerweile Streaming-Services für Fernsehen über das Internet anbieten. „Wir haben heute bestimmte Kanäle, die nur ins Kabel eingespeist sind.“ Demnach verstehe sich die APS also nicht als „Satelliten-Company only“, sondern auch als Content-Manager, der andere Plattformen bedienen könne.
Die APS betreut aktuell 37 HD-Sender, 243 Fernsehprogramme in digitaler Standardqualität (SD), acht analoge TV-Sender, 42 Radiokanäle sowie 59 Datendienste. Mit der Zahl der Kunden ist auch das Portfolio der APS-Dienstleistungen rund um die Aufbereitung und Übertragung von Programminhalten stetig gestiegen und damit der Technikpark, für den das alte, ursprünglich als Bürokomplex konzipierte Playout-Center schließlich zu klein wurde.
Mit Blick auf die Unternehmensstrategie meinte Urner: „Wir wollen weiter wachsen und künftig verstärkt das Geschäft außerhalb Deutschlands aufbauen. Dazu benötigen wir die entsprechenden Ressourcen, das neue Playout-Center bildet das technische Herzstück unserer internationalen Wachstumsstrategie.“
Im neuen Technikzentrum verfügt die APS auf 7.000 Quadratmetern Nutzfläche über ausreichend Platz für Erweiterungen und die Sendeabwicklung neuer Kanäle. Rund 150 Kilometer Starkstromkabel und 800 Kilometer Daten- und Videoleitungen wurden bisher verlegt.

Ökologische Bauweise

Wegweisend ist die ökologische Bauweise des Gebäudes, die nicht nur die Umwelt schont, sondern ermöglicht, durch die Nutzung natürlicher Ressourcen Betriebskosten zu senken. Urner: „Die Energiekosten sind für ein Sendezentrum eine sehr kritische Größe. Wir haben uns entschieden, dieses Gebäude nach ökologischen Aspekten auszubauen wie es in der Medienbranche wohl ziemlich einmalig der Fall ist.“ Das Kühlkonzept für die Technikräume basiert auf Grundwasserkühlung. Ein gemeinsam mit der Gemeinde Unterföhring entwickeltes Geothermie-System beheizt die Büroräume. Die Einsparungen sollen laut dem APS-Chef an die Kunden des Unternehmens weitergegeben werden. Das Design und die Systemtechnik des Sendezentrums wurden von der APS selbst entworfen, die als Generalunternehmer beim Bau des neuen Technikzentrums mit verschiedenen Partnerfirmen zusammenarbeitete. Die Investitionen liegen Urner zufolge seitdem Baubeginn in 2007 bei einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.
Unter den Einweihungsgästen befand sich als erster Kunde der APS, Mainstream Media-Vorstand Gottfried Zmeck, für den der Broadcast-Dienstleister 1996 noch unter dem früheren Firmennamen Beta Digital mit DF1 das erste digitale Fernsehprogramm in Deutschland auf Sendung brachte. Des Weiteren gratulierten persönlich der APS Brian Sullivan, CEO von Sky Deutschland als größter Kunde, und Vino Govender, CEO des südafrikanischen Pay-TV-Unternehmens ODM als internationaler Kunde, und lobten langjährige Zusammenarbeit und gute Partnerschaft. Für den Start des Pay-TV-Angebots TopTV von ODM mit 55 Kanälen und vier verschiedenen Bouquets realisierte die APS im vergangenen Jahr innerhalb kurzer Zeit eine maßgeschneiderte Lösung für die Sendeabwicklung, Verschlüsselung und das Content-Management.

Als Pionier des digitalen Fernsehens merkte Zmeck an: „Wichtig ist der Aspekt, dass die Playout-Services auch für mittelständische Unternehmer – und mittlerweile kann ich das als langjähriger Kunde sagen – bezahlbar und refinanzierbar sind.“ Das sei früher für kleinere Sender nicht machbar gewesen. Aber: „Ich weiß aus Erfahrung, dass APS preislich nicht gerade zu den Discountern zählt, zugleich aber Verständnis für die Möglichkeiten seiner Kunden hat.“ Das neue Playout-Center zähle jedoch zu den modernsten, von denen es nur wenige in Europa gebe. Wenn man sich das vor Augen halte, werde klar, wie wichtig es sei, ein Playout-Center dieses Formats in Bayern zu haben. „Ich denke, dass Unterföhring hier, in diesem Bereich eine weltweit relevante Adresse geworden ist. Das ist eine gewaltige Leistung“, lobte der Medienunternehmer.
Die erste Station der Besichtigungstour führte in den dritten Stock, in das Dachgeschoss des Gebäudes, wo das Notstromaggregat untergebracht ist, das automatisch einspringt, wenn es in der öffentlichen Stromversorgung zu einem Stromausfall kommt. Zu dem Dieselmotor mit 1.750 PS erläuterte APS-CTO Stefan Hennecke: „Sollte der Strom ausfallen, wird das automatisch erkannt und der Motor läuft innerhalb einer Minute hoch. In der Zeit, bis der Motor läuft, speisen wir unsere Technik mit der unterbrecherfreien Stromversorgungsanlage aus einer Batterie.“ Durch einen Tagestank und einen weiteren Tank im Außengelände unter der Erde wird sichergestellt, dass die Maschine mindestens 24 Stunden laufen kann. Zwei redundante Stromverteilungssysteme im Untergeschoss sorgen zusätzlich dafür, dass es bei der Fehlauslösung von Sicherungen nicht zum Stromausfall kommt.

Zentraler Geräteraum

Wieder zurück nach unten im Erdgeschoss ging es zur zweiten Station, dem ZGR. Das ist der Zentrale Geräteraum, neben dem sich auch die Lüftungsanlagen befinden. „Im ZGR sehen wir, für was wir überhaupt so viel Strom brauchen“, so Hennecke. Gut 300 Serverschränke, Reihe an Reihe aufgebaut, bieten hier Platz für High-End-Encoder, Videoserversysteme und Netzwerkkomponenten, mit denen die APS ihre technischen Dienstleistungen erbringt. „Ein wesentlicher Punkt unserer Dienstleistung ist das Encoding, also das Aufbereiten des Videosignals für den Satelliten, das im MPEG2- und MPEG4-Format komprimiert wird“, schilderte der Technikchef und deutete auf die Encoder, die die Programme von Pay-TV-Anbieter Sky aufbereiten. Ein HD-Transponder auf dem Satellit kann dann mit drei bis vier Kanälen und ein SD-Transponder mit zehn bis zwölf Kanälen bestückt werden. Aktuell sollen insgesamt 200 Encoder im ZGR im Betrieb sein.

Die Kühlung der Serverschränke erfolgt durch insgesamt sechs Lüftungsmaschinen, die mit Propellern von etwa zwei Metern Durchmesser ausgerüstet sind. Zwei bis drei blasen die kalte Luft in einen Doppelboden, die dann durch Schächte unter den Serverschränken als starkes Gebläse nach oben austritt und die Geräte kühlt. „Nachdem wir viele Schränke haben, brauchen wir viel Luftvolumen. Eine Lüftungsmaschine hat 125.000 Kubikmeter Luft“, berichtete Hennecke. Der Luftstrom wird in das darüber gelegene Kabelgeschoss geführt, in dem über so genannte Filtermatten Staub aus der Kühlungsluft herausgefiltert und dem Kühlsystem wieder zugeführt wird.
Klassischerweise wird das Kältemittel für die Lüftung über große Kühlaggregate erzeugt, ähnlich einem Kühlschrank, erklärte er, aber erheblich größer.

Die APS spart sich die Stromkosten für den Betrieb solcher Kühlaggregate, in dem sie mit Grundwasserkühlung arbeitet. Durch den Einsatz eines Wärmetauschers kommt es zu keinen Verunreinigungen im Grundwasser. „Wir haben fünf Förderbrunnen und drei Schluckbrunnen, über die das Wasser wieder zurückgeführt wird“, beschrieb der APS-Technikchef. „Wir gehen davon aus, dass wir durch die Grundwasserkühlung mindestens 30 Prozent der Energiekosten einsparen können. Was die Heizung mit Erdwärme anbelangt, haben wir in etwa auch eine 30-prozentige Einsparung im Verbrauch.

Zusätzlich ist unsere Gebäude-Dämmung um 50 Prozent effizienter als die gesetzlichen Vorgaben.“ Von den Einsparungen profitieren Hennecke zufolge bestehende Kunden insofern, als dass Preiserhöhungen in der Energieversorgung nicht an sie weitergegeben werden: „Wir müssen unsere Preise nicht erhöhen.“ Im Kabelgeschoss, in dem 500 Kilometer Videokabel und 300 Kilometer Netzwerkkabel verlegt sind, befinden sich für die Brandfrüherkennung Partikelsensoren, die über jeder Gestellreihe im ZGR platziert sind. Über perforierte Rohre wird Luft angesaugt und analysiert. Hennecke: „Das geht soweit, dass man feststellen kann, wenn ein Kabel warm wird. Davon gehen andere Ausdünstungen als im Normalfall aus. Man wird also schon informiert, wenn etwas nicht in Ordnung sein könnte, so dass es überhaupt nicht zu einem Brand kommen kann.“ Der zweite Bestandteil des Branderkennungssystems sind reguläre Rauchmelder. Wird ein Brand gemeldet, würde der Raum über ein Gaslöschsystem mit Stickstoff geflutet werden.

Digitales Filmarchiv

Der Brandschutz ist aber nicht nur wegen der Sendeabwicklung, die gewährleistet bleiben muss, von zentraler Bedeutung, sondern auch wegen des digitalen Filmarchivs, das sich im zweiten Stock befindet. Die Schatztruhe ist ein schwarzer schlichter Schrank. Weit über 50.000 Stunden Filmmaterial von Lizenzhändlern und Broadcastern sollen hier filebasiert gespeichert sein. „Davon haben wir zwei Stück, um eine redundante Speicherung zu gewährleisten. Wir schreiben jedes File auf zwei Datenbändern weg. Jedes Band lagert dann in so einer Robotik. Die andere ist im alten Gebäude im Keller sicher verwahrt“, erläuterte Hennecke. Grundsätzlich bleibt das alte Gebäude funktional weiter in Betrieb, um auch mit einem räumlichen Back-up für Playout und Encoding bei Havarieunfällen abgesichert zu sein. Die aktuelle Speicherkapazität eines Archivs liegt bei 2,5 Petabyte. Das System ist erweiterbar. Hennecke: „Durch die filebasierte Speicherung hat man einfachere und bessere Möglichkeiten in der Wiederverwendung des Filmmaterials. Die Lagerdauer ist unbegrenzt, weil man Daten problemlos umkopieren kann.“

Kommandozentrale

Die letzte Station auf dem Trip durch die zukunftsweisende Broadcast-Technik war die Kommandozentrale im zweiten Stock des neuen Playout-Centers, der Master Control-Raum, der mit modernen Systemen zur Fehlererkennung bei der Videoübertragung und umfangreichen Steuerungs- und Analysetools ausgestattet ist. Alles andere als schlicht und als halbrund konzipiert misst der Kontrollraum 30 Metern Länge und zwölf Meter Tiefe. Er ist 24 Stunden besetzt und quasi das Auge in die Welt: Auf 40 Philips-Monitoren mit LED-Backlight, deren Stromverbrauch unter 100 Watt pro Stunde liegt, flimmern entlang der gebogenen Wand die bewegten Bilder sämtlicher Fernsehkanäle, die die APS betreut. „Mit der herkömmlichen Bildschirm-Technologie wird dreimal so viel Energie verbraucht und auch entsprechend mehr Wärme erzeugt als mit der LED-Technologie. Somit haben wir eine doppelte Einsparung“, bekundete der Technikexperte. Insgesamt gibt es 40 Prozessoreinheiten, so genannte „Multiviewer“ inklusive Fehlererkennung vom Typ Harris Predator, die jeweils 30 Kanäle auf einem Bildschirm darstellen können. Der Kontrollraum ist in drei Bereiche unterteilt: die Sendeabwicklung, die Überwachung des Encoding und das Monitoring der Sender. In der Sendeabwicklung wird nach framegenauer Vorgabe des Kunden das Programm gesendet. Ein Steuerungssystem steuert dabei den Videoserver, damit der Ablauf automatisiert zuverlässig funktioniert. Der Zeitunterschied zwischen der Signalquelle und dem digitalen TV-Empfang Zuhause beträgt mehrere Sekunden. Mit der neuesten Encodergeneration ist der Versatz bei HD und SD nahezu gleich.

„Um das Encoding überwachen zu können, arbeiten wir mit einer grafischen Darstellung der ganzen Encoding-Infrastruktur“, berichtete Hennecke. „Wenn Probleme auftreten, wird das angezeigt und es werden automatisch Redundanzschaltungen durchgeführt.“ Beim HD-Transponder steht zum Beispiel für vier Encoder ein Back-up-Encoder bereit. Der APS-CTO bekräftigte: „Es ist wahnsinnig wichtig, dass diese Encoder rund um die Uhr laufen, damit alle Programme via Satellit in höchster und bester Qualität beim Fernsehzuschauer ankommen.“

Das Monitoring aller TV-Sender sei die Qualitätssicherung des Unternehmens, veranschaulichte er weiter: „Alle Signale, die wir ausstrahlen, decodieren wir mit einer handelsüblichen Set-Top-Box, um so sicherzustellen, dass unsere Dienstleistung wirklich bis zum Zuschauer funktioniert.“ Die Signale von der Set-Top-Box werden auf einem Multiviewer im Detail dargestellt. Das Ganze ist mit einer Automation ausgestattet, so dass, wenn beispielsweise das Audiosignal ausfällt, das Bild stehen bleibt oder schwarz wird, ein Alarm ausgelöst wird. „Dann wird der Signalweg aufgezeigt, um feststellen zu können, ob ein Fehler vorliegt und wo. Falls einer vorliegen würde, könnten wir auch hier die entsprechende Redundanzschaltung vornehmen“, so Hennecke. Durch dieses gesamte System soll die Übertragungssicherheit bei 99,99 Prozent liegen.
Das neue Sendezentrum steht. Jetzt geht es für die APS darum, darin nicht nur die bestehenden, sondern auch neue Kunden zu betreuen. Geschäftsführer Wilfried Urner sagte: „Wir haben eine Menge Leads. Die Leads kommen auch dadurch zustande, dass wir über die Vertriebsaktivitäten unserer Mutter SES ASTRA einen gewissen Rückenwind bekommen. Durch Projekte wie TopTV haben wir uns auch international einen Namen gemacht. Wir konnten vermitteln, dass wir einer der wenigen technischen Broadcast-Dienstleister sind, die ein solch komplexes Projekt in kurzer Zeit mit hohen Qualitätsansprüchen umsetzen können.“ Der nächste Schritt sei jetzt, die Leads in Verträge umzumünzen. Hier kann die APS bereits erste Erfolge bei bestehenden Kunden vorweisen. Für den Shoppingsender HSE24 hat die APS jüngst eine interaktive Shopping-Applikation auf Basis des HbbTV-Standards entwickelt. Der Service startete Anfang Mai und ermöglicht Zuschauern von HSE24 das Einkaufen über den Fernseher ohne Medienbruch per Fernbedienung. Neben der Entwicklung sorgt die APS auch für das Hosting und die Anbindung der Applikation an die Schnittstellen von HSE24. Einkaufen wird auch beim Fernsehsender QVC großgeschrieben: Ab September 2011 wird die APS QVC HD auf die TV-Bildschirme der Zuschauer bringen.
Sandra Eschenbach
(MB 05/11)

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