Kein Denkmalschutz für ARD/ZDF

Unter dem Titel „Kernaufgaben und Spielräume – die politische und gesellschaftliche Definition der öffentlich-rechtlichen Medien“ fand am 18. Juni im Berliner Institut für Medienpolitik (IFM) eine kleine, politisch prominent besetzte Gesprächsrunde statt. Journalist und Verleger Jakob Augstein befragte als neuer Kuratoriumsvorsitzender des IfM den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Dr. Nobert Lammert, und den Vorsitzenden der ARD, Lutz Marmor (NDR).

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Kein Denkmalschutz für ARD/ZDF

„Was ist, was darf, was soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk?“ So spitzte Jakob Augstein die Fragestellung zu. Und er fügte ihr im Laufe des Abends Sprengstoff bei, indem er feststellte, dass in den Medien eine „Vernichtungskritik“ gegen ARD/ZDF im Gange sei, mit der das gesamte öffentlich-rechtliche System „als ein Relikt von früher“ in Frage gestellt werde, zumal es heute genügend private Sender gebe, und ohnehin ja fast alles, was einmal öffentlich war, privatisiert werde. Was Lutz Marmor mit den Worten bestätigte: “Wir haben generell einen Autoritätsverlust“. Gleichzeitig betonte er „Wir müssen die Kritik aushalten“, da man schließlich die Aufgabe habe, Programme für alle zu machen. Während Marmor in der Diskussion in der Verteidigungsrolle blieb, hatte Augstein dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) die Rolle des Fundamentalkritikers an ARD/ZDF zugewiesen, das dieser so in der Öffentlichkeit schon häufig aufgetreten war. Doch Lammert sah seine Rolle differenzierter. Weil Medien eine fundamentale Bedeutung für die Demokratie haben, sei er überzeugt, dass „es mindestens einen Teil dieses Systems geben muss, der nicht komplett den Marktgesetzen ausgesetzt ist“. Allerdings müssten die Öffentlich-Rechtlichen beweisen, dass sie den Anspruch erfüllen, weshalb sie etabliert worden sind.

Zuvor hatte Lammert die Talkshows kritisiert, die „inflationär stattfinden“ und an denen er nicht teilnehme, weil es, wie er meinte, offensichtlich die wichtigste Aufgabe des Moderators zu sein scheine, „spätestens dann einzugreifen, wenn aus der Show ein ernsthaftes Gespräch zu werden droht“. Gibt es einen Konflikt zwischen Qualität und Quote? Lammert weiß: In der Regel führe eine hohe Qualität eher zu einer niedrigeren Quote beziehungsweise umgekehrt. Was, wie er hinzufügte, aber auch ein Hinweis dafür sei, dass es „objektive Schwierigkeiten“ für eine angemessene Programmplanung gibt. Wäre denn nun Qualität im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegeben, wenn es ähnlich elitär ausgerichtet sei, wie man es Theatern zugesteht – oder würde BILD dann schreiben, das will keiner sehen, also weg mit den Öffentlich-Rechtlichen? Das sei ein „uralter Streit“, meinte Lammert, und sieht hier „objektive Zielkonflikte“, da es fraglich sei, ob ein faktisch Steuer-ähnlich finanziertes Programm so hohe qualitative Anforderungen erfüllen müsse, dass es nur von Minderheiten angenommen werde. Die Balance sei wichtig und aktuell sei die Frage zu stellen, ob ARD/ZDF im Zuge der Digitalisierung und des „gnadenlosen Wettbewerbs“ mit den Privaten nicht ihre „Strahlkraft und Legitimation“ verlieren. Lammert stellte weitere Fragen im Raum, zu denen, wie er einräumte, er selber aber auch noch keine schlüssige Erkenntnis habe: Ist eine halbstaatliche Senderstruktur heute noch notwendig? Man dürfe die öffentlich-rechtliche Struktur „nicht unter Denkmalschutz stellen“. Und wo liegt die Begründung für zwei Anstalten? Der einzige konkrete Vorschlag, der ihm zu Kenntnis gekommen sei, sei, dass man für das öffentlich-rechtliche Gesamtangebot eine andere Aufgabenteilung vorsehen könne. Wobei das ZDF die nationale, die ARD die föderale Versorgung übernehme, „den Vorschlag mache ich mir aber nicht zu eigen“, fügte er hinzu. Weil eine europäische Öffentlichkeit nicht ohne Belebung durch die Medien entstehen könne, würde er es begrüßen, wenn ARD/ZDF diese Aufgabe übernehmen.

Klar hatte sich Marmor tapfer verteidigt, etliche Beispiele für die Verbindung von Quote und Qualität im Programm wie auch Arte und 3Sat als zwei reine Kultursender genannt und auf Qualitätsjournalismus hingewiesen. Er räumte Schwächen im Programm ein und nannte Innovation als künftiges Ziel. Man stehe deshalb so sehr in der Kritik, weil alle das private Programm abgeschrieben hätten, meinte er: „Deshalb wird nur noch auf uns geguckt“. In einem Punkt waren sich Lammert und Marmor einig: Im internationalen Vergleich stehen ARD/ZDF hervorragend da. Wann immer er aus dem Ausland zurückkehre, so Lammert, werde er vorübergehend zu einem „glühenden Verehrer“ des hiesigen Systems.
Erika Butzek
(MB 07/08_13)

Foto: © Deutscher Bundestag Lichtblick Achim Melde