Regiepreis Metropolis für István Szabó

Der Bundesverband der Film- und Fernsehregisseure e.V. (BVR) ehrt den ungarischen Regisseur István Szabó mit dem Deutschen Regiepreis Metropolis 2014 für sein Lebenswerk.

10
Regiepreis Metropolis für István Szabó

Der Preis ist mit 20.000 EUR dotiert und wird vom BVR zusammen mit der Stiftung Kulturwerk als Ehrenpreis der VG Bild-Kunst, der Verwertungsgesellschaft der Bildkünstler, alljährlich vergeben.

„Ohne eigenes Blut funktionieren Filme, Opern, Theater nicht“: Dieser Satz von István Szabó umreißt seine persönliche Ästhetik: sein Bemühen, auch im kunstvoll Inszenierten Authentizität anzustreben, sein Durchleben eigener Gefühle, die er in den Figuren transparent macht. Er benötigt keine wild ausschweifenden Fantasien, Materialsplitter der Geschichte und des selbst Erlebten genügen ihm. 1938 in Budapest geboren und aus einer jüdischen Familie stammend, gelang es ihm und seiner Familie, den Holocaust zu überleben. Er kämpfte für den Wiederaufbau in Ungarn und bekam den Horror des Stalinismus zu spüren. Bereits als junger Mensch erlebte Szabó, wie die Welt sich mehrmals drastisch änderte. Helden standen auf, wurden geschlagen und standen wieder auf. Mythen wurden vernichtet und wieder erfunden. Wahrheit wurde zu Lüge und Lüge zu Wahrheit.

Sein erster großer Spielfilm „Álmodozások kora/ Zeit der Träumereien“ (1964) ist eine Auseinandersetzung mit den Illusionen, den Reife- wie den Anpassungsprozessen seiner Generation. Ähnlich in „Apa/ Vater“ (1966), wo ein Junge die Wahrheit über seinen toten Vater erfährt, so dass er in der Lage ist, der gestanzten Macht der Legenden zu entkommen. Schon früh erwies sich Szabó als sensibler Beobachter diktatorischer Systeme und erlebte selbst die daraus resultierende Fremdbestimmung.

Auch in seinen weiteren Filmen in Ungarn setzt er die Suche fort nach Identität und Selbstbild, nach Sicherheit und Geborgenheit in einer Welt, die scheinbar launisch und erbarmungslos die Schicksale der Menschen ändert und herausfordert. Bildstilistisch entwickelt er seine subtile Licht- und Farbdramaturgie weiter. Eingesetzt etwa in seinem wohl berühmtesten Film: „Mephisto“ (1981), das Portrait des Schauspielers als Karrieristen in der NS-Zeit wurde eine genau ausgeleuchtete Charakter- wie Gesellschaftsanalyse. Sie brachte Szabó 1981 den Oscar als bester ausländischer Film ein. „Mephisto“ wird der erste Teil einer Trilogie, die von Nazi-Deutschland aus den Blick auf die k.u.k.–Monarchie zurück wendet. „Oberstredl“ (1985) ist die auf authentischem Material beruhende Geschichte eines Aufsteigers, der seine Identität aufs Spiel setzt und zum politischen Spielball wird. Szabó ging es nicht um den politischen Verrat oder die angebliche Homosexualität Redls, sondern um dessen Anpassungskrise. Menschen tun viel dafür, etwas anderes sein zu wollen, als sie sind. Das sei eine Krankheit des Jahrhunderts. Auch “Hanussen” (1988) erzählt von einem Verstellungsartisten: von dem Hellseher und Scharlatan, der gleichfalls mehr und etwas anderes sein möchte als er ist. Als er eher zufällig den Reichstagsbrand 1933 voraussagt, wird er für Hitler vom Propheten zum unliebsamen Mitwisser und aus dem Weg geräumt.

In „Sunshine – einen Hauch von Sonnenschein“ (1999) geht István Szabó die Herausforderung an, ein Epos über drei Generationen der jüdischen Familie Sonnenschein zu entfalten. Szabó zeigt dabei, dass persönlicher Status keine Immunität gegen die ideologischen Verirrungen gesellschaftlicher Ismen gewährt.

In „Taking sides – der Fall der Furtwängler“ (2001) umkreist er wie bereits in „Mephisto“ abermals die Frage der Verführbarkeit des Künstlers durch Macht, diesmal in einer Art Dialog, den die Hauptdarsteller Harvey Keitel und Stellan Skarsgaard virtuos entfalten. Auch „The door/ Hinter der Tür“ (2012) bietet scharf zuspitzende Dialoge, in denen bruchstückhaft die verschütteten Traumata einer Putzfrau aufscheinen, die vielleicht ein Spitzel gewesen ist.

Filmemachen ist für István Szabó das visuell einprägsame Erzählen menschlicher Erfahrungen und Emotionen. Gerühmt wird er häufig für seinen kompositorischen Blick, menschliche Gestalten authentisch und wahr zu zeigen und immer auf den intuitiven, richtigen Augenblick eines solchen (Ab-)Bildes zu warten. Er selbst beschrieb diese inszenatorische Geduld einmal so: „Ich warte auf den Engel. Und plötzlich ist er da.“ Ihn zu erkennen und ihn als Bild festzuhalten – das gehört zur Kunst eines Meisterregisseurs.

Der Bundesverband Regie ehrt István Szabó am 8./9. Nov. in der Münchner Filmhochschule mit einer kleinen Retrospektive seiner Filme und mit einem öffentlichen Fachgespräch. Die feierliche Preisverleihung findet in einer Gala am 9.11. statt. Dabei werden auch die weiteren Jahres-Preisträger des Metropolis 2014, einer Auszeichnung von Regisseuren für Regisseure, in den Kategorien Beste Regie Kino-, TV-, Dokumentar-, Kinderfilm, Serien- und Nachwuchsregie überreicht. (10/14)