4k kommt mit ganz großen Schritten

Das DFB-Pokal-Endspiel Bayern München gegen Borussia Dortmund in Berlin hat Sky Deutschland gemeinsam mit dem Berliner Produktionsdienstleister TopVision genutzt, um eine 4k-Testproduktion zu realisieren. MeBuLive sprach darüber mit TopVision-Geschäftsführer Eduard Palasan.

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4k kommt mit ganz großen Schritten

Wie sah das Kamera-Setup beim 4k-Test in Berlin aus? Kamera 1 war als Führungskamera im obersten Rang mittig, oberhalb der Pressetribüne, für die Gesamttotale des Stadions platziert, ausgestattet mit einem Zeiss Master Prime 21mm-Objektiv. Damit konnten wir in einer Kameraeinstellung beide Tore erfassen. Kamera 2 war mit einer 86-fach Optik von Canon ausgestattet, die vorher für 4k speziell getestet und eingerichtet worden war. Diese stand direkt neben der Kamera 1 und der Kamera 2 für die normale Übertragung. Dann hatten wir die Kamera Hintertor hoch, direkt neben der Anzeigentafel, mit Blick raus zum herrlichen Abendhimmel über Berlin. Sie verfügte über eine neu berechnete 95-fach Optik von Canon. Auf der gegenüber liegenden Stadionseite war die zweite Hintertor-Kamera hoch direkt neben der Olympia-Feuerschale auch mit neu berechneter 95-fach Optik von Canon aufgebaut. Und dann gab es noch zwei Hintertor-Kameras flach an der 16-Meter-Linie damit man möglichst gut die Szenen im Strafraum einfangen konnte mit einer speziellen Cine Optik 30 – 300 mm von Canon. Also insgesamt waren sechs 4k-Kameras am Start, allesamt Sony F55.

Was wurde beim Einsatz der 4k-Kameras neu ausprobiert?

Die Kamera rechts flach unten haben wir unter anderem mit einem 30 – 300mm Cinema-Zoom von Canon (T2.95-3.7) im Zusammenspiel mit dem Optik-Kontrollsystem C-Motion getestet. Das ist jetzt so für uns konzipiert worden, dass man darüber direkt von Sony RCP 1500 aus die Blende fahren kann. Es ist für uns wichtig, dass wir die Blende nicht direkt an der Kamera bedienen müssen, wie das bei Spielfilmproduktionen der Fall ist, sondern zentral vom Ü-Wagen aus das Bild auf 4k-Monitoren beurteilen und dann entsprechend auch die Blende steuern können müssen. Beim Bundesliga-Match Bayern gegen Werder Bremen am 27. April haben wir auch schon das auf der NAB 2014 erstmals vorgestellte Canon Cine-Servo-Objektiv CN7x17 KAS S mit 17 – 120 Millimeter Brennweite testen können und das Ergebnis war für alle sehr zufriedenstellend.

Welche Anschaffungen plant TopVision mit Blick auf 4k?

Wir besitzen außer der genannten neuen Canon Cine-Optiken bislang alles, was wir für 4k-Produktionen brauchen. Dazu gehören F55-Kameras von Sony, den 4k-Kameraadapter Sony CA4000 für die Glasfaserübertragung, die CCUs, die BPUs und alle Objektive. Es fehlt uns das eine oder andere Zeiss aus der Prime Serie, weil jedes Stadion anders ist und weil man nicht einfach so einen ganzen Koffer voller Zeiss Objektive kaufen kann. Bei ARRI Rental in Berlin können wir eine Zeiss Prime sehr oft ausleihen bevor sich so eine Anschaffung bei der uns bekannter Einsatzfrequenz lohnt. Natürlich werden wir auch für 4k weiter einkaufen, weil wir eben auch die Erfahrung gemacht haben, dass nicht immer die Produkte im Rental Betrieb verfügbar sind, wenn wir sie kurzfristig benötigen. Wir müssen da ein Stück weit unabhängig sein. Das haben wir auch bei 3D so gemacht. Wir haben uns da die acht Rigs von Element Technica gekauft ebenso wie die Rigs von LMP (Friedel Lux) für die Minikamera, weil wir sie weder ausleihen noch ewig für Demozwecke nutzen können. Man muss auch bedenken: Ein Objektiv behält seinen Wert meist über Jahre hinweg. Das kann man bei den Aufzeichnungsgeräten dagegen nicht gerade behaupten.

TopVision gilt als besonders innovativ. Wie sehen Sie das selbst?

TopVision ist in Deutschland immer einen Schritt voraus, aber wir sind nicht allein in Europa. Wir testen aber in der Tat sehr viele neue Sachen und Konfigurationen und gehen auch unkonventionelle Wege um dem Format (3D oder aktuell 4k) gerecht zu werden. Neue Objektive werden ausprobiert und ständig den Anforderungen unterschiedlicher Events und Spielstätten angepasst. Die Fußballstadien oder Event-Hallen sind ja alle sehr verschieden. Neue Kamerapositionen müssen erst einmal geschaffen werden und Veranstalter müssen überzeugt werden, dass diese Positionen, die auch mal den einen oder anderen Zuschauerstuhl kosten, dem Framing und der Gestaltung mit den neuen Übertragungsformaten wirklich notwendig ist.

Was bedeutet das für die 4k-Zukunft?

Wir müssen heute schon das neue Produktionsformat 4k etablieren. Wenn wir warten, bis alles zu 100 Prozent funktioniert, bis alle Schnittstellen definiert und in Instituten geprüft und getestet wurden, dann wird 4k erst in fünf Jahren über den Sender gehen. Wir haben für uns schon viele Dinge als Hausaufgabe erledigt, die wir verständlicherweise nicht unbedingt Preis geben wollen, um anderen nicht einfach so auch noch kostenfrei die Bedienungsanleitung zu liefern.

Was sind heute die Hauptprobleme bei der 4k-Live-Produktion?

Nach wie vor besteht die größte Herausforderung darin die 4k-Signale von der Kamera raus zum Ü-Wagen und auf die folgende Sendestrecke zu bringen.

Wie viele Kameras braucht man bei 4k-Produktionen im Stadion?

Wir haben auch bei den letzten Tests mit sechs Kameras gearbeitet. Das macht Sinn. Wir haben damit sehr schöne Bilder produzieren können. Toll war zum Beispiel im Telebereich die erzielte Schärfentiefe durch das größere Format des Aufnahmechips. Das wird zukünftig als Stilmittel und Handschrift des Regisseurs zu verstehen sein. Überhaupt werden in Zukunft sich die Regisseure durchsetzen, die schon immer sehr eng und detailorientiert mit den Bildingenieuren und Bildtechnikers an den RCPs des Ü-Wagens gearbeitet haben, um so die komplette Möglichkeiten des neuen Formats 4k auszuschöpfen. Die unglaubliche Detailtreue und Auflösung der Bilder der Sieger, die den DFB-Pokal hochgehalten haben, war faszinierend. Die Bilder des in der Abendstimmung des Olympiastadions schimmernden Goldpokals waren sehr eindrucksvoll, ebenso wie am Ende bei der Siegerehrung der goldene Konfettiregen, der von der Hintertor-Kamera hoch in der Totalen gezeigt wurde und wobei man fast jedes einzelne Teil genau sehen konnte. So etwas habe ich vorher noch nicht erlebt. Das war Gänsehautatmosphäre und wir waren alle überwältigt von der Qualität und Schärfe der Bilder. Wer das gesehen hat, der versteht, dass 4k kommen wird und zwar mit ganz großen Schritten.

Welche 4k-Erfahrung haben Sie in Berlin sonst noch gesammelt?

Der Regen stört nicht im Bild. Es gab keine Artefakte, der große Chip in den 4k-Kameras und die enormen Schärfentiefe der Bilder unterstützten das Dramatische des Regens viel mehr.

Wir haben auch gelernt, dass wir bei 4k künftig viel stärker noch mit Effektpositionen arbeiten müssen und auf jeden Fall auch eine Supertotale des Stadions anbieten müssen. Wir müssen mit den Kameras auch noch näher ran an das Spielfeld und früher oder später auch über die Chip-Kamera im Tor sprechen. Außerdem: Die Inhalte müssen stärker den Vorteilen dieser neuen Technologie angepasst werden. Bei 4k habe ich andere Möglichkeiten, was andere redaktionelle Gewichtungen erlaubt. Die Inszenierung besonderer Momenten und emotionalen Augenblicken im neuen Kino-Look wird sich durchsetzen.

Die Einbindung von 3D-Grafiken in die 4k-Bilder lief problemlos?

Ja. Das funktionierte bei uns alles auf Anhieb. Gut vorbereitet ist schon mal halb gewonnen. Die Kollegen haben einen guten Job gemacht

Wie kommen die Kameraleute mit der neuen Bildersprache klar?

Unsere bis jetzt eingesetzten Kameraleute machen das sehr gut. Wenn sie im Verbund mit 4k arbeiten, müssen sie jedoch in den Bereichen Bildschärfe und Schärfentiefe aufpassen. Der Kameramann muss mit der Schärfentiefe spielen und ganz andere Bilder bieten, darf nicht zu eng fahren und nicht zu nah an das Objekt ran gehen. Die Regisseure, die Kameraleute und die Bildtechniker im Ü-Wagen sind alle zusammen gefragt, die Bildsprache und die Vorteile dieser neuen Technologie herauszuarbeiten und umzusetzen. In HD „denken“ und in 4k schwenken funktioniert nicht !

Beim DFB-Pokal-Finale wurde die normale HD-Produktion von tvn aus Hannover gemacht, so zu sagen parallel zur 4k-Produktion von TopVision. Geht das auch anders?

Ein Dienstleister kann theoretisch beide Produktionen aus einem Ü-Wagen machen. Das haben wir bereits bewiesen. Eine Regie macht 4k die andere HD. Das ist die Zukunft der Produktion. Nur so und nicht anders.

Und eine Regie für alles? In der man sich für die HD- oder SD-Produktion quasi der runter konvertierten 4k-Bilder bedient?

4k hat eine ganz eigene Bildsprache. Man braucht auf jeden Fall zwei Regisseure. Wir werden keine Vermischung haben. Natürlich kann eine 4k-Kamera bei einer HD-Produktion mitmachen. Aber eine Führungskamera fährt man bei 4k ganz anders als bei einer HD-Übertragung. Eine Kamera 2 ist nie so nah dran wie bei einer HD-Übertragung. Die Art und Weise, wie man arbeitet, erinnert sehr an 3D, mit weniger und langsamerem Zoom, langsameren Schwenks und insgesamt, wie gesagt, einem sehr gezielten Umgang mit der Schärfentiefe. Man bleibt aufgrund der enormen Schärfe öfter in der Totalen, und der Zuschauer kann auch deutlich näher an so einem großen 84 Zoll Flatscreen sitzen. Wenn man dann ständig aus der Perspektive der Führungskamera gleich auf ganz große Gesichter schneidet, dann ist das etwas unangenehm. Das entspricht auch nicht der Sehgewohnheit der Menschen. Im Leben hat man zu Menschen, die man trifft, ja auch einen gewissen Abstand, der notwendig ist, um jemandem vernünftig zu begegnen. Wenn dieser Abstand durch zu sehr rein gezoomte Bilder mit zu großen Köpfen und Details unterschritten wird, dann wirkt das bei einem so lebendigen Format wie 4k eher störend und nicht notwendig. Auch mit allen anderen Detailaufnahmen der Spieler oder der Zuschauer im Stadion muss man sehr vorsichtig umgehen.

TopVision hat vier Ü-Wagen. Welche davon sind 4k-tauglich?

Aktuell haben wir drei große HD- und einen 3D-Ü-Wagen. Ü2 und Ü5 sind 4k-tauglich.

Ihr Resümee mit Blick auf die 4k-Zukunft in der Live-Produktion?

Bei 4k-Produktionen ist heute noch vieles im Fluss. Es gibt fast täglich neue Geräte mit neuen Features, an die wir gestern noch gar nicht gedacht haben. Die große Aufgabe ist es, das Richtige und Nützliche zu kaufen und immer einen Blick links und rechts zu werfen, um nichts zu verpassen. Als Pioniere im Rahmen der bisherigen 4k-Produktion fühlen wir uns deshalb manchmal so wie Astronauten auf dem Weg zum Mond, denen man nach dem Start sagt, dass ihre Raumanzüge für den Außeneinsatz erst mit der nächsten Rakete hinterhergeschickt werden.

Eckhard Eckstein

MB 4/2014

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