Mehr emotionale Nähe zum Spiel

Fußball in 3D wird als einer der Treiber für das stereoskopische Sehvergnügen auch zu Hause angesehen. Die Erfahrungen mit ersten Spielen aus der Rückrunde der vergangenen Spielzeit haben alle Beteiligten ermutigt, weiter zu machen. Im Vordergrund stand dabei das hohe positive Echo der Zuschauer. So hat sich die DFL entschlossen, in dieser Spielzeit das Top-Spiel am Samstag um 18:30 Uhr von ihrer Tochter Sportcast in 3D produzieren zu lassen, das dann bei sky und LIGA total! der Telekom zu sehen ist.

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Mehr emotionale Nähe zum Spiel

„Vor zwei Jahren hatte ich noch einige Vorbehalte gegen Fußball in 3D“, erzählt DFL-Geschäftsführer Tom Bender. „Als Live-Sport stellt Fußball enorme Herausforderungen an eine 3D-Übertragung, da man ja nicht weiß, wann die Tore fallen und wir anfänglich auch keine Erfahrungen damit hatten, wie man ein Spiel am Besten in 3D erzählt. Bei einem Film ist das leichter zu bewerkstelligen als bei einem Live-Ereignis. Doch mittlerweile bin ich vom Fußball als Treiber von 3D im Fernsehen absolut überzeugt.“

Das liegt nicht nur daran, dass man im ‘Testbetrieb’ heraus gefunden hat, wie Fußball am Besten in 3D erzählt wird, sondern auch am erfreulichen Feedback. „Ich war positiv überrascht, dass das Angebot so gut ankommt“, berichtet Tom Bender, der sich mehrere Male anonym in einer Sportsbar 3D-Spiele mit den Fans angeschaut hat: „Die Menschen waren durchweg sehr angetan. Man darf nicht vergessen, dass es in Deutschland kaum ein Thema gibt, bei dem die Leute so traditionell eingestellt sind wie beim Fußball. Veränderungen werden nicht gerne gesehen. Umso erfreulicher war die positive Resonanz.“ Beim ‘Erzählen’ des Spiels haben sich mittlerweile zwei Kernpunkte heraus kristallisiert: Es wird ‘flacher’ erzählt, das heißt die 3D-Kameras stehen niedriger als die 2D-Kameras beziehungsweise werden bevorzugt jene Kameras eingesetzt, die nah am Spielfeldrand stehen, denn 3D braucht weniger Raum als 2D. Zum Zweiten wird mit dem 3D-Effekt behutsam umgegangen, damit es sich nicht vor das Spiel schiebt. „Das Spiel muss immer im Mittelpunkt stehen“, stellt Bender klar.

„Wir wollen den Zuschauern durch 3D aber eine emotionale Nähe zum Spiel verschaffen.“ 3D funktioniert nur, wenn es dem Zuschauer einen Mehrwert bringt, also keine Spielerei darstellt. Nur wenn der Zuschauer einen Zusatznutzen hat, nimmt er Veränderungen auch an. Das war bei der Spidercam so, bei der Einführung der Abseitslinien und bei Kamerapositionen, die neue Blickwinkel ermöglichen. Bei den Spielen der Rückrunde in der vergangenen Saison hat sich bestätigt, dass die Spiele nur in 3D angenommen werden, wenn sie ohne Effekthascherei präsentiert werden.

Für Josef Nehl, Geschäftsführer der DFL-Tochterfirma Sportcast, die alle Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga produziert, geht es bei 3D um die Nutzung und Sichtbarmachung des Raums. „Ein 3D-Spiel lebt davon, dass man räumliche Aspekte mit einbezieht und vermittelt“, sagt er. „Das heißt aber auch, dass man mit den Kameras näher ans Spielfeld heran muss.“ Zusätzlich braucht man tiefere Kamerapositionen. Die idealen Positionen für die Kameras in den Stadien sind aber in der Regel durch Sicherheitsbereiche oder Zuschauertribünen belegt. Deshalb wurden verschiedene Kamera- und Regiekonzepte ausprobiert, mit dem Ergebnis, dass Sportcast in erster Linie mit der zentralen 1, die unterhalb der normalen 1 steht, als Führungskamera arbeitet.

Hinzu kommen Kameras am Spielfeldrand. Als Ergänzung werden die Basissignale der 16er-Hochkameras (sie befinden sich auf Höhe der 16-Meter-Linie und werden zur Analyse genutzt, ob es sich um ein Abseits handelt) sowie der Hintertorkameras in 3D konvertiert. Bei einem Spiel der Bundesliga werden für die 2D-Produktion acht oder zehn feste HD-Kameras eingesetzt, die je nach Bedeutung des Spiels um drei, vier oder sechs Slomo-, Chip- (die Kameras, die in den Torecken hängen) und/oder Reverse-Kameras ergänzt werden. In der 3D-Produktion kommen sechs feste und zwei Chip-Kameras zum Einsatz. Bei letzteren handelt es sich um sogenannte Polecams – Minikameras an langen Stangen – die vorwiegend hinter den Toren bewegt werden. „Die Produktion der Signale für die 2D und die 3D-Übertragung erfolgt immer getrennt“, sagt Eduard Palasan, Geschäftsführer von TopVision, dem technischen Dienstleister, der von Sportcast mit der Umsetzung der Produktion beauftragt wurde.

Zwar kann man jederzeit das Signal einer der beiden Kameras des 3D-Setups auch für die 2D-Produktion verwenden, allerdings darf nicht vergessen werden, dass die 3D-Kameras einen anderen Bildausschnitt und somit durch den Live-Bildschnitt auch eine andere Dramaturgie und Schnittrhythmus nach sich ziehen. Zudem muss bei 3D darauf geachtet werden, dass der Bildausschnitt und vor allem die Bildtiefe und der erzeugte 3D Effekt von aufeinander geschnittenen Szenen nicht zu stark voneinander abweicht, da sich das Auge in einem 3D-Bild aufgrund der erzeugten Räumlichkeit langsamer zurecht findet und es physiologisch bedingt langsamer adaptiert.

Die Führungskamera und die Kamera für Großaufnahmen stehen nebeneinander unterhalb der Kameraposition der 2D-Führungskamera. Aufgrund ihrer Entfernung von rund 50 bis 60 Metern vom Spielgeschehen sind beide im „side-by-side“-Verfahren aufgebaut. Die Kameras nahe am Spielfeld sind hingegen alle mit Spiegelrigs ausgestattet. Zwei von ihnen stehen an den 16-Meter-Linien, eine davon kommt als Steadicam zum Einsatz. Diese hat ein leichtes Element Technica-Rig, das mit einem rund 8.000 US-Dollar teuren Spiegel ausgestattet ist.

Die Kameras kommen von Sony (HDC 1500 + HDC P1) wobei die Steadicam-Kameras (HDC P1 Power HAD FX) auf das Notwendigste reduziert wurden, um Gewicht zu sparen. Nicht verändert wurde der Chip, der die gleiche Größe und Qualität hat wie bei den stationären Kameras. Die 3D-Objektive stammen von Canon. Die Polecam wird mit einem LMP Rig und 2x LMP1200HD Kameras realisiert.

Im Ü-Wagen kommen Sony Bildmischer und Sony 3D Boxen MPE-200 zum Einsatz. Pro 3D-Kameraposition werden SMPTE-Glasfaserkabel mit Lemo-Stecker verwendet. Neu ist das Sony SR-1000 Memory Deck, das Anfang August erstmals in Deutschland unter Live-Bedingungen getestet wurde. „Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden“, sagt Andreas Berghaus bei Sony Professional Solutions Europe verantwortlich für Live-Produktion und 3D. „Aufgrund der festen Verkopplung der L/R-Signale im 3D-Mode war es möglich sowohl die Slomos schnell und framegenau auszuspielen – aber auch im Jog-, Shuttle- und Play-Mode reagiert die Maschine absolut präzise – und das alles in beeindruckender HDCAM-SR-Qualität. Das hat richtig Spaß gemacht.“ Für TopVision-Geschäftsführer Palasan ist das Memory Deck „wahrscheinlich die Maschine der Zukunft in Sachen 3DHD-Slowmotion, -Analyse und -Editing“.

„Für den Beginn der neuen Saison wurden alle Rigs, die Objektive und die MPE 200 mit neuer Software versehen“, erzählt Palasan und fügt hinzu, dass es im Laufe der Saison laufend Updates der Software und Erneuerungen an der Hardware geben wird. So greift Sportcast bei der Fußball 3D-Produktion auf die neueste Technologie und das beste Personal zurück, das zurzeit in Europa in Sachen 3D-Sport verfügbar ist.

Dennoch sind die Technik und der Ablauf der Produktion noch in der Weiterentwicklung. „Die Aufbau- und Abgleichzeiten sind viel länger. Wir haben noch keine großen Erfahrungen, wenn es mal richtig kalt ist und die Objektive einfrieren oder wenn es mal heftig regnet oder stürmt und auch Schlagschatten bei Sonnenschein hatten wir noch nicht.“ Aber Letzteres wird es in dieser Saison auch nicht geben, da die 18:30 Uhr-Spiele, die in 3D produziert werden, alle bei Flutlicht stattfinden. Für die gastgebenden Clubs bedeutet eine 3D-Produktion ebenfalls einen erhöhten Aufwand: Es ist ein zusätzlicher Stellplatz für den 3D-Ü-Wagen notwendig, ein erhöhter Strombedarf, zusätzliche Kamerapositionen und Kabelwege.

Die Sendeabwicklung vom Signaltransport, über das Zuspielen beziehungsweise Zusetzen der verschiedenen individuellen Sendeelemente und Infografiken im entsprechenden Design bis hin zur Vertonung in Dolby 5.1 für die beiden Anbieter LIGA total! und sky werden von der Plazamedia verantwortet. Aus den Stadien gelangt das 3D-Signal im „side-by-side“-Verfahren und transparent über eine HDSDI-Glasfaserstrecke (1,5 Gbit/s) zu Plazamedia, wo es in voneinander unabhängig gesteuerten Produktionsprozessen für die beiden Sender weiterverarbeitet wird, berichtet Jürgen Buchs, Bereichsleiter Innenproduktion bei Plazamedia. Dort werden Sendeelemente wie Opener, Closer, Trailer oder On-Air-Bug/Senderlogo sowie der Infografiken wie Dauerspielstand, Spielzeit, Auswechslungen, rote und gelbe Karten nach Anforderungen der Sender hinzugefügt.

Für sky erfolgt dies in der Sendeabwicklung des Senders „sky 3D“. Für die Constantin Sport Medien, dem Programmveranstalter von LIGA total!, erfolgt die Bearbeitung über eine temporäre Sendeabwicklung, die nur für die Zeit der Spiele der Bundesliga im Einsatz ist. Weitere Serviceangebote von Plazamedia sind die Speicherung der Programm-Signale (PGM-Signale) für Wiederholungen und Archivierungszwecke über die digitale Serviceplattform eCenter der Plazamedia für sky sowie die die Aufbereitung des 3D-Signals für das LIGA total! TV-Archiv über das eCenter für Constantin Sport Medien.

Fertig ‘veredelt’ verlässt das IPTV-3D-Sendesignal für Constantin Sport Medien das Haus über das von Plazamedia betriebene Headend für die Entertain-Kunden. Hierbei werden dem Sendesignal neben den Video- und Tonsignalen (Dolby und PCM) noch EPG-Daten beigefügt. Für sky verlässt das Signal das Sendezentrum beziehungsweise den sky-Schaltraum in HD-SDI-Qualität (transparent) und wird dem sky-Uplink über eine redundant geführte Glasfaserstrecke zugeführt.

Die positive Resonanz der Zuschauer auf Fußball in 3D ist auch auf sky und Entertain, dem TV-Angebot der Telekom durchgeschlagen. „sky und Entertain finden Fußball in 3D gut und wollen es weiterhin anbieten“, sagt DFL-Geschäftsführer Bender, der das Unternehmen Bundesliga in 3D als ein Gemeinschaftsunternehmen der DFL mit sky und Entertain bezeichnet. „Und die Sender würden es auch nicht machen, wenn es sich nicht lohnen würde.“
Lohnen tut es sich vorerst nur perspektivisch, denn noch kann man mit 3D im Fernsehbereich nicht allzu viele Menschen erreichen respektive überzeugen und die Produktion eines 3D-Spiels kostet geschätzt um die 70.000 Euro. Daher wird Fußball zurzeit eher als Treiber von 3D im Heimbereich angesehen, auch wenn die überwiegenden Reaktionen der Zuschauer darauf positiv sind.

Wir haben ein sehr gutes Feedback unserer Kunden auf Bundesliga in 3D bekommen. Zudem sehen wir 3D nach HD als nächste Entwicklungsstufe des Fernsehens, daher ist es wichtig für uns, das Thema voran zu treiben“, sagt Malte Reinhardt, Sprecher für LIGA total!. „Die Bundesliga in 3D ist etwas ganz Besonderes, da man hier das Gefühl bekommt ganz nah auf dem Platz dabei zu sein. Dieses einmalige Erlebnis wollen wir unseren Kunden ermöglichen.“ Entertain setzt dabei auf einen entscheidenden Vorteil der eigenen Plattform: sie ist nämlich komplett 3D-fähig. Alle Kunden der Telekom-Plattform können – sofern sie einen 3D-fähigen Fernseher besitzen – dreidimensionale Bilder sehen.

Auch sky setzt auf 3D als „neue, hochinteressante Technik“, so Sprecher Thomas Kuhnert und er fügt hinzu: „Seit Jahren sehen wir uns als Vorreiter in neuen Techniken, wie etwa bei HD, das wir bereits 2005 eingeführt hatten, während das Free-TV erst seit 2010 in HD sendet.“ Allerdings wird sky in SD und HD ausgestrahlt. Um 3D empfangen zu können, ist also ein HD-Abonnement nötig. Darin ist 3D jedoch Teil des Pakets.

Keine Illusionen bei 3D-Zuschauerentwicklung

Keiner macht sich bei der Zuschauer-Entwicklung bei 3D Illusionen. sky sieht es als Teil der Neuerungen, der man Zeit geben muss. Für Entertain ist 3D Teil eines Angebots mit Wachstumschancen, das man damit anschiebt, dass es schlicht verfügbar ist und auch die DFL ist überzeugt, dass Fußball in 3D als Ergänzung zum bisherigen Angebot eine Zukunft hat, insbesondere dann, wenn es gelingt den 3D-Effekt auch ohne Brille herzustellen.

Nachdem 3D grundsätzlich gut eingeführt ist, die Technik steht und zufriedenstellend funktioniert, überlegen sich die Beteiligten nun, mit welchen Feinheiten man das Erlebnis noch eindrucksvoller gestalten kann. „Bei einem Spielfilm kann man mit vielen Situationen spielen und den Zuschauer überraschen. Doch beim Fußball geht es darum, das Spiel zu zeigen und dem Zuschauer die räumliche Tiefe des Stadions auch am Fernseher zu vermitteln. Aber natürlich gibt es auch Situationen bei Close-Ups oder an der Außenlinie, wo man dann das Gefühl hat, direkt dabei zu stehen. Auf technischer Seite stehen zwei Themen an, an denen weiterhin gearbeitet wird: die Verbesserung der Prozesse, um synergetischer und schneller zu werden, sowie die Weiterentwicklung der Technik zu einem verstärkten automatischen Prozess beziehungsweise die Ermöglichung von Super-Slomo in 3D. Während Ersteres von Sportcast beeinflusst werden kann, liegt Letzteres im Bereich der Technikdienstleister.
Thomas Steiger
(MB 09/11)

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