Spannendes Geschäft

Für Dienstleister in der Medienproduktion ist Stereo-3D die perfekte Gelegenheit ihr Spektrum zu erweitern. Die Nachfrage ist vorhanden, hat Markus Aha, Inhaber der 2008 als Postproduktionshaus gegründeten aha international media, festgestellt. Dies will er nun dazu nutzen das bestehende S3D-Knowhow seiner Firma zu erweitern, um unter anderem auf den Markt der Musikproduktionen zu expandieren. So entstand an einem Drehtag eine Fallstudie mit drei Musik-Acts.

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Spannendes Geschäft

„Gerade im Bereich des Imagefilms für Autos wurde Stereo-3D immer stärker nachgefragt“, erzählt Markus Aha. Nach den ersten Erfahrungen im 3D-Bereich entschloss er sich mit seiner Firma deshalb stärker in die Materie einzutauchen. Sein Ziel dabei war nicht nur, ein verbessertes Dienstleistungsportfolio anzubieten sondern auch selber als Produzent auftreten zu können.

„Die mit 3D einhergehenden Geschäftsmodelle sind ziemlich attraktiv“, meint Aha. Das gelte insbesondere für den Musiksektor. Einerseits lasse sich Musik international leichter vertreiben als Fiktion, und andererseits, sei die Musikindustrie sehr daran interessiert, neue Geschäftsmodelle zu finden. Die Eroberung des Raums Kino mit Konzertaufzeichnungen oder gar Live-Übertragungen in 3D sei für sie sehr spannend. „Die 3D-Live-Übertragung des Konzert der Fantastischen Vier im vergangenen Jahr hat bei der Musikindustrie Einiges ins Rollen gebracht“, sagt Aha.

Kein Wunder hat die Übertragung doch gezeigt, wie sehr sich eine Bühnenshow mit ihren Licht und Showelementen für das immersive Erlebnis 3D eignet. „3D eignet sich für alles, was lebendig und bunt ist“, fasst es Aha zusammen. „Bei Aufzeichnungen von Bühnenpräsentationen und Shows fehlt oft die Tiefe“, ergänzt Herstellungsleiter Martin Cichy. „Für sie eignet sich 3D hervorragend, weil man rasch den Eindruck bekommt dabei zu sein – vor allem an Stellen, wo man als Konzertbesucher eben nicht hinkommt.“ Konzerte sind auch deshalb für das gemeinsame Erleben auf der Leinwand in 3D prädestiniert, weil es das gleiche Gemeinschaftserlebnis erzeugen kann, das ein Live-Konzert bietet. Das ist kein unerhebliches Argument, denn im Gegensatz zu Fernsehen und Home Entertainment stellt 3D im Kino ein reelles Geschäftsmodell dar – auch für Alternative Content, der als 3D allerdings noch entwickelt werden muss. So setzt aha international auf technisch und inhaltlich hochwertige Inhalte, um sowohl als Dienstleister aber auch als (Ko)-Produzent auftreten zu können.

Um potentiellen Kunden und Partnern ein seriöses Angebot machen zu können, wollte Aha zuerst einmal eine längere Musikproduktion durchexerzieren. „Wenn man ernsthaft und langfristig in 3D produzieren möchte, ist die technische und gestalterische Qualität von 3D wahnsinnig wichtig, weil es der Zuschauer sonst ablehnt. Daher verlässt Nichts unser Haus, das nicht 1a ist.“ Um zu zeigen, dass aha international in der Lage ist so zu produzieren, entschloss sich Aha zu dem Show-Case, für den er drei unterschiedliche Musik-Acts auswählte. Das Fauré Quartett deckt den Klassik-Bereich ab. Tangologia und die Tänzer von Egotango sind mit ihrer Tango-Performance für den Bereich Tanz zuständig und die (deutsche) Popmusik wird von der Echo-nominierten Band Luxuslärm repräsentiert. Inszeniert wurde die Kompilation von Tilo Krause, der bereits Regisseur zahlreicher Fernsehsendungen und Klassik-Konzerte war. Senior Stereografer war Alexander Palm und Steadicamoperator Tilman Büttner.

3D-Technikeinsatz

Drehort des Projekts war der Große Sendesaal im ehemaligen Funkhaus Berlin in der Nalepastraße. Gelände und Gebäude des Funkhauses sind privatisiert worden und stehen leer. Die 1952 bis 1956 entstanden Räumlichkeiten des ehemaligen Rundfunks der DDR sind nach wie vor erhalten und eignen sich aufgrund ihrer Akustik, aber auch aufgrund ihrer visuell ansprechenden Ausstattung, aufs Idealste für eine Konzertaufzeichnung. Die Vorbereitungen für den Dreh nahmen zwei Tage in Anspruch, der Dreh selbst Einen. Unterstützt wurde er von Panasonic und Sony, die die entsprechende Technik zur Verfügung gestellt haben. Panasonic war mit seiner HD 3D-Broadcastkamera AG-3DA1 und dem Mischer 450 dabei, der über eine neues 3D-fähiges Board verfügt, mit dem man beide Augen parallel schneiden kann. Sony stellte die P1-Kameras, die in ein Spiegelrig von P+S eingebaut wurden sowie zwei MPE 200, mit denen die technische Seite der 3D-Aufnahme automatisch überprüft und ggf. korrigiert wird. Das Monitoring erfolgte mit Geräten von Sony, Panasonic und Miracube.
Jeder Stream für jedes Auge wurde separat als MFX-Files auf Nanoflash-Rekorder von Convergence Design mit 280 Mbit/s im XDCam-Codec aufgezeichnet, was beim Einladen in den Avid einige Probleme bereitete, da dieser nur XDCam-Codecs mit 50 Mbit/s versteht. Mit Hilfe des Nucoda-Filmmaster war es dann möglich einen Workaround zu erstellen. Die Karten wurden vor Ort auf Festplatte kopiert und das Ergebnis stichprobenartig überprüft.

Die Panasonic-Kamera bekommt bei aha international gute Noten. „Was sie macht, macht sie sehr sauber“, sagt Aha. „Sie hat ihre Grenzen und wenn man diese kennt, lässt sie sich sehr gut nutzen. Am Besten ist sie für das klassische Reportageformat mit Abständen zwischen zwei und zehn Metern geeignet.“ – Martin Cichy fügt hinzu: „Mit ihr lässt sich sehr schnell und gut arbeiten. Und wenn man rasch die 3D-Tiefenwirkung ausprobieren möchte, ist sie sofort da.“

Steile Lernkurve

Die Produktion des Musikfilms sollte zwei Zwecken dienen: der Simulation einer Live-Produktion und einer Aufzeichnung, um auch im Bereich der Postproduktion weitere Erfahrungen sammeln zu können. „Die Lernkurve bei 3D ist immer sehr steil“, fasst Cichy den Effekt eines Show-Cases zusammen, denn bei der Stereo-3D-Produktion gilt Erfahrung mehr als bei jeder anderen Produktion. Viele Sachen lassen sich durch eine gute Vorbereitung erledigen, so dass der Drehtag letztendlich ohne größere Probleme verlief. Doch beim Workflow stellt sich erst vor Ort das ein oder andere Problemchen heraus. „Dann standen wir vor der Frage, ob wir das vor Ort oder in der Post beheben“, sagte Aha. „Aber es ist kostengünstiger, wenn man bei 3D so wenig wie nur möglich in der Post macht.“ Hinzu kam das Live-Setup. Alleine deshalb sollte bereits ein sauberes 3D-Bild entstehen. Zum Live-Setup gehören vor allen Dingen eine vorab festgelegte Staffelung der Protagonisten und Gegenstände im Bild, die das Ziel hat, eine größtmögliche Freiheit beim Live-Schnitt zu haben. „Das Setup wurde vorab genau besprochen und seine Wirkung mit der Panasonic-Kamera ausprobiert“, erzählt Aha.

Um dem Zuschauer bei der Orientierung im Bild zu helfen, orientierten sich die Kamerafahrten an der Mittelachse. Parallelbewegungen wurden vermieden, da es irritierend ist, wenn sich der Raum von der Seite ins Bild schiebt. „Wir loten mit der Kamera den Raum aus“, sagt Regisseur Tilo Krause. „Viele Bildgesetze gelten bei 3D nicht. Wir wollen nun die Grenzen der neuen Gesetze finden, aber auch bis dorthin gehen. Es geht uns darum den Tiefeneffekt zu befördern und nicht zu behindern. Um das zu erreichen, ist die Kameraführung ein Konstrukt aus Führung und Freiheit.“ Dem Regisseur liegt daran dem Auge Ruhepunkte zu geben, damit der 3D-Effekt deutlich und in Ruhe wahrnehmbar wird und Augen und Gehirn des Zuschauers nicht überfordert werden.

S3D-Postproduktion

Bereits beim Dreh stellte sich ein Problem heraus, das allerdings nur in der Postproduktion zu lösen ist: Reflektionen auf glänzenden Flächen wie etwa auf denen des Konzertflügels. Durch den Stereoeffekt kommen sie unterschiedlich bei den einzelnen Augen an und verursachen unter Umständen Schmerzen oder Unwohlsein. „Das Problem gab es mit einem glänzenden Boden auch in ‘Pina’“, sagt Aha. „Das ist ein Inkonsistenz-Problem, das man nur in der Post lösen kann.“ Bei einer Live-Übertragung müsste man auf mattierte Instrumente zurückgreifen. Das Problem lässt sich dadurch lösen, dass das glänzendere Bild abgekascht und mitgetrackt wird. Das ist jedoch sehr aufwändig. Und Cichy gibt zu bedenken, dass eine Spiegelung, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Helligkeit auf die Augen trifft, auch in der Realität vorkommt. Die Augen sind an diese Disparitäten also gewöhnt. „Bevor man eine Spiegelung bearbeitet, sollte man sich genau überlegen wie stark man sie verändert, da die Bearbeitung ebenfalls zu einem unerwünschten Effekt führen könnte“, erklärt Cichy.

Die Erfahrungen mit der Show-Case-Produktion waren gut. Der Zweck festen und freien Mitarbeitern die Gelegeheit zu geben Erfahrungen zu sammeln und selber welche zu machen, wurde erfüllt. „Jede Produktion braucht viel Probezeit und eine sehr gute Vorbereitung“, fasst Aha die Essentials einer 3D-Produktion zusammen. Sie braucht aber auch ein Mehr an Personal. Das betrifft nicht nur den Stereografer, sondern auch ein zusätzliches Kamerateam mit Beleuchter, die aufgrund der zeitintensiven Aufbauten und Justierungen der Technik das nächste Set schon einmal einrichten können, um kostspielige Wartezeiten des Teams zu vermeiden. Auch sollte die Betrauung nur einer Person mit parallel ablaufenden Aufgaben, egal wie simpel sie auch erscheinen, vermieden werden. Denn auch das führt zu Wartezeiten. „Wenn man es sich beim Personal schön redet, geht das mit Sicherheit nach hinten los“, weiß Aha nicht erst seit der Produktion dieses Show-Cases.

Als weiteres Resümee in der Auseinandersetzung mit Stereo-3D sagt Markus Aha eine komplette Veränderung des Verhältnisses von Dienstleistern und Auftraggebern voraus. Insbesondere in der Werbung, wo noch die Agenturen dazwischengeschaltet sind, die nicht wollen, dass Kunden und Dienstleister direkt miteinander reden. „Kommunikation ist essentiell – sogar noch mehr als bei 2D“, sagt Aha. „Das geht bei Ausstattung und Lichtkonzept los und zieht sich durch die gesamte Postproduktionskette. Da muss man sich auch als Dienstleister einmischen und seine Konzepte gut begründen und verteidigen.“ Denn letztendlich ist es der Dienstleister, der die Wünsche des Kunden umsetzt und aufgrund seiner Erfahrung weiß, was geht, was nicht geht und wie man auf einem besseren Weg zu dem vom Kunden gewünschten Ergebnis kommt. Um zu verdeutlichen, was er meint, erzählt Aha die Geschichte von Werbeaufnahmen in Südafrika, die einen nächtlichen 3D-Dreh beinhalten sollten. „Die Nacht ist für 3D nicht sonderlich geeignet“, sagt Aha. „Wir haben dann den Kontakt zum Auftraggeber gesucht, was der Agentur überhaupt nicht passte. Letztendlich gab es dann eine Kreativrunde, an der alle Drei beteiligt waren.“

Mit dem nun entstandenen Film will sich aha international media nun positionieren und als Dienstleister Kunden bei den Sendern sowie in den Bereichen Image- und Industrie-Film aber auch bei Firmenevents akquirieren. „Das Interesse an 3D ist in allen Ländern vorhanden“, weiß Cichy, der im März kurz entschlossen zur MIP-TV geflogen ist, um das Terrain zu sondieren. „Viele Sender haben ein 3D-Programm, offen ist allerdings noch wie sich der Vertriebsweg gestaltet.“
Als Produzent möchte Aha hochwertige Musikproduktionen aus den Bereichen Klassik, Pop und Rock als außergewöhnliche Events – als Liveproduktion oder Aufzeichnung realisieren, die ihre Chance als „Alternative Content“ im Kino haben.
Thomas Steiger
(MB 09/11)

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