ZDF beweist Innovationskraft

Das ZDF hat mit „Die Huberbuam“ ein erstes 3D-Projekt realisiert. Der Film gilt in Sachen Technik, Produktionsbedingungen und Machart als wegweisend für 3D im Fernsehen. Ausgestrahlt werden soll er am 3. Oktober – allerdings in 2D. Die 3D-Variante wird nur via Internet in der ZDF-mediathek als Stream und zum Download angeboten.

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ZDF beweist Innovationskraft

Die Begeisterung für 3D hat nun auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen gepackt. Das ist neu. Bislang war das Thema hier ganz bewusst mit großer Zurückhaltung bedacht worden. Mit Gebührengeld will man schließlich keine technologischen Experimente mit ungewissem Ausgang wagen. Das war auch schon bei der HD-Einführung so. Aber schon ein wenig testen und üben muss natürlich drin sein. „Die Nachfrage im internationalen Markt steigt, genauso wie das Bestreben, eigene Erfahrungen mit einem 3D-Projekt zu sammeln. Das wollten wir mit dem Projekt ‚Die Huberbuam’ tun“, erklärt ZDF-Programmdirektor Dr. Thomas Bellut.

Die Brüder Thomas (44) und Alexander (42) Huber sind Superstars der Kletterszene. Durch ihren eigenen Kletterstil, ihre zahlreichen sportlichen Erfolge und nicht zuletzt auch durch den Kinofilm „Am Limit“ von Pepe Danquart sind sie weit über ihren sportlichen Fankreis hinaus bekannt geworden. Das ZDF hat im Sommer des Jahres eine filmische Dokumentation über sie verfasst – in 3D. Als Location wurde die Route „Karma“ an der Steinplatte in der Region Loferer Alm bei Berchtesgaden gewählt.

Die Wand gilt als eine der schwersten überhaupt und konnte von den beiden Speedkletterern aus dem Chiemgau bislang noch nie bezwungen werden. „Dabei ist ein ‚Bergfilm’ entstanden, der der modernste seiner Art sein dürfte. Denn viel näher kann man einer Magnesiumwolke, fliegenden Seilen und baumelnden Bergsteigerfüssen in der 3D-Version nicht kommen“, begeistert sich das ZDF in einer Mitteilung. Neben atemberaubenden Kletterszenen in 3D zeigt der Film tolle Zeitrafferaufnahmen und Landschaftsbilder.

„Die Huberbuam“ ist die erste ZDF-Eigenproduktion, die sowohl in 2D als auch in nativem 3D gedreht wurde. Im ZDF-Programm wird er am 3. Oktober allerdings in 2D zu sehen sein. Die 3D-Variante wird via Internet in der ZDF-Mediathek als Stream oder zum Download angeboten. „Immer noch sind es insgesamt verhältnismäßig wenige Haushalte, die Stereo-3D im Fernsehen empfangen können.
Wer nur herkömmliches Fernsehen empfängt, sieht für die Dauer einer 3D-Ausstrahlung lediglich ein geteiltes Bild. Deshalb senden wir im Fernsehen nur die 2D-Version“, erklärt Tina Kutscher, Leiterin der Zentralredaktion HR Neue Medien im ZDF.

Sie weist zugleich darauf hin, dass moderne 3D-Fernseher in vielen Fällen auch über das so genannte HbbTV verfügen, über das die Mediathek des ZDF abgerufen werden kann. „Für diesen Fall bietet das ZDF in der Mediathek die Dokumentation im Top-Bottom-Verfahren an, das heißt die Bilder für das linke und das rechte Auge werden zeitgleich gestaucht übereinander ausgespielt“, erklärt sie. HbbTV erlaubt, zusätzlich zum herkömmlichen TV-Bild auch bestimmte Internetinhalte auf dem Fernsehschirm zu präsentieren. HbbTV wird Anfang September auf der IFA 2011 eine wichtige Rolle spielen (siehe auch den Kommentar in dieser Ausgabe). „Da Geräte mit HbbTV-Funktionalität noch nicht sehr lange auf dem Markt erhältlich sind, dürften allerdings die wenigsten 3D-Fernseher mit dieser bequemen Funktion ausgestattet sein”, meint Kutscher. Das ZDF lege aber Wert darauf, dass auch die älteren Geräte oder Zuschauer mit langsameren Internet-Verbindungen nicht außen vor blieben.

Die 3D-Videodatei der Dokumentation würde deshalb zusätzlich als Download angeboten. Daneben soll die Dokumentation auch in anderen 3D-Formaten zu sehen sein, darunter zum Beispiel in einer anaglyphen Fassung, die mit Rot-Cyan-Brillen betrachtet werden kann. Dafür braucht man keinen 3D-fähigen Fernseher oder Laptop. Anaglyph funktioniert mit jedem herkömmlichen Farbbildschirm.
Die Initiative zu dem 3D-Film ging von ZDF-Kulturchef Peter Arens und Redaktionsleiter Alexander Hesse aus. Sie hatten bei der BBC 3D-Tierfilme gesehen und waren davon so begeistert, dass sie sich entschlossen, ein eigenes 3D-Projekt auf den Weg zu bringen. Unterstützung erhielt das ZDF bei der Produktion vom renommierten Stereograph Alaric Hamacher mit seiner Crew von Virtual Experience. Als Kameramann zeichnete Claus-Dieter Köppinger verantwortlich. Er hatte die zwei kletternden Kameramänner Franz Hinterbrandner und Max Reichel zur Seite. Beide hatten schon zuvor einige Projekte der Hubers begleitet, unter anderem auch die Dreharbeiten zu „Am Limit“. Autor und Regisseur war Jens Monath, Produktionsleiter Peter Borig.

Innovative Kameratechnik

Sehr innovativ war man beim ZDF hinsichtlich der eingesetzten Aufnahmetechnik. Da mit herkömmlichen 3D-Systemen, Kletteraufnahmen nur schwer zu bewerkstelligen waren, suchte man monatelang nach Alternativen. Die Wahl fiel schließlich auf die SinaCam HDC1-D, eine HD-fähige Minikamera (Größe nur 42 mm x 42 mm x 52mm) mit C-Mount-Optiken (Festbrennweite gestaffelt 5 bis 25 mm). Mit ihr wurden rund 75 Prozent aller Aufnahmen gemacht. Die HDSDI-Videosignale des eingesetzten Kamera-Pärchens wurden auf zwei S3D verkoppelten Ki Pro und Ki Pro Mini-Digitalrecordern von AJA aufgezeichnet.

Erst vier Tage vor Drehbeginn standen die SinaCam-Systeme als funktionsfähige Prototypen zur Verfügung. Die SinaCam ist eine Gemeinschaftsentwicklung der bayerischen Unternehmen anadicon (Freising) und Solectrix Systems (Nürnberg) – Top-Adressen für High-end-Video-Systeme. Solectrix war maßgeblich an der Digital-Entwicklung von ARRIs Alexa beteiligt. Anadicon entwickelte für fast 20 Jahre sämtliche Video-Assist SD-Kameras von ARRI.

Die SinaCam befindet sich im Vertrieb der PURE4C GmbH in Haar bei München. Laut Geschäftsführer Oliver Reil soll das Mini-Kamera-System ab Anfang November verfügbar sein. „Im Vergleich zu anderen Mini-Kamerasystemen auf dem Markt wie zum Beispiel die Iconix biete die SinaCam unter anderem im Dynamikbereich und der Bildauflösung deutliche Vorteile“, betont er. Ausschlaggebend dafür sei der in der Kamera verbaute 2/3’’ CCD Sensor von Kodak, der über einen Global Shutter in einer aktiven Auflösung von 1920×1080 (totale Pixelauflösung 2004×1144) aufzeichnet. Die Auflösung sei höher als bei allen auf dem Markt erhältlichen 2/3’’ 3-Chip-HD-Kameras und der Sensor lichtempfindlicher als bei allen anderen 2/3’’ CMOS-Kameras.

Beim ZDF-3D-Dreh war ein SinaCam-Pärchen in einem Freestyle-Rig von P+S Technik mit Aladin-Fernsteuerung von Chrosziel installiert. „Das war von der Größe noch einigermaßen vertretbar“, meinte Reil. Im Grunde würden für die SinaCams aber kleinere Rigs benötigt. Auch in einem Side-by-Side-Rig wurden die Minikameras verwendet. Das wurde erst eine Woche vor Drehstart im Eigenbau von anadicon realisiert. Bei Nachdrehs im August wurden die SinaCams zudem in einem Multicopter von Media Creativ (Christian, Werner und Tobias Oberberger) im niederbayerischen Bleibach eingesetzt.

Der Mini-Helikopter (siehe www.fluglinse.de) verfügt über 16 Rotoren und kann problemlos bis zu sechs Kilogramm bei voller Manöverierfähigkeit transportieren. Beim ZDF-Dreh war er mit 4,5 Kilogramm beladen (2x AJA Pro Mini, 2x SinaCam und Leichtbau-Prozessorbox). Die Kamera war an einem 2-achs-stabilisierten Remote-Head befestigt. Ein Operator bediente das Fluggerät, ein anderer die Kameras. „Als kleines, leichtes Kamerasystem mit einer externen Aufzeichnung konnten wir das System nahezu universell einsetzen“, erklärte Köppinger. Er lobt insbesondere die Bildqualität der SinaCam.

„Wir konnten einen Belichtungsspielraum von guten 13 Blenden nutzen, die Farbwiedergabe war überragend und der Schärfeneindruck mehr als zufriedenstellend“, meinte er. Mit anadicon-Chef André Salvagnac habe sich eine äußerst konstruktive Zusammenarbeit entwickelt. „Es galt, Lösungen für die Steuerung von Schärfe und Blende der sehr kleinen C-Mount-Objektive zu finden, die Kameraköpfe mussten an die vorhandenen S3D-Rigs adaptiert werden, selbst eine eigene Gammakurve wurde speziell für unsere Belange konzipiert“, sagte der ZDF-Kameramann.

Auch Produktionsleiter Borig betont: „Wir waren von den Bildern der SinaCam völlig begeistert. Sie sind für uns letztlich der Schlüssel zum Erfolg.“
Die besondere Bildqualität der SinaCam erklärt Salvagnac damit, dass die Kamera statt CMOS- einen CCD-Chip an Bord habe. „Die Lichtempfindlichkeit ist bei unserer Kamera deshalb um mindestens Faktor vier besser als bei anderen HD-Minikameras auf dem Markt“, betont er. Ein CCD-Chip sei zudem temperaturstabiler als ein CMOS-Chip. Abweichungen bei Schwarzwert, Linearität und Farbe seien deshalb weitgehend ausgeschlossen. Im progressiven Aufzeichnungsmodus schafft die SinaCAM HDC1-D 60 Bilder pro Sekunde. Weil alle Kamera-Einstellungen im Kamera-Kopf gespeichert seien, könne man die Köpfe in einem SinaCam-System auch sehr einfach austauschen. Weitere Vorteile seien der Global Shutter, durch den störende Bewegungsunschärfen auch bei kurzer Belichtungszeit vermieden würden, die absolute Pixelsynchronität von zwei SinaCams in einem 3D-Rig und die 14-Bit-Datenverarbeitung des Systems.

„Die meisten anderen Mini-Kameras schaffen gerade mal 8 oder 10 Bit. Das ist einfach zu wenig für den Dynamikbereich“, meint Salvagnac. Nachteile der CCD Technologie, sagt er, seien hingegen die langsame Auslesegeschwindigkeit (60p ist nur über vier gleichzeitig gelesene Sektoren möglich) und die höhere Leistungsaufnahme (Sensor, Ansteuerung und +3 ADC´s).

Der anadicon-Chef lobt die bei der SinaCam eingesetzten Kowa-Objektive. „Die sind im Moment im Markt konkurrenzlos“, sagt er. Die SinaCam wird auf der IBC 2011 am Solectrix / SinaCAM-Stand (Halle 11, Stand G72) und von der Fa. PURE4C (Halle 11 im Production Village) vorgestellt.

Panasonic-3D-Kameras

Bei den 3D-Aufnahmen des ZDF eingesetzt wurde auch ein Set-up mit zwei Panasonic P2-Kameras des Typs HPX 2100 im Spiegel- als auch mit Parrallelrig. „Der Einsatz des Parallelrigs war bei einem Minimalabstand von zirka 20 cm der beiden P2-Kameras nur für Totalen und weit entfernte Objekte sinnvoll“, meinte Köppinger. Genutzt wurden ferner das Prosumersystem Panasonic 3 D A1, die zwei Optiken in einem Gehäuse vereint, und die Effektkamera GoPro Hero HD. Zwei dieser vorwiegend im Sportbereich eingesetzten Konsumerkameras wurden in einem Gehäuse über ein Synchronkabel miteinander verbunden. Es stand ein einziges, sehr weitwinkliges Objektiv zur Verfügung.

Die Aufzeichnung erfolgt intern auf SD-Karten. „Beide Kameras mit Gehäuse wiegen deutlich unter einem Kilogramm und sind damit besonders geeignet für Effektshots. Die sehr kleine, leichte und robuste Kamera kam überall dort zum Einsatz, wo die größeren und schwereren Systeme passen mussten“, erklärte Köppinger. Der ZDF-Kameramann hatte seinen ersten Kontakt zu Stereo-3D im August letzten Jahres auf der in Hannover stattfindenden Veranstaltung „Hands on HD“. Er besuchte dort einen fünftägigen S3D-Workshop unter der Leitung von Alaric Hamacher und war nach eigenen Angaben zunächst sehr skeptisch was die 3D-Entwicklungschancen im Fernsehen anbelangt. „Meine Skepsis wich von Tag zu Tag und ich erlag immer mehr der Faszination des dreidimensionalen Bildes“, erklärte er. Vor einem Jahr hätte er aber niemals daran zu denken gewagt, dass mit dem ZDF-Projekt „Die Huberbuam“ sich für ihn so schnell ein konkretes dreidimensionales Drehvorhaben ergeben würde.

Köppinger: „Unsere Bildideen haben wir eng an dem von Regisseur Jens Monath geschriebenen Drehbuch entwickelt, ohne jemals unsere 2D-Sendefassung aus dem Blick zu verlieren. Allen im Team war klar, dass die 2D-Fassung sich in der Gestaltung des Bildes und der Montage von der 3D-Fassung unterscheiden würde. Während wir in der 2D-Fassung zum Beispiel die Dynamik der sportlichen Leistung der Huberbuam in einer spannenden Montage eindrucksvoller Großaufnahmen im Wechsel mit Totalen aus der Wand darstellen wollten, würden wir in der 3D-Fassung den Zuschauer eher durch die förmlich physische Wirkung der dritten Dimension in längeren, totaleren Einstellungen mit in die Wand nehmen.“

Jede Einstellung diskutierten die Kameramänner im Vorfeld mit Alaric Hamacher und seinem Stereographen-Kollegen Max Laufer und legten die daraus resultierenden Parameter fest. „Ich verließ mich in der Gestaltung hier auf meine Erfahrungen, zweidimensionalen Bildern Tiefe zu verleihen, und versuchte diese Bilder dann um die dritte Dimension zu erweitern. Hierbei legte ich großen Wert darauf, 3D nicht als reinen Effekt zu nutzen, sondern vielmehr durch das neue Gestaltungsmittel die Geschichte des Films zu unterstützen“, sagt Köppinger.

Hamacher betont: „Im Team entwickelten wir ein Konzept, bei dem in jeder Einstellung eine besondere 3D-Idee zugrunde lag. Es gelang uns nach langer Suche, für jeden Inhalt die richtige Kameralösung zu finden. Wir haben dabei einen Mix aus bewährter HD-Technik und völlig neuen, für diesen Dreh angepassten Aufnahmelösungen gewählt. Es ist ein Film entstanden, in dem 3D und die bildliche Tiefe des Raums eine tragende Rolle spielen. Meiner Einschätzung nach bedeutet er für die Weiterentwicklung des 3D-Fernsehens einen wichtigen Schritt.“ Das sieht man auch in den Chef-Etagen des ZDF so.

Aufbruch in eine neue TV-Dimension

So meint ZDF-Produktionsdirektor Dr. Andreas Bereczky: „3D ist im wahrsten Sinne des Wortes der Beginn eines Aufbruchs in eine neue, zusätzliche Dimension des Fernseherlebnisses. Dieser Aufbruch bedeutet für einen modernen Fernsehsender eine außergewöhnliche Herausforderung, die wir gerne und mit großer Neugierde angenommen haben. Analog zu den Protagonisten Alexander und Thomas Huber reizen auch uns die neuen Wege und die besonders schwierigen Routen. Denn der Wechsel von 2D auf 3D bedeutet weit mehr als die Überwindung technischer Hürden, vielmehr ist eine Anpassung des Herstellungs- und Kreativprozesses erforderlich.“

Die Stereo3D-Produktion eröffne Bildgestaltern ganz neue Chancen. In einem Raum mit tatsächlich vorhandener Tiefe könnten bisher „ungesehene“ Bilder geschaffen werden. Dies bedeute eine besondere Herausforderung für den Kameramann. Bereczky: „3D Produktionen ermöglichen aber auch einen entschleunigten Montagerhythmus – der Cutter kann den Zuschauern mehr Zeit gönnen, in den räumlichen und tiefen Bildern ‚spazieren zu gehen’ bevor der nächste Schnitt folgt. Meine Kollegen von Kamera und Schnitt haben sich wie die ‚Huberbuam’ tatsächlich hoch hinaus gewagt und eine wunderbare Chance genutzt, die Innovationsfähigkeit des ZDF unter Beweis zu stellen.“
Mehr über die phantastische 3D-Produktion von „Die Huberbuam“ gibt es in drei Video-Clips zum Making-of zu sehen, die im begleitenden Online-Angebot unter www.huberbuam.zdf.de zu finden sind. Der Link wird in 34. Kalenderwoche frei geschaltet.
Eckhard Eckstein
(MB 09/11)

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