Näher am Geschehen

Peter Hutton ist neuer Geschäftsführer bei Eurosport in Paris. Der paneuropäische Sportsender wurde unlängst von Discovery Communications übernommen. MEDIEN BULLETIN sprach mit Hutton über die damit verbundenen Veränderungen und seine Strategie und Vision für die Fortentwicklung von Eurosport.

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Näher am Geschehen

Sie waren zuerst lange Jahre als Sportjournalist tätig bevor Sie auf die TV-Business-Seite gewechselt sind. Wie kam das? Beschreiben Sie doch bitte kurz Ihren Werdegang.

Schon mit 16 Jahren habe ich begonnen, in der Sportredaktion einer lokalen Radiostation in West Yorkshire zu arbeiten. Und auch während meiner gesamten Studentenzeit war ich als Sport-Kommentator und -Reporter für Radiostationen in ganz England aktiv. Nach dem Examen an der Universität von Cambridge habe ich gleich als Sportjournalist beim Radio und später auch beim TV gearbeitet. Mehr durch Zufall bin ich dann auf der Business-Seite gelandet. 1994 bin ich im Auftrag der IMG International Management Group nach Indien gegangen, um dort eine einzige Sport-Show zu produzieren.

Der Job dort wurde immer weiter ausgebaut. Am Ende war ich kein Journalist und Moderator mehr, sondern ein TV-Manager. Zurück in London habe ich verschiedene Shows für verschiedene Sender realisiert, 2002 dann einen Sport-Kanal für Indien mit Sitz in Dubai. Weitere Sportkanäle für Amerika und Süd-Ost-Asien und Mittlerer Osten folgten. Für Rupert Murdochs Fox International Channels war ich im internationalen Geschäft weltweit unterwegs und habe dabei unter anderem mit ESPN/Star Sports den größten Sportkanal in Asien geführt. Zurück in London bin ich als Geschäftsführer zur MP und Silva Sportrechteagentur gewechselt. Insgesamt war ich 25 Jahre lang weltweit im Sport-Business tätig, bevor mich Discovery/Eurosport als CEO engagierte.

Was reizt Sie besonders an dem neuen Job?

Eurosport ist für Discovery Communications ein großer profitabler Sender, der das Potential hat, noch weiter zu wachsen. Für mich ist es deshalb besonders herausfordernd, Eurosport in einen noch größeren, wichtigeren und das Publikum emotional stärker ansprechenden Multimedia-Plattform im Sport zu verwandeln. Schlüsselaufgabe für mich ist es, Sportfernsehen in das weltweite Programm von Discovery zu integrieren. Mit DMAX, TLC, Discovery Channel und Animal Planet, hat Discovery bereits ein breites inhaltliches Angebot mit sehr unterschiedlichen Elementen. Was bislang fehlte war Live-Sport. Das Sendernetzwerk will Sport zu einem zentralen Bestandteil seines Bouquets machen.

Discovery ist bekannt als guter Geschichtenerzähler, und Sport liefert nun mal die besten Geschichten und vermag, intensive emotionale Eindrücke zu schaffen. Am Ende bietet Sport Möglichkeiten, die andere TV-Inhalte nicht leisten können: Sport verändert den Tagesplan der Konsumenten. Viele sind bereit, ihr Leben rund um Sportevents einzurichten. Davon will Discovery profitieren. Und meine Aufgabe ist es, das zu schaffen.

Eine sehr ambitionierte Aufgabe. Was bedeutet Sport für Sie selbst?

Ich selbst bin ein „Sport Junky“. Mein Leben ist vom Sport geprägt. Es gibt nichts Schöneres für mich als ein großes Fußballspiel zusammen mit meinen beiden Söhnen zu schauen. Für mich ist Sport die emotionalste Verbindung zum Fernseher, die man schaffen kann.

Was konkret kann man denn an Eurosport noch verbessern?

Eurosport hat heute schon einige großartige Inhalte wie die Tour de France, die US Open oder French Open zu bieten. Ich möchte mehr Inhalte wie diese finden und die Berichterstattung darum herum ausbauen, damit sich die Zuschauer noch besser mit diesen Events identifizieren können. Das können etwa Teambesprechungen, Taktikerklärungen etc. sein, an denen wir die Zuschauer teilhaben lassen, um die Übertragung eines Top-Sportevents zu einem noch besseren Produkt zu machen. Dabei gilt es, die verfügbaren zusätzlichen Daten und Informationen nicht nur als Gimmick einzusetzen, sondern als nützliche Elemente für ein besseres Verstehen der jeweiligen Sportveranstaltung.

Ist es beim Ausbau der Sport-Network-Strategie sinnvoll, mehr auf non-lineare Inhalte zu setzen? Oder bleibt beim crossmedialen Angebot das lineare Fernsehen weiterhin zentrales Element?

Heute ist lineares Fernsehen immer noch King. Aber wir dürfen nicht übersehen, dass immer mehr Zuschauer, insbesondere die jüngeren, TV-Angebote auf Tablets und anderen mobilen Endgeräten und Streaming-Geräten nutzen. Wenn man denen nicht entsprechendes anbietet, finden sie illegale Wege an das Material zu kommen. Um Piraterie zu bekämpfen und einen besseren Service für mobile Nutzung zu bieten, müssen wir sicherstellen, dass unsere Inhalte dort auch jederzeit verfügbar sind und gefunden werden. Und auch konsumierbare Formate darstellen, was die Länge der Stücke angeht.

Welchen Stellenwert hat Live-TV für Sie?

Bei Sport dreht sich alles um live. Sport ist besonders emotional, wenn er live passiert. Das wird immer das Premium-Sport-Erlebnis sein. Aber man kann nicht alles gleichzeitig sehen. Deshalb müssen wir auch die Events on Demand verfügbar machen und Zusammenfassungen liefern – mit den besten Toren und besten Stories. Sportübertragungen sind immer eine Mixtur. Es wird immer eine Catch-up-Zuschauerschaft geben.

Attraktive Sportrechte werden immer teurer. Eröffnet Discovery für Eurosport mehr Möglichkeiten beim Lizenzkauf?

Wir haben jetzt natürlich mehr Geld dafür als zuvor. Aber wir werden trotzdem keine überzogenen Investitionen tätigen. Wir schauen uns alles sehr rational an. Es ist gut mit cleveren Leuten zu arbeiten, die auch bereit sind Risiken zu übernehmen und auch Argumente anhören, Dinge einmal anders zu machen, aber die großen Veränderungen wird es bei Eurosport deshalb nicht geben, was neue Inhalte anbelangt. Ändern wird sich hauptsächlich die Philosophie, mit dem Ziel, die von uns angebotene Programmqualität zu verbessern und die Inhalte relevanter für die Konsumenten zu machen.

Eurosport hat kürzlich die Übertragungsrechte der MotoGP erworben. Was bieten Sie den Zuschauern hier für Innovationen?

Wir setzen vor Ort bei den Rennen auf eine stärkere, datenbasierte Sportanalyse. Die Tage, wo der Moderator mit zwei Gästen auf einem Sofa sitzen, und sich über das Rennen unterhalten, sind vorbei. Wir werden in Kombination mit Touchscreen-Einsatz und Datenanalyse, fundierte Meinungen und Positionen präsentieren. Das wird ein großer Wechsel bei Sportberichterstattung sein.

Welche weiteren neuen Technologien sind für Sie hilfreich?

Tracking-Technologie im Allgemeinen. GPS ist sehr nützlich, um bei diversen Sportarten besser erklären zu können, was da gerade passiert. Außerdem sieht man den Trend hin zu 4k. Ich denke, das ist echt interessant für Sport. 3D hingegen hat nicht funktioniert. Kameratechnisch wird es wichtiger, die Systeme mitten in der Sport-Aktion zu integrieren, um so näher ans Geschehen heran zu rücken. Bei Rugby zum Beispiel haben Schiedsrichter Helme mit Minikameras auf. Sie ermöglichen es, dass die Zuschauer auch die Diskussionen zwischen den Spielern und den Offiziellen verfolgen können. Technik bietet so die Möglichkeit, an Dingen teilzuhaben, die man als Fan im Stadion normalerweise gar nicht mitbekommt.

Hat Eurosport nicht das Problem, dass die von Ihnen angesprochene Emotionalität und größere Nähe zum Event sich auf Grund der Mehrsprachigkeit des Senders nur schwer realisieren lässt?

Ich sehe Eurosport nicht als mehrsprachigen Sender, sondern als ein Sender, der eine Sprache in einer Region spricht. Das ist ein deutscher Kanal für deutsche Zuschauer. Ich will nicht, dass man überall in Europa bei Eurosport schlechtes Englisch spricht. Alles muss in der richtigen Sprache transportiert werden. Wir wollen deshalb auch mehr lokale Feeds generieren und nicht mehr alles zentral von Paris aus produzieren. Kommentatoren, Programmmacher und Planer sollen in ihren eigenen Märkten arbeiten. Es ist großartig die Infrastruktur für ein paneuropäisches Geschäft zu haben. Das ist gut für die Wirtschaftlichkeit. Aber die Leute an der Front müssen in ihren lokalen Märkten arbeiten und dort mit ihren Kunden direkt sprechen. Mehr Mitarbeiter in einem Markt bedeutet ein besseres Produkt. Wir haben die Reise dahin bereits begonnen. Weitere Schritte folgen im kommenden Jahr.

Was bedeutet das für die Infrastruktur in Paris?

Ich habe den Technikern bei uns bereits einige Kopfschmerzen bereitet, weil ich mehr Feeds und mehr Kapazitäten verlange. Das können wir alles in Paris entwickeln, weil wir dort fantastische Assets haben. Wir müssen die Feeds aber trennen und relevanter für die einzelnen Märkte machen, zum Beispiel durch mehr Grafik-Overlays in verschiedenen Sprachen. Paris ist ein toller Hub, um das zu machen. Es ist mehr eine Rechte- als eine Technologie-Entwicklung, die damit verbunden ist. Technisch sehe ich Paris weiter als Zentrum des Ganzen. Auch in Großbritannien haben wir bereits einen technischen Hub. Das Wichtigste für die lokalen Märkte ist, dass die Kommentatoren und Präsentatoren dort angesiedelt sind. Ebenso wie die Marketing und Vertrieb-Mitarbeiter, die Programmmacher und -planer. Die sollen sich darauf konzentrieren ihre Zuschauer möglichst perfekt zu bedienen. Und die kennen ihre Kunden besser als das Team in Paris.

Eckhard Eckstein

MB 4/2015