Technik soll dem Programm gut tun

Claudia Nothelle, Programmdirektorin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), wünscht sich lieber heute als morgen einen ganzheitlichen filebasierten Workflow als RückGrat für die redaktionelle Arbeit. Ihre Hauptaufgabe ist aber natürlich, für ein qualitativ gutes Gesamtprogramm zu sorgen. Dabei setzt Nothelle die seit Mitte letzten Jahres durchgeführte Strukturreform in die Praxis um, die die frühere Trennung der Bereiche TV, Radio und Internet aufgehoben hat. Im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN beschreibt sie erste Ergebnisse der Multimediapraxis beim rbb und ihre Erwartungen mit Blick auf den zunehmenden IT-Einsatz.

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Technik soll dem Programm gut tun

Technik soll dem Programm gut tunInwieweit hat die auf Multimedia ausgerichtete Strukturreform des rbb bislang die Programmgestaltung beeinflußt?

Das Wichtigste ist in den Köpfen der Kolleginnen und Kollegen passiert, sie haben sich geöffnet: für das andere Medium, für die neuen Kollegen, für eine neue Arbeitsweise. Sie kommen heute aus verschiedenen Abteilungen, Redaktionen und Pogrammen zusammen, die früher zwar etwas voneinander wussten, aber nicht unbedingt über gemeinsame Themen und Inhalte geredet hatten. Jetzt reden sie gemeinsam über Themen und wie diese am besten für einzelne Sendungen unserer sechs Radiowellen, im Fernsehen und Online recherchiert, aufbereitet und präsentiert werden können. Das ermöglicht ihnen, über den „Tellerrand“ ihrer eigenen Aufgabe zu schauen und sie erhalten Einblicke in die Arbeitsweisen unterschiedlicher Redaktionen und Medien. Sie entwickeln gemeinsam neue Ideen, tauschen Know-how untereinander aus und können sich auf neue Weise mit dem rbb identifizieren.

Können Sie Beispiele für Themen und Inhalte nennen, bei der sich die multimediale Zusammenarbeit besonders bewährt hat?

Nehmen wir das Ereignis „Karneval der Kulturen“ in Berlin, ein Fest mit zahlreichen Gästen aus aller Welt. Da haben wir uns entschieden, den Umzug als Livestream auf der Homepage von Radioeins zu zeigen – so dass der Zug weltweit zu sehen war. Radioeins war die zentrale Welle für den Karneval der Kulturen, die den ganzen Tag über immer wieder das Fest zum Thema machte und nachmittags live übertragen hat. Abends, als die Teilnehmer des Events wieder zu Hause oder in ihren Hotels waren, haben wir im rbb Fernsehen eine Zusammenfassung gesendet. Oder: Die Kolleginnen und Kollegen von Radioeins hatten sich überlegt, eine „Lange Nacht der Pathologie“ zu produzieren. Aufhänger für das Thema war der Hype, den es rund um das Thema Pathologie in Büchern und Fernsehserien gibt. Radioeins wollte der Frage nachgehen, was denn die Pathologen wirklich machen. Also haben sie die Pathologen in der Charité bei ihrer Arbeit begleitet und zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Daraus haben wir dann zusätzlich eine Fernsehsendung produziert. Sie trug deutlich eine Radioeins-Handschrift. Radioeins hat mit seiner etwas frechen, leicht ironischen Tonlage eine andere Herangehensweise und die erzeugte auch eine Bildsprache, die es so in unserem Fernsehprogramm normalerweise nicht gibt – eine klare Bereicherung für das rbb Fernsehen. Durch die neue Zusammenarbeit können wir aber auch Themen besser vernetzen. Wenn wir in unseren regionalen Fernsehmagazinen „Abendschau“ oder „Brandenburg aktuell“ interessante Gesprächspartner haben, können wir die O-Töne auch im Radio verwenden. Interviews und Beiträge werten wir zeitnah entsprechend aus. Ein wichtiger Nebeneffekt unserer Strukturreform ist auch: Wir denken immer wieder neu über Produktionsformen und -standards nach. Da kommen jetzt von den Radioleuten neue Impulse. Die sind meist erst einmal überrascht, wenn sie erleben, wie aufwändig Fernsehproduktionen sind: einerseits der technische Aufwand, aber auch die vielen Menschen, die beteiligt sind. Das Schöne am Radio ist ja, dass es gerade mit kleinem Aufwand produziert wird und dadurch sehr flexibel und schnell ist. Radiosendungen werden in der Regel von den Moderatoren selbst gefahren. Das ist im TV ganz anders. Wenn die Radioleute mit ihren Fernsehkollegen zusammensitzen, kommt immer wieder die Frage: Kann man das nicht einfacher machen? Kann man nicht mit etwas kleinerem Aufwand eine genau so schöne Sendung produzieren?

Die junge rbb-Musikwelle „Fritz“ bedient eine völlig andere Zielgruppe als das rbb-Fernsehprogramm. Inwieweit können denn die Kollegen von Fritz Input für das Fernsehprogramm geben?

Die Musik, die Fritz spielt, können wir natürlich nicht in unsere Samstagabend-Unterhaltung einbauen. Da wäre unser Fernseh-Stammpublikum wahrscheinlich verschreckt. Trotzdem sind von Fritz schon wichtige Impulse fürs Fernsehen ausgegangen. Ein Beispiel ist unsere neue TV-Sendung „Uwe Wöllner will’s wissen“. Christian Ulmen alias Uwe Wöllner lädt in seinen Talk unter anderem Politiker ein. Das ist eine Idee, die im vergangenen Jahr zur Bundestagswahl von Fritz mit Christian Ulmen gemeinsam entwickelt worden ist, um den jungen Hörern Politik näher zu bringen, zu erklären, was Parteien wollen und wie sie in der Gesellschaft wirken. Die erste Idee war, entsprechende Videos fürs Internet zu drehen und damit die Audiostrecke auf Fritz zu begleiten. Die Clips haben uns dann so gut gefallen, dass wir sie auch im Fernsehen senden wollten. Oder nehmen wir die schreckliche Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg. Da fanden die Fritz-Kollegen sehr schnell die richtigen Gesprächspartner, weil sie sich in dieser Szene sehr gut auskennen. So konnten wir überall aktuell berichten.

Grundsätzlich sind ja Radiowellen viel stärker auf spezielle Zielgruppen ausgerichtet als das rbb-Fernsehprogramm. Heißt das, Sie können in Zusammenarbeit der unterschiedlichen Redaktionen auch Muster und starre Schemata auflösen? Oder auch einen besseren Austausch zwischen Jung und Alt ermöglichen?

Man kann Muster nur bis zu einem gewissen Grad auflösen. Da wir aber nur ein Fernsehprogramm haben, müssen wir damit eine viel breitere Zielgruppe ansprechen als mit unserer Radioflotte. Die einzelnen Wellen können wir sehr genau ausrichten. Doch weil wir auch mit dem Fernsehen gern jüngere Zuschauer erreichen wollen, hilft die Erfahrung mancher Radiokollegen weiter.

Bislang haben Sie den Online-Bereich kaum erwähnt!

Wir haben keinen riesigen Online-Bereich. Jede Radiowelle und das Fernsehen haben Online-Mitarbeiter, die die programm- und sendungsbezogenen Internetseiten betreuen. Das ist natürlich bei Radioeins oder Fritz aufwändiger als beispielsweise im Kulturradio. Zusätzlich haben wir ein zehnköpfiges Online-Team, das den gesamten Internetauftritt des rbb koordiniert. Es ist üblich, dass sich die verantwortlichen Fernseh- und Radioleute zu ihren Sendungen und auch zu den herausragenden Projekten selbst überlegen, was sie online dazu anbieten können. Gestalterisches und technisches Know-how bieten dann unsere Online-Experten.

Speziell für die Projekte „60xDeutschland“ und „20xBrandenburg“ hat der rbb aber doch extra Online-Auftritte eingerichtet, die auch sehr gut präsentieren, wie man breite Themen multimedial modern darstellen kann.

„60xDeutschland“ ist ein Beispiel, auf das wir auch stolz sind. Die Internet-Seite bietet einen deutlichen Mehrwert und wird von Schulen und Universitäten entsprechend genutzt. Wegen ihres Bildungsinhalts darf sie fünf Jahre im Netz bleiben. Im Zeitalter des Dreistufentests eine lange Verweildauer. Für den Online-Auftritt von „20xBrandenburg“ haben wir von den beteiligten Dokumentarfilmern die Rechte für ein Jahr erworben. In diesem Zeitraum kann sich unser Publikum die 20 viertelstündigen Filme noch einmal anschauen.
Wir haben im September auch eine eigene Wissenschaftswoche initiiert. Alle Programme und Sendungen des rbb sind ausführlich auf die vielen Facetten der Wissenschaft in Berlin und Brandenburg eingegangen. Auch zu diesem Schwerpunkt haben wir unsere Inhalte online gesammelt und stellen sie den Usern über einen längeren Zeitraum zur Verfügung. Schließlich arbeiten wir zurzeit daran, unsere Informationskompetenz im Online-Bereich stärker bündeln und präsentieren zu können.

Was heißt das?

Unsere Informationskompetenz liegt beim Inforadio und – vor allem im regionalen Bereich – bei unseren Fernsehmagazinen „Abendschau“ und „Brandenburg aktuell“ sowie den Landeswellen RadioBerlin 88,8 und Antenne Brandenburg. Entsprechend sind auch die Informationsangebote online verteilt. Wir denken darüber nach, die einzelnen Beiträge im Internet zusammenzufassen und damit einen guten Überblick zu geben, was wichtig ist in der Region. Zuerst kommt das Konzept, dann der Dreistufentest und erst danach können wir es umsetzen. Also noch ein gutes Stück Weg. Ein anderer Gedanke ist, dass wir unsere Audios und Videos besser in einer rbb-Mediathek bündeln möchten. Aber auch dafür ist der Dreistufentest Voraussetzung.

Was mit der Strukturreform beim rbb zurzeit passiert, ist offensichtlich eine Aufhebung der medialen Spezialisierung zu Gunsten einer besseren inhaltlichen Zusammenarbeit unter dem rbb-Dach. Ist das jetzt mit täglichen Meetings verbunden?

Die Kolleginnen und Kollegen in den Hauptabteilungen sitzen durchschnittlich einmal pro Woche zusammen. In der Aktualität ist die Schlagzahl natürlich viel höher. Da gibt es – oftmals auch nur kurze – Abspracherunden mehrmals am Tag. Das wollen wir organisatorisch noch verbessern und im neuen Jahr einen „Aktuellen Tisch“ etablieren. Bisher haben wir zwei Koordinatoren für Fernsehen und Radio, die jeweils Themen und manchmal auch Teams innerhalb der Aktualität koordinieren. Der „Aktuelle Tisch“ soll Inhalte und Themen schneller zugänglich machen, gute Recherchen im Programm platzieren, für eine bessere Vernetzung sorgen, Transparenz herstellen und unnötige Doppelarbeit vermeiden helfen.
Zwar soll das jeweilige Programm der einzelnen Wellen und Sendungen weiterhin in Eigenverantwortung entstehen. Die Kollegen am „Aktuellen Tisch“ sollen aber schauen, ob das Thema und das vorhandene Material nicht für weitere Redaktionen interessant sein könnten. Einerseits verabschieden wir uns damit zumindest in bestimmten Bereichen von der Spezialisierung, da haben Sie Recht. Andererseits aber werden wir immer Journalisten haben, die besonders gut Fernsehen, die besonders gut Radio oder besonders gut Online machen können. Es ist einfach so. Das sind unterschiedliche Talente und Aufgaben. Dennoch möchten wir breiter denken, mehr Raum für die
Auseinandersetzung mit Inhalten schaffen und unsere Mitarbeiter besser in den Gesamtprozess unseres Senders einbinden.

Ist für die multimediale Ausrichtung beim rbb eine neue Ausbildung der Mitarbeiter notwendig?

Unsere Volontäre werden in der Electronic Media School (ems) in Potsdam-Babelsberg ausgebildet. Dort lernen sie bereits seit Jahren das journalistische Handwerk für alle drei Medien: Fernsehen, Radio, Online. Im Redaktionsalltag arbeiten sie dann später jedoch eher spezialisiert und verlieren aus dem Auge, was sie sich im multimedialen Bereich angeeignet haben. Also müssen wir für eine stetige Förderung sorgen. Allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus bieten wir entsprechende Weiterbildungen an, die sie gern wahrnehmen.

Werden denn bereits Ihre multimedialen Bemühungen in der Akzeptanz vom Publikum und als Quote belohnt?

Ich bin da sehr vorsichtig. Wir haben zwar im Fernsehen augenblicklich eine wachsende Akzeptanz, aber ob es wirklich daran liegt, dass wir multimedial arbeiten, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Da möchte ich keine Schlussfolgerung ziehen – zumal es dem Publikum egal ist, auf welche Weise wir unser Programm gestalten. Wir wissen, wie fragil das Ganze ist und wie schnell sich Quoten ändern können. Unsere Mitarbeiter berichten allerdings immer häufiger von guter Resonanz, wenn sie vor Ort beim Publikum sind, und dass der rbb zunehmend mehr in der Breite seines Angebotes wahrgenommen wird.

Aber Sie werden doch sicher genau wissen wollen, was die
neue multimediale Ausrichtung tatsächlich bringt …?

Wir testen gerade ein Instrumentarium, das sich Gesamtreichweite nennt. Damit wollen wir in Erfahrung bringen, wie wir unser Publikum mit den rbb-Angeboten in Fernsehen, Radio und Internet erreichen. Wie Sie wissen, werden alle diese Medien zurzeit noch mit unterschiedlichen „Währungen“ gemessen, die nicht vergleichbar sind. Da ist die GfK-Quote beim Fernsehen und die Media Analyse beim Radio. Im Online-Bereich sind es die Klickzahlen, wobei schwierig herauszufinden ist, wer was anklickt.

Will der rbb selber ein neues Messinstrument zur Gesamtreichweite entwickeln?

Die BBC hat ein Modell zur Messung der Gesamtreichweite vorgelegt, von dem wir uns vielleicht etwas abschauen können. Denn wir wollen natürlich wissen, wer in Brandenburg, wer in Berlin mit welchem Produkt aus dem Hause rbb täglich in
Kontakt kommt. Um das zu ermitteln, brauchen wir eine neue Erhebungstechnik. Gleichzeitig ist der Vergleich jedoch schwierig, wenn jeder Sender in anderer „Währung“ rechnet.

Sie wollen die Mitarbeiter aus den verschiedenen rbb-Abteilungen gut miteinander vernetzen und den Informationsaustausch optimieren. Hierbei helfen IT-basierte Content-Mangement- und Newsroom-Lösungen. Wie passt diese Technik in Ihre Programmkoordinationsüberlegungen?

Wir sind in der Vorbereitungsphase für ein gemeinsames Redaktions- und Planungssystem, das Fernsehen, Hörfunk und Online einbindet. Im Augenblick arbeiten wir noch mit verschiedenen Systemen. Im Fernsehen mit iNews, einem Sende- und Verteilungssystem für Nachrichtenbeiträge von Agenturen. Im Hörfunk haben wir Plato, ein System, das speziell für den rbb entwickelt wurde und auch Produktionssysteme einbindet, wobei wir zurzeit in Potsdam und Berlin noch mit verschiedenen Produktionssystemen arbeiten. Da wir sowieso neue Systeme brauchen, wollen wir nun ein gemeinschaftliches haben, damit nicht wieder jeder isoliert plant. Das neue Redaktions- und Planungssystem soll alles auf einer Ebene abrufbar machen – für Fernsehen, Radio und Internet. Der Vorteil: Die Redakteure müssen nicht mehrere Programme öffnen, um zu wissen, welche Themen gerade von den einzelnen Fernseh-, Radio- und Online-Redaktionen in Berlin oder Potsdam, Cottbus oder Frankfurt (Oder) behandelt werden. Ein solches neues zentrales System ist ein sehr komplexes Projekt, weil das System Schnittstellen zu vielen technischen Systemen des Hauses hat: Hörfunk- und Fernsehproduktion, Sendesysteme, Archive und später eventuell auch Lizenz- und Rechteverwaltung.

Wer soll denn das System erstellen?

Das Projekt ist so groß und kostenaufwändig, dass wir es EU-weit ausschreiben müssen. Wir arbeiten seit gut einem Jahr mit einem Projektteam an dem umfangreichen Leistungsverzeichnis. Dabei werden die Mitarbeiter zum Beispiel in Form von Workshops einbezogen, um zu klären: Was muss das System können? Wie muss es von der Bedienoberfläche gestaltet sein? Ziel ist es, reibungslose Workflows zu schaffen.

Wo sind die im TV-Bereich schon im Einsatz?

Wir arbeiten bei der „Abendschau“ und bei „Brandenburg aktuell“ bereits weitestgehend filebasiert – also bandlos vernetzt. Alle anderen Sendungen brauchen jedoch noch Kassetten. In einem zweiten Schritt, nach der Erstellung des Redaktions- und Planungssystems, möchten wir dann auch einen ganzheitlich filebasierten Workflow im Fernsehen schaffen.

Rechnen Sie dann mit Kostenreduzierungen?

Das wissen wir noch nicht. Wir sind im Gespräch mit Kollegen aus der ARD, die bereits heute ähnliche Systeme nutzen, wie wir sie anstreben. Die Erfahrungen zeigen zum einen, dass es unter Umständen länger dauern kann, wenn ein Reporter am digitalen Arbeitsplatz schneidet, als wenn es der Cutter macht. An diesem Punkt sind nicht unbedingt Kostenersparnisse möglich. Andererseits: Wenn ein Reporter vom Dreh zurückkommt und sein Interview sichtet, muss er bisher für den Cutter mühsam Timecodes notieren. Das ist nicht rationell. Künftig wird er in diesem Fall nur eine Taste drücken, um Anfang und Ende des O-Tons zu markieren. Damit gewinnt er Zeit. Noch wage ich nicht zu prophezeien, dass wir mit dem neuen System tatsächlich so und so viel einsparen können. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die digitalen Möglichkeiten unsere Arbeit vereinfachen werden, so dass am Ende für die Inhalte mehr Zeit, Kapazitäten und Geld bleibt.

Sie gehen eher von einer Qualitätsverbesserung aus?

Ja. Man kann das Programm leichter gestalten. Mein Beispiel dafür: Wenn ich einen Text ausgedruckt mit einem Stift vor mir liegen habe, dann bin ich weniger bereit, an den Formulierungen zu feilen, als wenn ich das direkt am Schirm schnell erledigen und die Verbesserung sofort nachvollziehen kann. Das geht einfacher und zügiger. Wenn ich als Reporter oder Redakteur bestimmte Dinge am Computer schnell selbst gestalten kann – vorausgesetzt, sie lassen sich leicht handhaben –, dann stelle ich mir die Arbeit kreativer vor. Ich gehe aber nicht davon aus, dass alle Fernsehbeiträge am Ende von Reportern und Redakteuren selbst produziert werden können oder sollten. Das kann ich mir zwar bei kurzen Stücken vorstellen. Bei längeren Beiträgen sind die Produktionsprozesse jedoch komplizierter.

Wie weit ist der rbb mit der Umrüstung auf HD?

Im Augenblick rüsten wir Schritt für Schritt Regien und Schnittplätze auf HD um – immer dann, wenn sie sowieso erneuert werden müssen. Was bei uns aktuell ansteht, ist die Frage, welches Kamerasystem wir anschaffen werden. Da sind wir noch in der letzten Entscheidungsphase. Und auch das muss in eine europaweite Ausschreibung gehen. Neue Kameras mit entsprechenden Speichermedien sind wichtig für den filebasierten Workflow. Wir wollen sicherstellen, dass wir vorhandenes Drehmaterial schnell weiter verarbeiten können.

Wie funktioniert denn die Kommunikation zwischen Technik und Programm beim rbb?

Das, worüber wir hier sprechen, entwickelt sich an den Schnittstellen zwischen Produktions- und Programmdirektion und kann daher nur gemeinsam erarbeitet werden. Es sind schon unterschiedliche Sprachen, die wir sprechen. Unsere Techniker haben einen anderen Zugang zu den Fragestellungen als die Kollegen vom Programm. Ich habe aber den Eindruck, dass es sich ganz gut entwickelt hat. Es ist ein gutes Miteinander und nicht so: Das Programm bestellt und die
Technik setzt um. In der digitalen Welt kann das nicht mehr funktionieren. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir die digitalen Techniken nutzen können, damit sie unserem Programm gut tun. Und da haben beide Seiten lernen müssen: Unsere Techniker denken stärker ausgehend vom Programm, und wir vom Programm müssen uns mit den neuen Möglichkeiten der Technik auseinandersetzen.

Haben Sie als Programmdirektorin jeden Tag auch mit technischen Fragestellungen zu tun?

Ja, natürlich. Und ich mache es gerne, weil mich Technik interessiert. Aus meiner Sicht sollten wir lieber heute als morgen mit dem filebasierten Workflow starten. Dann kann ich mir schnell alles in meinem Computer am Arbeitsplatz anschauen – wie ich jetzt schon Neues von den Radiowellen am PC anhöre. Beim Fernsehen muss ich mir heute immer noch eine DVD bestellen, wenn ich schnell eine Sendung sehen möchte, die nicht im Netz steht. Auch für andere Arbeitsbereiche – zum Beispiel für die Nutzung der Archive – wäre es schön, wenn wir mit der Digitalisierung noch einen großen Schritt weiter kommen.

Die vom rbb in Auftrag gegebene Produktion „24h Berlin“ hat kürzlich als „großes, innovatives Projekt“ den Deutschen Fernsehpreis erhalten. Auf welche neue, größere TV-Produktion aus dem Hause rbb dürfen wir uns denn demnächst freuen?

Ein neues großes Projekt ist bereits abgedreht. Das vier-, eventuell auch fünfteilige Roadmovie „Immer ostwärts – Von Berlin nach Wladiwostok“ soll zuerst in der ARD und dann bei uns im rbb laufen. Wie schon „24h Berlin“und „20xBrandenburg“ betreut das Projekt Johannes Unger, Leiter unserer Abteilung „Dokumentation und Zeitgeschehen“. Auch diese Produktion werden wir anschaulich im Internet präsentieren.
Erika Butzek
(MB 11/10)

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