Mehr Kreativität bei geringerem Budget

Der öffentliche Rundfunk steht in ganz Europa unter Druck – wirtschaftlich wie politisch. Bei einer Diskussion der MEDIENTAGE MÜNCHEN zeigten sich Programmverantwortliche jedoch optimistisch, dass sich der öffentliche Rundfunk weiter mit qualitativ hochwertigen Nachrichten- und Unterhaltungsangeboten auf dem Markt behaupten könne.

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Mehr Kreativität bei geringerem Budget

Der dänische Rundfunk hat mit einer Budgetkürzung von zwanzig Prozent über die nächsten fünf Jahre hinweg und der Umstellung auf ein steuerbasiertes Finanzierungssystem besonders große Einschnitte zu verzeichnen. Maria Rørbye Rønn, Generaldirektorin von Danmarks Radio (DR), beklagte, dass dies passiere, obwohl der dänische Rundfunk ein Erfolgsmodell sei. Er erreiche 95 Prozent der Dänen und genieße große Vertrauenswürdigkeit. Das Gute im Schlechten: DR entwickele seine Digitalstrategie jetzt umso schneller, je weniger Mittel vorhanden seien. Das gehe auch gar nicht anders, weil jetzt ganze Sender eingestellt werden müssten.

Hanna Stjärne, Geschäftsführerin der schwedischen Sveriges Television (SVT), hofft, dass die Einschnitte in Dänemark weltweit keine Schule machen. Auch in ihrem Land müsse der Rundfunk sparen. SVT reagiere darauf mit verstärkten Investitionen ins Digitale, einen I-Player und dem Newsroom. Und das mit Erfolg: Das Vertrauen in den hauseigenen Online-Nachrichtenservice habe sich in diesem Jahr sogar verdoppelt, sagte Stjärne. Überhaupt fokussiere sich der Sender nun auf einheimische Themen und „nordische“ Produktionen, sprich: Kooperationen mit Anbietern aus den skandinavischen Nachbarländern.

Ladina Heimgartner hatte als stellvertretende Generaldirektorin der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG im vergangenen Jahr eine große Zustimmung erlebt, als die No-Billag-Initiative für eine Abschaffung der Rundfunkgebühren an 72 Prozent Gegenstimmen scheiterte. Die größte Gruppe derjenigen, die sich für den Wert des öffentlichen Rundfunks eingesetzt hatten, sei überraschenderweise die der 18- bis 25-Jährigen gewesen. Diese große Zustimmung sei allerdings auch ein Hemmschuh, erklärte Heimgartner. „Die meisten wollen, dass wir so bleiben, wie wir sind, aber wir müssen uns trotzdem verändern.“

Kathrin Zechner, Fernsehdirektorin beim österreichischen ORF, glaubt gar nicht, dass sich der öffentliche Rundfunk so stark verändern müsse. „Wir müssen unsere Stärken besser herausstellen und sichtbarer werden“, meinte sie. Gerade im Bereich Fiktion sei ihr Sender traditionell sehr stark. Mit Netflix entwickelt er gerade eine erste gemeinsame Serie. Der amerikanische Streaming-Anbieter übernimmt dafür zwei Drittel des Budgets. Die künstlerische Hoheit und das Recht auf Erstausstrahlung bleiben aber beim ORF. „Vielleicht ein Modell für die Zukunft“, merkte Zechner an.

Paul Lembrechts, Geschäftsführer des flämischen Radio- und Fernsehprogramms des Belgischen Rundfunks (Vlaamse Publieke Omroep, VRT), erklärte, dass sein Sender verstärkt den ökonomischen Wert seiner Arbeit für die Gesellschaft, zum Beispiel im Hinblick auf die Bereitstellung von Arbeitsplätzen, thematisiere, um die Diskussion auszubalancieren. Im Bereich Audio habe man die junge Zielgruppe noch gut im Griff, auf die Herausforderung durch Streamingdienste im Fernsehbereich habe man aber noch keine überzeugende Antwort gefunden, meinte Lembrechts. Zurzeit experimentiere VRT mit kleineren Serienformaten für mobile Anwendungen.

Thomas Hinrichs, Informationsdirektor des Bayerischen Rundfunks (BR), hält es für wichtig, die Themenauswahl zu hinterfragen und zu überlegen, wie man als Sender wieder näher zu den Bürgern komme. Der BR setzt wieder mehr auf Landeskorrespondenten und hat sein „Social Listening“ intensiviert. Die Jüngste in der Runde, Ladina Heimgartner, war gleichzeitig die Optimistischste. Er sei normal, dass sich junge Leute erst einmal nicht für öffentliches Programm interessierten. Wenn das Leben dann ernster und verbindlicher werde, kämen sie zu den ernsteren Angeboten zurück. „So, wie wir von einer Generation Netflix sprechen, glaube ich, dass wir bald von einer Generation Public Media sprechen werden“, sagte Heimgartner. (10/18)

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