Effektivere Produktionsformen

Sky Deutschland setzt als erster Sender in Europa das softwarebasierte Produktionssystem Uppercut von Reality Check Systems (RCS) aus Burbank, Kalifornien, ein. Mit dieser innovativen Lösung will der Pay-TV-Sender bei 19 Formel 1-Rennen der neuen Saison den Betrieb der HD-Regie vor Ort an den Rennorten effizienter gestalten. MEDIEN BULLETIN sprach über die Vorteile des neuen Workflows mit Sky-Sport-Produktionsdirektor Alessandro Reitano.

11
Effektivere Produktionsformen

Im März war ein kleines Team von Sky Deutschland unterwegs, um die ersten Formel 1-Rennen der Saison in Melbourne, Australien, (15.-17. März) und in Sepang, Malaysia 21. – 24. März), mit neuer Regietechnik zu übertragen. Erstmals eingesetzt wurde dabei das softwarebasierte Produktionssystem Uppercut von Reality Check Systems (RCS) aus dem kalifornischen Burbank. Das Formel 1-Team von Sky besteht aus nur elf Personen: Neben dem Leiter der Sendung und Ablaufredakteur/Uppercut-Operator gehören vier Techniker, ein EVS-Operator sowie Kommentator, Experte und Paddock-Reporter/in dazu.

Auch bei allen kommenden Formel 1-Rennen der Saison, ab Mai dann in Europa, ist dieses Team mit dem neuen Produktionssystem im Einsatz. Damit wird vor Ort an den jeweiligen Rennstrecken ein komplett fertig konfiguriertes Signal erstellt, per Glasfaser nach Unterföhring geschickt und von dort ausgestrahlt. Sky benötigt so in Unterföhring selbst keine eigene Formel 1-Regie mehr. Das war in der letzten Formel 1-Saison anders, wo die Produktion erstmals Remote realisiert wurde. „Technisch hat das phantastisch funktioniert aber wir hatten einfach zu viele Baustellen und zu viele Regien, die dann Content zugeliefert haben. Der neue Workflow spart jetzt viel Arbeit in Unterföhring“, sagt Alessandro Reitano, Sport-Produktionsdirektor bei Sky Deutschland.

Anfang des Jahres hatten sich Sky Deutschland und der Formel-1-Rechtepartner Formula One über die Verlängerung der Zusammenarbeit bis einschließlich der Saison 2015 verständigt. Der Pay-TV-Sender wird demnach alle Formel-1-Grand-Prix in den nächsten drei Jahren vom ersten Freien Training bis zum Zieleinlauf des Rennens live und in HD übertragen. Ein Mehrkanal-Angebot erlaubt dem Zuschauer dabei auch zwischen verschiedenen Signalen zu wählen. Mit Sky Go bietet Sky ferner die Möglichkeit, den Kampf um die Weltmeisterschaft mobil zu verfolgen. Darüber hinaus berichtet auch der 24-Stunden-Sportnachrichtensender Sky Sport News HD umfassend über alles Wissenswerte aus der Formel 1. Im Free-TV hält RTL bereits im 23. Jahr ohne Unterbrechung die Rechte an der Formel 1-Übertragung.

Als Produktionsdienstleister der Formel 1-Mehrkanal-Übertragungen hat Sky Deutschland PLAZAMEDIA beauftragt. Eine entsprechende Rahmenvereinbarung wurde Ende 2012 bis zum 30. Juni 2017 verlängert. PLAZAMEDIA wiederum hat als Subunternehmen die MTI Teleport München GmbH an Bord. Das Unternehmen von Ludwig Schäffler stellt die komplette Technik mit EVS-Maschinen und Monitoring-Systemen und kümmert sich auch um den Signaltransport. Das PLAZAMEDIA/MTI-Team ist bei Formel 1-Produktionen mit drei Tonnen Material, verpackt in 44 Flighcases unterwegs. Das Uppercut-System gehört jedoch nicht dazu. „Das betreiben wir selbst und haben es in das bestehende Regie- und Produktionskonzept integriert, um neue Bedien- und Grafikelemente nutzen zu können“, erklärt Reitano.

Die bislang genutzten Mischerpanels würden dafür wegfallen. „Das spart auch wieder Gewicht. Die Uppercut-Lösung wiegt gerade mal 60 Kilogramm“, meint er. Um die Transportkosten zu senken, habe Sky Deutschland nicht nur im Regie- sondern auch in allen anderen Technikbereichen der Formel 1-Produktion versucht, das meist per Flugzeug zu den einzelnen Rennevents geschaffte Equipment zu reduzieren. Man habe so geschafft, eine ganze Tonne an Gewicht zu eleminieren. Die Uppercut-HD-Regie besteht im Wesentlichen aus einem Carbonite Multimedia Switcher von Ross und zwei Grafik-Rendermaschinen von Reality Check. Der Ross Carbonite verfügt über 24 Video-Inputs, wo alle Signale des Hostbroadcasters der Formel 1-Produktion einlaufen, einschließlich der von Sky selbst produzierten Signale. „Wir haben zwei Kameras vor Ort, eine Drahtlos-Kamera, eine Kommentatoren-Kamera und eine EVS-Maschine“, berichtet Alessandro Reitano. Die Drahtlos-Kamera spielt im ganzen Paddock-Bereich. „In der Start-/Grid-Phase sind wir damit live. Die Rennbilder liefert dann der vor Ort produzierende Dienstleister“, sagt Reitano.

Der Ross Carbonite ist mit grafischen Uppercut-Templates für DVI-Fenster, Wipe- und Mischer-Übergänge programmiert worden. Die Grafiken werden auf Knopfdruck beim Umschalten von einem Signal auf das andere in Echtzeit von den beiden Grafik-Rendermaschinen eingespielt. Die Steuerung dabei erfolgt über das Grafik- und Video-Managementsystem Viz Content Pilot von VIZRT. Mit Viz Pilot befüllt Sky auch die benötigten Grafik-Templates. Alle Grafiken werden dabei zunächst auf VIZRT-Ebene gebaut und die Templates dann über VIZ Pilot angesteuert. „Die Grafikrender-Einheiten von Reality Check sind kompatibel mit VIZRT, sodass sie letztlich auch die VIZ Templates nutzen und abfahren können“, sagt Reitano.

Bei Sky Deutschland wird im Grafikbereich durchgehend mit VIZRT gearbeitet. RCS hat für den neuen Kanal Sky Sport News HD und für den Sky-Sportkanal allerdings im vergangenen Jahr die Template-Produktion für das Grafik-Redesign übernommen. Bei der Gelegenheit wurde Sky auch das in Europa bis dato noch nicht genutzte Uppercut Tool vorgestellt. „Das hat uns einfach gut gefallen. Es ist schlicht eine softwarebasierte HD-Regie, die dem Redakteur oder dem Regisseur gezielte Abläufe an die Hand gibt, um effizient aber auch mit einem entsprechenden Look [&] Feel sein Produkt zu produzieren“, sagt Reitano. „Mit einem klassischen Mischer und ohne Viz-Maschinen im Hintergrund würden wir nie solche Übergänge hin bekommen. Die Grafik sitzt immer perfekt. Wenn der Umschnitt kommt, dann ist sie sofort da. Das ist einfach der Vorteil“, betont Skys Sport-Produktionsdirektor.

Bedient wird das Uppercut-Tool von den Sky-Redakteuren selbst. „Sie sind zugleich Regisseur, Grafikoperator und Redakteur in einem“, erklärt Reitano. Über ein Preview-Fenster können die Redakteure auf einem großen Touchscreen alle Signale anschauen. Hier finden sich auf der linken Seite die für Sky vorprogrammierten Templates, zum Beispiel um Namen zu insertieren. Auf der rechten Seite beziehungsweise in der Mitte befinden sich ein Preview-Fenster und ein Programmfenster. „Im Preview-Fenster können die Redakteure alle Quellen dem Ross Carbonite Mischer zuführen. Sie können die Signale im Preview-Fenster vorselektieren, sich das fertige Produkt anschauen und per Knopfdruck dann damit sofort on air gehen“, sagt Reitano.

Das schöne an dem System sei, dass es ganz individuell und einfach durch die im Hintergrund laufenden Grafikmaschinen funktioniere. Reitano: „Die Übergänge werden sauberer. Der Schnitt vom Kommentator zum Field- beziehungsweise zu unserer Paddock-Reporterin Tanja Bauer wird mit einem Knopfdruck realisiert und das Ganze noch mit einem schönen Wipe-Effekt versehen. Vom Look [&] Feel nähern wir uns da wieder der amerikanischen Produktionsweise. Wir zeigen mehr Grafiken und zwar auf den Punkt genau.“

Neben den Grafiken läßt sich mit dem Uppercut-Tool über die VIZ Pilot Steuerung auch eine Rundown-Automation generieren. „Das heißt, wir können schon im Vorfeld dezidierte Rundowns festlegen. Die fangen mit dem Intro an, welche Grafik folgt dann, welche EVS-Clips. Beide Systeme kommunizieren miteinander. Das heißt, der EVS-Operator legt die Clips ab, der Redakteur sieht die im Preview-Fenster und kann sie dann mit einem Knopfdruck sofort abrufen und die EVS starten. Auch hier zeigt sich, dass Uppercut ein hochintelligentes Softwaretool ist“, sagt Reitano.

In Europa ist Uppercut bislang nur bei Sky Deutschland im Einsatz. In den USA wird das System indes schon von einigen großen Sendern genutzt, unter anderem auch von ESPN. Das US-Sportnetwork realisiert mit diesem System auch Remote Produktionen. Die Regie ist dabei an der Ostküste und die Produktion findet an der Westküste statt. Mit dem Uppercut Tool werden hier Running Orders und Remote-Kameras bestimmt. Auch bei Sky spielt man laut Reitano mit dem Gedanken, Uppercut für Remote-Produktionen zu nutzen. „Das können wir im nächsten Schritt auch noch machen. Die Möglichkeiten des Systems wollen wir sukzessive weiter entwickeln, um die Redaktion nicht zu überfordern. Das Uppercut Tool verlangt schließlich schon ein anderes Arbeiten von ihnen. Vorher hatten sie einen Regisseur zur Seite und nun ist der Redakteur letztlich selbst verantwortlich dafür, welches Bild on air geht“, meint Reitano. Dadurch könne er sich aber auch wesentlich stärker auf sein Programm fokussieren. Die Redaktion wisse nun sehr viel besser, wie der Ablauf aussieht, welche Bilder und Grafiken gewünscht sind. „Wir geben ihr einen hocheffizienten, speziell für sie angepassten Workflow an die Hand, mit dem sie schneller, zielgerichteter und besser arbeiten kann,“ erklärt Reitano. Der Redakteur müsse dabei die Prozesse, die im Hintergrund ablaufen würden, nicht unbedingt verstehen und sich auch keine Gedanken mehr darüber machen – wie früher der Regisseur – auf welcher Mischerebene er auf die Monitore umschalten müsse. „Der Redakteur drückt nur den Knopf, zum Beispiel Kommentatoren-Kamera, und dann ändern sich automatisch auch der Monitor des Kommentators und die Preview. Das ist sehr einfach für den Redakteur. In unseren Schulungen konnten wir die neuen Prozesse sehr schnell vermitteln“, berichtet der Sky-Sport-Produktionschef. Wegen seiner einfachen Bedienbarkeit ist das neue System auch in anderen Redaktionsbereichen, in denen es vorgestellt worden sei, auf sehr gute Resonanz bei den Mitarbeitern gestoßen.

Reitono betont aber auch: „Wir wollen damit keine Menschen wegrationalisieren oder Regisseure einsparen. Es geht uns vielmehr darum, komplexe Produktionen mit vielen Bildschnitten zu vereinfachen.“ Auch in den USA ist der von Sky eingesetzte Ross Carbonite Multimedia Mischer übrigens das gängige Werkzeug, das in Kombination mit Uppercut eingesetzt wird. „Bei unseren Tests in Los Angeles hat sich heraus gestellt, dass der Carbonite Mischer mit den Grafik-Rendermaschinen von Reality Check und einem Grass Valley K2-Server im Hintergrund die beste Konfiguration ist. Die Elemente sprechen perfekt miteinander“, berichtet Reitano. Auch VIZ Pilot funktioniere perfekt in dem gewählten Workflow. Für das Zusammenspiel mit der EVS-Maschine müsse jedoch noch etwas Programmierarbeit geleistet werden, damit die Clips auch so angesteuert würden, wie Sky sich das vorstelle. Bei Sky Deutschlands Schwesterfirmen Sky Italia und BSkyB arbeitet man indes nicht mit den RCS-Systemen. Reitano: „Die produzieren noch klassisch. Wir haben auch von der Budgetgröße her ganz andere Vorgaben und müssen uns deshalb noch effektivere Produktionsformen überlegen.“ Mit Blick darauf sei das Uppercut-System für Sky Deutschland von der ganzen Wertschöpfungskette her am schlüssigsten gewesen. Ausschlaggebender Faktor für die Einführung des Systems sei insbesondere die Grafikfähigkeit von Uppercut gewesen mit der Möglichkeit, vor Ort Grafik zuzusetzen und Bildschnitt mit darauf abgestimmten Grafikinserts zu verbinden. Reitano betont aber auch: „Wir wollen mit diesem Tool einerseits die Produktionsprozesse effektiver gestalten, uns anderseits aber auch bildgestalterisch ein Stück weit von RTL absetzen und die ganze Formel-1-Sendung noch kurzweiliger gestalten.“

Eckhard Eckstein
(MB 04/13)

Anzeige