Reportage: Reality-TV in XXL

Das TV-Experiment “Get the F*ck out of my House” setzt neue Maßstäbe in der TV-Produktion. Mit mehr als 50 Kameras, über 70 Leuchten und hunderten Metern Kabel wurde es in ein Fernsehstudio verwandelt – ohne dabei die „wohnliche“ Atmosphäre zu verlieren. Die Kölner MMC Studios verantworteten als Generalunternehmen das Mammut-Projekt der UFA Show & Factual GmbH.

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Get the Fuck out of my House / Produktion / MMC

Das Prinzip der Show „Get the F*ck out of my House“ ist schnell erklärt: 100 Kandidaten ziehen in ein Einfamilienhaus, wohnen auf engstem Raum und treten bei Spielen gegeneinander an. Wer das Haus als Letzter verlässt, gewinnt 100.000 Euro. Eine echte Herausforderung – nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für die Macher der Sendung. Schließlich wurde rund einen Monat lang 24/7 vor Ort gedreht – und das nicht etwa in einem Studio sondern in einem echten Wohnhaus: Nur 63 Quadratmetern standen den Teilnehmern, aber auch der Technik zur Verfügung.

Wie schon in der letzten Staffel setzte UFA Show [&] Factual GmbH als Produzent bei der Umsetzung auf die Expertise der Kölner MMC Studios – denn diese liefern als Generalunternehmen alle Leistungen auch on location aus einer Hand: Mit einem 19-köpfigen Team stellte MMC das gesamte Technikpersonal. Neben der Video- und Audiotechnik, der Lichttechnik und der Postproduktion war MMC auch verantwortlich für den Dekorationsbau sowie das Bauantragswesen. Letzteres war für das Projekt besonders wichtig.

Sicherheitskonzept im Wohngebiet

Für den Dreh fiel die Wahl auf ein leerstehendes Wohnhaus im nordrhein-westfälischen Mettmann. Das Haus liegt in einem Wohngebiet. Deshalb musste das Sicherheitskonzept an die Gegebenheiten angepasst werden. „Der Einsatz unseres Sicherheitsbeauftragten Stefan Quentin hat sich ausgezahlt: Das neue Konzept und die Anträge wurden schnell und reibungslos von der Stadt genehmigt“, betont Maria Lorf, zuständige Account Managerin der MMC Studios.

Für den Dreh mussten Haus und Grundstück grundlegend präpariert werden. Benötigt wurden Arbeitsräume für Regie und Technik; das Haus selber wurde in ein Studio verwandelt, ohne dabei seinen authentischen Charakter zu verlieren. Drei Wochen dauerten die umfangreichen Auf- und Umbauarbeiten. Die Lage des Hauses an einem Hang stellte dabei eine besondere Herausforderung dar: Zum Beispiel erschwerte das abschüssige Gelände den Bau eines Kranpodestes und einer Moderationsposition im Garten. Um das Problem zu lösen, errichtete das MMC-Team mit Hilfe von Stelzen eine kleine Bühne, die sich in die Hanglage einfügte.

300 Meter Glasfaserkabel verlegen

Für die Arbeitsplätze des Produktionsteams musste zunächst Raum geschaffen werden: Die Regie konnte MMC in einer Garage auf dem Grundstück unterbringen. Diese war für die benötigten dreizehn Arbeitsplätze allerdings zu klein, sodass das Team sie vor dem Drehstart durch einen Anbau erweiterte. Redakteure, Produktionsleiter und Aufnahmeleiter der UFA sowie der Proxy-Schnitt konnten in einem separaten Gebäude etwa 300 Meter vom Drehort entfernt ihr Quartier beziehen. Für MMC bedeutete dies kurzerhand 300 Meter Glasfaserkabel zu verlegen, um die Bild- und Tonübertragung technisch anzubinden.

Auch bei der Inneneinrichtung des Hauses war Kreativität gefragt. „Wir haben darauf geachtet, die Substanz des Hauses nicht zu sehr zu verändern“, betont Lorf. „Schließlich sollte es nach Drehende zum Verkauf angeboten werden. Daher haben wir zum Beispiel Kernbohrungen in den Wänden für Kabel und Co. weitestgehend vermieden. Trotzdem durfte es nicht provisorisch aussehen wie auf einer Baustelle.“ Unschöne Kamera- sowie Lichtkabel ließen die Bühnenbauer daher in weißen U-Profilen verschwinden, die sie in allen Räumen entlang der Deckenkanten anbrachten. Darauf konnten dann gleich die Lichtpanels montiert werden.

Kameras unauffällig montieren

Auch bei der Auswahl der Aufnahmetechnik war die Expertise der MMC Studios gefragt, die über langjährige Erfahrung bei der technischen Umsetzung von Reality-Shows verfügen. „Bei Reality-Formaten kommt es darauf an, die Teilnehmer so authentisch wie möglich einzufangen“, erklärt Uli Zahn, Executive Producer und Head of Reality/Factual bei UFA SHOW [&] FACTUAL. „Auf der einen Seite darf den Kameras tags und nachts nichts entgehen, auf der anderen Seite darf die Technik die Bewohner nicht stören. Bei dieser Gratwanderung spielt auch die Wahl des richtigen Equipments eine wichtige Rolle.“ Für die Aufzeichnungen im Innenbereich des Hauses installierte MMC 34 ferngesteuerte PTZ-Kameras (Pan, Tilt, Zoom), die sich besonders weit schwenken und neigen lassen, aber auch über einen hinreichenden Zoom verfügen. Die Wahl fiel auf den Typ Panasonic AW-UE70WEJ mit Infrarot-Funktion für die Nachtaufnahmen. Die schlichten weißen Kameras sind äußerst kompakt und fielen daher kaum auf. Zudem waren keine klobigen Netzteile notwendig, die versteckt werden mussten, da die Stromversorgung hier direkt über das Videokabel läuft. Auf dem restlichen Gelände und im sensiblen Bereich vor den WCs installierte das Team weitere 15 handelsübliche Überwachungskameras, die eine fixe Einstellung filmten.

Aufnahme im Schichtdienst

„Genauso wie bei der Aufnahmetechnik, haben wir auch beim Licht auf möglichst unauffällige Lampen gesetzt“, berichtet Lorf. „Studioscheinwerfer hätten so weit in den Wohnraum geragt, dass sie im Bild zu sehen gewesen wären und das Gesamtbild gestört hätten.“ Gemeinsam mit der Medien- und Veranstaltungstechnikfirma mls magic light + sound stattete MMC das Haus daher mit LED Panels aus, die sowohl Tages- als auch Kunstlicht ausgeben. Zusätzlich wurden 28 Infrarotlichter installiert, um optimale Nachtaufnahmen zu ermöglichen. Für die Außenbeleuchtung des Hauses sowie für die zwei Moderationspositionen vor dem Haus kamen witterungsbeständige Panels zum Einsatz. Sämtliche Panels wurden via DMX verkabelt, so dass sie sich über das Lichtpult in der Regie ansteuern ließen.

„Für Außenstehende muss die Regie mit den komplexen Pulten so ausgesehen haben wie eine Raumschiff-Zentrale“, resümiert Zahn. „Das Team hat trotzdem den Überblick behalten. Zusammen mit den MMC-Kollegen haben wir sechs Tage lang die Aufzeichnungen mit vierzig Versuchskandidaten getestet und die technischen Abläufe geprobt. Die Crew war also perfekt aufeinander eingespielt, als es losging.“ Nach den erfolgreichen Probeläufen startete der Dreh der vier Folgen: 25 Tage lang, also 600 Stunden, wurde ohne Unterbrechung gedreht – im Schichtdienst rund um die Uhr. Pro Schicht waren zwei Regisseure für das Einfangen der spannendsten Momente zuständig. Jeder von ihnen arbeitete mit zwei Shadern zusammen, die jeweils zwei Kameras parallel bedienten. So konnte jeder Regisseur also aus vier Einstellungen wählen und zusammen zwei parallele Geschichten aus dem Haus einfangen.

Bei dem Tag- und Nachteinsatz kam eine Masse an aufgezeichnetem Material zusammen. Um die Übersicht zu behalten, wurden die Daten sofort verschlagwortet. Die „Logger“ behielten die Streams an einem Monitor mit Quadsplit im Auge. Gab es zum Beispiel eine hitzige Diskussion zwischen zwei Bewohnern, notierten sie neben den entsprechenden Timecodes die Namen der Beteiligten und Stichworte wie „Diskussion“ oder „Streit“. So ließ sich das Material im Schnitt später wesentlich schneller und einfacher finden und zuordnen.

Drei Arbeitsplätze zum Proxy-Editing befanden sich direkt vor Ort, um die Streams vorzuschneiden. Die geschnittenen Streams wurden auf einem High Resolution Speicher aufgezeichnet. Parallel wurden Sicherheitskopien der letzten 48 Stunden angelegt. Nach Abschluss der Aufzeichnung wurden die vier Sendungen von Januar bis April in den Kölner MMC Studios geschnitten – und zwar parallel an neun Schnittplätzen. Die Ausstrahlung auf ProSieben konnte pünktlich starten. „Für uns war das ein genauso erfolgreiches wie spannendes Projekt“, resümiert Lorf. „Unsere Crew hat hier ganze Arbeit geleistet und gezeigt, was mit Einfallsreichtum, Erfahrung und Kreativität bei einer solchen Show-Produktion möglich ist.“ (7/19)

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