Vor allem Erfahrungssache

Die 3D-Produktion ist in der Medienwelt angekommen. Für viele Produzenten und Regisseure ist sie indes absolutes Neuland. Executive Producerin Sabine Posselt von der Hamburger Nordisch Filmproduktion und Regisseur Gudio Weihermueller haben nun gleich zwei 3D-Auftragsproduktionen für die Deutsche Telekom realisieren können. Im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN berichten sie über die dabei gemachten Erfahrungen

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Vor allem Erfahrungssache

Auf der Cebit in Hannover hatte der Imagefilm „Die Firma in 3D“ Premiere, eine Gemeinschaftsproduktion von Zweimaleins in Berlin und Nordischfilm in Hamburg, der das Perspektivthema vernetzte Kommunikation behandelt „In kurzen szenischen Kapiteln werden die Vorzüge einer vernetzten LAN-Infrastruktur demonstriert, angefangen von der Videokonferenz bis zur Nutzung eines gemeinsamen Datenpools. Die in 3D gedrehten, szenischen, einminütigen Spielszenen sind in eine 3D-Produktpräsentation eingebunden.

„Wir sind auf Grund des großen Zeitdrucks hier ins kalte Wasser gesprungen “, erklärt Guido Weihermueller. „Es ist schon so, dass man Regie, also den Bereich, der die Gestaltung des Bildraumes betrifft, neu lernen muss.“ Die Green Screen-Sets im Atelier 6 von Studio Hamburg verkomplizierten den ohnehin komplexeren 3D-Dreh um einiges. „Wir waren dadurch sehr vielen Restriktionen ausgesetzt, die uns vorgegeben haben, wie wir den 3D-Raum bespielen können. Vor Green Screen muss ich exakt wissen, wie der Hintergrund hinterher aussieht, weil das meine Operationen in dem 3D-Raum bestimmt. Auf Grund dieser komplizierten Drehsituation und mangels eigener praktischer 3D-Erfahrung wurden 3D-Spezialisten hinzu gezogen.
Die für diese Aufnahmen eingesetzten Sony F23 Kameras waren auf einem Spiegelrig montiert. Um unterschiedliche Aufnahme-Perspektiven im Raum zu haben, setzte das Team verschiedene Objektive ein, arbeitete aber zunächst nur mit fester Kamera. Die Kamerabewegungen wurden hinterher in der Postproduktion erzeugt, vor allem wegen des Zeitdrucks und den vielen Vorgaben durch die Green Screen, erklärt Weihermueller. „Wir haben uns da erst einmal langsam heran getastet und sind daher sehr statisch geblieben. Später haben wir uns mehr getraut und sogar Dollyfahrten eingesetzt. „Bewegung ist ein wichtiges Element im stereoskopischen Raum, denn 3D alleine erzählt noch keine Geschichte“, erklärt Weihermueller. Das gilt sicher auch für die Brennweiten, in denen gedreht wird. „Je weitwinkliger das Bild ist, desto mehr 3D-Effekt ist zu spüren. Der 3D-Raum ist im weitwinkligen Bereich viel plastischer als im langen Brennweitenbereich. Das kann zur Folge haben, dass Close-ups und Detailaufnahmen dann regelrecht flach wirken.“ Aber auch das stellt noch kein Problem dar, erläutert der Regisseur. Da die räumliche Tiefe dramaturgisch so eingesetzt werde, wie es für die Geschichte bedeutsam sei. „Es macht keinen Sinn, jede Einstellung so zu drehen, dass dabei ein maximaler 3D-Effekt erzielt wird. „Es ist besser, den Zuschauer bei seinen 2D-Gewohnheiten abzuholen und durch diese 3D-Geschichte zu führen.

3D-Spiegelrig-Einsatz
Aus gutem Grund hat man sich auch für Festbrennweiten entschieden, weil Zoomobjektive auf Grund ihrer Unterschiedlichkeit sich kaum gleich matchen lassen. „Das ist selbst bei baugleichen Zooms nicht exakt gleich“. Die Produktion setzte auf das 3D-Spiegelrig, weil sich durch diese Konstruktion die Objektive näher aneinander bringen lassen, als wenn sie parallel auf einem Schlitten montiert sind. Die Kameras werden über einen Spiegel in einem 90 Grad-Winkel zueinander gesetzt. Durch diesen Spiegel, der dazu in einem 45 Grad Winkel steht, bilden beide Kameras das gleiche Bild ab. Das von der Schweizer Firma Imartis AG in Zusammenarbeit mit Chroma entwickelte Swissrig für 3D-Aufnahmen erlaubt eine feine Justierung der beiden Kameras. Bei den Größen der Kamera-Bodies und ihrer Objektive bekäme man sie parallel ohnehin nicht auf die benötigte Stereobasis von 65mm Abstand, die dem natürlichen Augenabstand entspricht, weiß Weihermueller. Der Vorteil des Spiegelrigs liegt vor allem darin, dass sich durch diese Konstruktion die Parallaxe flexibler verschieben lasse. „Dadurch gewinnt man in der Post mehr Spielraum, um etwa ein Produkt noch stärker nach vorne aus dem Bild heraus zu holen.“

Probleme mit Reflexionen
Da die Kameras aus einem unterschiedlichen Winkel aufzeichnen, können Probleme in der Postproduktion mit unterschiedlichen Schatten und Reflexionen auftauchen. Steht eine Flasche auf dem Tisch, kann es sein, dass die Wasseroberfläche in dem einen Bild eine Reflexion erzeugt, im anderen Bild aber nicht, weil es ein wenig weiter rechts ist. „Wir haben beim Dreh extrem darauf geachtet, wenig Glasoberflächen zu nehmen und glänzende Tisch- oder Stuhlbeine zu vermeiden, trotzdem sind immer wieder Reflexionen aufgetreten, die Bild für Bild korrigiert werden mussten“, so Posselt.
„Für das Spiegelrig können Reflexionen ein Problem werden, weil der Spiegel wie ein Polfilter wirke, erklärt Weihermüller: „Die Bilder sind nie identisch. Beim Drehen ist schon klar, dass man sich ein Problem einhandelt. Doch wenn ich einen bestimmten Bildeindruck erzielen will und dafür hochwertige Objektive einsetze, komme ich um das Spiegelrig nicht herum.“ Eine Alternative wären kleinere HD-Kameras und Optiken sowie mit einem externen Recorder zu arbeiten.

Dreh im Büroraum
Mehr gestalterische Freiheiten genoss Weiher-mueller bei einem weiteren 3D-Spot für die Deutsche Telekom, der „on location“ gedreht wurde und das Produkt „Deutschland Tele-Presence“ szenisch vorstellt. Der von der Werbeagentur Philipp und Keuntje entwickelte Spot wurde in einem großen Büroraum gedreht, in dem sich Konferenzteilnehmer an einem Tisch gegenübersitzen. Ein Vertreter stellt einen neuen Spielzeugroboter vor, der fliegen kann. Die Herren gegenüber befinden sich allerdings nicht wirklich im selben Raum, sondern sind nur auf einem Bildschirm zu sehen, als wären sie präsent. Für den Spaß dieser Telekonferenz hebt der rasende Space-Roboter ab, jagt im Tiefflug durch den Raum auf die Kamera zu und zieht dabei einen Funkenschweif hinter sich her, bis er an die Monitorwand knallt.
Eine wichtige Gestaltungsmöglichkeit im stereoskopischen Film gewährt die Tiefe, die bei 2D filmisch suggeriert werden muss mit Mitteln wie im Anschnitt oder mit offener Blende drehen, mit Unschärfen im Vordergrund sowie durch Bewegung und Lichtsetzung – und die eben im 3D-Raum real vorhanden ist. „Ich kann bestimmen, wie viel Tiefe ich dem Zuschauer gebe.“ Weihermueller hat nicht nur mehr Freiheiten am Set, sondern auch einen Blick auf die 3D-Monitore, wo er die Ergebnisse sofort kontrollieren kann.
Da man jede Einstellung exakt vorbereitet und mit dem Rig die Kameras sehr präzise justieren kann, fallen stereoskopische Fehler wie Verzerrungen weg. Auch mit Synchronitäts-Problemen hatte das Team nicht zu kämpfen, denn der HDCAM SR-Recorder zeichne beide Datenströme auf einem Band exakt parallel auf, was eine riesige Erleichterung darstelle.
Geschnitten wurde das Material in 2D (für das linke Auge) und so auch vom Kunden abgenommen. Auf den Flatscreen-Monitoren hinterher in der 3D-Post sieht der Regisseur, ob der Schnittrhythmus stimmt. 3D benötige vor allem einen „langsameren Schnitt“ als 2D, um den 3D-Effekt zu maximieren. „Beim Tiefflug des Roboters haben wir das ausgenutzt, wenn der Roboter durch die Luft auf den Betrachter zusaust, verstärkt durch eine Kamerafahrt, und der Funkenregen einem regelrecht entgegen sprüht. Solche 3D-Effekte wolle man eine Sekunde länger sehen. Die parallel für den Kunden erstellte 2D-Version war denn auch wieder zwei Sekunden kürzer, „weil das sonst für 2D zu lahm herüber gekommen wäre.“ Ein anderer Schnitt hat zur Folge, dass dann zwei Musikkompositionen und zwei Tonmischungen benötigt werden.

Anfangs mit doppeltem Aufwand
3D ist vor allem auch Erfahrungssache. Es lohnt sich in jedem Fall Experten anfangs hinzu zu ziehen und möglichst auch im Vorfeld zu testen. Weihermueller geht davon aus, dass anfangs, in Ermangelung ausreichender Erfahrung, effektiv mit doppeltem Aufwand gerechnet werden muss. Selbst die Drehpläne müssen anders aufgestellt werden. Denn ein Objektivwechsel für 3D bringe einen Zeitfaktor von mindestens 15 Minuten für das Matchen der Kameras und das Einstellen der Basis mit sich. „Da fragt man sich, was dauert länger: Lichtumbau oder Objektivwechsel.“ 3D-Supervisor Marc Briede (Chroma) hat die Objektive stets über einander gematcht, um zu sehen, ob es eine horizontale Verschiebung gibt. Die lässt sich in der Post nicht mehr ausgleichen. Erst dann hat er die Kameras auf die gewünschte Basis positioniert.
Weihermueller hat Gefallen an 3D gefunden und wird demnächst eine internationale Fachtagung in Paris besuchen. 3D sei ohne Frage ein interessantes Format. Aber nicht jede Geschichte müsse 3D erzählt werden. Entscheidet man sich für stereoskopisches Drehen, dann müsse man es auch auskosten.
Bernd Jetschin
(MB 06/10)

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