Auf zur neuen Stärke

Um die neuen Trends in der deutschen Fernsehmarktentwicklung von der TV-Formatentwicklung über die Digitalisierung und Internationalisierung bis zur Relevanz von HD als Produktionstechnik einmal konsequent aus TV- und Filmproduzenten-Sicht zu beleuchten, bat MEDIEN BULLETIN neun der wichtigsten und prominentesten Produzenten um Statements.

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So viel ist sicher: Alle größeren bereits im Markt etablierten Produzentenunternehmen versuchen zurzeit ihre Kräfte neu zu bündeln. Die einen versuchen dabei ihre TV-Formatentwicklung zu verjüngen, die anderen stellen sich mit neuen Tochter- oder Mutterunternehmen neu und internationaler auf oder versuchen mehr Unabhängigkeit gegenüber den Sendern zu gewinnen, indem sie neue Erlösquellen über die digitalen Vertriebswege frühzeitig zu nutzen versuchen. Es gibt viele individuelle Lösungen, wie die Produzentenumfrage in ihrem Ergebnis zeigt. Forciert werden alle diese Entwicklungen durch den anhaltenden Kostendruck, den die großen TV-Senderfamilien erzeugen. Ob ARD und ZDF oder Die RTL- und ProsiebenSat.1-Senderfamilie: Da das Kerngeschäft des TV-Business auch im Zuge der Digitalisierung nur von wenigen Großkonglomeraten beherrscht wird, können sie die Preise diktieren. Die Produzenten müssen darauf reagieren. So ist auf dem politischen Feld geplant, stärker und mit einheitlicher Stimme von den auftraggebenden Sendern mehr Rechte für die Wiederverwertung der entwickelnden Programme zu fordern, zumal die Digitalisierung dafür etliche neue Erlösquellen anbietet. Dazu ist im Herbst eine Fusion vom Bundesverband Deutscher TV- Produzenten, film 20 mit dem Verband der Spielfilmproduzenten geplant. Allerdings werfen sich zurzeit noch die einzelnen Interessensvertreter, einschließlich der in den Verbänden zuständigen Geschäftsführer, diverse Knüppel zwischen die Beine.
Was die kommenden Programmtrends im Markt angeht, steht fest, dass sich kurzfristig nicht all zu viel ändern wird. Die Flut an preiswert produzierten Doku-Soap-Formaten wird zunehmen, dazwischen leuchten fiktionale und nochfiktionale Events als Sender-Leuchttürme auf. HD als Produktionstechnik kommt kaum zum Zuge, da die Mehrheit der Produzenten nicht bereit ist, dafür zu investieren, ohne dass es die Sender mit finanzieren.
Während die Produzenten sich aufmachen, sich strategisch gegenüber den Sendern mit neuer unabhängigerer Stärke aufzustellen, bleibt die Kreation von innovativen Programmideen mehr oder weniger auf der Strecke. Die Sender sind nicht daran interessiert, den TV- und Filmproduktionsstandort Deutschland mit innovativen Produkten zu fördern, sondern wollen ihre eigenen Unternehmensziele erreichen: eine hohe Rendite einerseits, die medienpolitische Verteidigung des angestammten Terrains andererseits.
Einer der befragten Produzenten scheint sich um die riesigen Probleme im Produzentenmarkt im Augenblick aber gar nicht zu scheren, weil er mehr als jemals in der Vergangenheit, auf Erfolgskurs ist: Brainpool-Chef Jörg Grabosch. Ohne damit allen anderen befragten Produzenten-Persönlichkeiten weniger Kreativität oder Innovationskraft zu unterstellen zu wollen, hebt sich Grabosch in Bezug auf die fünf abgefragten Kategorien heraus. Wobei ihm allerdings flankierend zur Hilfe kommt, dass der non-fiktionale Entertainmentbereich im aktuellen hiesigen Fernsehmarkt, in dem Brainpool immer noch hauptsächlich tätig ist, mehr als der fiktionale Bereich boomt. Grabosch unter den befragten Produzenten eine Sonderrolle hat, indem er nicht mit seinen direkten Konkurrenten wie Endemol („Big Brother“, „Wer wird Millionär?) oder Grundy Light Entertainment verglichen wird.
So ist Brainpool in in unserer Abfragekategorie Nummer 1 „neue Programmtrends“ mit „Schlag den Raab“ und weiteren großen quotenträchtigen Events als Spinn off von „TV total“ (wie dem Revanchekampf gegen die 44-fache Boxweltmeisterin Regina Halmich) die größte Innovation in der jüngeren Vergangenheit unter den hiesigen Eigenproduktionen gelungen. Hinzu kommt: Komiker und „Metzgersohn“ wie es immer wieder heißt, Stefan Raab, hat dabei mittlerweile Harald Schmidt nicht nur in der Gunst eines jüngeren Publikums, sondern auch bei den intellektuellen Kritikern im Feuilleton aus dem Feld geschlagen. Im Duo mit Jungtalent Oliver Pocher, der aus der Brainpool-Schmiede stammt, versucht sich Schmidt demnächst auf der ARD zu verjüngen und geht damit auch wieder eine neue Ehe mit Brainpool ein. Ein extra Punkt für Brainpool wegen der Geradlinigkeit, das alte mit dem neuen zu verbinden!
Bei der Kategorie Nummer 2 US-Fiction- gegen Eigenproduzierte Fiction-Serie hat sich Brainpool mit „Dr. Psycho“ wacker geschlagen, da man wie nur wenige andere weitere deutsche Produzenten vom Sender trotz mieser Quoten eine neue Chance mit einer zweiten Staffel ergatterte. Bei der Kategorie Nummer 3, wo es um die Internationalisierung geht, hat Grabosch manche Konkurrenten um Längen geschlagen, indem er schon heute auf den möglicherweise übernächsten Trend setzt, wonach es lukrativer ist, erst einmal die Heimat optimal zu bedienen. Immerhin ist es Grabosch gelungen, sich aus den internationalen Fängen, in der er zeitweise unter dem VIACOM-Dach befand, sich wieder zu befreien.
Unter der Kategorie 4 „Digitalisierung“ ist an Graboschs Brainpool-Aktivitäten die Pfiffigkeit zu würdigen, schon vor etwa zehn Jahren damit begonnen zu haben, die Lizenzen für die Online oder Mobile-Verwertung nicht im Buy Out an die Sender zu geben, sondern, wie auch im Merchandisingbereich mit beispielsweise CDs und DVDs, entsprechende Geschäfte selber zu machen.
Last but not least die Kategorie Nummer 5: Bei High Definition hat Brainpool eindeutig die Nase vorn, weil Grabosch so gut wie alles schon heute in HD produzieren lässt und sogar weiß, wie man es machen muss, dass HD im Endeffekt nicht teurer als der SD-Standard ist.

Diese restriktive Rechtepolitik gibt es in Großbritannien nicht
Nicht zuletzt, weil die MME MOVIEMENT-Gruppe kürzlich vom britischen Produktionsunternehmen All3MEDIA gekauft worden ist, das erfolgreich auf internationalen Märkten wie auch in den USA operiert, fordert der Vorstandvorsitzende der MME MOVIEMENT, Martin Hoffmann, auch für Deutschland ein neues „regulatives Modell“. Aufgrund der herrschenden Rechtepolitik der Sender scheitere „eine umfassendere oder weitergehende Auswertung von unseren Programmen über die digitalen Medien“. Dagegen sehe das Modell in Großbritannien „eine wesentlich umfangreichere Partizipation der Produktionsfirmen vor: etwa einen frühzeitigen Rechterückfall von den Sendern an die Produzenten und eine Rechteaufteilung und Partnerschaft in Bezug auf den Erlös bei der digitalen Verwertung“. Ein Modell, das mittlerweile von allen großen deutschen TV-Produzenten als ein Vorbild diskutiert wird. Unter dem Dach der neuen Muttergesellschaft ALL3MEDIA sieht Hoffmann für die MME MOVIEMENT vor allem einen Profit „durch einen frühzeitigen Austausch über die Stoffe und Formate, die im britischen Markt gerade gut laufen“. Umgekehrt aber auch eine langfristig bessere internationale Vermarktungsmöglichkeit für die von MME MOVIEMENT entwickelten Programme. Auch Hoffmann sieht in Bezug auf neue TV-Formate vor allem den Trend zu „Dokutainment“. In der fiktionalen Unterhaltung beobachtet er eine verstärkte Rückwendung auf klassische Themen wie Krimi und Krankenhaus, wobei die fiktionalen Stoffe stärker um bestimmte Stars und Figuren herum gebaut werden. Bei IP-TV beobachtet Hoffmann „ein Boom von digitalen Spartenkanälen, ein Boom von Vertriebsideen. Noch aber, so Hoffmann,“ kann ich keine soliden, tragfähigen Geschäftsmodelle erkennen“. Die Ausstrahlung in HD ist Für Hoffmann „in der Tat ein sensationeller Qualitätsquantensprung, der dem Zuschauer Bilder in eine neuen Qualität, Auflösung und Tiefe beschert“. Inwieweit die neue Qualität aber auch zum Zuge käme, hänge allein von den Sendern ab.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison, – und was gibt es dazu Neues aus dem Produktionsunternehmen MME MOVIEMENT zu sehen?
Ich glaube, dass wir in der nächsten Saison einen verstärkten Trend hin zu Real-People-Formaten, Servicetainment-Formaten und zu Dokutainment und Doku-Soaps haben werden …

Auch in der Prime-Time?
Auch in der Prime-Time. Da sehen wir ja, dass bestimmte private Sender bereits heute ihre Programme damit gut bestücken. Bei RTL ist es der Fall, und auch Sat.1 steigt jetzt in diese Farbe offensichtlich verstärkt ein. RTL 2 strahlt mit „Meine Familie“ und „Mein Kiez“ demnächst zwei neue Doku-Soaps aus unserer Produktion aus. Im Show-Bereich werden die großen Event-Produktionen – Show-Ereignis-Fernsehen – in der nächsten Saison ein zentrales Thema bleiben. Beispiel: „Schlag den Raab“ oder auch die von uns produzierten Jörg Pilawa-Formate wie der „History-Test“. In der fiktionalen Unterhaltung beobachte ich eine verstärkte Rückwendung auf klassische Themen wie Krimi und Krankenhaus, wobei die fiktionalen Stoffe stärker um bestimmte Stars und Figuren herum gebaut werden. Der fiktionale TV-Event wird seine Leuchtturm-Funktion behalten. Die Talk-Show wird im neuen Gewande ein Come Back haben. Die MME MOVIEMENT wird alle diese Trends mit ihren verschiedenen Produktionstöchtern bedienen. Bei RTL gibt es beispielsweise im Herbst den von uns entwickelten fiktionalen TV-Event „Die Prager Botschaft“ zu sehen.

Wie beurteilen Sie den anhaltenden Erfolg einiger US-Serien beim deutschen Publikum? Handelt es sich um einen längerfristigen Trend?
In der gesamten fiktionalen Produktion, nicht nur im Bereich Serie, sind in der jüngeren Vergangenheit vor allem bei den privaten Sendern einige „Experimente“ am Publikumsgeschmack vorbeigegangen, die sich an der berühmten Lizenzware aus den USA orientierten. Oder Serien wie beispielsweise R.I.S. und GSG 9 auf Sat.1 haben ungewöhnliche Schwankungen in der Quote hinnehmen müssen und kaum zweistellige Marktanteile geholt, weshalb ich die Entscheidung von Sat.1 für mutig halte, diese Serien weiter laufen zu lassen. Dagegen aber haben die Öffentlich-Rechtlichen nach wie vor einen ganz großen Erfolg mit eigenproduzierten Serien. In Folge des Erfolgs einiger amerikanischer Lizenzserien speziell bei einem jüngeren Publikum wird es in Zukunft aber wieder verstärkt darauf ankommen, nicht nur „gesellschaftlich relevant“ zu erzählen, sondern auch mit einer bestimmten dramaturgischen Fallhöhe: Themen wie „Leben und Tod“, „Verbrechen und Mord“. Gefragt sind Heldengeschichten: Helden im Krimi und Helden im Krankenhaus.

Die britische ALL3MEDIA-Produktionsgruppe, die auch international erfolgreich agiert, hat kürzlich die MME MOVIEMENT übernommen. Auf welche Weise wird die MME MOVIEMENT mit ihrer neuen britischen Muttergesellschaft zusammen arbeiten, und welche Vorteile sehen Sie für die MME MOVIEMENT?
All3MEDIA und MME MOVIEMENT wissen beide, dass Fernsehen ein Inhaltegeschäft ist mit der Notwendigkeit, fortlaufend Entwicklungsarbeit zu leisten. So wird die MME MOVIEMENT von einer gemeinsamen Programmentwicklung profitieren, vor allem durch einen frühzeitigen Austausch über die Stoffe und Formate, die im britischen Markt gerade gut laufen. Beispielsweise haben bereits in der jüngeren Vergangenheit fiktionale Stoffe aus der ALL3MEDIA-Gruppe wie „Wild at Heart“, „Midsummer-Murder“ oder „Skins“ in unterschiedlichen Varianten Zugang zum deutschen Markt gefunden. In Zukunft wird die MME MOVIEMENT für ALL3MEDIA im deutschen Markt der exklusive Partner sein und das erste Zugriffsrecht haben. Speziell auch im Bereich Factual Entertainment (dokumentarisch orientiertes Entertainment bis hin zu Wissensshows, d.Red.), das quasi in Großbritannien erfunden worden ist. Wir erwarten künftig einen schnellen ersten Zugriff auf in Großbritannien entwickelte neue Formate in Verbindung mit einer inhaltlichen Diskussion über diese Formate, die über den Tellerrand von Deutschland hinausgehen wird. Umgekehrt haben wir ebenso verabredet, dass wir unsere MME MOVIEMENT-Programme, wie zum Beispiel unsere besondere Stärke im Dokutainment-Bereich, verstärkt nach England über die ALL3MEDIA vermarkten und sie in einer Adaption auch im englischsprachigen Markt umsetzen werden können. Wir streben einen programmlichen Austausch nicht auf einer Einbahnstraße, sondern auf einer Wechselspur an. Von besonderem Vorteil für die MME MOVIEMENT ist, dass die ALL3MEDIA-Gruppe die internationale Wettbewerbssituation in ihren Märkten wie zum Beispiel USA, Neuseeland und Niederlande gut kennt und dort als unabhängiger Produzent sehr erfolgreich ist, so wie wir erfolgreich als unabhängige Produzentengruppe im deutschen Fernsehmarkt agieren.

Inwieweit mischt die MME MOVIEMENT im New Business, das sich durch neuartige Vertriebswege im Zuge der Digitalisierung – von Spartenprogrammen bis Mobile TV – ergibt, zurzeit mit? Ist es ein „must“ für erfolgreiche TV-Produzenten sich schnellstmöglich aktiv an diesen potentiellen Neugeschäften zu beteiligen? Sehen sie eher neue Chancen oder Restriktionen für TV-Produzenten?
Wir haben in den letzten zwei Jahren im Bereich Mobile-TV mehrere Varianten erprobt. Gegenwärtig prüfen wir mit Partnern die Entwicklung von digitalen Angeboten im Bereich Home Improvement. Dazu werden wir in ganz naher Zukunft ein interessantes Web-Angebot rund um das Thema Casting online bringen. Zukünftig streben wir an, auch unsere Programme mit dieser neuer Internet-Plattform zu verbinden. Eine umfassendere oder weitergehende Auswertung von unseren Programmen über die digitalen Medien scheitert jedoch in aller Regel an der restriktiven Rechtepolitik der Sender. Restriktionen, die es übrigens in Großbritannien so nicht gibt. Denn das regulative Modell in Großbritannien sieht eine wesentlich umfangreichere Partizipation der Produktionsfirmen vor: etwa einen frühzeitigen Rechterückfall von den Sendern an die Produzenten und eine Rechteaufteilung und Partnerschaft in Bezug auf den Erlös bei der digitalen Verwertung.

Was halten Sie von IP-TV? Wird sich IP-TV beziehungsweise die Möglichkeit, Fernsehen oder Video über das Internet abzurufen, künftig zu einem lukrativen Vertriebsweg entwickeln, auch für die MME MOVIEMENT?
Im Bereich IP-TV herrscht zurzeit ein Gründerboom. Ein Boom von digitalen Spartenkanälen, ein Boom von Vertriebsideen über IP-TV. Noch kann ich aber keine soliden, tragfähigen Geschäftsmodelle erkennen. Deshalb werden wir nach wie vor in unserem Kerngeschäft als Fernsehproduzent auftreten, und den boomenden IP-TV-Markt nur mit aller Vorsicht und dahingehend betreten, dass wir die Möglichkeiten für echte Erlösquellen abklopfen. Wenn wir dann ein Geschäftsmodell für tragfähig halten sollten, sind wir von der Inhalteseite her als industrieller Produzent, der Jahr für Jahr über 1000 Stunden Programm für das deutsche Fernsehen abliefert, bestens als IP-TV-Anbieter geeignet. Denn wir verfügen über das notwendige Know-How, kostengünstig zu produzieren.

Das ZDF hat angekündigt, seine Programme ab Januar 2010 in HD auszustrahlen, die ProSiebenSat.1-Gruppe macht es auf einem gesonderten Kanal teilweise schon jetzt. Hat HD heute schon eine Relevanz – zumindest in der Planung – bei MME MOVIEMENT-Produktionen, zum Beispiel hinsichtlich der Optimierung des Production Value …?
Es hängt von den Entscheidungen der Sender ab, in welcher Qualität sie ihre Programme verbreiten wollen. Die Ausstrahlung in HD ist in der Tat ein sensationeller Qualitätsquantensprung, der dem Zuschauer Bilder in eine neuen Qualität, Auflösung und Tiefe beschert. Sollten die Sender künftig Produktionen in einer solch hohen Qualität auch in Auftrag geben, dann werden wir das vor allem bei fiktionalen Programmen gerne umsetzen.

Als damaliger Geschäftsführer von Sat.1 haben Sie mit „Der Tunnel“ und „Das Wunder von Lengende“ für den deutschen Fernsehmarkt das fiktionale Event-TV als erfolgreiches Format durchgesetzt, das einen ähnlichen Production Value wie der Kinofilm hat. Welche Bedeutung hat heute der Kinofilm für Sie als MME MOVIEMENT-Vorstand?
Wir haben zwar gerade über unsere Tochter AllMedia einen Kinofilm gestartet: „Der Liebeswunsch“ mit Jessica Schwarz, Tobias Moretti und Barbara Auer. In Zukunft wird der Kinofilm für uns jedoch nur dann eine Bedeutung haben, wenn er von Anfang an voll finanziert ist. Das gesamte Regelungs-, Genehmigungs- und Förderverfahren ist in Bezug auf den Kinofilm sehr komplex. Deswegen werden wir uns im fiktionalen Bereich weiterhin auf Fernsehproduktionen konzentrieren, dort aber auch wie mit „Die Prager Botschaft“ in Event-Qualität produzieren.

„Der Kinofilm als unabhängige Erlösquelle“
Zum einen betont der Vorsitzende der Geschäftsführung Studio Hamburg Produktion und Mitglied der Geschäftsführung der Studio Hamburg Gruppe, Sytze van der Laan: „Wir sind und bleiben Fernsehproduzenten, zurzeit die erfolgreichsten in Deutschland.“ Zum anderen hat er sich zum strategischen Ziel gesetzt, für Studio Hamburg eine Bibliothek an Kinofilmen aufzubauen, mithin eine von den Sendern „unabhängige Erlösquelle“ im Bereich des internationalen Handels. Hintergrund ist seine Beobachtung, die auch andere große deutsche Fernsehproduzenten teilen, dass die Erlöse, die Produzenten mit TV-Produktionen im Weltvertrieb erwirtschaften können, eher nur marginal sind, weil die primären Rechtehalter daran die TV-Sender sind, wohingegen Produzenten die Vermarktungsrechte an Kinofilmen weitgehend selber behalten können – und zwar über Jahre. Auch bei der Mehrfachverwertung von TV-Programmen über neue Vertriebswege der Digitalisierung wie etwa „Spartenprogramme“ und „Mobile-TV“ problematisiert van der Laan die Rechteproblematik. Allerdings sieht er Chancen für Studio Hamburg Produktion, sich mit Non-Fiction-Formaten wie „Documentaries“ und „Entertainment/Comedy,“ an den neuen Zukunftsmärkten zu beteiligen, zumal man ohnehin in diesem Non-Fiction-Bereich zurzeit expandiere. Die gegenwärtige große Stärke der fiktionalen US-Serien sieht van der Laan eher gelassen. Denn: „Außer „CSI“ kommt aus Amerika momentan nicht viel Furchteinflößendes“. HD wird, laut van der Laan, „in naher Zukunft im Non-Fiction-Bereich Standard, im Fiction-Bereich wird es etwas länger dauern“.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison, – und was gibt es dazu Neues aus der Studio Hamburg-Produktion zu sehen?
Der Trend geht aus unserer Sicht in zwei Richtungen: Einerseits werden verstärkt hochwertige Produktionen nachgefragt, die durch Quote und Publicity das Branding der Sender stärken, andererseits wird preisgünstiges Programm gefordert, was das Einführen von neuen Produktionsmethoden notwendig macht. Zudem hat der Erfolg gerade amerikanischer Serien im Fictionbereich zur Folge, dass verstärkt Non-Fiction-Programme bestellt werden. Da ist Studio Hamburg Produktion durch die Kompetenz-Center Documentaries und Comedy/Entertainment sehr gut aufgestellt. In diesen Bereichen expandieren wir zurzeit.

Worauf führen Sie den anhaltenden Erfolg einiger US-Serien beim deutschen Publikum zurück? Handelt es sich um einen längerfristigen Trend?
Die Serien sind einfach gut. Das ist ganz einfach zu beantworten. Wenn Sie sich die Budgets von „Housewifes“ oder „CIS“ ansehen, kommen Sie ins Schwärmen. Mit einem Etat dieser Größenordnung lässt sich produzieren. Waren wir vor fünf Jahren noch Marktführer in diesem Bereich, mussten wir kontinuierlich Marktanteile gerade im Serienbereich abgeben. Aber: Diese Trends verlaufen immer wellenartig. Außer „CSI“ kommt aus Amerika momentan nicht viel Furchteinflößendes. Wir holen im Moment mit deutlich hochwertigen Serien wieder auf. Die Devise: Mehr Qualität für weniger Geld hat aber ihren Preis. Auf Produzentenseite können wir die Preissteigerungen des Programms seit einigen Jahren nicht mehr an die auftraggebenden Sender weitergeben – öffentlich-rechtliche wie private. Um den Trend endgültig umzukehren, brauchen wir außer guten Ideen der Produzenten konkurrenzfähige Budgets und Rückendeckung des jeweiligen Senders.

Im hiesigen TV-Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international auszurichten, unter anderem die Produktion und den Weltvertrieb stärker miteinander zu verknüpfen. Wie ist Studio Hamburg diesbezüglich aufgestellt und gibt es neue Pläne, um sich zu „internationalisieren“? Wird die Internationalisierung zu einem „Must“ für deutsche TV- und Film-Produzenten?
Einige unsere eigenen Fernsehproduktionen werden durch Studio Hamburg Distribution & Marketing vertrieben, andere Auftragsproduktionen durch den jeweiligen Sender. Hier setzt sich der Trend nach qualitativ hochwertigen TV-Events einerseits und Langlaufserien andererseits fort. Da der deutsche Fernsehproduzent in der Regel als Auftragsproduzent arbeitet, ist er an den Erlösen im Ausland nur bedingt beteiligt. Wenn die Auslandsrechte, wie bei Event-Programmen mit Pauschalen zur Finanzierung der Produktion vorweg verkauft werden, ist der Erfolg im Ausland gut für die Publicity, aber wirtschaftlich zu vernachlässigen. Studio Hamburg Produktion geht deshalb einen anderen Weg: Wir stärken unter dem Label SHIP-Studio Hamburg International Production die Produktion von international vermarktbaren Kinofilmen, an denen wir die Rechte auch halten. So bauen wir kontinuierlich eine Rechtebibliothek auf, die uns in Zukunft die Entwicklung unserer Programme finanzieren wird.

Aufgrund der Digitalisierung gibt es neuartige Vertriebswege und Verwertungsmöglichkeiten für audiovisuelle Produktionen: von Spartenprogrammen bis Mobile-TV. Inwieweit sollten sich Ihrer Meinung nach TV- und Filmproduzenten an diesem New Business im Verwertungsgeschäft aktiv beteiligen, welche Chancen und welche Restriktionen sehen Sie speziell für Studio Hamburg als hundertprozentige Tochter des öffentlich-rechtlichen NDR?
In Zusammenarbeit mit der Studio Hamburg Distribution & Marketing sind wir auf diesem Markt aktiv. Wir agieren dabei vollkommen autonom als eigenständige GmbH, durch unsere Muttergesellschaft, den NDR, haben wir auf diesem Zukunftsmarkt weder Vor- noch Nachteile. Ich erwähnte es schon, unsere Kompetenz-Center Documentaries und Entertainment/Comedy expandieren im Non-Fiction-Bereich, und da sehen wir natürlich Chancen in Spartenprogrammen und Mobile-TV. Wir verfügen in Europa beispielsweise über die größte Bibliothek an Tierdokumentationen. Ein herrliches Spartenprogramm, das wir aktiv vermarkten. Im Fiction-Bereich sind wir eher skeptisch. Die User, die sich eine Folge „Großstadtrevier“ oder einen „Tatort“ auf dem Handy anschauen, ist noch nicht marktrelevant. Wenn sich die Technik und damit das Userverhalten ändern, sind wir allerdings bereit, auch in diesem Segment als Produzent aufzutreten.

Was halten Sie von IP-TV? Wird sich IP-TV beziehungsweise die Möglichkeit, Fernsehen oder Video über das Internet abzurufen, für TV- und Film-Rechtebesitzer zu einem lukrativen Geschäftsfeld entwickeln, auch für Studio Hamburg?
Dahin wird die Entwicklung gehen. Aber wiederum: Nur, wer Rechte hält, wird von diesem Markt profitieren. Das sind zunächst die auftraggebenden Sender und erst dann die Auftragsproduzenten. Deshalb sehen wir die Zukunft nicht in aufwendigen Event-Mehrteilern sondern in Einzelstücken, an denen wir die Rechte halten und in der Entwicklung eigener Marken, die wir direkt über neue Distributionswege vertreiben.

Welchen Stellenwert hat die HD-Produktion mittlerweile für Studio Hamburg? Wie viel und in welchen Genres wird schon in HD gedreht? Ist bereits eine völlige Umstellung auf HD geplant?
Als einer der ersten TV-Produzenten haben wir unsere Produktion im Bereich Documentaries komplett auf HD umgestellt. Da wir gerade mit der BBC oder National Geographics co-produzieren, müssen wir State-of-the-Art herstellen, und das ist HD. „Das Konclave“, ein historischen Kinofilm über die Pabstwahl im Jahr 1458, der im November 2007 in die deutschen Kinos kommt, wurde komplett auf HD gedreht. Die Qualität ist bestechend. Im Servicebereich haben wir unsere Ü-Wagen-Flotte mit einem HD-Übertragungswagen rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft aufgerüstet. Der ist ständig ausgebucht. HD wird in naher Zukunft im Non-Fiction-Bereich Standard, im Fiction-Bereich wird es etwas länger dauern.

Studio Hamburg ist auch in der Kinofilm-Produktion aktiv. Sehen Sie im Kinofilm langfristig eine lukrative Alternative, sich auch unabhängiger vom deutschen Fernsehmarkt im Film- und TV-Bereich zu engagieren? Und hat das auch etwas mit den Internationalisierungs- und Digitalisierungsprozessen einschließlich des HD-Standards zu tun?
Wir sind und bleiben Fernsehproduzenten, die erfolgreichsten in Deutschland, wie gerade wieder festgestellt wurde. Um diese Position halten zu können und unser Angebot als Problemlöser an den Sender aufrecht erhalten zu können, müssen wir in die Entwicklung von Stoffen investieren, Talent an das Haus binden und Stars aufbauen. Und um diese Entwicklungskosten unserer Fernsehproduktionen künftig finanzieren zu können, brauchen wir eine zusätzliche Einnahmequelle, da die Senderbudgets unsere Entwicklungskosten nicht mehr vollständig abdecken. Dafür steht SHIP mit seiner Absicht, eine Filmbibliothek aufzubauen, um damit eine unabhängige Erlösquelle zu eröffnen. Der erste SHIP-Film, „Die drei Fragezeichen – Das Geheimnis der Geisterinsel“ startet im November 2007 bei Buena Vista International – Germany. Die Testscreenings haben alle Erwartungen übertroffen, was die Finanzierung des zweiten???-Films – „Das Geisterschloss“ – ungemein erleichtert hat. Der Drehbeginn ist direkt nach dem Start im November. Außerdem startet im November „Das Konklave“ bei novapool pictures, und im Januar 2008 „Die rote Zora“ bei Universal. Wir sind also zuversichtlich, dass unsere Strategie aufgehen wird.

Ein mieses Programm wird nicht besser in HD-Auflösung!

Constantin Entertainment mit dem Geschäftsführer Ulrich Brock ist ein Unternehmen der Constantin Film AG, die zu über 90 Prozent im Besitz des Schweizer Unternehmens Highlight Communication ist. Die Constantin Film AG, deren Chef der ehemalige Kirch-Manager und Sat.1-Chef Fred Kogel ist, weist für das erste Quartal 2007 ein Umsatzvolumen von rund 51 Millionen Euro aus, was 62 Prozent des Constantin-Gesamtumsatzes ausmache und gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres 2006 eine Steigerung um 33 Prozent. Neben Constantin Entertainment sind bei diesem erfolgreichen Ergebnis allerdings auch weitere TV-Tochterunternehmen von Constantin wie etwa Oliver Berbens „Moovie the art of Entertainment („Afrika, Mon Amour) beteiligt. Gerade aber Constantin Entertainment steht für den aktuellen Trend in Deutschland hin zum Factual Entertainments, der aus Großbritannien „importiert“ worden ist. Da die Nachfrage derart groß zurzeit ist, „richten wir in diesem Sommer in unserem Haus eine eigene Abteilung ‚DOKUTAINMENT’ ein“, sagt Ulrich Brock. Er betont in seinen drei Statements, wie wichtig die internationale Orientierung für das Unternehmen ist. HD allerdings hat für ihn keine Priorität…

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison, und was gibt es dazu Neues von Constantin Entertainment zu sehen?
Im Moment besteht eine große Nachfrage nach Programmen aus dem Bereich des „Factual Entertainment“. Öffentlich-rechtliche als auch die privaten Sender erkennen zum Beispiel in den Doku-Soaps wirtschaftlich interessante Programme bei einer gleichzeitig hohen Zuschauerattraktivität. Constantin-Entertainment ist schon seit Jahren mit Programmen wie beispielsweise „Frauentausch“ oder „Liebling, wir bringen die Kinder um“ in diesem Genre vertreten. Aktuell produzieren wir neben den bereits etablierten Doku-Soaps für Sat.1 „Ein Job – Deine Chance“ und sind in Produktionsvorbereitungen für drei weitere Dokutainment-Formate. Um den wachsenden Bedürfnissen der Sender gerecht zu werden, richten wir in diesem Sommer in unserem Haus eine eigene Abteilung „Dokutainment“ ein. Hierfür bündeln wir intern die Aktivitäten unserer Fachleute und verstärken uns mit auf dem Markt anerkannten Experten aus diesem Programmbereich. Hierdurch wollen wir der Kritik der Sender, die sich über das „Dienstleistermodell“ bei den Produktionsfirmen beklagen, Rechnung tragen. Eine bei Constantin-Entertainment beauftragte Doku wird auch durch Mitarbeiter von Constantin-Entertainment hergestellt.

Im hiesigen TV-Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international auszurichten, unter anderem die Produktion und den Weltvertrieb stärker miteinander zu verknüpfen. Ist auch Constantin Entertainment international orientiert? In welchen Bereichen?
Constantin-Entertainment ist seit zirka zwei Jahren auf dem internationalen Markt tätig. In Zeiten der Globalisierung ist es schon für ein mittelständiges Medienunternehmen wie Constantin-Entertainment fahrlässig, die Chancen in dem sich vergrößernden Markt nicht zu nutzen. Strategisch ist der TV-Markt im Ausland für Constantin-Entertainment ein wesentlicher Bestandteil des zukünftigen wirtschaftlichen Erfolges. Neben dem klassischen Lizenzverkauf unserer Formate in die ganze Welt konzentrieren wir uns auf weitere Gründungen von Tochterunternehmen wie zum Beispiel in Polen, England, Kroatien und Rumänien. In diesen Ländern laufen bereits die von uns selbst vor Ort produzierten Programme sehr erfolgreich. Das Potenzial dieser Märkte scheint unerschöpflich, und die von uns entwickelten Programme und Programmgenres verfügen über eine hohe Zuschauerakzeptanz.

Das ZDF hat angekündigt, seine Programme ab Januar 2010 in HD auszustrahlen, die ProSiebenSat.1-Gruppe macht es auf einem gesonderten Kanal teilweise schon heute. Welchen Stellenwert hat HD für die Produktionen von Constantin Entertainment, aktuell und in der Planung?
Constantin-Entertainment hat sich bislang durch die Entwicklung und Produktion von Programminhalten ausgezeichnet. Unsere Kreativität und unsere Kompetenz fokussieren sich auf Inhalte und nicht auf die Form der technischen Verbreitung. Ob der ZDF-Zuschauer im Jahr 2010 vor dem Fernseher mit 625 Zeilen einschläft oder das Pro7/Sat.1 Publikum heute bei einer Sendung in HD mit 1929×1080 Bildpunkten wegzappt, ist eine Frage des Inhalts und nicht der Form. Ein mieses FS-Programm wird nicht besser in HD-Auflösung!

„Weg von den klaren klassischen Formen“
Auch Regina Ziegler, die ihr Ziegler Film-Produktionsunternehmen mittlerweile zusammen mit ihrer Tochter Tanja Ziegler an den Standorten Berlin, Köln und München betreibt, ist überzeugt, dass es in Zukunft neben den reinrassigen fiktionalen Formaten wie TV-Movies einen verstärkten Trend zu den Doku-Fiction-Formaten geben wird, also zu Mischformen. Allerdings orientiert sich Ziegler dabei nicht an Reality- und Coaching-Formaten wie sie bei den privaten Sendern mittlerweile auch in der Prime-Time reüssieren, sondern hat für das ZDF mit „Aufstand der Alten“ ein eher informationsorientiertes, öffentlich-rechtliches Mischformat entwickelt. Dass momentan jüngere Zuschauer eher US-Serien bei den Privaten gucken, kommentiert Regina Ziegler mit den Worten: „Man wird das im Großen und Ganzen hinnehmen müssen: Das jüngere Publikum schaut eher privat, das ältere eher öffentlich-rechtlich.“ Im Internet sieht Ziegler allerdings „einen besseren Weg“ auch an die jüngeren Zuschauer heranzukommen. Grundsätzlich beurteilt Ziegler die Digitalisierung auch für Produzenten als eine positive Entwicklung, da „wir für unsere Inhalte einfach mehr Plattformen für die Verbreitung haben“. Gleichzeitig betont sie: „Wir wissen, dass die digitale Enteignung für Inhalteproduzenten zu einem Problem wird. Hier ist ausnahmsweise einmal die Politik gefragt.“ In Bezug auf HD hat Ziegler beobachtet: „Bisher haben die Sender bei den Auftragsproduktionen HD aus Kostengründen noch nicht akzeptiert. Inzwischen werden jedoch viele der Produktionen auf HD umgespielt.“ In Bezug auf den neuen Trend der Internationalisierung im Produzentenmarkt betont Zieger: „Das machen wir schon seit zwanzig Jahren.“ Tatsächlich hatte die Berliner Produzentin über die Jahre einen beachtlichen Filmstock aufgebaut.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und was gibt es dabei Neues aus dem Produktionsunternehmen Ziegler zu sehen?
Der Trend heißt: weg von den klaren klassischen Formen. Es wird auch die klaren Formen weiter geben, aber die Mischungen werden zunehmen. Ein Beispiel für unser Haus ist die 3 mal 90 Minuten ZDF-Produktion „Die Wölfe“. Die Drehbücher, die von Christoph und Friedemann Fromm geschrieben wurden, werden unter der Regie von Friedemann Fromm ab August verfilmt. Die Zeitschwerpunkte sind auf 1948, 1961 und 1989 gelegt und werden mit dokumentarischen und fiktionalen Mitteln verwoben. „Suchkind 312“ nach dem Bestellerroman in der HörZu von Hans-Ulrich Horster mit Christine Neubauer wird am 19. Oktober 2007 um 20:15 Uhr in der ARD gesendet, und „Liebe ist das schönste Geschenk“, produziert von Tanja Ziegler mit Sandra Speichert und Michael von Au, zeigt die ARD am 22. Juni 2007 um 20:15 Uhr. In Planung haben wir „Henri Quatre“ nach dem Roman von Heinrich Mann nach dem Buch und unter der Regie von Jo Baier und „Die schöne Frau Seidenmann“ von Andrzej Szczypiorski in Co-Produktion mit Arthur Cohn sowie andere attraktive Stücke, die für Kino oder Fernsehen gedacht sind. Einige davon sind ebenfalls im Bereich Doku-Fiction angesiedelt wie auch die klassischen Dokumentationen für sich stehen werden.

Bei den privaten TV-Sendern reüssieren zur´zeit vor allem einige US-Serien bei einem jüngeren Publikum, wohingegen ältere Zuschauer bei ARD und ZDF nach wie vor gerne klassisch produzierte TV-Serien und TV-Movies – auch aus dem Hause Ziegler – sehen. Haben Sie eine Erklärung dafür? Oder sogar ein „Rezept“, wie man auf diese offensichtliche Diskrepanz im Sehverhalten reagieren sollte?
Man wird das im Großen und Ganzen hinnehmen müssen: Das jüngere Publikum schaut eher privat, das ältere eher öffentlich-rechtlich. Man muss natürlich die Zahlen schon sehr genau anschauen, dann wird man feststellen, dass es immer mehr ältere als jüngere Zuschauer gibt. Das wirkt sich auf die Quoten aus. Wenn man daran etwas ändern will, wird man zum Beispiel die Protagonisten jünger besetzen und die Themen auch jünger machen müssen.

Mit „2030 – Aufstand der Alten“ hat die Ziegler-Produktion ein mutiges neues TV-Format entwickelt und ist damit gar nicht einmal „baden“ gegangen, sondern hat eine durchaus beachtliche Quote erreicht. Wird es weitere Entwicklungen im Bereich Doku-Fiction-Format bei Ihnen geben?
Ja – selbstverständlich. Wir arbeiten momentan an der Fortsetzung „2030 – Die Ausbeutung der Enkel“ und wir nutzen das Interesse an den genannten Mischformen. Unsere Erfahrungen mit „2030 – Aufstand der Alten“ kommen uns dabei sehr zu pass.

Im hiesigen Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international aufzustellen oder in der Produktion am Weltvertrieb zu orientieren. Sehen Sie auch für die Ziegler-Produktion eine Notwendigkeit, sich stärker international zu orientieren?
Das machen wir seit 20 Jahren und wir freuen uns, dass auch andere diesen Weg gut finden, der einen in besonders günstigen Fällen mit einer Retrospektive im Museum of Modern Art New York belohnt. Und unsere 31 Episoden „Erotic Tales“ sind weltweit auf 438 Festivals gelaufen

Die Digitalisierung bietet eine Reihe von neuartigen Vertriebswegen für Filme an. Meinen Sie, es wird in Zukunft ein „Must“ für deutsche TV-und Filmproduzenten, auf diesen Geschäftsfeldern der Mehrfachverwertung von Content aktiv tätig zu werden? Sehen Sie in der Digitalisierung eher neue Chancen – wenn ja, welche – für Ihr Unternehmen oder Restriktionen?
Natürlich nützt uns die technologische Entwicklung. Wir haben für unsere Inhalte einfach mehr Plattformen für die Verbreitung. Wir können auch neu konfektionieren. Wir finden auch besser den Weg zu den jungen Leuten, wenn wir über das Internet gehen. Die Restriktionen können nur dort Bedeutung bekommen, wo jemand sich mit unserem Eigentum schmückt. Das werden wir nicht hinnehmen, aber wir wissen, dass die digitale Enteignung für Inhalteproduzenten zu einem Problem wird. Hier ist ausnahmsweise einmal die Politik gefragt.

Was halten Sie von IP-TV? Wird sich IP-TV beziehungsweise die Möglichkeit, Fernsehen oder Video über das Internet zu empfangen, künftig zu einem lukrativen Vertriebsweg entwickeln?
Es wird ein Vertriebsweg mehr sein – und zwar ein besonders wichtiger, weil diese Ehe von Netz und Glotze – wie manche sagen – die Vorteile des Fernsehens mit denen der Telekommunikation verbindet.

Das ZDF hat angekündigt, seine Programme ab Januar 2010 in HD auszustrahlen, die ProSiebenSat.1-Gruppe macht es auf einem gesonderten Kanal teilweise schon jetzt. Welche aktuelle Relevanz hat HD für Ihre Produktionen zum Beispiel auch hinsichtlich der Optimierung des Production Value…?
HD ist derzeit das Optimum. Jede Produktion wird davon profitieren, aber es reicht nicht gut auszusehen, es muss etwas auch gut sein. Natürlich wird Ziegler Film auch auf HD produzieren. Bisher haben die Sender bei den Auftragsproduktionen HD aus Kostengründen noch nicht akzeptiert. Inzwischen werden jedoch viele der Produktionen auf HD umgespielt. Ich glaube, dass die Produktion auf HD zukünftig unerlässlich ist, allein um konkurrenzfähig zu sein und um auf dem internationalen Markt zu bestehen.

Kann der Kinofilm aufgrund der Digitalisierungs- und Internationalisierungsprozesse auch für deutsche TV-Produzenten in Zukunft mehr Relevanz als bisher erhalten?
Der Kinofilm wird dann relevant bleiben, wenn er an Orten stattfindet, die unschlagbar sind. Dann ist es auch egal, wie raffiniert seine Technologie ist. Natürlich gilt auch hier: ohne die richtigen Inhalte ist alles nichtig. Wenn ich alles so genau wüsste, wie Sie mich das fragen, würde ich keine Fragen mehr beantworten, sondern nur noch Filme machen!

„Inhalteanbieter sollten sich viel breiter in der digitalen Welt engagieren“
Nachdem die Ufa in der jüngeren Vergangenheit die eingedeutschte Telenovela als Format-Innovation im hiesigen Fernsehmarkt etabliert hat, glaubt Ufa-Chef Wolf Bauer zurzeit „fest an Kino fürs Fernsehen“. Gemeint sind damit die Event-Movies, die die Ufa-Tochter TeamWorx mit ihrer Leuchtturmfunktion für einzelne Sender schon vor Jahren, zu allererst mit „Der Tunnel“ kreiert hat. 20 große Eventproduktionen kann sich Bauer mittlerweile pro Jahr für den deutschen TV-Markt vorstellen. Umfangreicher als alle anderen TV-Produzenten ist die Ufa bereits heute auf diversen neuen Vertriebswegen des aktuellen Marktes – von Mobile-TV bis Spartenprogrammen – mit konkreten Projekten und speziellen Eigenentwicklungen aktiv. „Für die Programmindustrie“, so sagt Bauer, „eröffnen sich damit neue Chancen unternehmerischen Handelns, übrigens nach Möglichkeit im Verbund mit marketingstarken Medienpartnern.“ Er fordert, „Inhalteanbieter sollten sich in der digitalen Welt unternehmerisch sehr viel breiter engagieren“. Den Erfolg von US-Serien, die Sendeplätze für Eigenproduktionen belegen, sieht er nicht als ein nationales, sondern eher als ein internationales Phänomen, das man bereits seit sechs Jahren beobachten könne. Die US-Serien seien „in ihrer Produktionsqualität so aufwändig hergestellt und global ausgelegt, das sie es in vielen Ländern in die Hauptsendezeit geschafft haben“. Da der US-Markt mittlerweile wieder Probleme habe, an die Erfolge, die ja noch zurzeit im deutschen Fernsehen zu sehen sind, anzuknüpfen, sieht Bauer wieder neue Chancen für deutsche Produzenten, die Prime-Time mit „attraktiven Inhalten“ zu füllen. In Bezug auf den Trend einer stärkeren internationalen Orientierung der deutschen TV-Produzenten stellt Bauer fest: „Nicht die deutschen Produzenten suchen internationale Partner, umgekehrt haben international ausgerichtete Investoren erkannt, wie wichtig die programmkreative Industrie für die Gestaltung der medialen Zukunft ist“. Weltweit würden zurzeit „enorme Preise für Inhaltekreateure gezahlt, weil die Nachfrage nach konventionellen aber auch innovativen Inhalten steigt“.
Da die Ufa schon seit vielen Jahren unter dem Dach von FremantleMedia agiert, profitiere man nach wie vor von dem „weltweiten Ideen-Scouting“ Bauer: Wir haben Zugriff auf kreative Experten weltweit, die uns als Flying Producers bei der Umsetzung internationaler Formate beraten“. In Bezug auf HD, räumt Bauer ein, dass man „die wachsende Nachfrage nach HDTV-Programmen“ mit „einer technischen Anpassung“ bedienen müsse. Dabei folge man aber in erster Linie „den Anforderungen unserer Senderpartner“ und dem „internationalen Vertrieb“. „Nicht leicht nachvollziehbar“ sei für die Ufa, „die Schwierigkeit, sich endlich auf einen gemeinsamen Standard zu einigen“.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und was gibt es von der UFA Neues zu sehen?
Ich glaube fest an Kino fürs Fernsehen. Wir haben den Beweis erbracht, dass beim Publikum ein Bedürfnis für außergewöhnliche Themen und Programmleistungen besteht. Event-Movies sind inzwischen ein etabliertes Programmformat. Ich kann mir künftig durchaus eine Größenordnung von bis zu 20 großen Eventproduktionen pro Jahr für den Gesamtmarkt vorstellen. Allein die Finanzierung wird der Engpass sein. Was dieses Programmsegment angeht, sind wir ziemlich aktiv: Gerade abgedreht ist „Das Wunder von Berlin“, eine hochkarätig besetzte Mauerfallgeschichte, zu „Das letzte Aufgebot“ fiel in Köln am 14. Juni die erste Klappe, demnächst starten die Dreharbeiten zu „Mogadischu“ und zum Romy Schneider Biopic, im Herbst läuft „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ im Ersten, im Frühjahr dann „Hafen der Hoffnung – Die letzte Fahrt der Wilhelm Gustloff“.

Worauf führen Sie den anhaltenden Erfolg einiger US-Serien beim deutschen Publikum zurück? Handelt es sich um einen längerfristigen Trend?
Das ist ja kein rein deutsches Phänomen und auch kein neues. Die amerikanischen Serien haben relativ lange gebraucht, um sich wieder beim deutschen Publikum zu etablieren, insgesamt sechs Jahre. Sie sind in ihrer Produktionsqualität so aufwändig hergestellt und global ausgelegt, dass sie es in vielen Ländern in die Hauptsendezeit geschafft haben. Allerdings hatten sowohl in diesem wie auch schon im letzten Jahr die US-Studios erhebliche Probleme, an den großen Erfolgen der vergangenen Jahre anzuknüpfen. Deshalb sind wieder die Produzenten hierzulande gefragt, die Prime-Time der Sender mit attraktiven Inhalten zu füllen. Das ist für uns eine chancenreiche Entwicklung, die wir nutzen werden.

Im hiesigen TV-Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international auszurichten. Tut das der deutschen Produktionswirtschaft gut? Was hat es der UFA in den vergangenen Jahren konkret gebracht, unter dem internationalen Dach von Fremantle zu agieren?
Nicht die deutschen Produzenten suchen internationale Partner, umgekehrt haben international ausgerichtete Investoren erkannt, wie wichtig die programmkreative Industrie für die Gestaltung der medialen Zukunft ist. Es werden weltweit zurzeit enorme Preise für Inhaltekreateure gezahlt, weil die Nachfrage nach konventionellen aber auch innovativen Inhalten steigt. Wenn Produktionsunternehmen direkt an einem Sender hängen, wird das dem Wettbewerb der Ideen nicht gut tun. Wenn aber Produzenten unabhängig am Markt agieren und keine vertikale Integration von Produktionsgeschäft und Broadcasting stattfindet, ist die Inhaberschaft zweitrangig. So wie wir es seit jeher und auch unter dem Dach von FremantleMedia getan haben, übrigens für beide Seiten gewinnbringend: FremantleMedia betreibt ein weltweites Ideen-Scouting; wir haben Zugriff auf kreative Experten weltweit, die uns als Flying Producers bei der Umsetzung internationaler Formate beraten. Die im internationalen Verbund entwickelten Programmideen können wir in internationalen Testmärkten auf ihre Tauglichkeit prüfen. Unsere eigenen Programmentwicklungen wie zum Beispiel Telenovelas können über Fremantle in zahlreiche andere Länder als Format oder Tape exportiert werden. Last but not Least besitzt FremantleMedia die größte Format-Libary der Welt.

Die UFA ist bereits heute mehr als alle anderen deutschen TV-Produzenten auf verschiedensten neuen Vertriebs- beziehungsweise Geschäftsfeldern, die sich aus der Digitalisierung ergeben, aktiv. Was ist Ihre Hauptmotivation dafür und wie vertragen sich diese neuen Unternehmungen mit der Funktion eines TV-Produzenten als „Dienstleister“ von TV-Sendern?
Unser bestehendes Medienangebot wird durch die Digitalisierung erheblich bereichert. Wir bekommen eine unglaubliche Vielfalt von inhaltlichen Angeboten. Für die Programmindustrie eröffnen sich damit neue Chancen unternehmerischen Handelns, übrigens nach Möglichkeit im Verbund mit marketingstarken Medienpartnern.

Sie haben angekündigt, neben dem Spartensender „Passion“, den Sie gemeinsam mit RTL betreiben, weitere Spartensender zusammen mit anderen Partnern auf die Beine zu stellen. Verfügen Sie selbst über den notwendigen Rechtestock – oder holen Sie sich beispielsweise Rechte an UFA-Produktionen von den einzelnen Sendern mit Gegengeschäften wieder zurück?
Inhalteanbieter sollten sich in der digitalen Welt unternehmerisch sehr viel breiter engagieren. „Passion“ war für uns in der Tat nur ein Anfang. Wir sind übrigens der erste TV-Produktionskonzern, der sich an einem Fernsehsender beteiligt hat, und wir arbeiten aktuell an neuen „Special Interest“-Sendern. Die Programme stammen dazu aus unterschiedlichen Quellen. Einmal sind es Programme an denen wir die Rechte halten, dann sind es Rechte von Partnern, mit denen wir gemeinsam den Spartenkanal betreiben, und schließlich erwerben wir Rechte von Dritten für die Versendung im Spartenkanal. Bei „Passion“ zeigen wir beispielsweise erste Folgen von „Verbotene Liebe“, an denen wir die Rechte halten, aktuelle Folgen von „GZSZ“, an denen RTL und UFA gemeinsam die Rechte halten und die mexikanische Telenovela „Ruby“, für die wir gemeinsam die Rechte erworben haben, um sie auf „Passion“ zu zeigen.

Wird sich IP-TV beziehungsweise die Möglichkeit, Fernsehen oder Video über das Internet abzurufen, künftig zu einem lukrativen Vertriebsweg entwickeln, – auch für die UFA?
IP-TV wird das Tor zur digitalen, interaktiven Welt. Wie lukrativ sich die Geschäftsmodelle gestalten, wird man sehen. Jedenfalls hat IP-TV auch für Produzenten eine enorme Bedeutung. Erste Projekte haben wir mit Gruner + Jahr gerade umgesetzt. Mehr als 50 Stunden Programm haben wir für essen-und-trinken.de sowie für DVDs der Zeitschrift „eltern“ produziert. Andere Verlage zeigen großes Interesse an unserem Know-how, qualitativ hochwertige und emotional ansprechende Bewegtbildinhalte für die digitale Verlängerung ihrer Printprodukte herzustellen.

Die UFA hat zusammen mit Siemens das Game-Angebot „Master of Maya“ für Mobile entwickelt. Wird es weitere Game-Entwicklungen oder andere Aktivitäten im Bereich Mobile-TV aus dem Hause UFA geben?
Wir haben ja im Bereich Mobile-TV schon vor einiger Zeit mit „Kill your Darling“ das erste serielle Programme nur für das Handy vorgelegt. Alle UFA-Firmen entwickeln weitere Formate für mobile und andere Anwendungen, etwa im Bereich „Gaming“ oder für das Internet.

Das ZDF hat angekündigt, seine Programme ab Januar 2010 in HD auszustrahlen, die ProSiebenSat.1-Gruppe macht es auf einem gesonderten Kanal teilweise schon jetzt. Welchen Stellenwert hat HD aktuell für UFA-Produktionen, zum Beispiel hinsichtlich der Optimierung des Production Value und in Bezug auf bessere Chancen im Weltvertrieb?
Die wachsende Nachfrage nach HDTV-Programmen fordert auch von uns eine technische Anpassung, der wir etwa im Bereich der täglichen Serie bereits nachkommen. Wir folgen dabei den Anforderungen unserer Senderpartner beziehungsweise bei den großen TV-Movie Events, deren internationaler Vertrieb ja ein wichtiger Bestandteil ihrer Finanzierung ist, den Anforderungen des internationalen Markts. Für uns nicht leicht nachvollziehbar ist die Schwierigkeit, sich endlich auf einen gemeinsamen Standard zu einigen.

Bislang hat sich die UFA im Bereich Produktion von Kinofilmen mehr als zurückgehalten. Kann der Kinofilm aufgrund der Digitalisierungs- und Internationalisierungsprozesse für die UFA neue Relevanz erhalten?
Wir überprüfen jedes Jahr, ob die Produktion von Kinofilmen ein attraktives Geschäftsmodell für uns sein könnte. Mit der zunehmenden Bedeutung neuer Verwertungswege für Kinofilme könnte sich eine günstigere wirtschaftliche Ausgangssituation ergeben, so dass wir neue Gesichtspunkte in unsere jährliche Debatte einführen. Mal sehen, was daraus wird.

International ausgerichtete Produktion und Distribution nimmt zu

Seitdem bekannt geworden ist, dass Bavaria Film, die mehrheitlich im Besitz der ARD-Anstalten ist, ZDF Enterprises an der Tochterfirma Bavaria Fernsehproduktion beteiligen will, herrscht unter deutschen TV-Produzenten helle Aufregung. Befürchtet wird eine vertikale Integration von Produktion und Broadcasting bei den öffentlich-rechtlichen Sendern von ARD und ZDF, die den unabhängigen TV-Produzenten wichtige Auftragsproduktionen wegnehmen könnte. Bavaria Film-Geschäftsführer Matthias Esche versucht insofern zu beruhigen, dass er darauf hinweist, es würde sich ja nicht um eine neue Produktionsfirma handeln, sondern lediglich um eine zusätzliche Beteiligung von ZDF Enterprises an der Bavaria Fernsehproduktion, die ja aber noch nicht unter Dach und Fach sei. Gleichzeitig räumt er ein: „Die Bedeutung international ausgerichteter Produktion und Distribution nimmt bestimmt zu.“ Zwar sei die Bavaria selbst auch schon im Online-Vertrieb und bei Mobile-TV aktiv, doch handele es sich bei den neuen digitalen Vertriebswegen „nicht um einen eigenständigen Markt“, sondern ein Zusatzgeschäft. Bedeckt hält sich die Bavaria nach wie vor in Sachen HD, weil die Produktion damit „teurer als in SD“ sei. In Bezug auf die fiktionale Produktion warnt Esche vor einer US-Orientierung und analysiert „Wir müssen wieder mehr zu unseren eigenen Stärken zurückfinden. Bei der Bavaria sind das vor allem auch die „Literaturverfilmungen“

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und was gibt es dazu Neues aus der Bavaria-Produktion zu sehen?
Mit Literaturverfilmungen wie die Produktion „Die Buddenbrooks“, die sich gerade in der Vorbereitungsphase befindet, setzt die Bavaria Film Gruppe kulturelle Highlights: Der Fernsehzweiteiler „Der Teufelsbraten“ nach dem Roman „Das verborgene Wort“ von Ulla Hahn wurde unter anderem mit Ulrich Noethen und Corinna Harfouch verfilmt, Regie führte Hermine Huntgeburth. Eine weitere Romanverfilmung wird der neue Mankell-Roman „Kennedy´s Hirn“ sein. Hier arbeiten wir mit Henning Mankells Firma Yellow Bird zusammen. Neben zwei Piloten für RTL, die noch dieses Jahr gedreht werden sollen, haben wir beispielsweise mit „Tschernobyl“ (AT) einen Stoff in Entwicklung, der den Nerv der Zeit trifft. Die kommende TV-Saison wird zeigen, dass die deutsche Serie nicht tot ist. Programme wie „KDD“ oder „Stromberg“ beweisen, wie qualitativ hochwertig und innovativ die deutsche Serienlandschaft ist.

Worauf führen Sie denn den anhaltenden Erfolg einiger US-Serien beim deutschen Publikum zurück?
US-Serien werden auch weiterhin von Bedeutung sein. Die jüngste Vergangenheit zeigte jedoch, dass die in den USA erfolgreichen Serien nicht zwangsläufig Quotengaranten für das deutsche Publikum sind. Gleichzeitig wird Innovation in Erzählweise und ästhetischer Bildgestaltung vom Zuschauer eher in Hollywood-Produktionen akzeptiert. Deshalb müssen wir wieder mehr zu unseren eigenen Stärken zurückfinden und uns nicht zu sehr an US-amerikanischen Formaten orientieren. Versuche, die ästhetisch als auch erzählerisch zu nahe an US-Formaten waren, wurden vom Publikum nicht akzeptiert. Uns steht hier zudem nicht annähernd das Budget zur Verfügung wie in den USA für Serien-Produktionen ausgegeben wird.

Offensichtlich strebt die Bavaria Film mit der avisierten Gründung einer gemeinsamen Produktionsfirma zusammen mit dem Weltvertrieb ZDF-Enterprises an, sich noch stärker international auszurichten, indem Produktion und Weltvertrieb stärker miteinander verknüpft werden sollen. Ist es mittlerweile ein „Must“ für deutsche TV- und Filmproduzenten geworden, sich verstärkt international zu orientieren – und vor welchem Hintergrund?
Bavaria Film und das ZDF haben nicht vor, eine neue Produktionsfirma zu gründen. Das ZDF wird sich – bei positivem Verlauf der Gespräche – an einer bestehenden Produktionsfirma, der Bavaria Fernsehproduktion, beteiligen. Unabhängig von dieser Frage nimmt die Bedeutung international ausgerichteter Produktion und Distribution bestimmt zu, jedoch besteht kein Anlass, diese Entwicklung dramatisch zu beurteilen. Nationale Produktionen wird es auch in Zukunft zahlreich geben, da diese für Identifikation und Zuschauerbindung einfach unerlässlich sind.

Aufgrund der Digitalisierung gibt es neuartige Vertriebswege und Verwertungsmöglichkeiten für audiovisuelle Produktionen: von Spartenprogrammen bis Mobile-TV. Inwieweit ist die Bavaria in diesen neuen Geschäftsfeldern aktiv beziehungsweise welche Pläne gibt es diesbezüglich?
Die digitale Revolution ist seit geraumer Zeit ein großes Thema innerhalb der Bavaria Film Gruppe – wir sind sowohl was die Online-Distribution als auch die Produktion originärer Inhalte für Mobile-TV angeht aktiv. Die neuen Vertriebswege sind aber aktuell als ein zusätzliches Geschäft und nicht als eigenständiger Markt zu sehen, da letztere noch nicht weit genug entwickelt ist.

Was halten Sie von IP-TV? Wird sich IP-TV beziehungsweise die Möglichkeit, Fernsehen oder Video über das Internet abzurufen, für TV- und Film-Rechtebesitzer zu einem lukrativen Geschäftsfeld entwickeln, auch für die Bavaria?
IP-TV bedeutet zum einen neue Möglichkeiten der Programmgestaltung, Stichwort „Interaktivität“. Zum anderen löst sich mit IP-TV endgültig das Problem der begrenzten Kapazitäten. Die fast unbegrenzte Anzahl von Sendern wird die Nachfrage nach Programminhalten potenzieren. Auch hier gilt aber, dass die Marktdurchdringung noch nicht erreicht ist. Zudem gab es in der Vergangenheit zahlreiche Beispiele, dass die technische Möglichkeit nicht immer das vom Konsumenten Gewünschte war.

Die Bavaria hat sich in Bezug auf HD in der Vergangenheit mehr als zurückhaltend gezeigt. Welchen aktuellen Stellenwert nimmt die HD-Produktion für die Bavaria – zumal in Bezug auf die Optimierung des Production Values für den Weltvertrieb – ein?
Festzuhalten ist, dass HD-Produktion deutlich kostspieliger ist als SD. Im Bereich der Auftragsproduktionen kann angesichts der knappen Margen nur das Material verwendet werden, welches auch bezahlt wird. Jedoch ist absehbar, dass HD-Technik in den kommenden Jahren günstiger werden wird und auch bei den Endgeräten die notwendige kritische Marge an HD-fähigen Wiedergabegeräten erreicht ist. Diese Entwicklung voraussehend hält sich die Bavaria Film Gruppe im Bereich der technischen Dienstleistungen HD-Technik vor.

Wir wollen Potentiale erhöhen und Risiken diversifizieren

Der Finanzierungsexperte David Groenewold gehört zu den Youngstern unter den größeren deutschen TV- und Filmproduzenten. Zum ersten Mal hatte er bei der Sat.1-Produktion „Das Wunder von Lengede“ Furore gemacht, der er über seinen Medienfonds German Film Productions, GFP, co-produzierte und damit die damalige Finanzierungslücke schloss. Auch bei der Sat.1-Serie „GSG 9“, die demnächst in die zweite Staffel geht, ist GFP als Co-Produzent beteiligt. Groenewold ist außerdem Geschäftsführender Gesellschafter der Promedium Gesellschaft für Medienfinanzierung mbH und hat vor allem von der Bavaria die Odeon Film AG gekauft, deren Vorstand er ist, und die er immer breiter aufstellt, zum Beispiel mit einer Kinofilmtochter. Der Großteil der Erlöse, so weiß Groenewold als TV-Produzent, wird auf dem nationalen Markt generiert. Etwas anders sehe es aber im Kinofilmbereich aus. Hier müsse man auch international produzieren, um eine Refinanzierung zu erzielen und erfolgreich im Auslandsverkauf zu sein. Zu den neuen digitalen Vertriebsmöglichkeiten stellt Groenewold fest: „Damit lässt sich schwer Geld verdienen.“ In Bezug auf die HD-Produktion beobachtet er noch den Markt. Als Programmtrends nennt Groenewold Krimi-Serien, Event-Movies und „günstig produzierte Doku-Soaps“. Groenewold strebt an, mehrere Geschäftsfelder im Bereich TV- und Filmmarkt zu besetzen, um so „Potenziale zu erhöhen und Risiken zu diversifizieren“.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und was gibt es dazu Neues aus dem Produktionsunternehmen Odeon Film oder seitens der Koproduktionsaktivitäten Ihres GFP Medienfonds zu sehen?
In der kommenden TV-Saison dürften weiterhin Krimi-Serien und Event-Movies, aber auch günstig produzierte Doku-Soaps in der Gunst der Zuschauer liegen. Im Hause der Odeon-Film werden wir weiterhin einen Schwerpunkt auf die Produktion hochwertiger Serien legen. Aktuell produzieren wir zum Beispiel weitere Folgen von „Der Kriminalist“. Weitere Abschlüsse werden wir in Kürze bekannt geben.
Worauf führen Sie den anhaltenden Erfolg einiger US-Serien beim deutschen Publikum zurück? Handelt es sich um einen längerfristigen Trend?
Der hochwertige „Look“ der amerikanischen Serien kommt momentan sehr gut bei den deutschen Zuschauern an. Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch, dass die amerikanischen Formate, wenn sie nach Deutschland kommen, schon Erfolge bei den Zuschauern in den USA feiern konnten. Des Weiteren haben die Produzenten dieser Serien in der Regel mit mehreren Millionen Dollar pro Folge ein größeres Budget zur Verfügung, als es in Deutschland üblich und machbar ist. Deutsche Produzenten haben jedoch in den letzten Jahren einen großen Schritt getan: Mit einem relativ geringen Budget schaffen es die Produzenten hierzulande, sehr hochwertige Serien zu produzieren, die an Qualität den amerikanischen in nichts nachstehen. Es ist daher also gut vorstellbar, dass der Trend in den nächsten Jahren wieder weg von amerikanischen und hin zu deutschen Produktionen gehen wird. Zudem ist, wenn man die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte betrachtet, immer ein zyklisches Auf und Ab bei der Nachfrage nach Deutscher- und US-Ware zu beobachten.

Welchen Stellenwert hat der Blick auf den Weltvertrieb für Ihre Unternehmen? Ist die „Internationalisierung“ ein „Must“ für deutsche TV- und Filmproduzenten, um erfolgreich zu sein?
Die Odeon Film AG produziert in erster Linie Serien für den deutschen Markt. Dass sich diese auch international gut verkaufen lassen, ist ein erfreuliches Plus, aber kein „Must“ – hier wird auch nicht der Großteil der Erlöse erzielt. Im Bereich Kinoproduktion sieht es jedoch etwas anders aus: hier ist es zumeist wichtiger auch für den internationalen Markt zu produzieren, um einen Film refinanzieren zu können.

Inwieweit sollten sich TV- und Filmproduzenten an dem New Business im digitalen Verwertungsgeschäft von Spartenprogrammen bis Mobile-TV aktiv beteiligen, und was halten Sie speziell von IP-TV?
Die neuen Vertriebswege bieten Chancen im Bereich der Erschließung neuer Zielgruppen und neuer Märkte. Auf jeden Fall muss man hier immer auf dem neuesten Stand bleiben und aufpassen, dass man nicht den Anschluss verliert. Gerade aufgrund der vielen verschiedenen Angebote und Möglichkeiten muss man sich gut überlegen, in welche Felder investiert wird. Derzeit ist es noch sehr schwer, damit Geld zu verdienen, aber es ist wichtig, sich frühzeitig gut aufzustellen, um in Zukunft als unabhängiger Produzent erfolgreich am Markt bleiben zu können. Das gilt auch für IP-TV. Das Internet ist vor allem bei der jungen Zielgruppe nicht mehr wegzudenken und hat sich als Unterhaltungsmedium schon voll etabliert. Heute werden aber – wie auch beim Mobile-TV – bislang nur eher marginale Erlöse erzielt.

Welche Relevanz hat HD in der Produktion für Sie?
Momentan produzieren wir noch nichts in HD, doch ist dies natürlich ein sehr interessantes Geschäftsfeld und stellt eindeutig ein Format der Zukunft dar. Wir beobachten den Markt sehr aufmerksam und werden sicherlich bald einmal in HD produzieren.

Die Odeon Film AG ist seit kurzem mit 50,1 Prozent Gesellschafteranteile an der neu gegründeten Kinofilm-Produktionsfirma Waterfall Productions GmbH beteiligt, die in den ersten drei Jahren „bis zu acht Low-Budget-Filme mit klar definierter Genre-Ausrichtung“ auf die Beine stellen will. Sehen Sie im Kinofilm eine lukrative Alternative, sich unabhängiger vom deutschen Fernsehmarkt im Film- und TV-Bereich zu engagieren? Und hat das auch etwas mit den Internationalisierungs- und Digitalisierungsprozessen zu tun?
Es ist immer von Vorteil, sich in mehrere Richtungen zu orientieren und mehrere Geschäftsfelder zu besetzten. Der Filmmarkt bietet erhebliche Potenziale, aber auch höhere Risiken als TV. Dass wir uns auf verschiedene Schwerpunkte konzentrieren, soll die Chancen und Potenziale erhöhen und Risiken diversifizieren. Deutsche Kinofilme können nicht nur national sehr erfolgreich sein, sondern erlangen zunehmend auch internationales Interesse, gerade im Nachgang des Oskar-Gewinns von „Das Leben der Anderen“. Insbesondere im Zuge der Digitalisierung kann der Aufwand, Filme zum Zuschauer zu bringen, deutlich geringer werden. Dies bietet besonders auch Kinofilmen, die außerhalb des Mainstreams spielen, eine Chance zum Erfolg.

„Wir haben die Chance auf einen neuen Trend 2008“
Nach dem bislang größten Erfolg als TV-Produzent, den Christian Popp bei der Ufa mit der Etablierung verschiedener Telenovela-Formate wie „Bianca“ (ZDF) und „Verliebt in Berlin“ (Sat.1) feierte, hat er mit Producers at Work ein eigenes Produktionsunternehmen auf die Beine gestellt, an dem die ProSiebenSat.1-Gruppe mit 67 Prozent beteiligt ist. Der allerersten Produktion von Producers at Work, die Telenovela „Schmetterlinge im Bauch“, war dann aber kein Erfolg beschieden. Auch die Primetime-Serie R.I.S. auf Sat.1, fand keinen gigantischen Zuspruch bei den Fernsehzuschauern, wird aber demnächst in die zweite Staffel gehen, weil sich die Quoten offenbar gefestigt haben. Popp plant nun, wie er sagt, R.I.S., ein von Sat.1 in Italien eingekauftes Format, verstärkt auf die Sehwünsche des deutschen Publikums auszurichten. Dabei geht Popp davon aus, dass kurzfristig im deutschen Fernsehmarkt weiterhin US-Serien dominieren werden, aber keine neuen Impulse mehr geben werden. Popp sieht eine Chance für einen neuen Trend 2008 bei den deutschen Eigenproduktionen, wenn es gelingt eines der Genreserien „erfolgreich neu zu definieren“. Als Spezialist gerade auch für die hochwertige industrielle Serienproduktion, die auch bei R.I.S. zum Zuge kommt, setzt Popp HD auch schon aktuell in der Produktion von fiktionalen Programmen ein. Obwohl TV ein „nationales Geschäft“ ist, erhofft er sich „durch die Europäisierung der ProSiebenSat.1-Gruppe einen zusätzlichen Impuls im internationalen Bereich“.

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und was gibt es dabei Neues aus dem Produktionsunternehmen Producers at Work zu sehen?
Nach wie vor wird die US-Serienware die Primetime dominieren, auch wenn von dort keine neuen Impulse kommen werden. In der deutschen Eigenproduktion werden klassische Genreserien das Bild prägen – Krimis, Medicals und Anwaltsserien. Wenn es gelingt eines dieser Genres erfolgreich neu zu definieren, haben wir die Chance auf einen neuen Trend 2008. PaW entwickelt zurzeit neue Programme um sehr ungewöhnliche Hauptfiguren und entfernt sich dabei ein Stück weit von den Ensembleentwicklungen der Vergangenheit. Außerdem werden wir den Bereich Comedy, trotz der nicht ganz einfachen Marktsituation, weiter ausbauen.

Obwohl Ihre Sat.1-Serie R.I.S. sich durchaus an Mustern erfolgreicher US-Krimi-Serien orientierte, wie etwa auch die deutsche Eigenproduktion „Post Mortem“ auf RTL, konnten beide Formate im ersten Anlauf nur laue Quoten erzielen. Haben Sie eine Erklärung dafür und auch ein „Rezept“, wie man es besser machen kann, zumal in der zweiten Staffel von R.I.S.?
Wir werden R.I.S emotionaler und manchmal bewusst auch etwas langsamer erzählen. Das bedeutet mehr Konzentration auf die Charaktere unserer Ermittler und spannende, aber auch nachvollziehbare Fälle. Der deutsche Zuschauer ist ein unglaublicher Rätselfanatiker und liebt es mitzuraten. Dieses Bedürfnis müssen wir stärker bedienen.

Im hiesigen Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international aufzustellen, auch um sich in der Produktion am Weltvertrieb zu orientieren. Sehen Sie das als „Must“ für deutsche TV-Produzenten, wenn Sie in Zukunft erfolgreich sein wollen, und was hat Producers at Work diesbezüglich vor?
Producers at Work hat bereits mehrere Initiativen und Entwicklungen angestoßen, um auch außerhalb Deutschlands Finanzierung und Lizenzierung von Programmen voranzutreiben. Aber eins ist auch klar: Fernsehen bleibt ein nationales Geschäft, und hier liegt auch unser Schwerpunkt für die nächsten Jahre. Ich erhoffe mir jedoch durch die Europäisierung der ProSiebenSat.1-Gruppe einen zusätzlichen Impuls im internationalen Bereich.
Die Digitalisierung bietet eine Reihe von neuartigen Vertriebswegen für Filme und Serien an – inwieweit wird sie Producers at Work auch unabhängig von den Aktivitäten der ProSiebenSat.1-Gruppe nutzen?
In Zukunft werden unsere Programme nicht mehr nur über den Fernseher vertrieben. Die Fragmentierung des Massenmediums TV durch Substitutionsmedien ist im Gange. Für die Finanzierung und die Herstellung von Programmen bietet uns das neue Möglichkeiten, die wir ausloten.

Welche Rolle spielt HD für Producers at Work, zumal in Bezug auf den Production Value?
Bei R.I.S erzeugen wir den hochwertigen Look unter anderem durch die Abtastung und die Sendebandherstellung auf HD. Außerdem planen wir noch in diesem Jahr, ein TV-Movie komplett auf HD herzustellen.

Kann der Kinofilm aufgrund der Digitalisierungs- und Internationalisierungsprozesse auch für deutsche TV-Produzenten in Zukunft mehr Relevanz als bisher erhalten, zumal es dafür ja auch neue Fördermittel gibt?
Kino besitzt für Producers at Work zurzeit keine strategische Priorität. Allerdings haben wir mit Alicia Remirez [Ex-Stellvertretende Sat.1-Geschäftsführerin und Fiction-Verantwortliche bei Sat.1, Anm. d. Red.] eine Produzentin gefunden, die in diesem Bereich bestens vernetzt ist. Mittelfristig kann ich mir also ein Engagement im Kino vorstellen.

„Wenn man vernünftig produziert, ist der Kostenfaktor mit HD nicht höher“
Mit Internationalisierung hat der Chef von BRAINPOOL, Jörg Grabosch, nichts mehr am Hut. Der Erfolg des Auslandsverkaufs seines Formats „Schlag den Raab“ freut ihn mehr „aus Gründen der Ehre“, wie er auch an einer Beispielrechnung genau dekliniert. Den verstärkten Trend zu Real-Live.Documentary sieht Grabosch eher etwas belustigt. Bei der Durchsetzung von deutschen Serien setzt er langfristig auf einen „Gewöhnungseffekt“. Klar macht Grabosch auch bei den Zusatzgeschäften mit den digitalen Vertriebswegen mit, da hat er so eine „Shop“-Idee für die BRAINPOOL-Programme im Hinterkopf. HD ist für Grabosch keine Zukunft, sondern Gegenwart, offenbar egal, wie sich die Sender dem Thema gegenüber verhalten. Grabosch: „Wir drehen fast alles in HD. Unsere Fiction-Programme sowieso.“ Und das hat auch seinen Grund: „Wir haben einen eigenen technischen Dienstleister, an dem wir auch beteiligt sind, nämlich Cape Cross, ein Licht- und Kameratechnik-Dienstleister.“

Welche Programmtrends aus deutscher Eigenproduktion sehen Sie für die kommende TV-Saison – und gibt es dazu aus dem Hause BRAINPOOL etwas Neues jenseits von Comedy und Stefan Raab zu sehen?
Es verstärkt sich der Trend zu nicht-fiktionalen Fernsehformaten. An diesem Real Live-Documentary-Trend, der von „Auswanderern“ und „Lebensneubeginnern“ handelt, die mit der Kamera begleitet werden, über „Kochen“ und „Frauentausch“ bis zur „Schuldenfalle und Schuldenberatung“ sind wir nicht beteiligt. Unser Schwerpunkt bleibt das klassische Entertainment: die Sketch-Show, die fiktionale Comedy und Events, die wir immer schon rund um „TV total“ erfolgreich in der Prime-Time gemacht haben. Etwa „Schlag den Raab“, was ja in die Richtung einer Game-Show-Unterhaltung geht, die wir weiter ausbauen wollen. Bei Comedy wird die Mischung von klassischer Unterhaltung unter Mitwirkung von Comedians zunehmen, wie man es auch schon vom Ausland her – zum Beispiel „Pop Idols“ – kennt. Wir entwickeln zurzeit auch neue Show-Konzepte, die sich nicht um Stefan Raab drehen, denn der Mann ist mehr als ausgelastet. Alle Entertainment-Produzenten versuchen zurzeit, neue funktionierende Formate zu entwickeln, die entweder an „Wer wird Millionär?“ – aber ohne Jauch – oder an „Schlag den Raab“ ohne Stefan Raab anzuknüpfen versuchen.

Schön gemacht – und doch konnte die ProSieben-Serie „Dr. Psycho“ aus dem Hause BRAINPOOL auch bei einem jüngeren Publikum bislang nicht annähernd so gut reüssieren wie es zurzeit einige US-Serien tun. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Offen gesagt habe ich da keine Erklärung für. Wir haben versucht, eine Mischung zwischen einem interessanten Charakter, wie er bei Dr. Psycho von Christian Ulmen verkörpert wird, und kriminalistischer Handlung wie sie beispielsweise bei amerikanischer Serien wie „Monk“ Erfolg haben, für den deutschen Markt zu entwickeln. Aber wie damals in der Anfangsphase „Für alle Fälle Fitz“ zündelt es noch nicht richtig. Bislang haben wir mit „Dr. Psycho“ weder die Krimi-Fans so richtig erreicht, noch die Charakterdarsteller-Fans, auch wenn Christian Ulmen für „Dr. Psycho“ mit dem Bayrischen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Da ist aber noch viel Entwicklungspotenzial drin. Wir werden versuchen, die kriminalistische Handlung noch ein bisschen stringenter zu machen und gehen davon aus, dass auch der Gewöhnungseffekt sukzessive zum Erfolg führen wird. Wir haben mit „Stromberg“, übrigens wie „Dr. Psycho“ auch von Ralf Husmann geschrieben und produziert, ähnliche Erfahrungen gemacht. „Stromberg“ kam erst in der dritten Staffel beim Publikum richtig an. Es ist immer schwierig, wenn man mit Eigenproduktionen neue Wege geht. Zumal gegen die internationale Konkurrenz, die mit unfassbaren Budgets produzieren und eine hohe Qualität hinlegen. Aber auch die neue Qualität von US-Serien ist vom Publikum nur langsam, schrittweise akzeptiert worden, von VOX in die RTL-Primetime. Für unsere Formate gibt es keine Schonfrist. Wir müssen sofort gegen international etablierte Formate antreten, weshalb es umso wichtiger ist, dass ein Sender hinter dem Format steht. Wir freuen uns, dass ProSieben das tut, und hoffen, dass sich „Dr. Psycho“ zukünftig so positiv entwickeln wird wie „Stromberg“.

Im hiesigen Produzentenmarkt gibt es eine verstärkte Tendenz, sich international aufzustellen oder in der Produktion am Weltvertrieb zu orientieren. Wird sich auch BRAINPOOL doch wieder verstärkt „internationalisieren“ trotz der offenbar nicht unbedingt positiven Erfahrungen, die Sie bereits unter dem Dach des amerikanischen Konzerns VIACOM hatten?
Für uns ist die Zugehörigkeit zu einer internationalen Organisation nicht entscheidend. Wir haben uns im Gegenteil ganz bewusst entschieden, da wieder rauszugehen, weil wir hauptsächlich den deutschen Markt bedienen wollen. Dennoch freuen wir uns über internationale Erfolge. Das Format „Schlag den Raab“ ist in die USA, nach England, Schweden, Finnland, Spanien, Italien, Norwegen, Belgien und in die Niederlande verkauft worden. Das war aber nicht unsere Intention. Wir haben uns nicht hingesetzt und überlegt, wie wir eine Show machen können, die sich weltweit gut verkauft, sondern wir wollten eine Show machen, die möglichst erfolgreich im deutschen Markt wird.

Wie viel verdient man mit einem Formatverkauf im Weltvertrieb eigentlich?
Von dem Weltvertrieb eines Formats könnte man kaum leben. Allein ein Format wie „Wer wird Millionär“, das in fast jedes Land verkauft wird und viele Folgen hat, kann wirtschaftlich interessant sein – ähnlich wie „Big Brother“. Wir haben mit „Schlag den Raab“ zwar die großen Märkte erobert, aber ein Riesengeschäft ist das nicht. Faustregel ist, dass ein Produzent, wenn eines seiner Formate in einem anderen Markt umgesetzt wird, etwa fünf Prozent an dem dortigen Produktionsaufwand pro einzelner Folge erhält. Davon muss man als Erfinder-Produzent aber noch die Distributions-Fee abziehen, die der Vertreiber, in unserem Fall Seven One Internationals, die Vertriebstochter von ProSiebenSat.1, erhält. Dann bleiben über den Daumen gepeilt zwei oder drei Prozent für den Produzenten übrig. Da braucht man schon ein sehr großes Produktions-Budget, das in den einzelnen Märkten realisiert wird, damit es lukrativ werden kann.

Bitte eine Beispielsrechnung!
Würde eine Show nach unserem Format „Schlag den Raab“ eine Million Euro kosten, was schon sehr teuer ist für zum Beispiel Märkte wie Schweden oder Finnland und sich deshalb nur einige wenige Märkte erlauben können, dann bleiben 50.000 Euro für den Produzenten übrig, der bis zur Hälfte an den Vertreiber weitergeben muss. Man könnte an einer Show 25.000 Euro im Weltvertrieb als Produzent verdienen, aber nur, wenn man einen Markt hat, in dem die Show tatsächlich für eine Million produziert werden kann.

Das sind dann ja doch recht kleine Zusatzeinnahmen, die man über den internationalen Formatvertrieb generieren kann im Vergleich zu dem Entwicklungsaufwand, den man dafür betrieben hat…
Der Weltvertrieb freut uns deshalb mehr aus Gründen der Ehre, dass auch mal deutsche Formate den Weg ins Ausland schaffen. Er kann aber nicht die wirtschaftliche Basis für BRAINPOOL sein, weil die Marge zu klein ist.

Wie sieht es im Vergleich dazu im New Business aus, das sich durch neue Vertriebswege im Zuge der Digitalisierung ergibt, wo man ja allerhand auf die Beine stellen könnte, wenn man wollte – von Spartenprogrammen über IP-TV bis Mobile-TV. Wie schätzen Sie diese Möglichkeit ein und was machen Sie da schon?
Auch interessant. Da machen wir mit. Ich glaube, wir waren mit die ersten, die schon vor mehr als zehn Jahren mit unserer „Wochenshow“ bei Sat.1 ins Internet gingen. Wir haben mit „TV total“ eine sehr erfolgreiche Website und mischen mit bei Mobile-TV. Über die Sendergruppe ProSiebenSat.1 sind wir auf der Video-on-Demand-Plattform von Maxdome vertreten. Da können Sie uns im Einzeldownload und im Paket bekommen. Wir sind bei digitalen Kabelangeboten dabei: beim Sat.1 Comedy Chanel. All das ist aber ähnlich wie im Formatvertrieb aktuell für uns noch „Nebenkriegsschauplatz“. Und bis auf „TV total“ haben wir keine eigenständigen Angebote in diesem Bereich. Wir überlegen allerdings, ob wir im Bereich Comedy noch aktiver werden mit Formen, die nicht direkt an einer Sendung gebunden sind, sondern neutral. Wir haben ja eine Marke die „Comedy World“ heißt. Darunter betreiben wir einen Shop, über den wir online unsere DVDs und unser sonstiges Merchandising verkaufen. Breite digitale Angebote sind nicht so einfach, wenn man nicht ein Programmangebot hat wie eine komplette Sendergruppe, die Infrastrukturkosten, die man dafür braucht, auch tatsächlich wieder erwirtschaften kann. Aber es ist ein interessantes Feld, und wir machen immer wieder interessante Deals auch mit Mobilfunkunternehmen. Wir haben sogar seit Jahren einen eigenen, sehr erfolgreichen Mobile-TV-Kanal zum Thema Comedy bei Vodafone – Comedy World. Eigene IP-TV-Aktivitäten gibt es allerdings noch nicht. Aber wir beobachten genau, was sich in diesem Bereich alles tut, nämlich viel. Die Online-Anbieter werden immer stärker zu Medienhäusern und damit auch zu möglichen Kunden für Produktionsfirmen wie BRAINPOOL. Noch ist aber ganz klar: Mit weitem Abstand ist das klassische Fernsehen inklusive seiner vielen Angebote unser Hauptkunde. Das wird wohl auch ewig so bleiben, weil sich niemand aus reinen IP-Quellen eine Produktion wie „Schlag den Raab“ erlauben könnte.

Wie sieht es in der Beziehung zwischen BRAINPOOL und High-Definition aus? Das ZDF hat angekündigt, seine Programme ab Januar 2010 in HD auszustrahlen, die ProSiebenSat.1-Gruppe macht es teilweise schon jetzt. Ist HD als Produktionstechnik für BRAINPOOL interessant?
Wir drehen fast alles in HD. Unsere Fiction-Programme sowieso.

Wird das denn von den Sendern extra bezahlt?
Nein, das wird nicht extra bezahlt. Es kostet aber auch eigentlich nicht mehr. Wenn man es vernünftig produziert, ist der Kostenfaktor mit HD nicht höher, als wenn man wie früher Fiction-Serien auf Film dreht. Außerdem muss man heutzutage in HD drehen, damit das Material zukunftsfähig ist. Eine Fiction-Serie kommt ja auch gerne Jahre später wieder zum Einsatz. Und wenn in zehn Jahren alle nur noch in HD ausstrahlen, sieht man ja alt aus, wenn man kein HD-Material hat. Überall, wo es geht, auch bei Shows, drehen wir auf HD. Zum Beispiel auch bei Atze Schröder für RTL. Allerdings konvertieren wir HD auch wieder auf SD runter, weil die Sender noch nicht in HD ausstrahlen.

Haben Sie in Bezug auf HD einen speziellen technischen Dienstleister, mit dem Sie zusammenarbeiten?
Wir haben einen eigenen technischen Dienstleister, an dem wir auch beteiligt sind, nämlich Cape Cross, ein Licht- und Kameratechnik-Dienstleister. Und deshalb produzieren wir alles, wo immer möglich, in HD.

Erika Butzek (MB 07/07)

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